Der Tigeraffe: und andere mitteldeutsche Bestsellerautoren
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Über dieses E-Book
Die bis heute bedeutendste deutsche Geschichte stammt von E. Vehse. Die 48 Bände enthielten soviel Sprengstoff, daß kaum eine Bibliothek mehrere Bände besitzt. Google kopiert seine E – Buch – Reihe in amerikanischen Universitäten. Dresdens größter Romancier wurde vergessen, weil er ein polnisches Pseudonym wählte.
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Buchvorschau
Der Tigeraffe - Klaus Hoffmann - Reicker
0 Auf – und Abstieg der Bürgerlichkeit
Der Schriftsteller Kurt Arnold Findeisen kommt in seinem „Hausbuch sächsischer Dichtung" zu der Feststellung, daß Sachsen nur wenige herausragende Dichter und Denker hervorgebracht habe, wenn man einen Riesen wie Lessing als Ausnahme betrachte. In dieser Überlegung fehlen möglicherweise einige wichtige Bestsellerautoren der Vergangenheit, über welche die Zeit dahin ging, weil sich der Wertekanon des Bürgertums seit 1525 ständig wandelte, angetrieben durch die wirtschaftlich – politische Entwicklung. Der sogenannte dritte Stand strebte schließlich unaufhaltsam auf die ungeheure, alles infragestellende wissenschaftlich – technische Revolution am Ende des 19. Jahrhunderts zu. Dabei kam den Schriftstellern als Vordenkern eine zentrale Rolle zu. Ausgerechnet auch von den heute meist vergessenen Männern der Feder sind bedeutende Impulse für Deutschland ausgegangen. Sie waren es, die auch an dem universalen bürgerlichen Modell arbeiteten, das Freiheit, Gleichheit und Teilhabe aller am Staat formulierte und damit die Verallgemeinerung von bürgerlicher Kultur und Lebensweise anstrebte. Logen, Kirchen, Schulen, Lesegesellschaften, Zirkel, Zeitschriften formten langsam dann alle in diesem Sinne.
Das diese oft imponierenden Entwürfe für eine neue Gesellschaft, Politik und Kultur von Anfang an etwas Utopisches hatten, blieb damals noch im Verborgenen, da sich das Tempo des Fortschritts erhöhte und nicht vorausschaubare Wege ging. Alles kam auf den Prüftisch kommerzieller Tauglichkeit. Die Denkmodelle waren allerdings oft genug bereits beim Schreiben überholt.
Im ausgehenden Mittelalter erst erkämpfte sich das Bürgertum in den größeren Städten zwischen Bauern und Adel seine bürgerlichen Freiheiten. Seitdem mußten die bürgerlichen Werte immer wieder neu ausgehandelt werden. Ablesbar ist dieser Prozeß sehr gut an der Entwicklung literarischer Inhalte, Genres und Formen.
Der geniale Bergmannssohn Luther aus Eisleben eröffnete die beträchtliche Reihe bürgerlicher Autoren und hauchte ihr jenes keimfreie, schulmeisterlich-disziplinierte Christentum ein, das für seinen Bierkonsum bekannt war. Danach ging es Schlag auf Schlag.
Während des Kampfes um eine zweite bürgerliche Reformation am Ende des 16. Jahrhunderts bereits kam ein Buch heraus, das sich in den entstehenden heftigen Streit einmischte – das Schildbürgerbuch - ein konservatives Werk mit eindeutig reaktionären Zügen. Sein Autor blieb deshalb absichtlich im Verborgenen, wollte er doch die von Kurfürst Moritz eingeleitete Stärkung des Bürgertums untergraben, was ihm wohl auch gelungen ist.
Mit Sachsens Aufstieg zu einem der führenden deutschen Teilstaaten und seinem unkontrollierten Belehrungsdrange der von Leibeigenschaft zumeist verschonten Bürger kam die Aufklärung. Sie prägte in der Zeit des Frühkapitalismus die bürgerliche Denkart aus, die eng mit den bürgerlichen Tugenden Leistung, Fleiß und Sparsamkeit verbunden ist. Dabei formten sich die bürgerlichen Intellektuellen selbst zum Bildungsbürgertum um, das nicht selten auch Kritik an den vorherrschenden bürgerlichen Vorstellungen und Ideen zu formulieren vermochte.
In diese Zeit gehören solche Autoren wie Winckelmann mit seiner radikalen Abkehr von allem Barocken, Böttiger und die Kritik an der Weimarer Klassik, Elisa von der Recke mit ihren Gedanken zur Emanzipation der Frau und Eduard Vehse, ein konsequenter Liberaldemokrat, der gegen alles Feudal –Höfische stritt. Fichte legte in dieser Zeit seinen utopisches Gesellschaftsmodell vor, welches den Sozialismus ddr - scher Prägung vorweg nimmt, eine literarische Besonderheit, welche offenbar nur Ernst Bloch aufgefallen ist.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bürgertum durch die anschwellende Arbeiterschaft defensiver. Es schrumpfte auf etwa 7 % der Bevölkerung, was blieb, wird oft wilhelminisches Bürgertum genannt und ist von den Autoren wahrgenommen und im Professor Unrat ausreichend karikiert worden.
Nach 1900 begann die stufenweise Demontage des Bürgerlichen und dürfte mit der Spaßgesellschaft um 1990 abgeschlossen worden sein. Seither nehmen die gesellschaftlichen Entwürfe der Künstler rapide ab, wenn man von Sience - Fiktion – Autoren einmal absieht.
Mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel wird schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Ansicht vertreten, daß das Bürgertum als beispielgebender Lebensstil insgesamt bereits museumswürdig ist. Ein solches Refugium des Bürgertums war möglicherweise die Gesellschaft auf dem Dresdner Weißen Hirsch bis 1989. Heute ist auch dort daraus eine nachbürgerliche Gesellschaft von Angestellten, Beamten und anderen Gruppierungen hervorgegangen, die im Wesentlichen einen neuen Mittelstand bilden und sich ungeachtet ihrer bürgerlichen Wurzeln im Stil nicht von der übrigen Industriegesellschaft zu unterschieden sind. Da entfällt diese formende Aufgabe der Schriftsteller. Er kann nur noch resümieren.
1 Warum aus Schildaern Schildbürger wurden
Wir wissen spätestens seit Heraklit, daß alles fließt. Offensichtlich betrifft das sogar den Deutschlehrplan. Vor 1918 las man von Königen und ihren Taten, nach 1933 kam das teutsche Wesen in die Lesebücher, ab 1948 gab es Geschichten vom revolutionären Proletariat. Sozusagen abgesegnet wurde dieser seltsame Belletristikbrei bei allen Gesellschaftsordnungen seltsamerweise von Goethe, dessen Klassik diese Farbwechsel sozusagen unbeschadet überstand. Erst in neuerer Zeit hat man sich von ihm und vielen anderen Lehrplaninhalten getrennt. Man weiß nun gar nicht mehr, wie was einzuordnen und zu bewerten ist. Dieses bedeutende Volksbuch könnte ein Beispiel dazu sein.
Lalebuch 1597
Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen geblieben. Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat
Auf diese Weise nicht nachzuvollziehende Weise verschwand auch irgendwann ein Lesestoff, der lange in unseren Lesebüchern überdauert hat – das Schildbürgerbuch. Der Sinn dieses Buches war offensichtlich nicht nur der Frau Lehrerin verborgen geblieben. Ein neues Lexikon spricht von „Schwänke als törichte Unternehmung, also etwas, das als Comedy durch alle Fernsehprogramme geistert. Mein alter Meyer von 1876 definiert: „ Schwanksammlung, welche groteske Narrenstreiche von Kleinstädtern im fiktiven Laleburg schildert. Stichelschwänke von Leuten, die klüglich reden und töricht handeln.
Das klingt in meinen Ohren schon besser, nicht so bei meiner Enkelin Tanja (6).
Weil diese Geschichten ja eigentlich lustige Schwänke sind, las eine Mutter den Kindern Die Kuh auf der Mauer vor: Der Bürgermeister von Schilda hatte festgestellt, daß auf der Mauer eines Hauses, das vor Jahren altersmüde eingestürzt war, schönes grünes Gras und würzige Kräuter wuchsen.
Am nächsten Morgen wurde also die bürgermeisterliche Kuh feierlich zur Mauer geleitet. Der Bürgermeister band das Halfter los und sagte: »So, Minna! Nun klettre hinauf und friß! « Aber die Kuh Minna dachte nicht im Traum daran, auf die Mauer zu klettern! Man schob sie, sechs Mann hoch, dicht an die Mauer. Der Bürgermeister schlug ihr eins hintendrauf. Es half alles nichts. Minna wollte nicht.
Da holten sie einen langen Strick, banden ihn der störrischen Kuh um den Hals, warfen das Ende des Stricks über die Mauer und zogen und zerrten und hingen am Seil wie die Küster an der Kirchenglocke. Dem armen Tier quoll, wie es so in der Luft baumelte, die Zunge aus dem Maul.
»Seht ihr?« rief der Schneider. »Sie kriegt schon Appetit!«
Tanja fand, das sei Tierquälerei und die Leute müßten bestraft werden. Die Mutter war völlig von der Rolle. So etwas hatte es in ihrer Schulzeit nicht gegeben, Vorschulkinder kritisieren die Weltliteratur.
Bauern dürften kaum so gehandelt haben, da sie von der Kuh lebten. Tanja hat schließlich völlig Recht. Nach dem Tierschutzgesetz von 1982 wird zudem jemand, der ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, mit bis zu 2 Jahren Gefängnis bestraft.
Es bleibt unserer Weisheit zunächst noch verborgen, weshalb studierte Germanisten bei ihrem unzähmbaren Drange nach Interpretation nicht zu dieser Erkenntnis kamen. Es könnte an der Zeit sein, dies nachzuholen. Das Schildbürgerbuch sollte künftig nicht mehr als Volksbuch seinem Ursprung nach, sondern als wichtige kulturhistorische Satire eines Einzelautors aus der Regierungszeit Kurfürst Christians I. betrachtet werden. So gesehen ist das Buch eigentlich ein politisches Buch.
Gedruckt wurde das Buch eines zunächst anonymen Autors 1597 in Straßburg. Im Vorspann steht, daß es in Misnipotamia handele, worin unschwer das Meißner Flußland zwischen Schwarzer Elster, Mulde und Elbe zu erkennen ist. Genau dort liegt Schilda, der scheinbare Schauplatz der sehr übertrieben ironischen Streiche.
Der Autor dieses Bestsellers (über Jahrhunderte) hat sich wegen seines Ranges und der Zensur verstecken müssen, schließlich wollte er vorsätzlich schaden. Als Pseudonym steht auf dem Titelblatt: Conradus ( = der Mit –Rat ) Agyrta (= der Anekdotensammler) von Bellemont ( = von Schönberg) – ein damals übliches gelehrtes Namensspiel. Dahinter verbirgt sich offensichtlich der kurfürstlich Rat, Hofrichter und Hauptmann der Festung Wittenberg Johann Friedrich von Schönberg.
Er war in einer der größten Zeiten Kursachsens hineingeboren worden, stand aber auf der stockkonservativen Seite.
Hans Friedrich von Schönberg kam mitten in der Dahlener Heide auf Gut Sitzenroda am 28.02.1543 bei Schilda zur Welt. Sein Vater, Heinrich von Schönberg, war einer der Großen als „dreyer Churfürsten zu Sachsen bestallter Rat, Hofmarschall und Rittmeister". Ab 1553 besuchte er die Fürstenschule zu Grimma. Zehn Jahre später wurde er an der Universität Wittenberg immatrikuliert. Nach seinem Examen an Jurist – Politiker waren offenbar schon oft als Rechtsverdreher ausgebildet – ging er auf Reisen, um sich weiterzubilden. 1577 rief ihn Kurfürst August zunächst als Assessor an das Hofgericht Wittenberg. Er machte sich schnell einen Namen bei der Bekämpfung der letzten Melanchthon – Anhänger, welche die Renaissance gleich an die Aufklärung anschließen wollten, um so den Einfluß von Adel und evangelischer Kirche zugunsten des beamteten Bürgertums stark einzuschränken. 1580 ist von Schönberg bereits der Kommissar der Universität, einige Jahre danach wurde er zum Hofrichter ernannt. In dieser Eigenschaft ging er nach dem plötzlichen Tode Kurfürst Christians I. als führendes Mitglied des Ausschusses der Ritterschaft gegen Dr. Nikolaus Krell, den damals weltberühmten kursächsischen Kanzler, vor. Ihn wählte man unter die Direktoren, welche den Prozeß gegen bereits halbtoten Krell zu führen hatten und schließlich den Stab auf dem Neumarkt 1601 über ihm brachen.
Hans Friedrich von Schönberg dagegen starb hochgeachtet auf Gut Falkenberg.
Er war einer derer, die Kursachsen vor einem Absturz ins Bürgerliche wie in Holland und England bewahrt hatten. Dazu gehört an herausragender Stelle ausgerechnet sein Schildbürgerbuch.
Man kann sich den Direktor der Universität als einen gern gehörten Erzähler in den Bierrunden der Professoren mit