Fehden im 16. Jahrhundert: Geiselnahme, Brandstiftung, Pferdemord
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Über dieses E-Book
Hans-Jürgen Jagau
Mit Wirkung vom 29. August 2016 hat die Stadt Langenhagen mich zum Stadtheimatpfleger berufen. Ich bin mit Entwicklung und Geschichte der Stadt Langenhagen vertraut. Auch als Mitglied der AG GLIEM, in der Kulturstiftung, im Hegering und im Kunstverein befasse ich mich mit heimatpflegerischen und kulturellen Aktivitäten. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Langenhagen läuft u. a. ein Projekt zur Erschließung der Dokumente im Landesarchiv, die Bedeutung für die Stadt Langenhagen und ihre Ortschaften haben. Außerhalb der Stadtgrenzen bin ich als Vorstand oder Mitglied in kulturellen bzw. landwirtschaftlichen Vereinigungen engagiert.
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Buchvorschau
Fehden im 16. Jahrhundert - Hans-Jürgen Jagau
Anhang:
Langenhagen im 16. Jahrhundert
Versuchen wir uns vorzustellen, wie das Dorf Langenhagen, Sitz der gleichnamigen Amtsvogtei, Mitte des 16. Jahrhunderts aussah. Das Dorf mit seinen 55 Hofstellen war in die drei Bauerschaften Langenfort, Kircher Bauerschaft und Kreyenwinkel geteilt. Nach dem Türkensteuerverzeichnis aus dem Jahr 1557 lebten 226 Personen auf diesen Höfen. Die Gegend war also alles andere als belebt. Wer im Zuge der heutigen Walsroder Straße nach Norden wanderte, sah die an diesem breiten, sandigen Fahrweg wie Glieder einer Kette liegenden kleinen Gehöfte. Als größte Gebäude ragten der Vogthof sowie der Hof des Hachmeisters Jasper Stucke nahe der Kirche und der heute noch stehende Kirchturm heraus. Ansonsten muss man sich Häuser und Scheunen klein, ärmlich und im Schatten von Hofeichen hingeduckt ausmalen. Mit Ausnahme des Kirchendachs waren alle Dächer mit Roggenstroh gedeckt. Die Hauswände bildete Fachwerk mit Flechtfüllung und Lehmschlag. Nahe bei ihren Höfen hatten die Leute eingefriedigte Gärten angelegt, in denen Kohl und anderes Gemüse angebaut wurde. Kartoffeln gab es noch nicht. Ob in diesen Bauerngärten auch Blumen gezogen wurden, ist nicht sicher. Das heutige Bild eines Bauerngartens täuscht da in jedem Fall, denn damals hatte die Ernährung eindeutigen Vorrang.
Klimatisch litten die Langenhagener - wie die Menschen in ganz Mitteleuropa - unter der sogenannten kleinen Eiszeit, einer lange andauernden Kälteperiode mit regenreichen Sommern und strengen Wintern. Da war Schafwolle zum Stricken oder zum Weben groben Wolltuchs wichtig. Weil hinter den bestellten Flächen der Höfe magere Heide weithin ausgebreitet lag, grasten dort Schafherden. Daneben weideten Rinder und Pferde ziemlich kümmerlich. Auch Schweine wurden auf diese Flächen getrieben und sollten Nahrhaftes suchen. Im Herbst wollte man mit ihnen aber am liebsten in die entlegenen Eichenwaldungen ziehen, um von der Eichelmast zu profitieren. Diese Wälder – im Wohlde, Lauenwald und Steinwald - zeigten sich aber keinesfalls als Urwälder, die einem romantischen Wunschbild entsprechen. Sie bestanden vielmehr aus vereinzelt stehenden größeren Eichen, vielerlei Buschwerk und begrasten Freiflächen. Sie waren oft durch Raubbau erheblich geschädigt, wie wir aus zahlreichen Zeugnissen über Waldfrevel im 16. Jahrhundert wissen. Feuerholz war nun einmal Mangelware und entsprechend teuer, was dem an sich erforderlichen Baumschutz vollkommen entgegen stand. Die Leute ließen sich nicht so einfach vom illegalen Holzfällen abhalten, denn die Gegend war weitläufig und menschenleer. Die wenigen Aufsichtspersonen kamen einem Holzdieb selten auf die Spur, wenn ihn nicht einer von den Nachbarn bei der Obrigkeit verklagte.
Holzdiebstahl hatte im Rahmen der hier betrachteten bäuerlichen Fehde eine gewisse Bedeutung. Gleiches gilt für die weiträumige Landschaft, in der sich die sprichwörtlichen Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Wenn man auf den einsamen Wegen einem Mann begegnete, führte dieser in der Regel einen handfesten Knüppel, einen Spieß oder eine Barte, also ein langschäftiges Beil mit sich. Der Schutz durch Ordnungshüter war nämlich fern. Weil jedermann Gewalttaten befürchtete, wollte man selber wehrhaft erscheinen.
Obgleich jegliche Gewalttat durch den 1495 verkündeten allgemeinen Landfrieden verboten war, musste man auch mit größeren Übergriffen rechnen. Das galt besonders bei den kleinen Kriegen der Adeligen, den Fehden. Eine derartige Fehde betraf in den Jahren 1540 und 1541 das Fürstentum Calenberg und darin auch die Amtsvogtei Langenhagen.
Gefangenschaft, vor dem Richter, Ritterturnier und Gelage Holzschnitt des „Petrarca-Meisters" aus Francesco Petrarca, Hülff, Trost und Rath in allem anligen der menschen … Frankfurt a. M. Egenolff Erben 1559
Die Entführung des Calenberger Rentmeisters und Langenhagener Vogts Heinrich Lorleberg
Im Fürstentum Calenberg hatte Herzogin Elisabeth gerade die Vormundschaft für ihren noch minderjährigen Sohn Erich II. übernommen. Möglicherweise dachten einige fehdeführende Adelige, sie könnten unter der Herrschaft einer Frau unbeschadet handeln. So kam es 1541 zum Ausbruch der bedeutendsten Fehde, die sich auch in Langenhagen auswirkte.
Erich zu Braunschweig-Lüneburg und seine zweite Frau Elisabeth von Brandenburg um 1530 (Schwedisches Nationalmuseum)
Auf dem dortigen Vogthof saß einer von Elisabeths wichtigsten Beamten, Heinrich Lorleberg, der in Langenhagen als Vogt, für das Fürstentum Calen-berg jedoch als Rentmeister tätig war. In dieser Funktion diente er bereits dem im Juli 1540 verstorbenen Herzog. Neben der Sicherung ihrer Vormundschaft sah sich Elisabeth der nahezu unmöglichen Aufgabe gegenüber, das unter Erich I. völlig überschuldete Fürstentum finanziell zu sanieren. Der Rentmeister hatte dabei als höchster Steuerverwalter eine besonders wichtige Aufgabe.
Die Vormundschaft und Regentschaft einer Frau war im 16. Jahrhundert eher ungewöhnlich und wurde vom benachbarten Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig–Lüneburg fleißig hintertrieben, da er sich selbst gerne als Vormund in den Besitz des Fürstentums Calenberg gesetzt hätte. Gleichwohl war eine derartige Vormundschaft nach neuerer Forschung rechtlich möglich und in einigen Fällen gebräuchlich. Zudem hatte Elisabeth zwei männliche Mit-Vormünder zur Seite, die ihr mit Rat und Tat halfen.
Ausgangspunkt der einen Fehde, die Elisabeth sehr stark betraf, war der Streit über einen Hof, den der Hildesheimer Domherr Jobst Berner nicht an seinen adeligen Neffen Claus Berner vererbte, sondern anderweitig darüber verfügte. Diesen Hof, das spätere Rittergut Bolzum, kaufte Wilken von Münchhausen. Claus Berner meinte nun, er sei vom Domkapitel um sein Erbe gebracht worden und erklärte der Stadt, dem Bischof und dem Domkapitel die Fehde. Dazu scharte er eine beträchtliche Anzahl berittener Knechte nebst weiteren Adeligen um sich, mit denen er gewaltigen Schaden anrichtete, auch nicht vor Entführung, Mord und Raubüberfällen zurückschreckte. Unter anderem überfielen sie südlich von Hildesheim, bei der heutigen Domäne Marienburg, einen Zug Kaufleute, die aus Lübeck, Hannover und Hildesheim zur Frankfurter Messe zogen. Dabei wurde ein Fuhrknecht erschlagen, andere kamen verletzt mit dem Leben davon. Die Truppe raubte zudem die
Wagen aus. Der Vogt von Calenberg, damals Cord Werner¹ aus Pattensen war aus nicht ganz klaren Gründen auch in der Nähe. Dadurch kam wohl der Verdacht auf, dass man in Calenberg womöglich mit den Fehdeführenden gemeinsame Sache machte. Später beschwerte sich Elisabeth, dass die Leute auf der Burg beim Überfall nicht geholfen hätten. Auch die Hildesheimer seien nicht zu Hilfe gekommen, so dass der Vogt machtlos gewesen wäre. Nach dem Überfall fand die Truppe in Gronau Unterschlupf bei dem Burgherrn