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Ein Potpourri der krummen Dinger: Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch
Ein Potpourri der krummen Dinger: Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch
Ein Potpourri der krummen Dinger: Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch
eBook308 Seiten4 Stunden

Ein Potpourri der krummen Dinger: Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch

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Über dieses E-Book

Eine Privatdetektivin soll einem Ehebrecher nachspüren und stößt auf einen erschossenen Filmstar. Ist das nur ein Zufall?

Ein armer Schlucker weiß sich nicht anders zu helfen und versucht, den berüchtigten Enkeltrick anzuwenden. Zu spät bemerkt er, wie leicht einem solch ein Betrug über den Kopf wachsen kann…

Ein vergesslicher Ehemann erinnert sich gerade rechtzeitig an seinen Hochzeitstag und kommt mit einem Geschenk nach Hause. Doch statt der Gattin erwartet ihn ein gewaltbereiter Einbrecher.

Diese und weitere Kriminalfälle präsentiert Bernharda May im vorliegenden Potpourri, das von manipulierter Schatzsuche über falsche Identitäten und tote Stalker bis hin zu Mord durch Kindeshand reicht.

Abwechslung garantiert: Für jeden Geschmack ist ein "krummes Ding" dabei.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum21. Dez. 2020
ISBN9783753137360
Ein Potpourri der krummen Dinger: Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch
Autor

Bernharda May

Hobbyschriftstellerin, Krimifan und Leseratte. Sie hat weder ein Haustier noch eine Topfpflanze, mit der sie tiefgründige Gespräche führt, und auch keinen interessanten Zweitnamen, um sich von anderen Bernharda Mays abzugrenzen. Mehr wird nicht verraten - denn Geheimnisse machen Frauen im besten Alter erst so richtig interessant!

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    Buchvorschau

    Ein Potpourri der krummen Dinger - Bernharda May

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Titel

    Impressum

    1. Ein Fall von Schuld und Sühne

    2. Kupferne Hochzeit

    3. Armes Kindchen

    4. Die Sonne bringt es an den Tag

    5. Bürgerpflicht

    6. Vertrackte Tricks

    7. Ihre Wohnung

    8. Keine Beichte wie jede andere

    9. Wildunfall

    10. Felix, Tante Trude und das Krokodil

    11. Ein Fall von Outing und Stalking

    Danksagung

    Lesetipps

    Bernharda May

    Ein Potpourri der krummen Dinger

    Kleine Kriminalgeschichten für zwischendurch

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

    Texte: © Copyright by Bernharda May

    Umschlaggestaltung: © Copyright by Janne Gret

    Verlag:

    JanneGret Selbstverlag

    Postfach 11 11 03

    35390 Gießen

    bernharda.may@gmail.com

    Ein Fall von Schuld und Sühne

    »Deine Arbeit ist bestimmt wahnsinnig interessant! Warum veröffentlichst du deine spannendsten Fälle nicht? Krimis sind doch immer angesagt.«

    Solche oder ähnliche Sätze höre ich stets, sobald ich Bekannten und Freunden auf ihre Frage nach meiner beruflichen Tätigkeit hin verrate, dass ich selbständige Privatdetektivin bin. Erst kürzlich kam eine ehemalige Schulkameradin auf mich zu und sprach exakt die obigen Worte, und ich brauchte längere Zeit, sie über die Wahrheit hinsichtlich meines Berufs aufzuklären. Ich jage keine Serienkiller durch die engen Straßen der Großstadt, befreie auch nicht die Mitglieder der Hochfinanz aus den Fängen böser Erpresser und es kommen schon gar nicht irgendwelche namhafte Blaublüter zu mir, deren dreckige Wäsche ich möglichst diskret reinigen soll. Im Gegenteil, mein Klientel besteht aus einfachen Leuten und ihre Anliegen sind fast immer die gleichen:

    »Klaut einer der Mitarbeiter die Produkte aus meiner Firma?«

    »Hat mein Schwiegersohn in spe wirklich eine so reine Weste, wie er behauptet?«

    »Können Sie für mich einen untergetauchten Geschäftspartner ausfindig machen, der mir noch eine hohe Summe schuldet?«

    Natürlich bringen solche Aufträge die üblichen Situationen mit sich, die sich jedermann vorstellt, wenn es um die Arbeit von Privatdetektiven geht – Beschattung der Verdächtigen, Befragung von Zeugen, Recherche über die Vergangenheit einer Person. Das meiste ist aber leidige (und oft langweilige) Herumtelefoniererei und Schreibarbeit. Immerhin habe ich für Letzteres meinen pensionierten Deutschlehrer, Bertram Hollender, als Sekretär engagieren können; er nimmt mir viel Arbeit ab und wird auch diesen Bericht Korrektur lesen, sobald er fertig ist.

    Wahrscheinlich fragen Sie sich, werte Leser, gerade, warum ich überhaupt einen Bericht verfasse, wo ich bis eben meinen Beruf eher abschätzig beschrieben habe. Ich gebe zu, in meiner Laufbahn hat es über die Jahre hinweg doch ein paar Fälle gegeben, welche sich von den oben genannten deutlich unterschieden und die den Erwartungen meiner Bekannten (und vielleicht auch Ihrer, werte Leser) näher kommen dürften. Einen solchen möchte ich nun darlegen, und keine Sorge: Orte und Namen sind ausreichend verändert worden, damit der Datenschutz gewahrt bleibt. Einen Verstoß dagegen darf man sich in meiner Branche nicht leisten.

    Vielleicht fragen Sie sich auch, wieso ich selber schreibe und nicht Bertram? Sherlock Holmes ließ immerhin all seine Abenteuer von seinem Freund Dr. Watson dokumentieren, Hercule Poirot hatte den treuen Captain Hastings. Darüber hinaus scheint Bertram als ehemaliger Deutschlehrer geradezu prädestiniert dafür, schriftstellerisch tätig zu werden und meine Memoiren festzuhalten, aber ich erinnere mich noch zu gut an den Unterricht bei ihm. Fabulierlust, ausschweifende Beschreibungen und philosophische Diskussionen waren bei ihm üblich, egal um welche Lektüre es ging. So lobenswert diese Merkmale für motivierenden Deutschunterricht sein mögen, in der Darstellung von Kriminalfällen haben sie meines Erachtens nichts verloren. Ich halte mich lieber an phantasielose, aber klare Fakten sowie kühle, nachvollziehbare Logik. Und darum nehme ich das Unterfangen um die Schilderung des folgenden Falles besser selbst in die Hand.

    Wovon hier berichtet werden soll, schien zunächst eine völlig harmlose Angelegenheit zu sein und weder Bertram noch ich konnten ahnten, dass er in einem tödlichen Drama enden würde. Alles begann an einem Mittwochmorgen. Eben hatte ich einen Bericht über die Beschattung einer angeblichen Fremdgängerin abgeschlossen, inklusive Beweisfotos, Zeitprotokoll und meiner Honorarrechnung. Ich musste schmunzeln, denn der Verdacht des Auftraggebers gegen seine Frau hatte sich nicht bestätigt; in Wahrheit flüchtete seine Angetraute Abend für Abend zu ihrer Mutter, um dort ausgiebig zu speisen. Mein Auftraggeber hatte sich nämlich eine strenge Diät auferlegt, an der sich die Gattin jedoch nicht beteiligen wollte. Von ihren kulinarischen Eskapaden sollte ihr Mann allerdings nichts wissen. Wie dem auch sei, einen Geliebten hatte es weit und breit nicht gegeben.

    Das Schmunzeln stand mir noch im Gesicht, als ich den Vorraum meines Büros betrat und Bertram die genannten Dokumente überreichte, damit er sie sicher verwahre. Dort fand ich auf einem der zwei Stühle, die für wartende Klienten bereitgestellt worden waren, eine vornehme Dame mit weißem Hut vor. Sie hatte ihr Kinn auf ihre Hände gelegt, die sich ihrerseits auf einen Spazierstock abstützten.

    »Frau Annabelle Storm hat geduldig warten wollen, bis Sie soweit sind«, sagte Bertram zu mir.

    »Ich habe leider keinen Termin im Voraus ausgemacht«, ergriff die vornehme Dame das Wort und ihre Stimme verriet, dass sie viel jünger war, als ich zunächst geglaubt hatte. »Sie sind doch Miriam Waap, die Privatdetektivin?«

    Ich bejahte und wies freundlich in die Richtung meines Büros, dankbar dafür, dass es eventuell einen neuen Auftrag gab. Besonders ertragreich ist das Leben als selbständige Privatdetektivin nämlich nicht, wenn die Kunden ausbleiben.

    »Sie haben Glück, ich habe Zeit. Sie können sofort mit mir kommen, damit wir ungestört reden können.«

    Wir nahmen an meinem Schreibtisch Platz, ich auf meinem Bürostuhl und die junge Dame mir gegenüber im Besuchersessel. 

    »Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich, erhielt aber keine Antwort, denn Frau Storm war damit beschäftigt, sich in meinem Büro umzusehen.

    »Es ist anders, als ich es mir vorgestellt habe«, gab sie zu.

    Ich verstand sie gut. Entgegen gängiger Klischees war mein Detektivbüro hell und freundlich eingeräumt: Anstelle einer schiefen Jalousie hing eine schlichte, weiße Gardine am Fenster und statt eines Aschenbechers voller Zigarettenkippen stand eine Vase mit frischen Frühlingsblumen auf der Schreibtischecke. Aktenordner und sonstige Utensilien blieben hinter japanischen Shoji-Schranktüren verborgen.

    »Womit kann ich Ihnen helfen?«, wiederholte ich und war etwas enttäuscht, als sich Frau Storms Anliegen als das Gleiche herausstellte, was ich für den vorhergehenden Klienten bereits bearbeitet hatte: Verdacht auf Ehebruch. Ich erklärte, wie immer bei solchen Angelegenheiten, dass ich nur tätig werden dürfe, wenn ein berechtigtes Interesse seitens Frau Storms existiere.

    »Eifersucht oder Neugier reichen da nicht aus, wissen Sie?«

    »Oh, derlei Emotionen spielen gar keine Rolle«, versicherte Frau Storm und wirkte tatsächlich sehr gefasst. »Mir geht es darum, ob es im Falle einer Scheidung zu Unterhaltszahlungen käme oder die Möglichkeit besteht, das zu umgehen.«

    Sie zog eine Visitenkarte aus ihrer Jackentasche und reichte sie mir.

    »Falls David und ich uns trennen, würde nämlich ich Zahlungen an ihn entrichten müssen. Ich bin eindeutig die Besserverdienende.«

    Ich las ihre Visitenkarten und erkannte, dass nicht irgendeine Annabelle Storm vor mir saß, sondern die Eigentümerin einer renommierten Handelsgesellschaft.

    »Sie sind die Enkelin Rudolph Storms, der einst aus einem kleinen Unternehmen eine große Firma machte. Ihre Handelsgesellschaft hat unsere Stadt seit vielen Jahren wesentlich mitgeprägt.«

    »Und wir sind sogar in Übersee tätig«, fügte Annabelle Storm, nicht ohne Stolz, hinzu. »Sie sehen, ich würde ungern das von meiner eigenen Familie hart erarbeitete Vermögen mit jemandem teilen, der zu einer erfolgreichen Ehe mit mir nicht fähig ist.«

    Sie holte ein sorgfältig gefaltetes Papier hervor, das sie vor mir ausbreitete, und zeigte auf diverse handschriftliche Stichpunkte.

    »Ich habe mich von meinem Anwalt beraten lassen. Um Unterhaltszahlungen zu entgehen, muss ich David ehefeindliches Verhalten nachweisen, was freilich weder mein Rechtsbeistand noch die Polizei für mich erledigen können. Da dachte ich, bevor ich dilettantisch herumspioniere und mich lächerlich mache, sollte das lieber ein Profi tun.«

    Ich freute mich. Nicht über das versteckte Kompliment meiner Professionalität gegenüber, sondern dass meine Auftraggeberin sich bereits die rechtlichen Informationen besorgt hatte, die für eine erfolgreiche Arbeit meinerseits nötig waren. Ich studierte die Notizen.

    »Wie ich sehe, sind Sie seit zehn Jahren mit David Storm verheiratet. Offenbar hat er Ihren Nachnamen angenommen. Da Sie beide nach so langer Zeit keine Kinder haben, erlauben Sie mir bitte eine recht intime Frage…«

    Sie ließ mich den Satz nicht beenden.

    »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Mein Anwalt hat mich vorgewarnt. Der Vollzug der Ehe fand und findet statt.«

    »Dennoch verdächtigen Sie Ihren Mann, Sie zu betrügen?«

    Annabelle Storm wirkte für einen kurzen Augenblick unsicher, beinahe verletzlich. Aber innerhalb weniger Sekunden hatte sie zu ihrer souveränen Haltung zurückgefunden.

    »Ich glaube zu wissen, dass er eine Affäre hat«, sagte sie und fuhr nach einer Pause fort: »Ich kann Ihnen sogar sagen, mit wem. Kennen Sie Gloria Horn?«

    Als ich diesen Namen vernahm, verschlug es mir den Atem. Wenngleich die Handelsgesellschaft der Familie Storm über die Landesgrenzen hinaus bekannt war, im Vergleich zu Gloria Horn verlor sie enorm an Bedeutung. Kein Wunder, wurde doch die junge Filmschauspielerin international als größter weiblicher Star gefeiert und galt als schönste Frau der Welt. Das Spektrum ihres darstellerischen Könnens reichte von leichtherziger Liebeskomödie übers Historiendrama bis hin zum Arthouse-Film. Ich kannte Gloria Horns Werke aufgrund diverser Kinobesuche und musste zugeben, dass die Behauptung der Kritiker, sie verfüge über hundert verschiedene Varianten des Augenaufschlags, nicht übertrieben war. Wie aber konnte ein solcher Weltstar in Zusammenhang mit der kühlen Annabelle Storm und ihrem Gatten stehen? Die Unternehmerin las mir diese Frage vom Gesicht ab und erzählte:

    »Gloria und ich sind gemeinsam zur Schule gegangen. Nicht, dass wir beste Freundinnen gewesen wären, aber wir schätzten einander und haben den Kontakt aufrechterhalten. Allein schon deshalb, weil ihr Patenonkel ein Geschäftspartner meines Großvaters war und noch jetzt unserer Gesellschaft verbunden ist.«

    Sie holte eine weitere Visitenkarte hervor. Darauf stand: Laurenz Moser. Inhaber der Zichel & Wick AG.

    »Das ist eben jener Geschäftspartner. Die Adresse finden Sie auf der Rückseite.«

    Ich drehte die Karte um und fand die Anschrift.

    »Waldweg 1, Weidensgrundl«, las ich laut vor.

    »Dorthin lädt Laurenz kommendes Wochenende zum Abendessen in kleiner, geselliger Runde ein. Mein Mann und ich werden dort sein, ebenso Gloria Horn. Für sie soll es eine Art Überraschungsdinner werden, anlässlich ihrer Rückkehr von einer Filmtournee. Sollten Sie den Auftrag annehmen, sind auch Sie dabei, auf meine Kosten natürlich. Ich könnte Sie als meine Freundin oder Geschäftspartnerin ausgeben und Sie würden genug Gelegenheit haben, um herauszufinden, ob David etwas mit Gloria hat.«

    Es erschreckte mich, wie genau Annabelle Storm meinen Einsatz im Vorfeld durchdacht hatte. Diese Frau war es anscheinend gewohnt, über die Köpfe anderer hinweg zu planen.

    »Welchen Anlass haben Sie eigentlich, um von einer Affäre zwischen Ihrem Mann und Gloria Horn auszugehen?«

    Annabelle Storm hatte sich auch auf diese Frage vorbereitet und ich bekam eine lange Liste von Indizien zu hören: Da waren die letzten zwei Urlaubsreisen, die von David gebucht worden waren und die »zufällig« in die Nähe von Glorias Drehorten geführt hatten; das plötzlich aufkeimende Interesse Davids an der Film- und Schauspielkunst, die ihn früher nie interessiert hatte; die einseitigen Bemühungen Glorias, die lose Bekanntschaft zwischen ihr und den Storms zu intensivieren und die Betonung Davids, wie freundlich er das fände…

    »Und als ich vorigen Monat auf Geschäftsreise war – allein – fielen mir die Titelseiten der Klatschmagazine auf. Alle berichteten sie von Glorias Premiere in London, von ihrem Auftritt beim Filmfestival in Cannes und so weiter. Und wer war jedes Mal mit ihr auf dem Titelblatt? Mein David!«

    Sie langte erneut in ihre Jackentasche, aber diesmal war es keine Visitenkarte, die sie hervorholte, sondern eine Fotografie.

    »Das ist mein Ehemann.«

    David Storm war mittelgroß, auffallend schmalschultrig und trug eine große Brille, die seine interessanten Gesichtszüge betonte. Sein braunes Haar war akkurat in der Mitte gescheitelt. Während ich sein Bild betrachtete, sah meine Klientin auf die Uhr und befand wohl, dass sie genug Zeit in meinem Büro verbracht hatte.

    »Ich erwarte Ihre Entscheidung darüber, ob Sie meinen Auftrag annehmen wollen, nicht sofort«, sagte sie und erhob sich. »Ich rufe Sie heute Abend an. Sollten wir ins Geschäft kommen, werden wir die Einzelheiten gleich am Telefon besprechen können.«

    Sie reichte mir die Hand, nickte Bertram beim Hinausgehen freundlich zu und verschwand aus der Detektei. Ein Hauch ihres Parfüms blieb in unseren Räumlichkeiten zurück; es war eine frische, aber neutrale Duftnote, die Annabelle Storms sachliche Haltung unterstrich.

    »Was gibt es zu tun?«, fragte mich Bertram.

    Er war bereits seit Langem mein Sekretär und kannte meine Arbeitsweise: Ich lege großen Wert darauf, die für Detektive typische Recherchearbeit schon vor der Annahme eines Auftrags anzugehen, und damit dies schneller von der Hand ging, war Bertram dabei involviert. Ich reichte ihm David Storms Foto und bat:

    »Finde heraus, ob dieser Mann auf den Titelseiten von Klatschmagazinen auftaucht, in Verbindung mit Gloria Horn. Es betrifft vor allem die Illustrierten vom letzten Monat.«

    Bertram setzte sich an seinen PC und begann, in den Online-Auftritten diverser Zeitschriftenverlage zu surfen. Es war mir nicht entgangen, dass sein Gesicht zu leuchten begann, als der Name der berühmten Schauspielerin fiel – anscheinend war auch er ein großer Bewunderer. Dieser Rechercheauftrag würde ihm Spaß machen, dessen war ich mir sicher.

    Inzwischen widmete ich mich jenem Örtchen, wohin mich meine detektivische Tätigkeit verschlagen sollte. Der Straßenatlas offenbarte mir, dass Weidensgrundl ziemlich abgelegen war und der Waldweg nur ein dünner Pfad sein musste, der zu einem einzigen Haus außerhalb der Ortschaft führte. Ein paar zusätzliche Klicks im Internet reichten, um weitere Auskunft zu erlangen: Der Großindustrielle Laurenz Moser hatte sich dort nach seinem Rückzug aus dem Geschäft ein altes Gutshaus gekauft, es renovieren lassen und lebte jetzt dort mit seiner Frau Edith und seiner Hundezucht.

    »Ein Wochenende auf dem Land in solch illustrer Gesellschaft klingt verlockend«, murmelte ich.

    Doch zunächst war zu klären, ob es für Annabelle Storms Verdacht wirklich einen Anlass gab. Die Geräusche des Druckers verrieten mir, dass Bertram fündig geworden war und diesbezüglich Material zusammenstellte. Auf ihn war Verlass. Trotz seines fortgeschrittenen Alters wusste er exzellent mit den neuesten Medien umzugehen.

    Sie müssen wissen, werte Leser, dass Bertram nach Erreichen seines wohlverdienten Ruhestands nicht wusste, wohin mit sich und seiner Zeit. Rastlos und unzufrieden hatte er nach einer sinnvollen Tätigkeit gesucht, weil ihm sonst, wie er meinte, »die Decke auf den Kopf« fiele. Wie hatte ich gestaunt, als sich auf meine Anzeige nach einem Sekretär ausgerechnet mein ehemaliger Deutschlehrer meldete, und ich glaube, auch er war überrascht gewesen, eine seiner Schülerinnen als Privatdetektiv wiederzusehen. Gleichwohl rauften wir uns zusammen, bildeten ein gutes Team und ganz nebenher wichen das leidige »Herr Hollender« und das nicht minder steife »Fräulein Waap« dem freundschaftlichen »Bertram« und »Miriam«.

    »Ich habe dir Titelseiten verschiedener Zeitschriften ausgedruckt, Miriam. Wie du siehst, ist Gloria Horn auf allen abgebildet, aber nicht immer mit dem gleichen Mann.«

    Zwei Fotografien zeigten die Schauspielerin Arm in Arm mit einem großen, schlanken Herrn mit dickem Schnurrbart. Bertram wusste, dass es sich dabei um Paul, Glorias Ehemann handelte.

    »Er war laut diesen Berichten bei der Londonpremiere ihres Films dabei«, erzählte er. »Die nächsten drei Titelfotos stammen aus Cannes, da steht sie mit ihrem Bruder Gabriel auf dem roten Teppich.«

    Gloria Horn musste in Cannes mehrmals über rote Teppiche gelaufen sein, denn auf jedem Bild trug sie ein anderes Kleid. Der Mann neben ihr dagegen hatte stets denselben grauen Anzug an. Er lächelte verkniffen und seine Pausbacken schienen vom vielen Blitzlichtgewitter zu schwitzen. »Tröstet der Bruder sie über das England-Desaster hinweg?«, lautete die Schlagzeile. Ich musste nur fragend meine rechte Augenbraue hochziehen, da lieferte mir Bertram sogleich die Erklärung:

    »Ihr neuer Film kam bei den britischen Kritikern nicht besonders gut an. Es folgte aber immerhin eine Nominierung bei den Festspielen in Cannes.«

    »Du bist ja ein blendend informierter Fan, Bertram«, lobte ich.

    »Nicht informiert genug«, gab er zu. »Auf mehreren Titelblättern scheint Gloria Horn einen Begleiter zu haben, den ich nicht zuordnen kann.«

    Er zeigte auf einen älteren Herrn mit Halbglatze und Mantel, der auf einem Bild die Schauspielerin offenbar vor einem Lichtspieltheater begrüßte, auf einem anderen in ein teures Restaurant führte.

    »Das ist Julius Theveleit, der Milliardär«, erkannte ich. »Normalerweise lebt er zurückgezogen und scheut die Öffentlichkeit, weshalb nur wenige den Namen und das Gesicht dieses Tycoons kennen. Eigenartig, dass er sich plötzlich ablichten lässt!«

    Ich setzte mich an meinen Laptop, tippte den Namen der Illustrierten in meine Suchmaschine ein und fand die Online-Ausgabe, die zum ausgedruckten Titelblatt passte. Der zugehörige Artikel las sich wie folgt:

    »Sogar schüchterne Milliardäre können sich Hollywoods Charme nicht entziehen: Julius Theveleit sucht das Gespräch mit Gloria Horn. Will er ins Filmgeschäft investieren, nachdem sich sein Geschäftspartner Laurenz Moser zurückgezogen hat?«

    Sieh an, Theveleit und Moser waren also nicht nur mit Gloria Horn, sondern auch miteinander bekannt. Das legte die Vermutung nahe, dass auch er zum Dinner im Gutshaus eingeladen worden sein könnte. Für mich als Privatdetektivin war es sehr verlockend, Kontakte in diese Richtung zu knüpfen – meinem Ruf würde es jedenfalls nicht schaden. Aber all die Herren, bei denen sich Gloria im Beisein der Kameras eingehakt hatte, waren im Moment nicht so wichtig wie jener schmale, akkurat gescheitelte Mann, der tatsächlich sowohl auf dem Londoner Foto als auch auf jenen aus Cannes im Hintergrund stand und dessen Silhouette – wenn man genau darauf achtete – ebenfalls im Fenster des teuren Restaurants in München zu erkennen war. Bertram hatte ihn, ganz der Lehrer, jedes Mal mit einem Rotstift eingekreist.

    »David Storm folgt Gloria Horn überallhin«, stellte ich fest. »Sehr verdächtig. Selbst wenn er keine Affäre mit ihr haben sollte, kann dies einer unserer interessanteren Fälle werden, Bertram, denn irgendwas muss ja hinter seiner Nachstellung stecken.«

    »Das heißt, du nimmst den Auftrag an?«

    »Ja. Ich telefoniere mit Frau Storm und du suchst bitte die beste Zugverbindung nach Weidensgrundl heraus – falls das Nest überhaupt einen Bahnhof hat.«

    Es hatte. Als Annabelle Storm uns auf dem Bahnhofsvorplatz empfing, war sie über Bertrams Anwesenheit etwas irritiert. Während wir in ihr Auto stiegen, wies sie darauf hin, dass sie bei Laurenz Moser lediglich einen zusätzlichen Gast angemeldet hatte.

    »Kein Problem«, gab ich zurück, »mein Sekretär hat sich ein Zimmer im hiesigen Gasthaus genommen und wird nicht mit zum Gutshof kommen. Ich hab ihn gern in der Nähe, falls ich vor Ort Unterstützung brauche.«

    Ich zeigte auf einen großen Koffer, worin sich Kamera, Mikrofon und weiteres technisches Equipment befanden.

    »All das wird zunächst im Gasthaus gelagert, damit es nicht auffällt«, erklärte ich. »In einem Fall wie diesem ist es ohnehin besser, man kommt ohne die Technik aus.«

    Annabelle Storm gab mir recht. Auf eine Videoaufnahme, die David und Gloria in flagranti zeigte, legte sie keinen Wert. Für ehefeindliches Verhalten reichte es ihrer Meinung nach völlig, wenn ich heimliche Liebesbriefe finden oder einen französischen Kuss zwischen den beiden beobachten würde.

    »Wie wir am Telefon besprochen haben, sind Sie für die anderen eine neue Geschäftspartnerin von mir«, sagte sie, nachdem wir Bertram und mein Detektivequipment im Gasthaus abgesetzt hatten. »Auf Ihren Wunsch hin habe ich Ihren richtigen Namen angegeben. Aber ist das nicht gefährlich? Jemand könnte zufällig wissen, dass Sie Privatdetektivin sind. Wäre es nicht klüger gewesen, Sie als meine Kusine oder ähnliches auszugeben?«

    »Es ist besser, immer so nah an der Wahrheit zu bleiben, wie es geht«, versicherte ich. »Zum einen sind wir ja wirklich Geschäftspartner, denn Sie haben mich engagiert. Falls es jemand genau wissen will, geht es bei meiner Detektivarbeit um Wirtschaftskriminalität. Fällt dieses Wort, werden keine weiteren Nachfragen folgen. Hinzu kommt, dass es unsere Gespräche unter vier Augen, die sicherlich mehrmals nötig sein werden, glaubhaft macht.«

    »Und zum anderen?«

    »Würde ich die Identität Ihrer Verwandten annehmen, müssten Sie sich eine Menge Lügen einfallen lassen, warum David und Gloria bisher nichts von mir gehört haben. Es gibt Leute, denen so etwas Spaß macht, aber Sie, Frau Storm, scheinen mir eine zu ehrliche Haut zu sein, um ein ganzes Wochenende eine Schwindelei durchzuhalten.«

    Annabelle Storm errötete etwas und musste gestehen, dass meine Einschätzung richtig war.

    »Sie haben eine sehr nüchterne Herangehensweise«, sagte sie und ich verstand, dass dies als Lob gemeint war.

    Der Waldweg schlängelte sich durch die Landschaft und zwang aufgrund seines ungepflasterten Zustands die Fahrerin, vom Gas zu gehen. Rechts von uns standen Birken, Eichen und Kiefern dicht an dicht, links lag eine wilde Wiese, die von einem kleinen Bach durchzogen wurde. An dessen Ufern standen ein paar Weiden. Sie waren es, die dem Ort Weidensgrundl seinen Namen gegeben hatten.

    »Ausgestorbene Gegend hier«, bemerkte Annabelle Storm.

    »›Ausgestorben‹ würde bedeuten, dass es hier mal viele Leute gegeben hat«, sagte ich. »Mir scheint jedoch, als ob das immer schon eine wilde und dünn besiedelte Region war.«

    Endlich kam ein Haus in Sicht, und je näher wir heranfuhren, desto mehr Eindruck machte seine Größe auf mich. Es besaß zwei Stockwerke und ein ausgebautes Dachgeschoss, alles neu verputzt. Das vorspringende Hauptportal mit dem Rundbogen befand sich in der Mitte der leuchtend weißen Fassade. Auf der rechten Seite des Gutshauses ging ein einstöckiger Flügel nach Südwesten, bei dem es sich wohl um einen Anbau handeln musste. An der linken Hausecke befand sich ein kleiner Teich. Das ganze Ensemble lag in einer mittelmäßig gepflegten Parkanlage, die weitestgehend auf Statuen, Bänke und anderes Zierrat verzichtete und nur aus Rasenflächen, Hecken und wenigen Bäumen bestand. Blumenbeete befanden sich ausschließlich an der Hauswand unter den Fenstern. Die Wege, einschließlich der Einfahrt, waren mit Kies bedeckt.

    Etwas deplatziert in diesem Ensemble wirkte der blau-weiße Streifenwagen eines Polizisten, der direkt vor dem Hauptportal geparkt hatte. Seine Wagentür stand offen, was uns zeigte, dass er erst vor Kurzem angekommen sein musste. Der Polizist selbst, ein junger, schlaksiger Mann, diskutierte soeben mit einem ganz in Grün gekleideten Herrn, dessen untersetzte Statur ich bereits von den Fotos aus meiner Recherche kannte: Das war Laurenz Moser. Bei der dünnen, blassen Gestalt neben ihm musste

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