Der Sieger: Zehn Satiren
Von Thomas Ziebula
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Über dieses E-Book
Der Umfang dieses Buchs entspricht 136 Taschenbuchseiten.
ZEHN BERICHTE VON DER ALLTAGSFRONT, so der ursprünglich geplante Titel dieser Sammlung, denn die komischen Geschichten um den scheinbar stinknormalen Herbert führen mitten hinein ins pralle Leben: Herbert versucht zu flirten, den Leuchter zu reparieren, nach viel zu vielen Bieren, sein Auto zu finden, und so weiter. Meistens endet das mit einer Bauchlandung, manchmal aber auch mit einem Triumph. Die Titelgeschichte „Der Sieger“ etwa zeigt Herbert als Spitzenmanager vor einer entscheidenden Vorstandssitzung – und nach einer alltäglichen Einzelsitzung; allerdings ist diesmal das Klopapier ausgegangen ...
Lediglich in einer der zehn Satiren hat Herbert Sendepause, und Kuno, der Auftragskiller, kommt mit dem ersten Bericht aus seinem ungewöhnlichen Arbeitsalltag zu Wort. Von Kuno liegen weitere Arbeitsberichte in der Textschmiede des Autors.
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Buchvorschau
Der Sieger - Thomas Ziebula
Der Sieger
Zehn Satiren
von Thomas Ziebula
Der Umfang dieses Buchs entspricht 136 Taschenbuchseiten.
ZEHN BERICHTE VON DER ALLTAGSFRONT, so der ursprünglich geplante Titel dieser Sammlung, denn die komischen Geschichten um den scheinbar stinknormalen Herbert führen mitten hinein ins pralle Leben: Herbert versucht zu flirten, den Leuchter zu reparieren, nach viel zu vielen Bieren, sein Auto zu finden, und so weiter. Meistens endet das mit einer Bauchlandung, manchmal aber auch mit einem Triumph. Die Titelgeschichte „Der Sieger" etwa zeigt Herbert als Spitzenmanager vor einer entscheidenden Vorstandssitzung – und nach einer alltäglichen Einzelsitzung; allerdings ist diesmal das Klopapier ausgegangen ...
Lediglich in einer der zehn Satiren hat Herbert Sendepause, und Kuno, der Auftragskiller, kommt mit dem ersten Bericht aus seinem ungewöhnlichen Arbeitsalltag zu Wort. Von Kuno liegen weitere Arbeitsberichte in der Textschmiede des Autors.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Cover und Layout: Wolfram Becht
mit Fotos von Friedrich-Immanuel Ziebula & Martin Seyfried
Redaktion: Jonathan Ziebula
Für Mike Godyla
Prolog: Einfach nur geklaut
Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen? – mit dieser Frage darf ein Autor in jedem zweiten Interview rechnen. Ach was – in jedem! Schade, dass sie nicht noch öfter gestellt wird, denn ich mag diese Frage. Keine nämlich ist leichter zu beantworten.
Spielen wir das doch einfach mal durch. Frage also: „Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen?"
Antwort: „Ich klaue sie."
„Bitte?"
„Sie haben schon richtig verstanden: Ich klaue meine Ideen."
„Diese lebensnahen Figuren, diese vielen grandiosen Bauchlandungen ...?"
„... und die wenigen lachhaften Siege, von denen die folgenden Seiten künden – alles nur geklaut. Richtig."
„Aber wem denn, um Gottes Willen?"
„Dem Schicksal, wenn Sie unserem Interview einen pathetischen Touch geben wollen. Wenn Sie es trockener mögen: Leuten, die zufällig in seiner Folterkammer landeten."
„...?"
„Was gucken Sie mich denn so an? Trauen Sie mir etwa zu, an einem lächerlichen Glühbirnenwechsel zu scheitern? Oder einen hoffnungsvollen Flirt in den Sand zu setzen? Oder können Sie sich etwa einen wie mich vorstellen, wie er nach der Sitzung mit heruntergelassenen Hosen vor leerer Klopapierhalterung verzweifelt? Oder paranoid wird vor Eifersucht? Oder im Suff seinen Wagen nicht mehr findet? Jetzt sagen Sie bloß, Ihnen ist dergleichen jemals passiert. Das kann nicht Ihr Ernst sein!"
„Gott bewahre! Natürlich nicht ...! Das heißt, warten Sie ..."
„Na also! Wildfremde Leute erleben solche Sachen, Leute mit denen wir nichts zu schaffen haben. Sie nicht und ich nicht. Zum Glück. Zufällig hört man halt davon, schreibt’s auf, weil man nichts Besseres zu tun hat, und fertig ist die Geschichte."
„Alles nur geklaut, also, aha."
„Korrekt. Wobei ich nicht sagen möchte, dass in den folgenden Geschichten die Ähnlichkeit der Figuren mit lebenden Personen unbeabsichtigt oder gar zufällig zustande kommt. Auch wenn meine Hauptfiguren selbstverständlich Lichtjahre weit entfernt sind von meinem Alltag und von Ihrem sowieso – Namen und Adressen haben sie natürlich dennoch ..."
„Sie sprechen von Herbert, nicht wahr? Nach ihm wollte ich Sie als nächstes fragen: Alle Hauptfiguren Ihrer Geschichten heißen komischerweise Herbert. Wieso?"
„Damit es keine Scherereien gibt. Schauen Sie: Niemand soll reale Personen in meinen Figuren wieder erkennen. Da hat einer einen guten Rechtsschutz, und schon hängt mir ein Prozess am Hals. Außerdem ist Herbert so etwas wie mein Adam, verstehen Sie?"
„Nicht wirklich. Gerät diese Namensgleichheit nicht gar zu leicht zur Quelle von Verwechslungen?"
„Na und? Übrigens heißen nicht alle meine Hauptfiguren Herbert. Der Killer gleich in meiner ersten Geschichte heißt Kuno. Ihn einfach wie jeden anderen zu nennen, habe ich mich nicht getraut. Kuno ist ein wenig heikel, wissen Sie? Und nicht ganz ungefährlich."
„Kuno, der Killer? Sie kennen ihn persönlich?"
„Sonst noch Fragen?"
„Ähm..., nein. Das heißt, vielleicht diese noch: Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen?"
Und so weiter, und so weiter.
Da wir gerade bei Kuno sind: Der ist so was von geklaut, das glauben Sie kaum. Mein Freund Mike Godyla hat Kuno vor Jahren neben einem Sixpack an einer Tankstelle getroffen, ein paar Stunden mit ihm geplaudert, überlebt und ein Lied über ihn geschrieben: Kuno, der Killer.
Mike also ist der Erfinder dieser Figur. Weil ich sie mag, habe ich sie geklaut und ihr, über Mikes Lied hinaus, eine zweite Geschichte geschrieben. Weitere Kuno-Geschichten glühen übrigens bereits in unserer Textschmiede. Wenn Kuno will und wir leben – er ist wirklich ein wenig heikel – wird demnächst ein Buch mit weiteren Berichten aus seinem ungewöhnlichen Berufsalltag erscheinen.
Mehr noch als Kuno schätze ich seinen Schöpfer. Deswegen und weil er witzige Geschichten mag, widme ich Mike dieses Buch.
Thomas Ziebula, Colmurano, August 2013
Ich bin Killer von Beruf
Mein Name ist Kuno . Ich bin Killer von Beruf. Das muss Ihnen reichen. Eine gewisse Zurückhaltung gehört zur Professionalität in unserer Branche.
In den letzten Tagen musste ich im Zusammenhang mit dem Müller-Leipniz-Auftrag empörende Gerüchte über mich zur Kenntnis nehmen; Verleumdungen, die mich wirklich schmerzen. Gegen Lügen gibt es nur ein Mittel: Die Wahrheit. Deswegen will ich erzählen, wie das wirklich gewesen ist mit dem Müller-Leipniz-Auftrag; oder genauer gesagt: Wie das mit dem Jungen gewesen ist.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe ihm nichts getan.
Möglicherweise gehören auch Sie, was Gott verhüten möge, zu den Menschen, die reißerischen Gerüchten eher Gehör schenken als der schmucklosen Wahrheit. Selbst wenn das auf Sie zutreffen sollte – wie gesagt, ich halte es für wenig wahrscheinlich – bitte ich Sie dennoch, meinen Bericht bis zum Ende zu lesen. Ein wenig Mitgefühl darf ich schon erwarten. Nur weil ich einen ungewöhnlichen Beruf habe, muss man ja nicht gleich jedes Gerücht über mich akzeptieren, oder?
Dazu kommt: Ich will die Sache endlich vergessen. Ich muss endlich wieder jene Unbeschwertheit zurück gewinnen, ohne die auf die Dauer kein Mensch einem erfolgreichen Broterwerb nachgehen kann. Deswegen will ich hiermit all den Verleumdungen die nackte Wahrheit entgegensetzen: Nicht ein Haar habe ich dem Jungen gekrümmt.
Mehr noch: Mich quält sogar mein Gewissen. Wegen Müller-Leipniz? Nein, wegen des Jungen!
Doch der Reihe nach.
Den Auftrag Müller-Leipniz habe ich nur ungern angenommen, das können Sie mir glauben. Der Mann ist querschnittsgelähmt gewesen, und Behinderte erschießen – mal ehrlich ...
Doch einige meiner Kunden sind ernsthaft in Zahlungsrückstand geraten und ich dadurch ernsthaft in Schwierigkeiten: Kinder, Vermieter, Katzenfutter, Kredite, Finanzamt und so weiter. Ich muss Ihnen nichts erzählen, Sie kennen das. Kurz: Mir ist keine Wahl geblieben, ich habe den Auftrag einfach annehmen müssen. Und es ist ja dann auch alles gut gegangen.
Bis auf die Sache mit dem Jungen eben. Üble Geschichte.
Doch eines nach dem anderen. Müller-Leipniz also.
Bei seiner Art der Querschnittslähmung hat es sich um eine Paraplegie gehandelt. Falls ihnen das nichts sagt: Von den Halswirbeln abwärts geht da gar nichts mehr. Das macht die Sache nicht einfacher, weiß Gott nicht; also für Dienstleister meiner Branche. Zum einen schreibt mir ein derart desolater Zustand des Zielobjekts den Arbeitsplatz vor, denn solche Leute pflegen ihr Bett nicht allzu häufig zu verlassen und ihre Wohnung zweimal nicht. Zum anderen erschweren derartige Umstände die Ausspähung eines Zielobjekts ganz erheblich. Stellen Sie sich vor, Sie müssten den Alltag und die Gewohnheiten eines Mannes auskundschaften, der nur zwischen Bett und Rollstuhl hin und her pendelt. Allenfalls noch mit dem Rollstuhl zwischen Bett und Küche oder Bad. Wie wollen Sie das anstellen?
Verzwickte Angelegenheit, das können Sie mir ruhig glauben. Und am Ende, also wenn es ernst wird, brauchen Sie auch noch einen guten Grund, um in die Wohnung zu gelangen.
Sie merken schon: Das TATORT-Klischee vom Kollegen, der mal eben seine Sachen in der Dachgeschosswohnung gegenüber auspackt und peng, können Sie vergessen. Ein Auftrag in unserer Branche erfordert akribischste Vorbereitung, und das über Tage und Wochen.
Doch ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen, zumal ja dann auch alles gut gegangen ist wie gesagt, sogar relativ unspektakulär, möchte ich behaupten. Jedenfalls habe ich klären können, was zu klären war. Nur so viel: Ich hab’ herausgefunden, dass sich bei Müller-Leipniz doch noch etwas geregt hat unterhalb der Halswirbelsäule, und dass er einmal die Woche eine Dame bestellte. Telefonisch. Sie verstehen.
Nun muss man in unserer Branche Beziehungen zu den ungewöhnlichsten Dienstleistern pflegen, da gehören die Damen vom horizontalen Gewerbe eher noch zu den alltäglicheren Kontakten. Zwei, drei Anrufe und Müller-Leipniz’ wöchentlicher Damenbesuch steht in meinem Terminkalender. Und damit auch Tag und Stunde seines Ablebens.
Ich lege Bach auf, die „Kunst der Fuge" in einer alten Orgelversion; Bach kühlt den Kopf herunter, sage ich immer, und bringt Ordnung in die Gedanken.
Danach überprüfe ich das Werkzeug in meinem Geigenkasten, steige in einen leichten Sommeranzug – ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag strahlt vor den Fenstern, und ich schwitze doch so leicht bei der Arbeit – und fülle meine Taschen mit all den Dingen, ohne die ich nicht aus dem Haus zu gehen pflege: Deospray, Kaugummi, Phone, Mundharmonika, Kruzifix, Gummibären, Taschenmesser mit Nagelschere, Tabak für die Zigarette danach und natürlich meine Papiere; damit man mich identifizieren kann, falls etwas schief geht.
Es ist kurz vor neun, als ich mich wie immer von meiner Katze verabschieden will. Doch Dorothea zeigt mir die kalte Schulter, weicht meiner zärtlichen Hand aus und huscht ins Schlafzimmer.