Ein König und seine Frauen: Heinrich VIII.
Von Walter Brendel
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Über dieses E-Book
Nicht seine vielen Ehen machten ihm wirklich interessant. Viele glaubten, seine Königinnen hätten sein Leben geprägt. Wichtig waren vor allem die Männer an seiner Seite, sie waren nämlich viel stärker, als der Charme der Bettgespielinnen. Einige blieben nur Fußnoten in Geschichtsbüchern, andere wurden weltberühmt. Sie handelten aus dem und im Verborgenen, prägten Heinrichs Haltung und seinen Charakter und nicht zuletzt das Bild eines der berühmtesten Monarchen der Weltgeschichte.
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Buchvorschau
Ein König und seine Frauen - Walter Brendel
1. Teil: Aufstieg eines Prinzen
Einleitung
London, 1509. Vier Tage vor seinem 18. Geburtstag wird Heinrich VIII. zum König gekrönt. Vorüber ist die sparsame, bedachte Herrschaft Heinrichs VII. Sein Sohn sollte sich eher durch Opulenz, Dekadenz und Grausamkeit einen Namen machen. Generationen von Historikern haben sein Leben erforscht, jeden bedeutenden Aspekt. Aber erst heute rücken verstärkt die Männer in den Fokus, die seine Kindheit, Jugend und Regierung prägten. Und das in einem Ausmaß, welches häufig unterschätzt wird.
Der Versuch seines Vaters, ihm zu einem König nach seinem Bilde zu formen, ist gescheitert. Der junge König hat sich andere Männer zum Vorbild genommen. Die Ursachen dafür reichen weit zurück, bis in die Zeit vor seiner Geburt.
England im Jahre 1485. Seit über 18 Jahren kämpfen zwei Seitenlinien des Herrscherhauses um den Thronanspruch. Ein König aus der Dynastie der Plantagenet trägt die Krone, Richard III. Er war der letzte englische Herrscher aus dem Haus Plantagenet und zugleich der letzte, der auf einem Schlachtfeld fiel. Den Anspruch der Tudors will Heinrich VII. durchsetzen, mit der Schlacht von Bosworth am 22. August. Hier soll die Entscheidung fallen, wer König wird. Es wird für die Tudor-Linie ein genialer Sieg.
Mit Tod von Richard III. endete die Epoche der sogenannten Rosenkriege, in der zwei Nebenlinien der Plantagenets, die Häuser York und Lancaster, einen jahrzehntelangen Machtkampf gegeneinander ausgetragen hatten, und das entfernt mit den Lancasters verwandte Haus Tudor gelangte auf den Thron.
Richards Leichnam wurde geschändet, nackt im Wirtshaus The New Wake in Leicester ausgestellt, auch um seinen Anhängern zu beweisen, dass die Sache der Yorkisten verloren war, und schließlich in der Greyfriars Church des dortigen Franziskanerklosters bestattet.
Richard III. - Heinrich VII.
Heinrich VII. begann die Ära des Tudor-Königtums. Heinrich Tudor ließ alle Zweifel an seinem Anspruch auf den Königstitel im November 1485 durch das Parlament beseitigen. Dieses stellte kurzerhand fest, dass er der rechtmäßige König von England sei, da er den Thron faktisch innehabe. Außerdem wurde der Beginn von Heinrichs Herrschaft auf den Vorabend von Bosworth zurückdatiert, sodass man Richard III. und 28 seiner Hauptanhänger zu Hochverrätern erklären konnte.
Der Sieger heiratet Elisabeth von York, die Erbin der Thronansprüche des Hauses York. Dies führte zu einer Vereinigung beider verfeindeter Häuser. Dieser Kampf zog sich über den größten Teil des 15. Und 16. Jahrhundert hin und gerade als alles geregelt schien, kommt es zu neuen Turbolenzen. Diese Kriege um den Thron, die politischen Intrigen, die das Land jahrelang fest im Griff hatten, all das lag wie ein Schatten über Heinrichs Herrschaft. Es gab Unruhen, Rebellionen in Schottland. Einige wenige Adlige, die einen Anspruch auf die Krone erheben konnten, waren nach den Rosenkriegen noch am Leben. Mögliche Prätendenten wie Perkin Warbeck, die durch unzufriedene Adlige unterstützt wurden, waren ihm ein Dorn im Auge. Heinrich sicherte seine Macht durch erhebliche Geldzuwendungen an die Adligen, hauptsächlich jedoch spaltete er die Adelsschicht und sorgte somit für deren Entmachtung.
Heinrich Tudor wurde von vielen als Thronräuber gesehen, sein ererbter Anspruch war nur schwach. Viele machten ihm die Krone streitig. Um seine Dynastie zu sichern, war ein männlicher Erbe notwendig. Und das sollte nicht lange dauen.
Am 24. September 1486 waren die die Straßen in Winchester von Menschenmassen gesäumt. Alle versuchten einen Blick auf das wichtigste Baby Englands zu erhaschen. Die Kathedrale von Winchester war Schauplatz von Beerdigungen, Hochzeite, Krönungen und Taufen vieler englischer Herrscher, aber am 24. September sollte hier die Taufe eines zukünftigen englischen Königs seit fast 1000 Jahren stattfinden. Die Taufe des Thronerben von Heinrich VII. Tudor und der Elisabeth of Yorks. Die Geburt dieses Sohnes festigte die Herrschaft von Heinrich VII. schlagartig. Ein Priester salbte den Jungen und verkündete den versammelten Adel seinen Namen: Arthur.
Das Heinrich VIII. einmal König sein würde, war damals nicht vorhersehbar. Der älteste Sohn erbte den Thron und das war Arthur. Diesen Namen hatte sein Vater aus Mythen, Legenden und Ritterromanen vergangener Zeit entnommen. Heinrich Tudor konstruierte sogar einen Stammbaum der Tudor-Dynastie, der sein Haus direkt auf König Artus (später Arthur) und die Ritter der Tafelrunde zurückführte. Die Mythen um Artus waren den meisten Menschen, zu mindestens dem Adel, ein Begriff, weil die Tafelrunde und die Suche nach dem Heiligen Gral zum Erziehungsprogramm des Adels gehörte.
Die Ritter der Tafelrunde
Camelot auf einer Illustration aus Gustave Dorés „Idylls of the King", 1868
Arthur mit 11 (l.) und 15 Jahren
Deshalb die Namensgebung durch Heinrich VII., um das glorreiche Zeitalter Camelots zu erneuern. Und deshalb auch die Taufe in Winchester, denn dort sah man die Stadt, wo einst das sagenhafte Camelot gelegen haben soll.
Und wurde Heinrich VIII. ältester Bruder der Erbe des englischen Throns, als Wiedergeburt einer alten Legende, freilich ohne historisches Fundament. Denn genau wie die Sage um Robin Hood ist auch die um König Artus nur eine schöne fiktive Legende.
Der edle Prinz
Im Schatten dieses Erben von Camelot sollte fünf Jahre später Prinz Heinrich geboren werden, ein Prinz in Reserve. Aber Heinrich VII. war zunächst entschlossen, Arthur als König und Nachfolder zu erziehen. Allerdings, gesichert war die Tudor-Dynastie damit noch lange nicht. Andere hatten besser begründete Ansprüche. Heinrich Tudors Rivalen warteten nur darauf, die Macht an sich zu reißen.
Die Kindersterblichkeit war hoch in dieser Zeit und deshalb brauchte der Tudor-Häuptling deinen weiteren Sohn, um seinen Feinden eine strake Botschaft zu senden. Heinrich war deshalb überglücklich, als Elisabeth am 28. Juni 1491 in Greenwich einen weiteren Sohn zur Welt brachte. Es sollte der zukünftige König Heinrich VIII. sein.
Anders als beim Erstgeborenen wurde die genaue Uhrzeit der Geburt nicht aufgezeichnet. Nur das Datum wurde festgehalten und selbst das musste später korrigiert werden. Bei seiner Taufe wurde der Junge nun nach seinen Vater Heinrich benannt, der nun endlich den ersehnten Reserveerben hatte.
Aber kaum war man aus der Kirche herausgetreten, schwand das Interesse des Vaters. Die Erziehung des Prinzen wurde seiner Mutter Elisabeth überlassen. Fernab vom Hof verbrachte Heinrich einen Großteil seiner Kindheit im abgelegenen Schloss auf Eltham Palace im Südosten Londons.
Elizabeth of York, die Mutter Heinrichs VIII.
Heute ist nur noch die große Halle davon erhalten. Obwohl es kaum Aufzeichnungen über Heinrichs früherem Jahre gibt, wissen wir, dass er hier eine angenehme, sogar verwöhnte Kindheit verbrachte.
Die Große Halle gehört noch zur Bausubstanz des historischen Eltham Palace
Das Personal dieses königlichen war überwiegend weiblich. Aber es gab von Anfang an eine einflussreiche männliche Persönlichkeit in seinem Leben. Arthur Plantagenet, den unehelichen Halbbruder seiner Mutter Elisabeth. Er hatte den Ruf eines Mannes von Integrität und Bildung. Nach allem was man weiß, war er eine sanfte Persönlichkeit. Elisabeth könnte sich darauf verlassen, dass ihr Halbbruder Heinrich eine zeitgemäße ordentliche Erziehung gab. Allerdings erzog Arthur den Prinzen nach eigenen Vorstellungen, die denen Heinrich Tudors nicht entsprachen. So brachte er seinen Neffen das Lanzenstechen bei, von dem Heinrich begeistert war. Der fühlte sich als Ritter. So wollte er auch werden, wenn er einmal groß ist. Ritter waren die Stars dieser Epoche, überall gefeiert. Schon als kleiner Junge hatte Heinrich versucht, dem Ritterstand nachzuahmen. Sein Pony besteigen, eine Lanze zu packen und sich mit den Großen zu messen. Davon träumte er. Später als König sollte Heinrich weiterhin derartige Aktivitäten leidenschaftlich verfolgen, die ihm sein Bastardonkel nah gebracht hatte. Er liebte den Onkel mehr als seinen Vater, den er nur selten sah. Die Zeit, die sein Vater neben den Regierungsgeschäften mit seiner Familie verbringt, widmet er fast ausschließlich dem Prinzen Arthur, seinem Thronfolger.
Der Hofstaat von Heinrich VII. zog von Ort zu Ort, um seine noch ungesicherte Herrschaft zu stützen. Die Kinder Arthur und Heinrich waren für verschiedene Positionen bestimmt. Der erstgeborene war der Erbe und wurde für den Thron streng erzogen. Prinz Heinrich dagegen war für die Kirche bestimmt und sollte Erzbischof von Canterbury werden. Historisch ist das allerdings unbestimmt, denn dagegen spricht Heinrichs Erhebung zum weltlichen Titel des Duke of York, der mit erheblichem Landbesitz einherging und seine Ausbildung an den Waffen. Er wurde aber viel akademischer ausgebildet.
Wie jeder Junge wollte aber auch Prinz Heinrich oft seinen Vater sehen und Zeit mit ihm verbringen. Aber wie erwähnt, war das nur selten möglich, denn Arthurs Erziehung zum Herrscher und die Sicherung der Tudor-Herrschaft hatte Vorrang. Es kann durchaus sein, dass der junge Prinz sich als Reserveerbe ungeliebt fühlte. Vielleicht beeinträchtigte dieses auch sein Selbstvertrauen. Doch es war allgemein auch üblich, dass Königskinder ihre Eltern oft sehr wenig sahen. Doch bald sollte Heinrich Gelegenheit haben, das besser einzuordnen und seine Familie zu