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Das Geheimnis des Walen: Roman aus der Zeit der Gegenreformation
Das Geheimnis des Walen: Roman aus der Zeit der Gegenreformation
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eBook325 Seiten4 Stunden

Das Geheimnis des Walen: Roman aus der Zeit der Gegenreformation

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Über dieses E-Book

Dabei geht es vor allem um die "Kryptocalvinisten", welche mit einer 2. Reformation für das Bürgertum, die Aufklärung an die Renaissance anschließen wollen, um die bis heute fehlende tatsächlich ökumenische und christliche Kirche aufzurichten.
1574 - der Stab des "schwarzen Papstes", des Generals der Jesuiten, weist jetzt befehlend auf Sachsen, den Hort des deutschen Protestantismus: Kurfürst August 1. (1553-1586) ist auf die Seite von Kaiser und Papst zu bringen. Die gegen den Adel eingestellten fortschrittlich denkende Bürger wie der Kanzler Crackow, der Hofarzt Dr. Peucer, der Schwiegersohn Melanchthons, sowie der Erzieher des Kurprinzen , Dr. Krell, und andere Anhänger der kryptocalvinistischen Fraktion bei Hofe, sollen verdrängt werden
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. Jan. 2014
ISBN9783847671275
Das Geheimnis des Walen: Roman aus der Zeit der Gegenreformation

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    Buchvorschau

    Das Geheimnis des Walen - Klaus Hoffmann - Reicker

    Das Schachspiel von Leitmeritz

    Das Schachspiel von Leitmeritz

    Nach einem reichlich kalten, trüben März zeigte sich vor Ostern blanker Himmel über Leitmeritz. Die Nebel in der Elbaue waren schon früh der Sonne gewichen. Weit öffnete sich das fruchtbare Tal bis zu jener Stelle, wo die Eger ihre Wasser in die Elbe ergießt und den Garten Böhmens hervorbringt. Sogar die schmutzigen Gassen der Außenbezirke mit ihren eng an eng geklebten Gäßchen erschienen an diesem Morgen etwas freundlicher.

    Vor den Schloßstufen standen viele Bürger, einen schmalen Gang in der Mitte freilassend. Dumpfes Murmeln und Summen lief durch die Gruppen. Man wollte Vladislaw von Lobkowitz sehen, der seit kurzem wieder in den Häusern des Kollegiatskapitels wohnte. Für ihn war es schon sehr gewagt, hierher in die Hochburg des Lutherismus zu ziehen, denn im deutschsprachigen Grenzland des Sudetengebirges galt die Macht des Papstes seit einem halben Menschenalter nicht mehr.

    Wollten die Katholiken wieder ihr Haupt erheben?

    Viele waren nur herbeigeeilt, um den Mann in Augenschein zu nehmen, der gleich Daniel furchtlos in die Löwengrube stieg. Auch August I., Kurfürst von Sachsen, interessierte sich für diese Vorgänge. Er hatte einen verschwiegenen Mann an den Hohen Rat von Leitmeritz gesandt, das Bemühen der Katholischen zu erforschen.

    Wie würde der Bischof auftreten? Sollte es sogar Krieg geben? Die Papisten waren wieder im Vormarsch. So raunte und rätselte es durch die Ansammlung.

    Langsam wurde die Menge ungeduldig. Sie drängelte und schob sich vorlaut in den von Stadtknechten freigehaltenen Raum. Irgendein Witzbold machte seinen Spaß und rief: „ Seht, er kommt! Welche Pracht!" Alle reckten die Köpfe und erblickten nur den Stadttrunkenbold, der gerade aus der Schänke geworfen wurde. Lauthals schimpfte er über das sich wellenartig fortsetzende Gelächter.

    Stille trat ein. „In viam pacis", klang es noch aus dem St.-Stephansdom, das Ende der heiligen Messe anzeigend. Wenige Gläubige traten aus der großen dreischiffigen Hallenkirche ans Licht. Sie warteten, bis sich der Bischof und sein Hofstaat erhoben hatten und der bischöflichen Residenz zustrebten.

    Schweren Schrittes stieg der beleibte Herr Wladislaw die Stufen empor, versehen mit allen Zeichen seiner hohen Würde: das edelsteinbesetzte Bischofskreuz leuchtete auf den kunstvoll bestickten, blütenweißen Ornat, Bischofsring , Bischofsmütze und Hirtenstab zogen auch die Blicke der hartgesottensten Protestanten auf sich. Da schritt sichtbare Macht.

    Warum sollte sich das starke Leitmeritz zu seinen Obstgärten, Elbkähnen und Patrizierhäusern nicht auch einen richtigen Bischof leisten können? Entblößten Hauptes verneigten sich alle. Tief hatte jeder die Achtung vor den Hohen dieser Welt eingepflanzt bekommen. Wer wußte in diesem Augenblick noch, daß diese Kleriker nur faule Freßlinge und müßigen Mastsäue waren, welchen die armen Leute dem Teufel zuführten. So hatte so jedenfalls Doktor Martin Luther gesagt.

    Schnell verflog dieser erste Eindruck. In den Gesichtern stand Enttäuschung. Der fünfzigjährige Bischof aus dem Geschlecht der Popel – Lobkowitze schien in Gedanken versunken. Er sah nicht einmal die bittend am Wegesrand knienden Bettler und Alten, die trotz Wittenberger Bekenntnisses auf seinen Segen hofften. Sorgen quälten den hohen Herrn. Selbst die Predigt war ihm entglitten. Unverwandt hatte er auf das berühmte Altarbild des Leitmeritzer Meisters mit Jesus und dem Hohenpriester Kaiphas gestarrt, als hätte es ihm auf bohrende Fragen eine Antwort geben können.

    Weit in die Ferne gingen die Gedanken des Hirten – nach Wien. Von dort kam ein Übel auf ihn zu, von dem durfte niemand etwas ahnen noch wissen. Monsignore Querini, päpstlicherer Legat für die Gegenreformation, sollte ausgerechnet heute eintreffen. Der Bischof meinte auf einmal den Geruch verbrannten Menschenfleisches in der Nase zu haben und dazu fromme Gesänge eifernder Mönche.

    Wie – das alles wieder?

    Vladislaw von Lobkowitz fühlte sich ratlos. Wer würde Jesus sein. Wer Kaiphas? Vielleicht mußte er ausgerechnet gegen die Menschen zu seinen Füßen in den Kampf ziehen – oder Krieg gegen Sachsen? Immer erregter stieg er die Stufen hinauf. Schon seit Tagen fand er keinen richtigen Schlaf, da half auch kein Rotwein Ludmilla aus seinen Weinbergen vor der Tür. Gutes jedenfalls kam weder aus Rom noch aus Wien. Seit Jahren lebten die letzten Schafe seiner einstmals großen Herde friedlich neben den Lutherischen. Alle zahlten Steuern und Grundrente, leisteten Frondienste beim Bau von Schlössern, Burgen. Und nun? Etwa Ketzerhinrichtungen? Hatte er nicht genug Mut bewiesen, hierher unter seine ehemaligen Untertanen zu gehen, die ihn einst vertrieben hatte, Aber denen in Rom reichte das nicht. Sie wollten den Bruderkampf wie Kain gegen Abel.

    Das einst schöne Gesicht des Bischofs hatte unmäßige Fettpolster und ein ausgeprägtes Doppelkinn angesetzt, nur die kleinen sehr beweglichen Augen mit den Lachfältchen in den Winkeln verrieten, daß er eigentlich recht lebhaft und weltoffen war. Er war einer jener sinnenfrohen Humanisten, die in allen Ländern Gleichgesinnte fanden. Leider war die Renaissance tot, bezwungen durch Luther. Dessen protestantische Jünger schulmeisterten nun an einem kümmerlichen grauen Menschenbild ohne Witz und Humor. In den katholischen Gebieten dagegen tanzten sie, fraßen, soffen und hurten sich um das letzte bißchen Würde – ihn, Vladislaw, eingeschlossen – oder erstarrten in Askese. Wo ist hier oben, wo unten? Was machte noch Sinn? Gottes Wort war schon lange zertreten in einem unmäßigen Parteiengezänk.

    Konnte man denn in dieser desolaten Welt das lebensoffene Reich Papst Leos wieder aufrichten? War Legat Querini dazu bestellt? Kaum! Ein Ehrgeizling wie alle. Er strebte sicher nach der frömmelnden Friedhofsruhe Pauls IV., jenes Papstes, der sich morgens zur Frühstückszeit einige Ketzer unter sein Fenster in den Engelsburg hängen ließ.

    Bischof Vladislaw schüttelte sich. Wer konnte hier noch raten? Er drehte sich halb um und suchte die Schar seiner Begleiter ab, bis sein Blick plötzlich auf einen breitschultrigen Mönch fiel: Joseph Paßler, Jesuit und Vorsteher des kürzlich nach dem Vorbild des Prager Clementinums eingerichteten Colleges für die Söhne der Adligen und Patrizier, um sie auf den Staatsdienst vorzubereiten. Nachlässig hatte der Pater die Hände gefaltet. Er sah streitlustig und herausfordernd auf seinen Bischof.

    Bereits in der Tür befahl Vladislaw: Bruder Joseph, ich habe mit dir zu reden! Folge mir! Entschlossen schritt er voraus, während die Prälaten ihren Gemächern zustrebten. Wenn einer etwas über Querinis Absichten weiß, dann dessen Ordensbruder von der Kompanie Jesu, überlegte der Bischof und betrat die inneren Räume.

    Paßler sah große Kredenztische mit silbernen und zinnernen Kannen, sowie edle Becher, nicht wenige mit Gold und edlen Steinen verziert. Im folgenden Raum hohe gotische Stühle, darauf seidene Kissen und farbige Wolldecken. Der Raum war mit Teppichen aus Smyrna ausgelegt. An den Wänden hingen keine Heiligen sondern Gobelins aus Flandern. Gegenüber standen eisenbeschlagene Truhen, in den Ecken schwere vergoldete Leuchter mit großen dicken Kerzen.

    „ Hier sieht es gar nicht christlich aus! Ihr Freßwänste und Mastsäue nennt euch Diener der Heiligen? brach es unvermittelt aus Joseph hervor. Christus gehört zu den Armen, er gehört den Armen! Wie soll euch das Volk glauben?"

    Bischof Vladislaw vernahm den Ausfall mit einem leichten Grinsen. Er erwiderte ebenso stolz wie beiläufig: „Bete zum Himmel, mein Sohn, damit er dich endlich erleuchtet. Noch gibt es ein Oben und ein Unten. Sind alle gleicher als gleich, fällt diese Welt dem Teufel in die Hand, dann steht das Jüngste Gericht vor der Tür. Er zog einen Krug näher und schenkte sich ein Glas Weißwein ein. Paßler hielt er ein weiteres Glas hin. Der aber schüttelte verbissen den Kopf. Dann fuhr er fort: „ Bruder Joseph, wie soll uns das Volk anbeten und verehren, wenn wir sind wie sie, wenn wir uns ausdrücken wie du? Wen sollen die minderen Brüder verehren, wenn es nicht eine Instanz über ihnen gibt. Woher sollen die Quellen für die Kirche fließen – auch das Geld für deine Schule – wenn keiner mehr glaubt und opfert. Deshalb hat uns der Herr über sie gesetzt, deshalb gibt es einen Papst. Wir müssen alle Pracht entfalten, weil wir die ersten Diener des Papstes sind und zugleich herausgehobene Lehensherren Kaisers. So fällt auf beide ein Widerschein von uns. Ergo, wer uns angreift, tastet den Heiligen Vater in Rom an und dürfte mit einem Verfahren wegen Ketzerei rechnen.

    Der Bischof wendete sich blitzschnell und sah dem Pater voll ins Gesicht. „Na wird es Licht? Oder ist das bißchen Werg in deinem Kopf bei den letzten Exerzitien feucht geworden, so daß der Heilige Geist bei dir keinen Funken mehr schlagen kann. So etwas wie dich hätten sie im Lande des Sokrates nicht einmal verwendet, um den Unflat der Harpyien wegzuräumen."

    Nach diesen Worten schwenkte er sein Glas und trank den Rest Wein in einem Zuge leer. Dann betrat er ein abgelegenes Gemach, wo sein Schreibtisch stand und befahl über die Schulter: „ Du wartest vor der Tür, bis ich dich rufe!"

    Aus einem Nebenraum erschien unaufgefordert des Bischofs Geheimkaplan. Wortlos legte er ein Schreiben auf den Arbeitstisch. „ Am Morgen hat den Brief jemand aus Dresden gebracht." Danach verschwand er so unauffällig, wie er gekommen war.

    Dr. Georg Crackow, der Kanzler Kurfürst Augusts von Sachsen, war in vielen politischen Fragen meist gleichen Sinnes wie der Bischof, auch wenn sie äußerlich die Glaubensfeinde spielten. In ihren Gedanken blieben sie sich verwandt.

    Neugierig löste Vladislaw von Lobkowitz das Siegel und rückte den Lehnstuhl näher ans Fenster. Er las wieder und wieder. Schließlich legte er das Pergament auf das Schreibpult. Ein breites Schmunzeln glitt über sein Gesicht. Endlich war es soweit! Die Glocke rief den Diener: Ich lasse Kaplan Balthasar bitten.

    Der wortlos wieder eintretende Kaplan nahm den Brief mit einer angedeuteten Verbeugung und setzte sich auf einen Stuhl.

    „Lies!" Gespannt beobachtete der Bischof das Mienenspiel seines jungen Beichtigers, Balthasar Böhmer.

    Der Mönch überflog den Text zunächst um die Zusammenhänge zu erfassen und las dann langsam, sehr genau. Kanzler Crackow schrieb von der bodenlosen Borniertheit der orthodoxen Lutheraner in Dresden und vor allem in Jena an der Universität. Er schrieb von ihrer Engstirnigkeit, welche das Bürgertum behindere. Er schrieb vom geplanten Glaubenswechsel Bischofs Johann von Meißen, der bereits die Heirat mit seiner jungen Nichte vorbereite. Auch der Kölner Erzbischof werde Protestant. So kämen die protestantischen Kurfürsten die Überzahl und könnten einen protestantischen Kaiser wählen. Es komme jetzt darauf an, daß Böhmen sich eindeutig bekenne. Am Schluß klagte Crackow über die stets wechselnden Launen des sächsischen Kurfürsten. Er wissen nur selten, was er wolle, außer: seine Frau stellt eine Forderung in die Richtung konservatives Luthertum. Mit der geistigen und politischen Größe seines Bruders Moritz sei er absolut nicht zu vergleichen. Bischof Vladislaw solle, falls er den Glauben wechsle, keinesfalls Augusts Seite wählen, der sei imstande ihn wegen eines kleinen Vorteils auszuliefern.

    Als Balthasar die letzte Zeile gelesen hatte, hob er den Kopf und fragte: „ Was wollt Ihr tun Herr Vladislaw?"

    Vladislaw von Lobkowitz schnüffelte erregt. „Man muß sich schließlich etwas einfallen lassen. Jetzt will ich erst einmal Bruder Joseph abklopfen. Er wird mir verraten, was die Jesuiten über mich denken und planen. Danach weiß ich, was man heute mit abtrünnigen Bischöfen plant und bin für Querini gerüstet. So wie ich es sehe, werde ich mich den böhmischen Ständen anschließen. Religionsfreiheit soll in diesem Land herrschen."

    Kaplan Böhmer zog sich wortlos mit einer Verbeugung zurück, den Antwortbrief an Kanzler Crackow zu entwerfen.

    Bischof Vladislaw ging zu Tür, den wartenden Jesuiten hereinzurufen. Er wies auf einen Stuhl. Sie nahmen Platz. Ohne Übergang sagte er: „Bruder Joseph, uns kamen Klagen zu Ohren. Du planst in Prag etwas, um die Böhmischen Brüder in Menge brennen zu lassen. Wir, Vladislaw VII., verbieten dir derartiges. In Böhmen muß Friede herrschen. Zu leicht könnten wir wenigen Katholiken hier im Polzener Land zwischen die Fronten geraten. Komenskys Hussiten mit den Böhmischen Ständen wären auf der einen Seite und August von Sachsen auf der anderen. Wie zwischen Mühlsteinen würden wir zerrieben. Ein Riesenkrieg wäre die Folge, alle Herrscher von Schweden bis Spanien müßten Partei ergreifen. Zudem kommt genug Unangenehmes auf Uns zu."

    „Monsignore Querini? fragte Joseph frech, ohne sich im mindesten um seines Herrn Worte zu kümmern. „Warte nur Bischof, bis der Legat hier ist, dann bläst der wieder aus Rom. Wir von der Kompanie Jesu werden in der ersten Reihe stehen. Kampf gegen Ketzer und andere Irrgläubige ist gottgefälliges Tun, um den nachfolgenden Generationen endlich Ruhe zu geben. Je mehr wir von den Heutigen in die Hölle senden, um so gottgefälliger. Papst Gregor XII. hat uns ausdrücklich ermächtigt, sogar Prälaten und Bischöfe in das Inferno zu schicken. Und mit dir fangen wir an. Jeder im Glauben Schwankende ist ein Wurm im Stamm. Hüte dich Bischof. Erst vor wenigen Wochen haben meine Brüder den Erzbischof von Toledo der Suprema übergeben. Hüte dich Bischof! Hüte dich! Dabei bekreuzigte sich der Mönch. „Dreimal wehe, wehe, wehe!"

    Der Bischof war nachdenklich, er entgegnete ruhig und langsam: „Alle Magnaten, auch die Rosenbergs und die Waldsteins, werden gegen uns stehen. Eine Blutspur des Fanatismus wird sich durch Europa ziehen. Schlimmer als anno 1525, da Männer, Frauen, Kinder erschlagen wurden wie Vieh."

    „Und? fuhr der Jesuit erregt dazwischen. „Über allem wird die Heilige Jungfrau triumphieren. Gott kennt die seinen. Jauchzen werden die Himmlischen. Unsere Härte wird das Chaos abwenden.

    Der Bischof betrachtete ihn amüsiert und kramte in einem Stapel Papiere nach einem Dokument. „Über dieses hier werden sie wohl etwas weniger jauchzen. Hör zu! Es sind deine Worte, die du dummerweise bei Luther abgeschrieben hast: ‚Wider das wild geifernde Eberschwein Comenius, so den Weingarten des Herrn zerwühlet und sich untersteht, mit seinem besudelten Rüssel umzustoßen die Kirche Jesu Christi und alle Heiligenverehrung zu vertilgen.1774: Joseph Paßler. Präpositus der Hohen Schule Prag.’ Und das nennst du christlich? fragte ihn der Bischof. Sollen die Humanisten über unsere Dummheit und Einfallslosigkeit lachen? Wer in so einem Ton eifert, hat stets Unrecht.

    „Auf einen groben Klotz gehört ein noch gröberer Keil!" entgegnete Paßler bereits etwas gedämpfter. Ihm war eingefallen, daß Ignatius von Loyola gefordert hatte, seine Jünger müßten weitaus mehr wissen als die Gegner.

    Dazu kam, daß Vladislaws Vater das höchste Amt in Böhmen bekleidete. Nach kurzem Zögern übermannte ihn aber wieder sein Bekehrungseifer. „Das Heiligtum der Heiligen leugnet Comernsky, das lasterhaft Lügenschwein. Die Heiligen sind nicht Diener Gottes, sondern Freunde Gottes. Komensky flickt wie Luther alle Irrtümer der Ketzer von Waldus über Hus bis Calvin zu einem einzigen Riesenirrtum zusammen. Sie sind des höllischen Bockes Vorläufer und Wegbereiter. Er ist ein Gesandter des Teufels und geifert um sich. Rauch und Dunst kommen aus seinem Schweinerüssel. ihn erkennt man am Toben und Rasen. Der ist kein Humanist. Gott steige herab und mache dieses Lügenmaul stumm."

    Vladislaw von Lobkowitz zog die Mundwinkel amüsiert nach oben. „ Da bist du völlig falsch unterrichtet. Comenius ist ein Feingeist, über seine Lippen kommt weder ein lautes Wort, noch Unflat. Ich verbiete, dieses primitive Gesudel zu verbreiten. Es beschädigt die Kirche. Außerdem, bedenke: wir leben hier in der Macht des Protestantismus. Der sächsische Kurfürst ist auch ein Eiferer. Er kann uns vertilgen wie lästige Wanzen."

    Alles konnte der Mönch ertragen, nur keinen Widerspruch. Ein Sturm brach aus ihm hervor. „Alle Welt soll sehen, wie Joseph Paßler, Soldat des Herrn, diese sächsischen und böhmischen Schweine zur Hölle senden läßt... Schweine, die den lieblichen Garten des Herrn verwüsten."

    „Joseph, du bist hysterisch wie ein unbefriedigtes Weib. Du besudelst alle klugen Köpfe der römischen Kirche. mahnte der Bischof sanft, aber eine Spur zu väterlich. „ Du schadest, wo du eigentlich nützen solltest. Ich schäme mich für dich. So hat Jesus nicht gepredigt. Das klingt mehr nach Luther oder Calvin.

    Das war für den Mönch zu viel. „Verfluchter Irrgläubiger! Fahr zur Hölle. Du bist es doch, der mit diesen Sendboten Belials paktiert. Erst heute kam ein Brief an dich von diesem Ketzer Crackow aus Dresden. Bischof, ich rieche in deiner Nähe den Gestank des höllischen Bockes. Verräter! Ich setze dir persönlich die Teufelsmütze auf."

    Der Bischof erhob sich ächzend und blickte belustigt auf den Jesuiten. Nun hatte er ihn im Griff. Joseph, das Maß ist voll. Nicht umsonst laufen dir schon nach kurzer Zeit die mühsam zusammengebrachten Schüler davon. Zu oft suchst du nach unflätigen Worten und verleitest die Brüder zu Empörung und Aufruhr gegen ihren vom Heiligen Vater eingesetzten Bischof. Viel zu lange habe ich deine Tücke und Hinterlist nachsichtig geduldet. Nun ist das Maß am Überlaufen. Ich bin entschlossen, dir zu geben, was der heilige Domenicus gebietet, wenn ein Dekan oder Präpositus vom bösen Geist angeblasen werden.

    Hier machte Vladislaw eine Pause, seine Worte etwas nachwirken zu lassen. Dann griff er langsam hinter sich, um eine blutbesudelte Geisel hervorzusuchen und von ihren Futteral zu befreien. Sie lag stets bereit, um solchen Gesprächen einen passenden Abschluß zu geben.

    Joseph begann nun zu brüllen. „Wir Soldaten Christi gehorchen nur dem Papst und unseren Oberen. Du wirst dafür in der tiefsten Hölle schmoren und ich werde von oben lachend herabblicken und zusehen, wie dich Herr Urian schindet."

    Ohne Übergang unterbrach ihn der Bischof mit gewaltiger Stimme: In die Knie pflichtvergessener Knecht! In den Staub, du Wurm, demütige dich vor deinem Bischof und koste die Geißel! Die Brüder werden dich ans Kreuz binden und peitschen, bis du um Gnade bittest. Und dich unterwirfst. Dabei zog er die Peitsche pfeifend durch die Luft. Das wiederum trieb den angemaßten Hochmut des anderen auf die Spitze. „Wenn mir meine Oberen befehlen, einen Stein am Meer vorwärts zustoßen, tue ich es, ohne zu fragen. Ich bin ein Stock in der Hand des Heiligen Vaters. Er kann mit mir hinzeigen, wo er will. Einem am rechten Glauben zweifelnden Bischof beuge ich mich nicht." Dabei machte er auf dem Absatz kehrt und verließ erhobenen Hauptes das Gemach.

    Bischof Vladislaw war über Paßlers Benehmen keineswegs verärgert. Es war gekommen, wie geplant. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Einen wichtigen Trumpf besaß er nun gegen Querini. Josephs Freilassung würde diesen schon etwas kosten. „ He Wache! rief er in das Schalloch neben der Tür. „Den aufsässigen Mönch in den Kerker, bis er um die Geißel fleht.

    Bewaffnete rasselten Treppe herauf, Pater Joseph in den Keller zu führen. Er folgte widerstandslos, wohl wissend, daß er dem Bischof viel zu viel von der Strategie der Gegenreformation verraten hatte. Querini würde es ihm kaum lohnen.

    Bischof Vladislaw schloß einen Wandschrein auf, dort standen einige Flaschen Falerner, von dem er sich einen Becher voll eingoß. Der Wein erinnerte ihn an vergangene Zeiten: Steil war sein Weg gewesen. Sein Vater, Herr auf Burg Krumau, einem der bedeutendsten Bauwerke des Heiligen Römischen Reiches, hatte ihn schon zur Taufe in eine Stück Altardecke gewickelt, zum Zeichen, daß er Mönch würde. Der ältere Bruder war nach Vaters Ansicht dumm, und das mochte nur zum Politiker und Hofbeamten reichen.

    Acht Jahre zählte Vladislaw als man ihm eine Tonsur in seine Locken schnitt. Mit vierzehn erteilte man ihm die niederen Weihen. Ab der Zeit lautete sein amtlicher Titel: „Hochwürden". Jedermann hatte ihn so anzusprechen. Ihn, das Kind. Mit fünfzehn wurde er nach Prag gesandt zu einem Wortgefecht, bei dem viele namhafte Kleriker zuhörten, wo der Jüngling die sorgfältig zusammengestellten Zitate der Kirchenväter vortrug. Seit jener Zeit sagt man ihm nach, daß er Latein wie Cicero, Griechisch wie Demostenes beherrsche.

    Vladislaw atmete tief durch. Es stimmte, er las die alten Sprachen gut und verstand auch, was gesprochen wurde. Aber klug sein, war gefährlich, das sollte er damals in Rom schnell begreifen. Wenige Jahre später gehörte er Kardinal Morones Kongregation an, die den „Index librorum prohibitorum" zusammenstellte, das Verzeichnis der verbotenen Bücher.

    Der Bischof stand am Fenster und blickte auf die Elbe hinab. Der Strom verband ihn mit Wittenberg. Endlich trat er an das Schreibpult und griff wahllos nach einem der dort aufgestellten Bücher. „Phillipus Melanchthon: Grundwahrheiten der Theologie", las er laut. Er hatte dieses Buch aus Rom nach Böhmen geschmuggelt. Er erinnerte sich wieder an die überragende Gestalt des wahrhaft christlichen Reformators. „Phillipus, Meister Phillipus, ich kann nicht von dir lassen. Caraffa hatte recht! Manchmal verfluche ich sogar den Tag, der mich in deinen Bann riß. Seitdem bin ich wie vom Ufer fortgezogen, zaudere, zweifle, wäge ab, zermartere mich wie du. Phillip Schwarzerd, oft glaube ich, dein Weg ist der richtige und einzige – schon deshalb, weil uns Luther enttäuschte. Dann wieder zögere ich, noch eine Reformation, eine zweite? Gut, dein großes Wissen war es, du Neffe Reuchlins, das Lutherus half, seine Lehre zu untermauern. Ohne dich wäre Martinus nichts gewesen als ein verquerer Mönch. Du hast ihn am Ende überwunden. Aber was nützt uns das? Phillipisten verfolgen sie überall, in Rom, in Genf, in Wittenberg. Eine ökumenische Kirche, wie du sie plantest, will keiner wirklich. Vielleicht gibt es das in ferner Zukunft. Ohne deine Kenntnis der alten Sprachen und vor allem der Quellen hätte Martinus nie eine deutsche Bibel zustande gebracht, auch wenn er dem Beispiel der Hofschreiber Kaiser Karls IV. folgen konnte. Praeceptor Germaniae, wird es sie geben, die ökumenische Religion? Eine Religion der Humanisten für das Leben, über den verfeindeten Schwesterkirchen?

    Vladislaw glaubte Melanchthon deutlich zu hören: Der Geist solle endlich die Macht haben – eine Kirche, die offen ist für die hellenistische Vergangenheit und die Zukunft.

    Das ist es ja Phillipus: Seither hetzen nicht nur die Caraffas euch Phillipisten. Auch die Altlutheraner verfolgen sie mindestens ebenso grausam. Verfolgen sie, weil diese es wagen, sich durch eine Partei hindurch zu denken.

    So war es auch damals in Rom geschehen. Nur einen Moment hatte Vladislaw von Lobkowitz gezaudert und schon warf man ihn in die Engelsburg. Zu lasch gegen Andersdenkende, hatte ihm Caraffa, der spätere Papst Paul IV., vorgeworfen. Glücklicherweise hatte man ihm nichts nachweisen können, und Vater Lobkowitz hatte den vakanten Bischofsstuhl Nordböhmen gekauft. Seither war Vladislaw böhmischer Magnat und Mitglied des kaiserlichen Hoftages zu Regensburg. Er war der Herr im Garten Böhmens, wie man das blühende Elbtal hier nannte. Und nun kam dieser Querini, Musterzögling Caraffas. Diesem sollte er beweisen, daß er doch ein treuer Sohn Roms war. Man befürchtete nicht zu Unrecht eine Union aller oppositionellen Reichsfürsten unter dem Sachsen August I, dessen Kanzler und Minister Melanchthon – Anhänger waren. Um dieser tödlichen Gefahr zu begegnen, blies man zum Sammeln. „Man" war Querini und geblasen wurde er, Vladislaw von Lobkowitz, wichtige Stimme im Reichshoftag.

    Zwei Fremde erreichten die bischöfliche Residenz. Italienische Adlige mochten es sein, Welsche. Während der Jüngere sicher nicht ohne Absicht in größerem Abstand folgte, wollte der Ältere gleich hoch zu Roß passieren. Die Wachen vertraten ihm mit aufgestellten Hellebarden den Weg. Er mußte absteigen, eine Prozedur, die ihm offensichtlich nicht zu schmecken schien. „Avanti! Zu Bruder Joseph, Präpositus des Jesuitenkollegs!"

    Das klang mehr befehlend als bittend. Man sah dem Älteren den Zorn deutlich an, als ihn der Leutnant der Wache abschätzig musterte. Wer in den Zügen des Ankömmlings Hochmut und Verachtung lesen konnte, würde ihm dennoch Stattlichkeit und Bildung nicht absprechen .

    „Zu Bruder Joseph? fragte der Leutnant und wandte sich zu seinen beiden Wächtern um, die neugierig näher traten. Solche Nichtachtung seiner sonst so geschätzten Person trieb dem Italiener das Blut in den Kopf. „Aus dem Weg! befahl er drohend. „Wißt ihr überhaupt, wen ihr vor euch habt?"

    Die Wachen lachten nur. „Hunde, die so laut bellen, beißen nur selten."

    „Beim kahlen Schädel Methusalems, ihr böhmischen Flegel, wollt ihr endlich Platz machen! Ich werde erwartet!"

    „Wirklich zu Pater Joseph?" wollten die Böhmen nochmals wissen.

    „ Die böhmischen Schweine schlafen oder verstehen mich nicht! schrie der Italiener und fuchtelte mit dem Degen. „Soll ich euch Beine machen oder wollt ihr lieber mit Pater Josephs Eiserner Jungfrau Bekanntschaft schließen?

    „Leutnant, der will sicher tatsächlich zu Pater Joseph. Er hat nicht nur seine Manieren sondern kennt auch dessen Heilmethoden, meinte der eine Wächter, der andere ergänzte: Also führen wir ihn zu seinem Herrn und Meister. Im Keller ist noch viel Platz."

    Der Leutnant wurde auf einmal ernst, das konnte den Bischof vielleicht interessieren.

    „Verzeiht Herr! Pater Joseph liegt im Verlies."

    Der Fremde schien das als Ausrede aufzufassen, denn er

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