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Könige im Wartestand: Die Geschichte der Prinzen von Wales vom Mittelalter bis zur Gegenwart
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eBook539 Seiten6 Stunden

Könige im Wartestand: Die Geschichte der Prinzen von Wales vom Mittelalter bis zur Gegenwart

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Über dieses E-Book

Obwohl die englischen Prinzen von Wales als Thronfolger eine zentrale Bedeutung für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Land besaßen, fanden sie bislang kaum Beachtung in der deutschen Historiografie. Diese Lücke schließt das vorliegende Werk und zeigt erstmalig in deutscher Sprache die Entwicklung dieser »Würde« in einem Rückblick auf die Historie der Prinzen von Wales seit dem Mittelalter auf. Da das »Amt« bis heute konstitutionell nicht existiert, nahmen die Prinzen in höchst unterschiedlicher Weise ihre Aufgaben wahr. Wie diese divergierenden Vorstellungen der Prinzen von ihrer »Würde« sich auswirkten, wird hier ausführlich dargelegt. Zumeist besaßen sie großen Einfluss auf die Geschicke des Landes; doch oftmals bestand eine Rivalität und Konkurrenz zum Monarchen bzw. zur Regierung – mit gravierenden Folgen. Damit entsteht hier auch eine komplexe Darstellung von 700 Jahren englischer bzw. britischer Geschichte aus neuer Perspektive.
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum10. Okt. 2022
ISBN9783843807258
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    Buchvorschau

    Könige im Wartestand - Dieter Berg

    I. Grundlagen: Die walisischen Prinzen von Wales

    Die folgende Skizze der Historie der walisischen Prinzen ist sicherlich wenig unterhaltsam und mitunter wegen der teilweise kaum zu unterscheidenden Namen von Provinzen und Persönlichkeiten vielleicht etwas befremdlich. Dennoch ist eine stichwortartige Einführung in die frühe walisische Geschichte unabdingbar, um die Grundlagen bzw. Voraussetzungen für die Entstehung der »Würde« eines englischen Prince of Wales zu verstehen. Erschwerend für die Lektüre dieses Kapitels ist zudem die Tatsache, dass sich die walisische Geschichte bis ins Spätmittelalter hinein oftmals als eine schier endlose Abfolge von Machtkämpfen zwischen Königen bzw. Fürsten, Willküraktionen rivalisierender Großer, politischer Zerrissenheit des Landes sowie von Not und Elend der einfachen Bevölkerung erweist. Daher sollen im Folgenden die sich immer wiederholenden internen Konflikte und Kämpfe nicht ermüdend im Einzelnen behandelt werden. Vielmehr sind nur die entsprechenden Höhepunkte in der Entwicklung der »Würde« eines walisischen Prinzen von Wales seit deren Entstehung im Frühen Mittelalter bis zur Ablösung durch englische Prinzen im 14. Jahrhundert zu verdeutlichen.¹

    Zumindest seit der Spätantike wurde Wales als Einheit wahrgenommen und als »Cymru« bzw. später von Engländern als »Wallia« bzw. »Cambria« mit eigener Sprache bezeichnet. Dennoch gab es trotz gemeinsamen Rechts und eigener Kirchenorganisation weder eine »walisische Nation« noch ein »Staatsvolk«; auch fehlte ein zentraler Herrscherhof bzw. eine Art »Hauptstadt«. Stattdessen dominierten seit der Zeit der Angelsachsen in Wales zahlreiche Kleinkönigreiche, die sich oftmals gegenseitig bekriegten. Der hiermit verbundene Regionalismus machte die Ausbildung zentralistischer Herrschaftsstrukturen bzw. die Entstehung der Macht eines Prinzen von Gesamt-Wales nahezu unmöglich. Als ebenso hinderlich erwies sich das walisische Erbrecht mit fehlender Primogenitur. So beherrschten zahlreiche rivalisierende Reiche bis zum Beginn der Normannenherrschaft in England weitgehend das politische Geschehen in Wales.

    Doch seit dem 9. Jahrhundert gab es zeitweise politische Gegenbewegungen im Land, da einige Fürsten begannen, Hegemonialansprüche zu erheben und ihre Macht auf andere Reiche auszudehnen. Erstmalig gelang es einem Fürsten von Gwynedd (Rhodri Mawr), als King of Wales über weite Teile des Landes zu herrschen. Doch war seine Macht nur von kurzer Dauer, da das Reich nach seinem Tod (878) zerfiel und Nachfolgekämpfe einsetzten. Damit begann ein ständiger Wechsel zwischen Dezentralisation und Hegemonialbestrebungen in Wales, der das politische Geschehen für die nächsten zweihundert Jahre bestimmte. Nur einigen wenigen Fürsten gelang es etwa im 10. Jahrhundert zeitweise, als Kings of the Britons eine hegemoniale Stellung zu erlangen; doch auch ihre Reiche hatten keinen Bestand.

    Eine Zäsur in der walisischen Geschichte trat mit der Eroberung Englands durch die Normannen ein (1066), da Wilhelm I. als »rex totius Britanniae« in Anknüpfung an die angelsächsische Herrschaftsideologie einen Machtanspruch auf ganz Britannien, d. h. auch auf Wales, erhob.² Dies sollten die Waliser bald nach der normannischen Herrschaftskonsolidierung im Inselreich zu spüren bekommen. Um seinen Oberherrschaftsanspruch durchzusetzen, unternahm der Normanne nicht nur einige Feldzüge gegen Wales, sondern er ließ an der walisischen Ostgrenze Marken (Welsh Marches) unter Führung anglonormannischer Großer (Marcher Lords) einrichten. Diese waren zwar englische Vasallen, konnten aber in ihren Gebieten nach eigenen Normen herrschen. Da sie die Marken nicht nur verteidigen, sondern soweit wie möglich erweitern sollten, begann eine englische Expansionspolitik, die die folgenden Jahrzehnte walisischer Geschichte bestimmte.

    Seit den 1070er-Jahren konnten die Grenzbarone große Teile von Wales unterwerfen, wobei sich für sie als Vorteil erwies, dass die Waliser wieder untereinander zerstritten waren und über keinen überregional anerkannten Fürsten verfügten. Zwar gab es häufiger lokale Konflikte mit den Baronen, doch viele walisische Große arrangierten sich mit den neuen Herren und leisteten Tribut. Erst in den 1090er- und 1130er-Jahren kam es zu einigen Aufständen gegen die englischen Besatzer. Hierbei traten sogar zeitweise einige Fürsten auf, die als Kings of the Britons Hegemonialansprüche gegenüber anderen Großen erhoben. Als erster walisischer Fürst, der sich zuerst rex Waliae nannte und dann (ca. 1165) von seinen Landsleuten als Tywysog Cymru oder als Prince of Wales bezeichnet wurde, wird traditionellerweise Owain ap Gruffydd von Gwynedd betrachtet. Er musste zwar dem englischen König Heinrich II. huldigen, ansonsten konnte er aber seine Hegemonialansprüche in Wales durchsetzen.³ Zwar zerfiel sein Reich nach dem Tod des Prinzen (1170); doch damit begann die Serie an walisischen Prinzen von Wales, deren Wirken im Folgenden skizzenhaft darzustellen ist.

    Das Vorbild von Owain wirkte bald nach, da in den folgenden Jahrzehnten weitere Fürsten (etwa Rhys ap Gruffydd) Oberherrschaftsansprüche erhoben, verbunden mit dem Titel Prince of Wales. Schließlich gelang es Prinz Llywelyn ap Iorwerth, nicht nur seine Hegemonialstellung im Land zu sichern, sondern auch die übrigen Fürsten zur Leistung des homagium zu veranlassen (1216). Auch seine Nachfahren setzten als Prinzen von Wales die Hegemonialbestrebungen erfolgreich fort, oftmals verbunden mit Kämpfen gegen die englischen Besatzer. Diese Konflikte verliefen zumeist nach ähnlichem Schema, indem ein walisischer Großer in einen regionalen Streit mit Engländern geriet, gegen diese revoltierte, hierbei mitunter Unterstützung durch andere Waliser erhielt, jedoch rasch militärisch unterworfen wurde.

    Auch in der Folgezeit wurde der Titel eines Prince of Wales von walisischen Großen wie Dafydd ap Llywelyn (1244) und später von Llywelyn ap Gruffydd verwendet (1258). Dieser Fürst entwickelte sogar neue politische Perspektiven, indem er innenpolitische Konflikte in England für eigene Zwecke nutzte – etwa in dem Barons’ War (1258–1265).⁴ Er konnte nicht nur territoriale Gewinne gegen die Marcher Lords erringen, sondern auch seinen Oberherrschaftsanspruch gegenüber zahlreichen walisischen Fürsten durchsetzen. Schließlich vermochte er sogar seine Anerkennung als Prince of Wales durch die englische Krone zu erlangen. Doch seine Fehleinschätzung der Lage in England nach der Thronbesteigung von Eduard I. (1272) führte nicht nur zur Schwächung der eigenen Macht, sondern auch zu seinem Untergang.⁵ Der Plantagenet war nämlich entschlossen, den Revolten in Wales ein Ende zu bereiten und dort die englische Herrschaft durchzusetzen. Ihm gelang es in wenigen Heerzügen (in den Wars of Welsh Independence), binnen Kurzem weite Teile des Landes zu erobern und den Prinzen zum Frieden zu zwingen (1277).

    Bei den anschließenden Konflikten des Fürsten mit Eduard kam es hingegen zu Veränderungen im Charakter der Auseinandersetzungen: Nun beschränkte sich der Prinz nicht mehr auf die eigenen Kämpfe gegen den Monarchen. Vielmehr nutzte er die zwischenzeitlich aufgestaute Wut und Verbitterung in der Bevölkerung über die repressiven Maßnahmen englischer Beamter für die Entfesselung eines allgemeinen Volksaufstandes. Dieser sollte die Beendigung der Fremdherrschaft der Engländer und die Wiederherstellung der Eigenständigkeit des Landes sowie der alten Rechte der Waliser herbeiführen – Zielsetzungen, die bei späteren walisischen Revolten immer wieder auftauchten. Zwar fand der Prinz im Laufe der Auseinandersetzungen den Tod, doch setzte sein Bruder Dafydd die Kämpfe fort. Aber auch dieser Fürst war der überlegenen Truppenmacht der Engländer nicht gewachsen, sodass er – verraten von den eigenen Leuten – als Gefangener Eduards getötet wurde. Damit hatte der walisische Freiheitskampf zumindest vorläufig ein Ende gefunden (1283).

    Allerdings gab sich König Eduard mit dem militärischen Sieg über die Waliser nicht zufrieden: Vielmehr strebte er eine völlige Neustrukturierung der politischen Ordnung im Lande im sog. »Statut von Wales« (früher »Statut von Rhuddlan«) an (1284).⁶ Nun kam es zu einer territorialen Neuordnung mit der Schaffung der Principality of Wales auf der Grundlage des alten Königreiches Gwynedd. Während das Fürstentum unmittelbar mit der Krone verbunden blieb, wurden die Marches unverändert von den Grenzbaronen beherrscht, während die übrigen Territorien im Besitz walisischer Großer blieben. Hinzu kam eine Verwaltungsreform mit Justiciars sowie mit Exchequers und Gerichtshöfen, gefolgt von der Durchsetzung des Common Law im Strafrecht. Somit waren nach dem Statut »gemäß göttlicher Vorsehung Land und Leute von Wales der Krone von England einverleibt und mit ihr verbunden worden«. Um seine Herrschaft über das Land dauerhaft zu sichern, veranlasste Eduard ferner ein umfangreiches Burgenprogramm bei alten walisischen Widerstandszentren. Hinzu kam ein Kolonisierungs- bzw. Siedlungsprogramm für englische Bauern und Siedler mit Verteidigungsaufgaben gegen Waliser. Auch die Kirche war hilfreich, indem etwa Erzbischof John Peckham vorschlug, die Kinder aus der walisischen Oberschicht zur Erziehung nach England zu schicken und dort entsprechend zu sozialisieren.

    Da der Plantagenet seine Herrschaft in Wales mit aller Härte durchsetzte und das Land mit hohen Abgaben, Steuern und Rekrutierungen von Soldaten für seine Feldzüge belastete, war es nicht verwunderlich, dass es in den 1280er- und 1290er-Jahren mehrfach zu Unruhen bzw. zu zwei größeren Revolten (1287, 1294) kam. Diese verliefen nach ähnlichem Schema, indem jeweils ein walisischer Großer – ausgehend von privaten Besitzstreitigkeiten etc. mit Engländern – die große Unzufriedenheit der Bevölkerung wegen der Bedrückungen durch die englischen Besatzer nutzte, um einen Volksaufstand als »nationale Erhebung« gegen die englischen Herren zu initiieren. Hierbei titulierten sich die Führer auch als rechtmäßige Prinzen von Wales. Beide Unternehmen hatten zwar anfangs Erfolg, doch bald zerfielen die Koalitionen der Oppositionellen, und englische Truppen konnten die Revolten niederschlagen.

    Dennoch veranlassten diese Unruhen den englischen Monarchen zu einer strategischen Änderung seiner Wales-Politik. Eduard erkannte, dass er nicht länger nur auf Gewalt und Härte setzen konnte. Vielmehr musste er mit der Bevölkerung – insbesondere mit der aufstrebenden »Mittelschicht« – kooperieren und dem walisischen Streben nach Eigenständigkeit sowie Wahrung überkommener Traditionen und Rechte Rechnung tragen. Deshalb konstituierte er zum einen im Lande zur Machtdemonstration eine spezielle Rittertafel. Zum anderen veranlasste Eduard, dass seine hochschwangere Gattin nach Caernarfon Castle gebracht und dort von dem Sohn Eduard (II.) entbunden wurde (25. April 1284). Gleichzeitig soll der König nach der Legende den Walisern vor Ort den Neugeborenen präsentiert und verkündet haben, dass diese nun einen eigenen Prinzen besäßen, der zudem kein Wort Englisch spräche – für einen Neugeborenen sicherlich keine Schwierigkeit. Unabhängig von der umstrittenen Historizität dieser Vorgänge ist zumindest anzunehmen, dass der Plantagenet durch diese Propagandaaktion eine engere Bindung der gerade erst unterworfenen walisischen Bevölkerung an die englische Krone fördern wollte.

    Den nächsten Schritt, um die Waliser für sich zu gewinnen, unternahm Eduard wenige Jahre später, indem er an walisische Traditionen anknüpfte und nun den Titel des Prince of Wales adaptierte. Innovativ verwendete der Monarch den Prinzen-Titel, indem er seinem 16-jährigen Sohn 1301 die »Würde« eines Prince of Wales verlieh (s. unten Kap. II/1). Obwohl nicht verfassungsrechtlich verankert, konstituierte der Angevine hierdurch eine neue englische Tradition, nach welcher der König gemäß eigener Entscheidung und Kraft seiner Machtvollkommenheit dem Thronfolger diesen Titel verleihen konnte. Dieser sollte jedoch nicht nur eine bloße »Würde« sein, sondern die Eigenständigkeit des Prinzen in einem eigenen Machtbereich betonen. Zwar stand dieser unverändert in Abhängigkeit von der englischen Krone; doch erhielt der Thronfolger einen eigenen Hof in Ludlow mit eigenem Verwaltungspersonal, welches die vom König übertragene Principality beherrschte und dem Fürsten ein eigenes Einkommen sicherte. Da der neue englische Prince of Wales zum Fokus walisischen Selbstbewusstseins werden sollte, fand gleichzeitig hiermit die Geschichte der walisischen Prinzen von Wales aus englischer Sicht ein Ende.

    Diese Auffassung wurde von den Walisern nicht geteilt. Deren Fürsten beharrten auf der »Würde« des traditionellen walisischen Prinzen von Wales, wobei oftmals ein Zusammenhang zwischen der Proklamation dieser »Würde« mit gleichzeitigen Revolten zur Beendigung der englischen Fremdherrschaft bestand. Diese Entwicklungen hielten für über zwei Jahrhunderte an und fanden erst mit den Wales-Gesetzen Heinrichs VIII. (1535–1542) ihr Ende. Doch blieb nach der Ernennung des ersten englischen Prince of Wales (1301) vorerst offener Widerstand bei der walisischen Bevölkerung aus, obwohl dieser nach der Erhebung weder zu Lebzeiten des Vaters noch zu Beginn der eigenen Königsherrschaft engeren Kontakt zur Principality besessen zu haben scheint. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts kam es lediglich zu drei größeren Rebellionen in Wales, die im Folgenden kurz behandelt werden sollen.

    Wahrscheinlich infolge einer Ernüchterung der Waliser über die anhaltenden finanziellen und militärischen Bedrückungen durch die Engländer brach 1316 unter Führung von Lord Llywelyn Bren eine erste große Revolte gegen die Besatzer aus.⁷ Auslöser waren wieder Besitzstreitigkeiten des Adligen mit englischen Verwaltern, wobei es auch diesem gelang, die Unzufriedenheit der Bevölkerung für einen allgemeinen Aufstand zu nutzen. Zwar konnte der Lord Verbündete gewinnen und anfangs militärische Erfolge erringen; doch sobald die englische Kriegsmaschinerie unter dem Earl of Hereford in Gang kam, hatten die Oppositionellen keine Chance. So ergaben sich diese binnen weniger Wochen und wurden als Hochverräter hingerichtet. Doch hatte ihr Aufstand zumindest indirekte Auswirkungen auf Konflikte englischer Barone mit Eduard II., der schließlich gestürzt wurde (1327).

    Zwar blieb die englische Herrschaft über Wales für die folgenden fünf Jahrzehnte weitgehend unangefochten; doch stellte diese Friedenszeit nur eine temporäre Unterbrechung im Kampf der Waliser um ihre Freiheit dar. Der zweite Aufstand der Waliser gegen die englische Fremdherrschaft – nun unter Führung von Owain Lawgoch – stand ebenfalls im Zusammenhang mit politischen Entwicklungen in England. Während König Eduard III. wegen seiner Ansprüche auf den französischen Thron in den Hundertjährigen Krieg verwickelt wurde, wuchsen in Wales infolge anhaltender Bedrückungen durch die Engländer sowie wegen gesellschaftlicher Spannungen, Armut und Not in der Bevölkerung der Unmut und die Bereitschaft zum Aufstand. Diese wurde durch walisische Barden intensiviert, die an alte Prophetien u. a. von Merlin erinnerten und die baldige Ankunft eines »nationalen Befreiers« zur Beendigung der Fremdherrschaft vorhersagten. Bei den Bemühungen, die Prophetien zu aktualisieren, stieß man auf einen Angehörigen des Herrscherhauses von Gwynedd, den erwähnten Owain.

    Dieser brachte als Söldner in französischen Diensten vorerst wenig Voraussetzung für einen walisischen Befreier mit. Doch veränderte sich seine Lage im Verlauf des Hundertjährigen Kriegs, da er aufgrund seines englischen Erbes in Konflikt mit der dortigen Regierung geriet. Animiert durch walisische Freunde entschloss sich Owain daraufhin, Ansprüche auf das Erbe eines Fürsten von Gwynedd zu erheben – notfalls gewaltsam. Daher unternahm er in der Folgezeit insgesamt drei Aktionen, eine Invasion in Wales durchzuführen und seine Forderungen militärisch durchzusetzen. Nachdem die erste Unternehmung, mit einer Flottille von Frankreich nach Wales überzusetzen, an widrigem Wetter gescheitert war (1369), startete er bald einen zweiten Versuch. Zwar wurde dieser vom französischen König unterstützt und propagandistisch als Aktion des einzig legitimen Prince of Wales gefeiert; doch auch dieses Unternehmen schlug fehl (1372). Ehe der Prinz einen dritten Invasionsversuch unternehmen konnte, schlug die englische Regierung gegen ihn zu, indem sie dessen Ermordung in Frankreich durch einen schottischen Auftragsmörder veranlasste, der erfolgreich war (1378). Auch nach Owains Tod blieb sein Wirken in Wales populär, woraufhin nach dem Aussterben des Hauses Aberffraw andere fürstliche Dynastien – u. a. in Deheubarth, Powys – den Anspruch erhoben, den Titel eines Prince of Wales zu führen und den Freiheitskampf fortzusetzen.

    Doch erst nach drei Jahrzehnten trat ein neuer walisischer Fürst auf – Owain Glyndŵr, der den letzten, jedoch gefährlichsten Aufstand gegen die englische Herrschaft in Wales entfesselte.⁸ Eher zufällig geriet er nach längerer juristischer und militärischer Tätigkeit in englischen Diensten als Nachfahre der Fürstenhäuser von Powys und Deheubarth in die Rolle eines Rebellen. Auch bei ihm waren private Besitzkonflikte mit englischen Großen sowie englischen Gerichten der Auslöser, sich die fortbestehende Wut der Bevölkerung auf die englischen Herren zunutze zu machen und gegen diese aufzustehen. So ging er – unterstützt von Barden – als Fünfzigjähriger in die Offensive, sammelte Verbündete und ließ sich von diesen als Fürstennachfahre zum Prince of Wales proklamieren (September 1400). Dies geschah nicht zufällig, da kurz zuvor der Sohn des usurpatorischen englischen Monarchen Heinrich IV., Heinrich von Monmouth (später Heinrich V.), zum englischen Prince of Wales erhoben worden war (Oktober 1399; s. unten Kap. II/1).

    Im folgenden Jahrzehnt führte Owain eine Rebellion, die wie so oft die Befreiung der Waliser von Fremdherrschaft und die Wiederherstellung der Rechte und Freiheiten des Landes zum Ziel hatte. Aus der wechselvollen Geschichte dieses Aufstandes sei hier nur erwähnt, dass der Prinz über mehrere Jahre in einer Koalition mit walisischen Fürsten zahlreiche militärische Erfolge erringen konnte. Trotz diverser Feldzüge König Heinrichs, Strafgesetzen des englischen Parlaments etc. hielten die Oppositionellen Stand – unterstützt durch propagandistische Kampagnen von Barden, die den Prinzen als »the sole head of Wales or the Welsh« und als Führer der »Welsh race« feierten. Zustrom erhielt die »nationale Bewegung« sogar von walisischen Studenten und Soldaten, die im Ausland tätig waren und nun Owain zu Hilfe eilten. Zudem fand dieser Unterstützung sowohl bei englischen Oppositionellen als auch in Frankreich, da König Karl Flottenkontingente zur Verfügung stellte. Schließlich wurde Owain sogar von anderen auswärtigen Mächten wie Kastilien, Schottland als souveräner Prince of Wales anerkannt (1404).

    Besondere Bedeutung erlangte die Rebellion jedoch durch die Tatsache, dass deren Leiter zunehmend »staatsmännisches Format« erlangte. Auf dem Höhepunkt seiner Macht (ca. 1404) entwickelte Owain ein »politisches Programm«, in dessen Mittelpunkt die »nationale Erlösung« (national salvation) stand, d. h. die Befreiung des Landes von englischer Fremdherrschaft. Neu war hingegen, dass erstmals ein Prince of Wales als Hauptziel verkündete, einen souveränen »walisischen Staat« mit eigenen politischen Institutionen zu schaffen – etwa ein selbstständiges walisisches Parlament und ein funktionsfähiges Verwaltungs- und Finanzsystem. Und gerade hieran scheiterten die Pläne des Prinzen: Abgesehen von einer Kanzlei konnten die erforderlichen Einrichtungen ebenso wenig aufgebaut werden wie eine eigenständige walisische Kirche. Gleiches galt für den Plan des Fürsten, zwei eigene Universitäten im Lande – jeweils eine im Norden und Süden – zu gründen, um eine eigenständige walisische Bildung unabhängig von englischen Bildungseinrichtungen zu gewährleisten.

    Trotz temporärer Rückschläge war Owain weiterhin bestrebt, die Kämpfe in Wales politisch auszuweiten bzw. zu »internationalisieren« und ausländische Akzeptanz eines souveränen »walisischen Staates« zu erlangen. Seine offensive Außenpolitik war sogar zeitweise erfolgreich, da er erneut die Unterstützung durch Karl VI. von Frankreich erhielt. Dessen militärische Intervention mit einem Expeditionskorps in Wales schlug jedoch fehl (August 1404). Dies hinderte Owain nicht an noch weiterreichenden Plänen – etwa für eine Absetzung Heinrichs IV. Mit einigen englischen Oppositionellen – wie Edmund Mortimer IV. und Henry Percy – ging er sogar so weit, für den Sturz des Königs eine neue Machtordnung auf dem Inselreich unter eigener Beteiligung vorzusehen (1405). Der Prinz glaubte sicherlich, umfassende Macht zu besitzen und eine glänzende Zukunft als Herrscher zu haben.

    Doch die politische Wirklichkeit sah völlig anders aus. Zwar erhielt Owain die Unterstützung durch ein walisisches Parlament (in Harlech Castle), doch dann begannen die ersten großen militärischen Niederlagen (Sommer 1405). Vor allem der Einsatz des englischen Thronfolgers Heinrich (V.) mit einem Strategiewechsel machte sich bemerkbar, sodass immer mehr Burgen für den Prinzen verloren gingen und sich die englische Wirtschaftsblockade negativ bemerkbar machte. Daher konnte Prinz Heinrich eine walisische Region nach der anderen zurückerobern und sogar verschiedene Familienmitglieder Owains gefangen nehmen, die als Gefangene im Tower starben. Zwar unternahm Owain noch einige verzweifelte Angriffe auf englische Garnisonen, doch brachten diese keine Veränderungen.

    Die Situation verschlechterte sich für den Fürsten nach dem Tode Heinrichs IV. bzw. nach der Thronbesteigung des Sohnes (1413) weiter, da nun der Widerstand der Oppositionellen rasch zusammenbrach. Auch Owain dürfte zu dieser Zeit den Kampf weitgehend aufgegeben haben, da er aus der Öffentlichkeit verschwand. Im Gegensatz zu früheren Rebellen wurde er jedoch niemals von seinen eigenen Leuten verraten; auch lehnte er alle Amnestieangebote durch den König ab. So ist sein weiteres Schicksal ungeklärt. Wahrscheinlich wird er sich die folgenden Jahre – geduldet durch Heinrich V. – auf den Besitzungen seiner Töchter bzw. Schwiegersöhne bis zum Tode ca. 1415 aufgehalten haben. Insgesamt endete die von Owain angeführte Rebellion im Desaster, dessen verheerende soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen das Land noch Jahrzehnte belasteten.

    Zwar blieb Owain trotz seines Scheiterns auch nach dem Tod im Land u. a. in Legenden populär, doch kam es in der Folgezeit in Wales zu keinen nennenswerten weiteren Revolten gegen die englische Herrschaft. Vielmehr fanden sich offenbar die Waliser mit ihrem Schicksal ab, keinen eigenen Prince of Wales zu besitzen und in Abhängigkeit von der englischen Krone zu stehen. Diese Bindung wurde schließlich durch die ursprünglich walisische Dynastie der Tudors vollendet, indem es der englische König Heinrich VIII. wagte, Wales vollständig in das Königreich England zu inkorporieren (Laws in Wales Acts 1535–1542).

    Erst im späten 19. Jahrhundert wurde das Andenken an die verlorene Unabhängigkeit des Landes und an die Rebellion Owains u. a. im Rahmen der Bewegung Young Wales (Cymru Fydd) neu belebt (seit 1886). Ihn erklärte man nun zum »Vater des Walisischen Nationalismus« und zu einem »Welsh Hero«. Seine Verehrung hielt bis ins 21. Jahrhundert an, indem etwa im Jahre 2000 Gedenkfeiern für seine Revolution abgehalten wurden. Auch eine Universität (in Wrexham) erhielt seinen Namen (2008). Sogar der gegenwärtige englische Prince of Wales sah sich veranlasst, seine enge Verbindung zu dem Land zu betonen, indem er zumindest ansatzweise die Sprache lernte und regelmäßige Besuche in Wales absolvierte. Wie Charles Windsor zur Geschichte der walisischen Prinzen von Wales steht, ist jedoch unklar.

    II. Die englischen und britischen Herrscherhäuser und ihre Prinzen von Wales

    1. Mittelalterliches Rittertum und die Prinzen von Wales (1301–1484)

    Umstrittener und ritterlicher Prinz

    Eduard (II.) von Caernarfon | Plantagenet (1284–1327)

    Eduard als Prinz bzw. als Prinz von Wales

    Die Geschichte der englischen Prinzen von Wales beginnt mit Eduard (II.), dem vierten und einzig überlebenden Sohn (von 14 Kindern) von König Eduard I. und seiner Gattin Eleonore von Kastilien.¹ Die Geburt des späteren Thronfolgers auf einer Wales-Reise des Königspaares erfolgte sicherlich nicht zufällig in Caernarfon Castle (25. April 1284). Vielmehr stand sie in Zusammenhang mit der Unterwerfung von Wales, welche der König seit geraumer Zeit betrieb. Um die Waliser für die englische Herrschaft zu gewinnen, ließ der Monarch den Sohn – unter Bezug auf walisische Prophezeiungen – angeblich als einen Prinzen ankündigen, »der in Wales geboren wäre und nie ein Wort Englisch sprechen könne«.² Doch hatte dieser nach Abschluss der Unterwerfung von Wales durch den Vater für ein Jahrzehnt keinerlei Beziehungen zu der Region. Gleiches galt für die Eltern, die das Baby in den ersten Jahren nicht zu Gesicht bekamen, da sie sich in der Gascogne aufhielten. Stattdessen wurde für den Sohn ein eigener Haushalt – ähnlich dem Königshof – mit Zentrum in Langley, später Mortlake, geschaffen.

    Wie in der Oberschicht üblich, kümmerten sich Kinderfrauen um den Prinzen, zuerst Mary Maunsel, dann Alice de Leygrave, die den Jungen liebevoll betreuten. Die Leitung des Haushaltes wurde Giles von Oudenarde, später William von Blyborough übertragen. Hier bestand eine Ämterhierarchie mit zahlreichen Funktionsträgern, die mit der Wardrobe den Unterhalt des Prinzenhofes sicherten. An diesem erhielt Eduard auch eine zeitgenössische Ausbildung, für welche die Eltern nur geringes Interesse zeigten. Schwerpunkte hierbei waren ritterliche Tätigkeiten (wie Reiten, Fechten etc.), in denen der Prinz bald durch den Ritter Guy Ferre unterwiesen wurde. Da wie üblich bei dem Jungen keinerlei Wert auf »intellektuelle Fähigkeiten« gelegt wurde, ist unklar, ob er lesen oder schreiben konnte. Während er Anglo-Französisch sprach, besaß er vielleicht auch Kenntnisse in Latein und Englisch. Da der Prinz später mit seinem Hof viel umherreiste, entwickelte sich dieser zu einem wichtigen, aber teuren Kommunikationszentrum. So wuchs er zu einem kräftigen, gutaussehenden jungen Mann heran, der Musik liebte, sportlich aktiv war – mit Reiten, Jagd, Falknerei – und sich später mit unstandesgemäßen Tätigkeiten wie Graben, Maurerarbeiten etc. beschäftigte.

    Trotz der häufigen Abwesenheit der Eltern zumeist auf Kriegszügen zog der König den Sohn schon früh zum Dienst für die Krone heran. So erhob er ihn nach dem Tod der Königin (1290) zum Grafen von Ponthieu, ernannte ihn während seiner Abwesenheit im französisch-englischen Krieg (1294–98) zum (nominellen) Oberbefehlshaber der Armee auf der Insel und später während seines Flandern-Feldzuges (1297–98) zum offiziellen Regenten Englands. Zwar agierten Stellvertreter für den Prinzen, doch erlangte er hierbei politische Erfahrungen. Diese waren ihm schon 1297 in den Konflikten mit oppositionellen Magnaten nützlich, wobei er großes Geschick bei der Beilegung des Machtkampfes bewies. Noch wichtiger war die Übertragung der königlichen Besitzungen in Wales (Principality) sowie des Earldom of Chester im Parlament von Lincoln auf Eduard (7. Februar 1301 – Wirkungszeit ca. 6,5 Jahre).³ Doch erst im Mai tauchte der Titel eines Prince of Wales in Dokumenten auf. Zweck dieser Ernennung war nach dem sog. Statut von Wales (1284) bzw. nach den Revolten in Wales (1294–95) im Blick auf den Konflikt mit Schottland wahrscheinlich die engere Bindung dieser Region an das Herrscherhaus und die Ausstattung des Thronfolgers mit eigenem Territorialbesitz bzw. Einkünften. Dieser begab sich im April nach Wales, um die Huldigung seiner neuen Untertanen zu empfangen; doch verließ er das Land bald wieder. Zudem richtete man einen walisischen Council (mit 15 Magnaten) ein, welcher die Region in seinem Namen verwaltete. Nach weiteren Besitzübertragungen (u. a. Aquitanien) war der Prinz einer der mächtigsten Großen des Landes.

    Dennoch blieb die große Abhängigkeit Eduards von seinem Vater bestehen, zumal ihn dieser weiter konsequent in seine herrscherlichen Aktivitäten einbezog. Dies betraf auch die künftige Ehe des Prinzen, die wie üblich eine dynastische Angelegenheit darstellte. So begann der Vater schon 1290 mit Heiratsplänen für Eduard, die zuerst – im Blick auf die Schottland-Unterwerfung – die Verbindung mit der jungen Margarete von Norwegen und ihre schottischen Thronansprüche betrafen. Nach deren frühen Tod wurde im Hinblick auf den anglo-französischen Krieg die Heirat mit einer Tochter des Grafen Guido von Flandern projektiert; doch auch dieses Projekt scheiterte. Schließlich wurde zur Beendigung der Kämpfe mit Frankreich bzw. um die Gascogne die Verlobung Eduards mit der Tochter Phillips IV. von Frankreich, Isabella, vereinbart (1303), gefolgt von der Hochzeit nach der Thronbesteigung Eduards II. (1308).

    Nachdem die Kämpfe in Frankreich beendet worden waren, wandte sich der König wieder seinem Hauptziel zu – der Unterwerfung Schottlands. Unabhängig von dem Engagement des Prinzen in Wales bzw. im Earldom of Chester glaubte der König, ihm intensiver militärische Erfahrungen vermitteln zu müssen, sodass er ihn die folgenden Jahre an den Kämpfen aktiv beteiligte. Diese Einsätze begannen unter dem Oberbefehl des Vaters mit einem Kommando über Armee-Kontingente bei Belagerungen (1301), gefolgt von der Teilnahme an weiteren Kampagnen (1303–04). Bei diesen Aktionen, die nur teilweise erfolgreich waren, zeigte der Prinz zwar Engagement, jedoch geringe Führungsqualitäten, sodass er die Erwartungen des Vaters nicht erfüllte. Zwischenzeitlich übernahm Eduard andere Aufgaben wie die Teilnahme an Ratsversammlungen der Magnaten und an Parlamentssitzungen (1302).

    Gleichzeitig kam es zu einer allmählichen Entfremdung vom Vater, deren Ursachen unklar sind. Wahrscheinlich wird die extravagante Lebensführung des Prinzen, der keinerlei Interesse an den politischen wie militärischen Zielen des Monarchen zeigte, dessen Missfallen hervorgerufen haben. In aufwändiger Hofhaltung feierte der Prinz teure Feste, betrieb Glücksspiel und ließ Musikanten auftreten. Die kostspielige Lebensweise führte zu baldiger Verschuldung Eduards und zu starker Belastung der königlichen Kasse, woraufhin der Treasurer Walter Langton beim Monarchen intervenierte. Im folgenden Konflikt stellte sich der Vater gegen den Sohn und verbannte ihn zeitweise vom Hofe (1305). Zwar kam es bald zu einer Versöhnung, doch blieben die Beziehungen zwischen beiden belastet, zumal der Prinz seine Lebensführung nicht änderte.

    Noch gravierender waren hingegen die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn um dessen fragwürdigen Freundeskreis, insbesondere um die Rolle des gascognischen Ritters Piers Gaveston, der seit 1300 Mitglied des Haushalts von Eduard war.⁴ Wie genau die Beziehung der beiden Männer aussah, ist unklar, wobei schon bald Gerüchte über ein angeblich homosexuelles Verhältnis aufkamen. Zwar standen die beiden in immer engerem Kontakt zueinander, und Gaveston übte verstärkt Einfluss auf den Prinzen aus. Doch könnte auch eine sog. »Blutsbrüderschaft« (Adoptive Brotherhood) bestanden haben, die dauerhaft ein gegenseitiges Füreinander-Einstehen ohne sexuelle Konnotation vorsah. Auf jeden Fall sorgte das Verhältnis nicht nur bei den Zeitgenossen für Furore, sondern war auch in der Folgezeit Gegenstand literarischer bzw. künstlerischer Darstellungen, etwa von Marlow. Unverändert missbilligte der König diese Beziehung und wollte Gaveston loswerden. Dennoch übertrug er dem Sohn nicht nur das wichtige Herzogtum Aquitanien, sondern erhob ihn in einer großen Feier mit ca. 260 anderen jungen Männern zum Ritter (Knight of the Bath) in Westminster Abbey (April/Mai 1306).

    Trotz der Spannungen vertraute der König dem Prinzen ein Kommando im neuerlichen Schottland-Krieg an (August). Bei diesem Heerzug bewies der Sohn zwar wenig militärisches Geschick, jedoch umso größere Grausamkeit gegenüber der schottischen Bevölkerung. Sogar der harte Monarch zeigte sich verärgert über das Verhalten Eduards, den er zurück beorderte und mit Verhandlungen über die Modalitäten für dessen geplante Heirat im Parlament in Carlisle beauftragte (Januar 1307). Zusätzliche Konflikte traten wegen der Aktivitäten des Vertrauten von Eduard (Gaveston) auf, den der König verbannte (26. Februar). Zwar kam es zu einer erneuten Aussöhnung des Prinzen mit dem Vater, der beharrlich den Krieg in Schottland gegen Robert Bruce fortsetzte. Doch im Verlauf des Heerzuges starb der Monarch in Burgh-by-Sands, Northumberland (7. Juli). Noch auf dem Sterbebett verpflichtete er (gen. Hammer of the Scots) den Sohn zur vollständigen Unterwerfung Schottlands. Zugleich hinterließ er ein schweres Erbe: So bestand trotz innenpolitischer Reformen nicht nur ein spannungsreiches Verhältnis zu Adel und Parlament, sondern es existierten auch extreme Belastungen für das Finanzwesen infolge großer Schulden der Krone und das ungelöste Problem einer »Befriedung« Schottlands.

    Eduard als König

    Bald nach der Thronbesteigung als Eduard II. hatte dieser Isabella von Frankreich in Boulogne geheiratet (25./28. Januar 1308) und war dann in Westminster Abbey gekrönt worden (24./25. Februar). In den zwei Jahrzehnten seiner Herrschaft zeigte er sich stark von den Prägungen seiner Prinzenzeit beeinflusst. So distanzierte er sich umgehend vom Vater, indem er eine völlig andere Politik betrieb. Vor allem war er weder willens noch in der Lage, dessen Expansionsbemühungen fortzusetzen. Auch erwies sich Eduard als schwach und labil mit Desinteresse an politischen Aktionen; zudem war er unfähig, außenpolitische Krisen – etwa in Frankreich – zu bewältigen. Andererseits setzte er auch als König seine aufwändige Hofhaltung aus der Prinzenzeit fort und pflegte die Gemeinschaft mit »niederer Gesellschaft« sowie seine Günstlingswirtschaft. Dies führte umgehend zu Konflikten, indem die Barone gewaltsam die königlichen Herrschaftsrechte einschränkten (Ordinances 1311), den Favoriten Gaveston töteten (1312) und eine Regierung des Reformers Thomas von Lancaster etablierten (1314–1322). Nach dessen Scheitern und militärischen Niederlagen (u. a. Bannockburn 1314) brach unter neuen Günstlingen Eduards (Despensers) ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf der König die Oberhand erlangte und mit den Favoriten eine Zeitlang eine autoritäre Herrschaft ausüben konnte.

    Ein Umschwung wurde durch die Königin eingeleitet, die sich u. a. wegen der Favoriten vom Gatten entfremdet hatte und – nominell in diplomatischer Mission – an den französischen Hof gereist war (1325). Dort bereitete sie mit ihrem Liebhaber Roger Mortimer den Sturz der Günstlinge und die Rückkehr auf die Insel vor. Die Invasion gelang ihr mit französischen Truppen in Suffolk (24. September 1326), woraufhin die Herrschaft des Königs zusammenbrach. Dieser floh mit den Despensers nach Südwales, doch geriet er bei Llantrisant in Gefangenschaft (16. November). Während man die Despensers hinrichtete, wurde der inhaftierte König von einer Art »Parlament« wegen zahlreicher Vergehen und »Unfähigkeit« zur Abdankung zugunsten des Sohnes Eduard (III.) gezwungen (25. Januar 1327). Die folgenden Monate verbrachte der Monarch weiter in Haft (in Kenilworth Castle, Berkeley Castle), wo er zu Tode kam (21. September). Die Umstände seines Ablebens sind bis heute ungeklärt; doch wird zumeist ein Mord im Auftrage der neuen Machthaber Isabella und Mortimer angenommen.⁵ Diese wurden ihrerseits wegen eklatanter Misswirtschaft von Eduard (III.), der niemals Prince of Wales war, gewaltsam gestürzt (1330).

    Eduard von Woodstock (Schwarzer Prinz) | Plantagenet (1330–1376)

    Der zweite Prinz von Wales wurde in einem Land geboren, das von großen innen- und außenpolitischen Problemen belastet war. Seine Eltern waren der künftige König Eduard III. und seine Gattin Philippa von Hennegau, die dem ältesten Sohn Eduard in Woodstock (Oxfordshire) das Leben schenkte (15. Juni 1330).⁶ Das Prinzenpaar wurde in die Wirren um die Herrschaft des Vaters, Eduards II., und seiner Günstlinge hineingezogen. Schon als Dreizehnjähriger musste sich der Thronfolger nämlich an den französischen Königshof begeben und zur Beendigung des Krieges von Saint-Sardos den Lehnseid für das Herzogtum Guyenne leisten (1325). Auch in den folgenden Machtkampf zwischen dem König und seiner Gattin Isabella sowie ihres Liebhabers Roger Mortimer wurde der Prinz involviert, da er nach der erfolgreichen Invasion des Paares und nach dem Sturz Eduards II. als König Eduard III. dessen Nachfolger auf dem englischen Thron wurde (25. Januar 1327). Faktisch führten Isabella und Mortimer jedoch die Regentschaft für den minderjährigen Monarchen, der Philippa von Hennegau heiratete (1328) und bald Vater eines Sohnes (Eduard) wurde. Zudem nutzte Eduard III. den wachsenden Widerstand gegen die Herrschaft des Paares im Lande und stürzte kurz vor seinem 18. Geburtstag seine Mutter und ihren Liebhaber (1330). Nachdem Mortimer hingerichtet und die Königin unter Hausarrest gestellt worden war, konnte der Sohn endlich selbstständig über das Land herrschen.

    Hierbei bemühte sich Eduard III., nach der innenpolitischen Befriedung Englands die überkommenen außenpolitischen Probleme zu lösen, d. h. die Konflikte in Schottland, Irland und Frankreich zu bewältigen. Damit begann eine jahrzehntelange Folge von Kriegen auf diversen Schauplätzen, wodurch der Monarch zu langer Abwesenheit von England und damit auch von der Familie gezwungen war. Daher übernahm die Königin für ca. sieben Jahre in ihrem Haushalt die Erziehung des Prinzen Eduard und seiner Geschwister. Schon in dieser Zeit unterwiesen zumeist Frauen den Jungen, der eigene Bedienstete besaß, in ritterlichem Verhalten. Gleichzeitig war der Vater bestrebt, den Sohn in sein Herrschaftssystem einzubeziehen, indem er schon den Dreijährigen an Repräsentationsveranstaltungen teilnehmen ließ. Zur selben Zeit ernannte er ihn zum Earl of Chester und 1337 zum Duke of Cornwall; die hiermit verbundenen Einnahmen wurden im mütterlichen Haushalt zum Unterhalt verwendet.

    Seit dem achten Lebensjahr erfolgte die Erziehung des Prinzen mit Standesgenossen bei Hofe durch Haushaltsmitglieder und Tutoren wie Walter Burley. Wahrscheinlich beschränkte man sich auf die Vermittlung von »Elementarbildung« wie Lesen, Schreiben und Latein – Kenntnisse, die für die spätere herrscherliche Tätigkeit nützlich waren. Ein späterer Besuch des Queen’s College (Oxford) ist umstritten, zumal der Prinz kein großes Interesse an »Buchwissen« oder selbst an moderner Literatur wie »Romanzen« zeigte. Wichtiger war die chevalereske Ausbildung, der sich Eduard mit großem Eifer widmete. Auch besaß er bereits als Achtjähriger eine umfangreiche Sammlung an Waffen und Rüstungen. Alle erzieherischen Aktivitäten dienten somit – nach dem Vorbild des Vaters – der Vorbereitung auf ein »Leben in Waffen«.

    Bereits als Teenager wurde der Prinz in eine Serie an Kriegen seines Vaters involviert, die das weitere Leben Eduards prägen sollten. Zuerst wurde dieser zum (zweiten) Prinzen von Wales im Parlament von Westminster ernannt bzw. feierlich investiert (12. Mai 1343 – Wirkungszeit: ca. 33 Jahre) und ein Council zur Verwaltung des Besitzes eingerichtet. Abgesehen von der nominellen »Würde« hatte der Prinz aber in der Folgezeit persönlich – außer der Rekrutierung von Truppen – keinerlei Beziehungen zur Principality. Danach wurde er in die Aktivitäten des Vaters in Schottland einbezogen, da dieser in den dortigen Thronwirren um Edward Balliol zur Durchsetzung seines Oberherrschaftsanspruchs intervenierte. Dieses Eingreifen erfolgte sowohl infolge der schottisch-französischen Auld Alliance als auch wegen eines Konfliktes mit Philipp VI. von Frankreich. Dessen Herrschaft stellte Eduard III. nämlich aufgrund eigener Thronansprüche in Frage, wodurch der Hundertjährige Krieg ausgelöst wurde (1337–1453). Ergänzt wurden die folgenden militärischen Aktionen von Eduard durch den Aufbau eines komplexen außenpolitischen Bündnissystems, das zahlreiche Herrscher auf dem Kontinent – wie Kaiser Ludwig den Bayern – einbezog.

    In die kriegerischen Auseinandersetzungen wurde der Sohn von Beginn an involviert, indem dieser

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