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Die vier Fälle des Mike Moser
Die vier Fälle des Mike Moser
Die vier Fälle des Mike Moser
eBook904 Seiten12 Stunden

Die vier Fälle des Mike Moser

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Über dieses E-Book

DER STAR MUSS STERBEN

Privatdetektiv Mike Moser ist ein Münchner »Gwachs«. Und er mag seinen Job und seine Stadt. Meistens. Als er aber engagiert wird, weil eine bekannte Schauspielerin während der Dreharbeiten zu ihrem neuesten Film einen Drohbrief erhalten hat, ist er wenig begeistert: Er soll als ihr Bodyguard herhalten! Andererseits - einen Kurzurlaub am bilderbuchgleichen Drehort am Starnberger See, noch dazu mit saftigem Honorar, schlägt man auch wieder nicht aus. Moser beginnt zu ermitteln und während er noch vermutet, dass das Ganze einfach ein PR-Gag ist, stolpert er über die erste Leiche. Und plötzlich steckt er drin, der Moser, in einer brisanten Jagd nach dem Täter …
»Der Star muss sterben« ist der erste Band von insgesamt vier Krimis um den Münchner Ermittler Mike Moser

UNSCHULDIGE SEELEN

Für seinen neuen Fall geht der Münchner Detektiv Mike Moser weit, sehr weit: Er meditiert. Es bleibt ihm auch nichts anderes übrig, wenn er dem Geheimnis der Sekte auf die Spur kommen will, die in einem Schloss unweit von München residiert. Schon sein Detektivkollege Udo Stutz war bei seinem letzten Fall auf diese Gemeinschaft gestoßen - und jetzt lebt er nicht mehr. Zufall? Moser schleicht sich inkognito in die Sekte ein. Er weiß um die Gefahr, aber er hat keine Wahl: Um Leben zu retten, muss er sein eigenes aufs Spiel setzen. Und es wird wieder einmal sehr knapp …

DER GRÜNE FLUSS

Normalerweise ist Mike Moser nicht auf den Kopf gefallen - diesmal hat allerdings jemand nachgeholfen. Als der Münchner Privatdetektiv in einem Krankenhaus aufwacht, fehlt ihm jede Erinnerung an das Geschehene. Kurz nach seiner Entlassung erhält er ein Foto auf sein Handy - anonymer Absender. Es zeigt ihn mit seinem Sohn nach einem Restaurantbesuch. Ein skurriler Scherz? Auf dem nächsten Foto ist Moser gemeinsam mit einem jungen Mädchen zu sehen. Wenige Stunden später wird sie tot aufgefunden. Brutal ermordet. Wer steckt dahinter? Und was ist seine Absicht? Es folgt ein drittes Foto, ein viertes - und die nächsten Leichen. Moser hinkt der Auflösung der Rätsel, die ihm aufgegeben werden, hinterher. Nur eines ist klar: Diesmal ist Mike Moser der Gejagte …

GELD UND GOLD

»Geld und Gold« ist nach »Der Star muss sterben«, »Unschuldige Seelen« und »Der grüne Fluss« der vierte Krimi aus der Reihe um den Münchner Ermittler Mike Moser (»Die vier Fälle des Mike Moser«). Ein Münchner Juwelier trauert um seinen Sohn, der das Geschäft übernehmen sollte. Selbstmord, sagt die Polizei, Mord, glaubt der Vater.Herausfinden, was zutrifft, soll Moser. Der ist allerdings privat angeschlagen. Zum ersten Mal hat er jemanden erschossen. Zwar aus Notwehr, trotzdem verfolgt ihn dieser Vorfall bis in seine Träume. Der Dönerimbiss seines Freundes Akif, der bislang Zufluchtsort und zweites Zuhause für Moser war, existiert nicht mehr. Und seine Exfrau will erneut heiraten. Einen anderen, versteht sich. Also stürzt sich Moser in die Arbeit, wäre doch gelacht, wenn er diesen Fall nicht lösen könnte …
SpracheDeutsch
HerausgeberAllitera Verlag
Erscheinungsdatum16. Dez. 2016
ISBN9783869069753
Die vier Fälle des Mike Moser

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    Buchvorschau

    Die vier Fälle des Mike Moser - Thomas Giesau

    Thomas Giesau

    Die vier Fälle des Mike Moser

    Der Star muss sterben

    I

    II

    III

    IV

    V

    Weitere Krimis

    Unschuldige Seelen

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    Der grüne Fluss

    I

    II

    III

    IV

    V

    Geld und Gold

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    Weitere Fälle von Mike Moser:

    img1a

    THOMAS GIESAU heißt im wahren Leben nicht so. Den Namen Giesau, zusammengesetzt aus den Münchner Stadtvierteln Giesing und Au, hat er als Pseudonym für seine vierteilige Krimireihe um den Münchner Privatdetektiv Mike Moser angenommen. Der gebürtige Münchner war viele Jahre als Filmjournalist tätig, heute ist er Buch- und Drehbuchautor.

    Thomas Giesau

    Die vier Fälle des Mike Moser

    Band 1: Der Star muss sterben

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    Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter: www.allitera.de

    März 2015 Allitera Verlag

    Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2015 Buch&media GmbH

    Umschlaggestaltung: Moritz Mayerhofer | studionice, Berlin

    isbn print 978-3-86906-703-2

    isbn epub 978-3-86906-714-8

    isbn pdf 978-3-86906-715-5

    Printed in Germany

    I

    Ich hatte in der Innenstadt zu tun gehabt und fuhr nun zurück, den Rosenheimer Berg hoch und am Gasteig-Kulturzentrum vorbei. Die Sonne spiegelte sich in der schmalen, vom Boden bis unters Dach reichenden Fensterfront, die das Gebäude in zwei Hälften teilte, und mir fiel wieder mal ein, was ein Kritiker, natürlich ein norddeutscher, einmal über dieses Gebäude geschrieben hatte. Er hatte es mit einem menschlichen Hinterteil verglichen. Man muss den monumentalen Backsteinbau ja nicht unbedingt schön finden, aber so ein Vergleich kann wohl nur einem Hamburger Preußen einfallen.

    Ich fuhr oft hier hoch, denn ich wohnte da oben. Nicht im geldigen, vornehmen Bogenhausen, sondern gleich daneben, im angenehmen, sympathischen Haidhausen. Mit vielen alten Häusern, noch nicht alle luxussaniert, mit kleinen Läden und Kneipen und einem Flair, das auch das hippe Loft-Gesocks, das es zuhauf in solche Gegenden zieht, noch nicht zerstören konnte. Die Mieten sind allerdings teuer geworden, zum Teil sogar sauteuer. Münchnerisch eben. Trotzdem wohne ich immer noch da, zu einem erschwinglichen Preis. Fünfter Stock ohne Lift, wer will das schon.

    Jetzt jedoch musste ich nach Bogenhausen. Ich war unterwegs zum Pressebüro Harald Leschmann, und das war, wie ich dem Internet entnommen hatte, zuständig für Film- und Fernsehpromotion, für Public Relations, Fotoservice, Medienkontakte und noch vieles andere, das ich inzwischen wieder vergessen hatte. Gestern Nachmittag hatte mich das Sekretariat des Pressebüros angerufen, Herr Leschmann bäte mich um einen Besuch, die Angelegenheit sei dringend. Es handle sich um einen Auftrag. Worum es dabei ging, wollte man allerdings nicht verraten. Mit Film und Fernsehen hatte ich bis jetzt noch nie zu tun gehabt.

    Das Büro Leschmann residierte im Parterre eines schicken zweistöckigen Neubaus. Hohe Rundbogenfenster in weißer Fassade, halbrunder, gläserner Erkervorbau, sauber getrimmtes Rasenstück mit großer Buchs-Kugel davor. Die bis zum Boden reichenden Fenster gewährten einen ungehinderten Einblick ins Innere. Hinter einem großen, fast leeren Schreibtisch saß ein Mann mit Stirnglatze und telefonierte.

    »Einen Augenblick bitte, ich werde Sie gleich anmelden«, sagte das perfekt zum Ambiente passende weibliche Wesen hinter dem kleinen Schreibtisch, schenkte mir ein neutrales Empfangslächeln und gab die Tatsache meiner Ankunft per Telefon weiter. Ich sah mich in dem großen Vorraum um, der fast schon eine kleine Halle war. An der Wand links vom Eingang hing das riesige Hochformat-Foto eines Pudels. Er saß vor einem weißen Hintergrund, hatte eine cremefarbene Schleife um den Hals und einen Ausdruck im Pudelgesicht, den ältere Damen als »einfach süß« zu bezeichnen pflegen. Trotzdem fragte ich mich, was der Köter hier zu suchen hatte; er passte so gar nicht zu den abstrakten farbigen Bildern ringsum.

    »Hallo, Herr Moser, Harald Leschmann ist mein Name. Schön, dass Sie kommen konnten!« Der Typ mit der Stirnglatze, den ich vorhin durchs Fenster gesehen hatte, eilte nun mit dynamischem Schritt auf mich zu. Wir schüttelten uns die Hand und ich folgte ihm in sein Büro.

    Hier sah es noch um einige Grade edler aus. Schwarze Ledersessel, Schreibtischplatte aus grauem Marmor, darauf ein Laptop und eine vielknopfige Telefonanlage. An der Wand ein großer Bildschirm und im Raum verteilt Deckenfluter und Leuchten von einer Stil- und Preisklasse, wie sie bestimmt in keinem Kaufhaus zu finden waren. Im Wandregal aus glänzenden Stahlstreben und beige gelacktem Holz Bücher und Zeitschriften in kunstvoll arrangierter Unordnung. Eines stand für mich sogleich fest: Mit dem Geld, das hier in der Luft lag, war auch eine aufwendige Recherche zu finanzieren.

    Leschmann war etwa in meinem Alter, zweite Hälfte vierzig. Um die einsachtzig groß, schlank. Wenn er einen Bauchansatz hatte, so war dieser durch den gut geschnittenen grauen Anzug erfolgreich kaschiert. Darauf saß oben ein runder, durch die wenigen Haare und die randlose Brille noch kugeliger wirkender Kopf, der Intelligenz und satte Selbstgefälligkeit ausstrahlte. Er verbreitete jene Art von gelackter Freundlichkeit, mit der ich schon immer Probleme hatte. Aber wahrscheinlich war so etwas nötig, um in seinem Job und dieser Branche bestehen zu können.

    Leschmann hatte bemerkt, dass ich meine Umgebung musterte, und fragte: »Gefällt es Ihnen?«

    »Ja, sehr«, antwortete ich und fügte noch hinzu: »Guter Stil.«

    Er hatte so eine Reaktion erwartet, trotzdem schien ihm noch etwas zu fehlen. Ich sah auch gleich, was es war: Im Regal gleich neben dem Schreibtisch, also so, dass jeder Besucher es sehen musste, stand das gerahmte Foto einer schönen, dunkelhaarigen jungen Frau. Ich sah es an und bemühte mich um einen bewundernden Gesichtsausdruck.

    »Meine Frau«, sagte Leschmann. »Sie war Topmodel.«

    »Respekt«, sagte ich und fand das gleichzeitig ziemlich dämlich, aber etwas anderes fiel mir nicht ein. In einer Ecke hinter seinem Schreibtisch lehnte eine kleinere Ausgabe des Pudelfotos an der Wand. »Ihr Hund?«, fragte ich.

    Der Kugelkopf nickte. »Ja. Ist doch ein klasse Foto, oder? Wir überlegen gerade, ob wir nicht mehr daraus machen können. Vielleicht so eine Art Firmenlogo.«

    »Gute Idee«, sagte ich und dachte, dass es sich bei dem Pudel nur um einen Toppudel handeln konnte.

    Eine Sekretärin brachte Kaffee und Leschmann fragte sie: »Hat Seidl sich schon gemeldet?«

    »Ja, vor ein paar Minuten. Er ist unterwegs.«

    Die Sekretärin verschwand, und Leschmann kam endlich auf den Zweck unseres Treffens zu sprechen. Er zog ein Blatt Papier aus einer Klarsichthülle und legte es mir hin. »Da, lesen Sie.«

    Es war ein Computerausdruck auf einem DIN-A4-Bogen. In einer mindestens achtzehn Punkt großen Fettschrift war da folgender Text zu lesen:

    Ilona Samm, diese Rolle wird deine letzte sein.

    Bereue deine Sünden, denn du wirst sterben.

    Bald!!!

    Ilona Samm, der Name sagte mir etwas. Erst vor Kurzem hatte ich ihn in der Zeitung gelesen. Eine Schauspielerin, die gerade irgendwas fürs Fernsehen drehte. Ich legte das Papier auf den Schreibtisch zurück. »Dazu müssten Sie mir jetzt aber ein bisschen was erzählen.«

    Und Leschmann erzählte. Ein privater Fernsehsender hätte vor zehn Tagen mit den Dreharbeiten zu einem TV-Movie begonnen, das den Arbeitstitel »Schwarzer Himmel« trüge und in dem Ilona Samm die weibliche Hauptrolle spiele. Samm, die in den letzten Jahren in den USA gelebt hätte, wolle mit dieser Rolle in Deutschland ihr Comeback versuchen. Der Drohbrief sei in einem neutralen Umschlag vor zwei Tagen in ihrem Hotel abgegeben worden.

    »Haben Sie den Umschlag noch?«, fragte ich.

    »Nein. Sie hat ihn weggeworfen.«

    »Wie praktisch. Und was soll ich nun Ihrer Meinung nach tun, was die Polizei nicht auch tun könnte?«

    »Genau das wollte ich mit Ihnen besprechen. Wir möchten nämlich vorerst keine Pferde scheu machen …«

    »'tschuldigung, wer genau ist ›wir‹?«

    »Wir? Also, im Prinzip sind das die Berliner Produktionsfirma, sie heißt ›Komet-Film‹, und mein Unternehmen hier. Ich berate den Sender, mache PR für ihn, kümmere mich mit meinen Leuten um die Pressekontakte und so weiter. Natürlich ist auch der Sender selbst beteiligt, er ist schließlich der Auftraggeber, aber den wollen wir vorerst raushalten.«

    »Wenn ich Sie richtig verstehe, halten Sie den Drohbrief gar nicht für so gefährlich?«

    Mein Gegenüber nahm die Brille ab und sah mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an. »Nun ja, man darf so etwas natürlich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Andererseits …« Er rieb sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger und setzte die Brille wieder auf. »Andererseits kommen solche Briefe in unserer Branche schon gelegentlich vor. Was glauben Sie, was die sogenannten Promis oft für Post bekommen! Da merkt man erst, wie viele Verrückte unter uns leben. Seit es die sozialen Netzwerke gibt, wo man sich anonym ausschleimen kann, hat sich das noch gesteigert.«

    Ich trank einen Schluck Kaffee und wartete ab. Leschmann redete weiter.

    »Ich vermute also, dass es sich hier um einen üblen Scherz handelt, und deshalb sollten wir zunächst auf die Polizei verzichten. Trotzdem müssen wir natürlich etwas tun, wir müssen vor allem Ilona Samm zeigen, dass wir die Sache ernst nehmen. Sie ist nämlich schon sehr beunruhigt.«

    Jetzt musste ich doch etwas dazu sagen. »Was Sie brauchen, ist ein Bodyguard, kein Privatdetektiv. Ich bin Ermittler, kein Aufpasser.«

    »Das weiß ich, Herr Moser, das weiß ich. Schließlich gehören Sie in Ihrer Branche zu den Topleuten, deshalb habe ich mich ja an Sie gewandt.«

    O Mann! Mir war klar, weshalb er das sagte, aber es tat mir trotzdem gut. Und wie scheißfreundlich er mich dabei angrinste!

    »Ich habe mir also vorgestellt, dass Sie regelmäßig am Drehort nach dem Rechten sehen, aber zwischendurch ruhig auch mal, wenn es Sie reizt, Erkundigungen nach dem Schreiber des Briefes einziehen. Im Übrigen würde der Job höchstens fünf Tage dauern, dann ist die Samm hier abgedreht. Und was Ihr Honorar angeht … Beim Fernsehen ist man nicht knauserig. «

    Die Telefonanlage summte und eine weibliche Stimme gab das Eintreffen von Georg Seidl bekannt.

    »Kleinen Moment noch, ich gebe Ihnen Bescheid«, erwiderte Leschmann.

    Das hier schien genau die Art Auftrag zu werden, die ich nicht leiden konnte. Wegen einer vermutlich nicht ernst gemeinten Drohung den Aufpasser spielen. Allerdings, welche Art von Auftrag konnte ich denn wirklich leiden? So ein Abwehrgefühl wie gerade jetzt hatte ich oft und in letzter Zeit immer häufiger. Das mit den Ermittlungen nach dem Schreiber des Drohbriefs hatte Leschmann doch nur gesagt, um mir einen zusätzlichen Anreiz zu bieten, in Wahrheit war es ihm völlig wurscht. Blieb als einziges möglicherweise überzeugendes Argument nur das Honorar.

    »Herr Seidl ist freier Mitarbeiter«, erklärte mir Leschmann. »Er macht die Pressearbeit für diese Produktion. Ich habe ihn herbestellt, weil er über Details besser Bescheid weiß als ich. Außerdem hat er Unterlagen, die Ihnen bei Ihrer Arbeit vielleicht nützlich sein können.«

    »Ich hab noch nicht ja gesagt.«

    »Ich weiß.« Er lächelte kumpelhaft. »Aber vielleicht werden wir uns doch noch einig. Sagen Sie mir einfach mal, was Sie sich so als Honorar vorstellen.«

    Ich dachte an das, was er vorhin angedeutet hatte, und nannte ganz cool das Eineinhalbfache meiner üblichen Sätze. Wie ich befürchtet hatte, machte es ihm überhaupt nichts aus.

    »Einverstanden. Aber das müsste dann schon bedeuten, dass Sie sich während der fünf Tage voll dieser Aufgabe widmen. Also Dauerpräsenz am Drehort.«

    »Und der ist wo?«

    »Ach so, das wissen Sie ja noch nicht. Am Starnberger See, in der Nähe von Berg. Sie müssten also dort übernachten.«

    »Übernachten?«

    Er sah mich an, als hätte ich versucht, seinen Scharfsinn zu testen. »Mordanschläge passieren nun mal vorwiegend in der Dunkelheit. Sehen Sie keine Krimis?«

    »Manchmal. Aber ich werde da draußen nicht den Nachtwächter markieren.«

    Er lachte kurz und ein bisschen zu laut. »Das verlangt auch keiner von Ihnen. Sie verbringen den Abend in Gesellschaft schöner Frauen und suchen anschließend Ihr Zimmer auf, das wir für Sie reservieren lassen.«

    Ein paar Tage am Starnberger See? Warum auch nicht, der Wetterbericht hatte ein Hochdruckgebiet angekündigt. Aber ich wollte nicht gleich in Euphorie verfallen. »Könnten Sie veranlassen, dass das Honorar für zwei Tage als Vorschuss angewiesen wird?«

    »Machen wir.« Er drückte auf einen Knopf seiner Sprechanlage. »Herr Seidl soll jetzt bitte reinkommen.«

    Georg Seidl kam rein, ich stand auf, und Leschmann machte uns miteinander bekannt. Ich schätzte ihn auf etwa fünfzig, sein bleiches, sommersprossiges Gesicht sah nach zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf aus, er hatte eine Hängewampe und trug eine speckige Lederweste über dem aus der Cordhose hängenden blau-weiß gestreiften Hemd.

    »Haben Sie alle Unterlagen dabei?«, fragte ihn Leschmann.

    »Selbstverständlich.« Seidl wollte sein abgeschabtes schwarzes Aktenköfferchen aufmachen, aber Leschmann wehrte ab.

    »Nein, nicht hier. Am besten gehen Sie mit Herrn Moser ins Besprechungszimmer hinüber. Da können Sie sich in Ruhe unterhalten.« Er lächelte mich an, und diesmal wirkte er fast schon sympathisch. »Also dann, auf Wiedersehen, Herr Moser, und viel Erfolg. Wir werden uns ja bestimmt noch öfter sehen.«

    Also setzte ich mich mit Georg Seidl ins Besprechungszimmer ans Ende eines langen Tisches. Er gab mir die Pressemappe, die er zusammengestellt hatte und die neben einigen Informationstexten auch Fotos der Hauptdarsteller enthielt. Weitere stünden im Internet zur Auswahl, hieß es. Natürlich nahm ich sofort die von Ilona Samm zur Hand.

    Sie sah wirklich sehr gut aus. Auch wenn mir klar war, dass es sich hier um sorgfältig ausgesuchte PR-Fotos handelte, wenn ich also von der dargestellten Attraktivität einiges abzog, mir die großen dunklen Augen weniger strahlend, die vollen Lippen weniger einladend dachte, so kam ich doch um eine Feststellung nicht herum: Ilona Samm war eine schöne Frau. Keine glattpolierte, austauschbare Model-Schönheit, sondern ein Gesicht mit Charakter. Was das für einer war, verriet das Foto allerdings nicht.

    Ich legte es auf den Tisch zurück. »Können Sie mir etwas über die Dame erzählen?«, fragte ich Seidl.

    Der wies auf die Texte in der Mappe. »Steht eigentlich alles hier drin. Lebenslauf, Filmografie, ein paar Anekdötchen …«

    »Sicher. Aber vielleicht gibt's ja noch a paar Infos, die net für die Öffentlichkeit bestimmt san.« Ich fiel bewusst ins Münchnerische, die für diese Stadt typische Hochdeutsch-Abmilderung, weil ich dem Akzent des PR-Mannes entnommen hatte, dass auch er so etwas wie ein Einheimischer war. Und weil so etwas halt gleich eine vorläufige Vertrauensbasis schafft.

    Er ging sofort auf die angebotene Sprecherleichterung ein. »Na ja, ich weiß ja net, was für Sie interessant is.«

    Alles, woraus sich vielleicht ein Hinweis auf den Briefschreiber ergeben könnte, erklärte ich ihm. Branchen-Insider wie er wüssten da doch bestimmt so einiges.

    Seidl kratzte sich nachdenklich am Bauch. »Na ja, besonders viel gibt’s da net …« Er zögerte noch ein wenig und kam dann auf die Zeit zu sprechen, die Ilona Samm in den USA verbracht hatte. Nach ihren ersten deutschen Filmerfolgen – »Aber des steht ja alles in meim Text« – sei sie dort hinübergegangen, um, wie damals die Boulevardblätter schrieben, Hollywood zu erobern. Über ein paar Nebenrollen sei sie allerdings nicht hinausgekommen, sie habe allerdings auch mal in einer Las- Vegas-Revue auf der Bühne gestanden, zweite Reihe, Dritte von links – »In meim Text steht des alles a bisserl positiver« –, und dann einen stinkreichen Geschäftsmann kennengelernt. »Der soll angeblich a paar Probleme mit’m Finanzamt ghabt ham, Geldwäsche oder so, aber davon steht natürlich nix in meim Text, da is des nur die ganz große Liebe.«

    »Hat er sie gheirat?«

    »Naa. Angeblich will er aber.«

    Ansonsten, meinte Seidl, wisse er auch nicht viel mehr über die jüngste Vergangenheit des Stars. Seiner Meinung nach könne es sich bei dem Verfasser des Drohbriefs nur um einen Spinner handeln. Die Samm sei schließlich erst vor zwei Wochen nach Deutschland zurückgekommen, da werde sie sich wohl kaum schon Todfeinde geschaffen haben. »Obwohl …« Er zögerte weiterzusprechen.

    »Obwohl was?«

    »Na ja … aber des bleibt unter uns, gell … sie is schon ein ziemliches Miststück. Wie die d’Leut ausnützt, sagenhaft. Aber Sie wern sie ja bald selber kennalerna.« Zum ersten Mal konnte ich einen Anflug von guter Laune auf seinem Gesicht entdecken. Offensichtlich freute er sich schon darauf, wie die Diva mit mir umspringen würde.

    Ich ließ ihm seine Vorfreude und drückte einen Gedanken aus, der mir gerade gekommen war: »Sagen S’ mal, wär des net a gute Idee, den Drohbrief der Presse zukommen zu lassen? Das gäb doch einen Mordswirbel, a prima Reklame …?«

    Er schüttelte den Kopf. »Naa, wirklich net. So an Wirbel könnten mir überhaupts net brauchen. I muss im Gegenteil jetzt alles fein dosieren, damit auch noch was gschriebn wird, wenn des Ding in einem Jahr oder so übern Sender geht.« In dem Moment erkannte er den Hintergedanken meiner Frage, er lief vor Ärger rosa an und fiel ins Hochdeutsche zurück: »Wollen Sie vielleicht andeuten, ich könnte den Brief geschrieben haben?«

    »Nein, natürlich net. Wenn's so wär, hätten Sie der Presse doch schon längst an Tipp gebn. Außerdem glaub ich net, dass Sie sowas nötig ham.«

    Ganz so ehrlich, wie es hoffentlich klang, hatte ich es allerdings nicht gemeint. Seidl konnte den Brief ja verfasst haben, um für alle Fälle einen Trumpf in der Hinterhand zu haben, falls das Medieninteresse an dem Ding hier, wie er es nannte, nicht groß genug war. Obwohl mir diese Vermutung doch eher unwahrscheinlich vorkam. Und überhaupt: Warum machte ich mir Gedanken über den Absender des Briefs, in ein paar Tagen war das Ganze ja ausgestanden, ich würde ein sattes Honorar kassieren und diesen merkwürdigen Auftrag schnell vergessen haben.

    Zum Schluss unseres Gesprächs fiel mir noch eine eher technische Frage ein: »Die Pressemappe da, die Texte und die Fotos, verschicken Sie des alles mit der Post?«

    »Früher war des so. Jetzt nur ausnahmsweise. Des meiste geht per E-Mail raus. Is halt schneller und billiger. A Internetseitn gibt’s aa und bei Twitter und Facebook hamma ihr Accounts eingricht. Ohne die Networks geht nix mehr.«

    Am Morgen danach war das Wetter genau so, wie man es sich für Mitte Mai vorstellt. Blauer Himmel, mit ein paar Zierwölkchen gesprenkelt, eine leichte Brise fächelte die schon recht sommerlichen Temperaturen auf ein angenehmes Maß zurück, die Bäume trugen ihr Laub noch frisch und hellgrün. Ich fuhr zum Starnberger See und war ziemlich gut drauf. Nur eines trübte ein wenig meine Stimmung: Ich hatte mein kleines Reisekopfkissen vergessen, ohne das ich normalerweise nie auswärts nächtige.

    Es war kurz nach neun, als ich auf die Straße einbog, die am Ostufer des Sees entlangführt. In einer der Luxusvillen, die dort mit Seeblick und großen Parkgrundstücken den Neid der Spaziergänger erregen, sollte heute und in den nächsten Tagen gedreht werden. Das hatte mir Georg Seidl gestern auch noch mitgeteilt.

    Ich rollte die schmale Uferstraße entlang. Links reihten sich die feudalen Behausungen und Parks derer, die sich diese edle Wohnlage leisten konnten, aneinander, rechts der Straße lagen die zu den Behausungen gehörenden Bootshäuser auf kleinen Seegrundstücken, die allein für sich einen Normalsterblichen schon glücklich gemacht hätten, und dahinter erstreckte sich die einzige Fläche, die nicht rundum eingezäunt war: der Starnberger See. Eine der reichsten Gegenden Deutschlands war das hier, aber wenn mir einer angeboten hätte, hier zu wohnen – ich hätte es wahrscheinlich abgelehnt. Immer nur den See vor Augen und viel gepflegtes Grün und gepflegte reiche Nachbarn, aber keine Kneipe um die Ecke, keine einfachen, aber interessanten Leute im Haus und auf der Straße, mit denen man sich unterhalten könnte, kein richtiges Leben letztendlich … In der Stadt war es einfach schöner. Da fiel mir ein, dass ich wieder einmal vergessen hatte, die Wohnungsanzeigen durchzusehen. Mein Zuhause in Haidhausen, Altbau, Mansarde, kleine Dachterrasse, war zwar recht angenehm, aber im fünften Stock ohne Lift, und man wird ja nicht jünger.

    Das fragliche Haus an der Seestraße zu finden war nicht schwer. Eine Menge Autos stand vor dem Grundstück, darunter zwei Lkws mit kastenförmigen Aufbauten, die hinteren Flügeltüren geöffnet. Ich sah Stative, Scheinwerfer, Metallrohrgestelle und einen Haufen anderen technischen Kram, dessen Zweck mir unbekannt war. Zwei Arbeiter räumten gerade geräuschvoll darin herum. Ich stellte den Wagen ab und betrat das Grundstück durch das große, weiß gestrichene Eisengittertor, das weit offen stand. Das einstöckige, weitläufige Haus stand etwa dreißig Meter weit dahinter, etwas erhöht, mit elegant geschwungenem Walmdach und großen Fensterfronten.

    Die vornehm satte Gediegenheit, die das Anwesen verströmte, wurde durch die Autos, die auch in der Auffahrt geparkt waren, und die Leute, die hier aus und ein gingen oder auch nur herumstanden, empfindlich gestört. Zwischen den Wagen standen zwei Männer, und als ich mich näherte, bekam ich das Ende eines Wortwechsels mit.

    »I lass mich von Ihnen net wegschickn«, sagte der eine, ein großer, stämmiger Mann in den Dreißigern, der vor Aufregung und unterdrückter Wut Schwierigkeiten hatte, die Worte verständlich herauszubringen. »Die Ilona, also die Frau Samm, hat gsagt, i kann bleim, hat s' gsagt. Und wenn die sagt, i kann bleim, dann bleib i.«

    Der andere, ein paar Jahre älter, hager und einen Kopf kleiner, die Sonnenbrille an einer Kette um den Hals baumelnd, brachte das Kunststück fertig, ihn von oben herab anzusehen. »Was Sie nicht sagen! Na, dann wollen wir das doch gleich mal klären.« Er wollte zum Haus gehen, doch dann sah er mich. »Noch ein Besuch? Darf ich fragen, zu wem Sie möchten?«

    »Ich heiße Moser, Mike Moser. Ich möchte zu Herrn Kohler.«

    Kohler, das hatte mir gestern Leschmann noch gesagt, war der Produktionsleiter und über mein Engagement informiert.

    »Ah, Tag, Herr Moser. Wir haben Sie schon erwartet. Mein Name ist Hansing, ich bin der Aufnahmeleiter. Herr Kohler ist im Moment nicht da, aber er hat mir Bescheid gesagt. Bitte kommen Sie mit, ich mache Sie mit den wichtigsten Leuten bekannt.«

    Produktionsleiter, Aufnahmeleiter … Wo war da der Unterschied? Bei passender Gelegenheit würde ich mich danach erkundigen. Im Augenblick jedoch interessierte mich etwas anderes. »Mit ungebetenen Zuschauern haben Sie wohl öfter Probleme?«, fragte ich Hansing, während wir nebeneinander auf das Haus zugingen.

    »Hier eigentlich nicht«, antwortete er. »In das Grundstück trauen sich die Leute nicht rein. Aber wenn Sie den Typen von eben meinen, das ist etwas anderes. Der kennt unseren Star von früher, sie hat sich neulich auch mal mit ihm unterhalten, und seitdem schleicht er hier dauernd um den Set rum. Ziemlich durchgeknallt, der Kerl, bildet sich ein, er muss auf sie aufpassen.«

    »Wieso kennt er sie von früher? Hat er auch mit Film oder Fernsehen zu tun?«

    Hansing stieß ein abfälliges Schnauben aus. »Der? Bestimmt nicht. Soviel ich weiß, stammt er aus demselben Münchner Stadtviertel wie die Samm. Jugendfreundschaft oder so.«

    Ilona Samm war also in München geboren. Und dieser Pressemensch, dieser Seidl, hatte mir nichts davon gesagt. Ich hätte mir seine Unterlagen gestern Abend doch noch genauer ansehen sollen. In den Zeitungen hatte es bestimmt auch gestanden, aber ich lese diesen Star- und Schicki-Schrott ja nie.

    Inzwischen hatten wir das Haus betreten und standen in einer großen Wohnhalle. Hellrosa Marmorfußboden, dicke Teppiche, sündhaft teures Mobiliar, teils modern, teils ausgesucht antiquarisch, es war alles recht eindrucksvoll, auch wenn es nicht mein Geschmack war. Jetzt allerdings sah es nur noch nach Filmkulisse aus, mit den Scheinwerfern, die in den Ecken standen, den hellen Gazetüchern, die wahrscheinlich irgendwelcher Lichteffekte wegen aufgespannt waren, der Kamera auf dem wuchtigen Stativ und all den Leuten in lässiger Arbeitskleidung dazwischen. Etwas weiter hinten, neben einer schweren, mit eisernen Bändern beschlagenen Truhe, in einem mit grobem braunem Leinen bespannten Stahlrohrsessel, die Lesebrille auf der Nasenspitze und ein dickes Drehbuch auf den Knien, saß Ilona Samm.

    Sie bewegte beim Lesen die Lippen, offenbar prägte sie sich ihre Dialogsätze ein. Erst als wir dicht vor ihr standen, blickte sie hoch und nahm, als sie einen Fremden sah, die Brille ab. Auch ihr Gesicht, fand ich, sah nach Filmkulisse aus, so makellos glatt und perfekt geschminkt, wie es war. Trotzdem, trotz der guten Arbeit der Maskenbildner, trotz der rasanten dunkelblonden Kurzhaarfrisur war da etwas in diesem schönen Gesicht, das sagte: Vorsicht, Freunde, ich hab schon einiges hinter mir, an Jahren und an Erfahrungen, also richtet euch danach!

    »Ilona, darf ich dir Herrn Moser vorstellen«, sagte Hansing, der Aufnahmeleiter. »Den Privatdetektiv.«

    Sie lächelte sofort strahlend und streckte mir ihre Hand entgegen. »Hallo, Herr Moser! Das ist schön, dass Sie kommen konnten. Suchen Sie sich etwas zum Sitzen und leisten Sie mir Gesellschaft.«

    Hansing mischte sich ein. »Ich sollte Herrn Moser vielleicht noch ein paar anderen Leuten vorstellen …«

    »Ich übernehme das. Sonst noch was?«

    »Ja. Es ist wegen diesem, äh, Toni … Er ist schon wieder da und sagt, du hättest ihm erlaubt, sich am Set aufzuhalten.«

    »Behauptet er das? Nun, ganz so direkt habe ich das wohl nicht gesagt. Aber er ist halt eine etwas simple Natur. Und fürchterlich anhänglich. Stört er denn?«

    »Nicht direkt. Aber wenn wir jedem erlauben würden …«

    »Aber das tun wir ja auch nicht, oder? Also sei so lieb und lass dem guten Toni sein Vergnügen. Aber er soll sich im Hintergrund halten. Bei Gelegenheit sag ich es ihm auch noch selber. Einverstanden?«

    Hansing zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst.« Er war sichtlich angesäuert, sagte aber nichts mehr und ging.

    Ich setzte mich zu Ilona Samm. Sie trug einen seidenen, spitz und tief ausgeschnittenen und in verschiedenen Blauschattierungen schillernden Hausmantel, und ich fragte mich, ob das ihre Aufmachung für die nächste Szene war oder ob sie so was nur zwischendurch anzog. Sie beugte sich vor, um das Drehbuch auf den Boden zu legen, wobei ich feststellen konnte, dass sie darunter nicht sehr viel anhatte. Aber es war ja auch ziemlich warm hier drin.

    »Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen, Herr Moser?«

    »Mike. Eigentlich Michael, aber schon in der Schule haben sie mich immer so gerufen. Und dabei bin ich dann eben geblieben.«

    »Es klingt ja auch hübscher. Darf ich Sie Mike nennen? Und Sie sagen am besten Ilona zu mir. Ja?«

    »Gerne. Haben Sie was dagegen, wenn ich gleich auf das zu sprechen komme, weswegen ich hier bin?« Immer, wenn ich mich nicht ganz sicher fühle, und das war in dieser ungewohnten Umgebung der Fall, ziehe ich mich aufs Sachliche zurück.

    »Natürlich nicht. Sie sollen hier ja schließlich einen Job erledigen. Also, was kann ich für Sie tun?«

    »Zunächst eine ganz simple Frage beantworten. Haben Sie irgendeinen Verdacht, vielleicht auch nur eine leise Ahnung, wer den Brief geschrieben haben könnte?«

    »Weder Verdacht noch Ahnung, tut mir leid.«

    »Wie sieht's denn mit Feinden aus? Sind da welche darunter, denen man so was zutrauen könnte? Vorausgesetzt, Sie haben überhaupt welche.«

    Sie lachte laut auf, ein perfektes, tausendfach gelachtes Strahlelachen, ein paar Leute sahen neugierig zu uns her. »Das haben Sie jetzt aber schön gesagt. Natürlich habe ich Feinde, eine ganze Menge sogar, fürchte ich. Ich bin nämlich nicht immer lieb und nett, müssen Sie wissen.« Sie wurde wieder ernst und sah mir mit einem Blick in die Augen, von dem ich annahm, dass er zu ihrem normalen Filmrepertoire gehörte. Aber er machte mir trotzdem zu schaffen. »Vermutlich sind da sogar ein paar darunter, die gegen mein vorzeitiges Ableben nichts einzuwenden hätten. Aber von denen ist keiner hier, und außerdem würden die mir wohl kaum vorher einen Brief schreiben. Also auch da absolute Fehlanzeige, lieber Mike.«

    »Das macht nichts. Im Grunde bin ich ja nur hier, um auf Sie aufzupassen. Obwohl das eigentlich nicht mein Beruf ist.«

    »Ich weiß. Deshalb bin ich Ihnen ja auch besonders dankbar.«

    Das war jetzt ein bisschen dick aufgetragen. Aber es machte mir nichts aus. Sie fügte dann noch hinzu, dass ich selbstverständlich nicht den ganzen Tag über während der Aufnahmen hier bleiben müsse; inmitten all der Leute würde ihr bestimmt niemand etwas tun.

    »Und dann passt ja auch noch der Toni auf«, sagte ich.

    Zu meinem Erstaunen schien sie das überhaupt nicht witzig zu finden. »Ach der … Am besten beachten Sie ihn gar nicht.«

    Die seltsame Verbindung zwischen den beiden interessierte mich aber, und deshalb fragte ich: »Woher kennen Sie ihn eigentlich?«

    Der Blick, der mich jetzt traf, war unverkennbar aus dem persönlichen Repertoire und ließ das Mikroklima zwischen uns deutlich erkalten. »Von früher. Aber ich wüsste nicht, was das mit Ihrem Auftrag zu tun hätte.«

    Ich zuckte mit den Schultern. »So was weiß man nie. Aber lassen wir das. Ich werde also vor allem am Abend in Ihrer Nähe sein und mir auch die Umgebung und die anderen Hotelgäste ansehen. Nachts allerdings sollten Sie Ihre Tür gut abschließen, ich werde nämlich nicht davor Posten beziehen.«

    Sie lächelte schon wieder. »Das erwarte ich auch nicht. Sie müssen mir nur sagen, wo ich Sie notfalls erreichen kann.«

    »Das weiß ich selbst noch nicht. Die Produktion wollte mir in Ihrem Hotel ein Zimmer besorgen. Ich hoffe, man hat es nicht vergessen. Ich werde für alle Fälle meine Handynummer hinterlegen.«

    Ein Mann mittleren Alters, Halbglatze und Mehrtagebart, trat auf uns zu. »Ilona, wir wären soweit.«

    »Okay.«, sagte sie und stand auf. Dann machte sie uns miteinander bekannt. Er war der Regisseur und hieß Peter Gershof. »Vielleicht können wir uns später mal unterhalten«, meinte er, nachdem wir uns die Hände gereicht hatten. »Sie haben ja bestimmt so einiges zu erzählen.«

    Wieder einer, der glaubte, das Leben eines Privatdetektivs liefe in der Realität ebenso abwechslungsreich ab wie im Fernsehen. Da würde ich halt, wenn es denn wirklich zu dieser Unterhaltung käme – wozu ich nicht die geringste Lust verspürte –, einiges Erlebte möglichst attraktiv zusammenfassen müssen. Kommt ja letztlich immer nur darauf an, wie man was erzählt. Der Fall allerdings, mit dem ich gerade zu tun hatte – war es überhaupt ein Fall? –, der würde später wohl auch bei geschicktester Erzählkunst nichts hergeben. Es ging langweilig los, und es versprach, stinklangweilig weiterzugehen, das war mein Eindruck, der sich mehr und mehr festigte, je länger ich hier bei den Dreharbeiten zu »Schwarzer Himmel « herumhing.

    Schwarzer Himmel … Ich hatte gestern Abend ja noch in den Unterlagen geblättert, die Seidl mir gegeben hatte, und gelesen, dass im Mittelpunkt der Handlung eine reiche Familie stand, die ein großes Chemie-Unternehmen besaß. Aber die Tochter und zukünftige Erbin war aus der Art geschlagen, sie hielt es mit den Umweltschützern, dann gab es eine Explosion in der Fabrik, deren Ursachen vertuscht werden sollten, aber die Umweltschützerin hatte ein gschlampertes Verhältnis, einen Journalisten, und der wollte alles aufdecken, und dann gab es Intrigen und einen Mord und zum guten Schluss war der Himmel wieder blau. Heiliger Strohsack!

    Ilonas blau schillernder Hausmantel gehörte doch zur Handlung! Das war so ziemlich die wichtigste Erkenntnis der nun folgenden Stunde. Ich sah zu, wie einige Szenen ein paar Mal wiederholt wurden, ich lernte den Kameramann kennen und stellte darüber hinaus fest, dass praktisch jeder hier am Set wusste, wer ich war und warum ich mich hier aufhielt. Und dass niemand die Sache mit dem Drohbrief wirklich ernstzunehmen schien. Auch Ilona selbst machte nicht gerade den Eindruck, als sei sie beunruhigt, und das passte so gar nicht zu dem, was mir Leschmann gestern gesagt hatte. Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzugrübeln, sondern nur noch an den Scheck zu denken, der nach Abschluss dieses Auftrags eintreffen würde.

    Ich verließ das Haus, schlenderte auf schmalen Wegen durchs geräumige Grundstück und kam durch ein veritables kleines Birkenwäldchen auf eine Anhöhe, wo unter einem runden, pilzförmigen Holzdach eine halbrunde Bank stand. Ich setzte mich und schaute auf den See hinaus. Alles sah malerisch und friedlich und erholsam aus. Der leichte Wind trieb ein paar Segelboote im Zeitlupentempo voran, Möwen glitten mit schmalen, leicht angewinkelten Flügeln dicht über der Wasserfläche dahin, und mir kam plötzlich die Idee, dass das mit dem Drohbrief vielleicht doch eine PR-Masche war. Gut, jetzt während der Dreharbeiten war das, wie Seidl behauptet hatte, vielleicht nicht verwertbar, aber wenn das Werk eines Tages im Fernsehen ausgestrahlt werden sollte … Dann wäre es doch ein schöner Gag, wenn man schreiben könnte, die Aufnahmen hätten unter Überwachung eines Privatdetektivs stattgefunden. Warum hatte mich vorhin, als ich mich mit dem Regisseur und Ilona unterhielt, der Standfotograf aufgenommen? Einfach nur so?

    Nach einer Weile setzte ich meinen Rundgang fort, kam zurück zur Straße und sah Toni. Er lehnte an einem Baum und schaute mich misstrauisch an. Was verband ihn mit Ilona? Selbst wenn er aus dem gleichen Münchner Stadtviertel stammte und vielleicht mal was mit ihr gehabt hatte. Das war doch alles schon so lange her, dass es sein jetziges Verhalten nicht erklären konnte. Oder vielleicht doch? Wusste er von dem Brief und fühlte sich verpflichtet, auf sie aufzupassen? Aber warum? Und weshalb schickte Ilona Samm ihn nicht einfach weg? Nur weil es ihr gut tat, von einem Mann aus dem Volke angehimmelt zu werden? Über das Stadium war sie doch bestimmt längst hinaus. Was also verband die beiden?

    Ich musste versuchen, etwas über diesen Toni herauszubekommen. Wie er da so lässig am Baum lehnte, die Daumen in die Jeanstaschen eingehakt, konnte ich mir gut vorstellen, dass er früher unter den Vorstadt-Tussis gewaltig aufgeräumt hatte. Er sah ja immer noch gut aus, dichtes schwarzes Haar, helle Augen, der ursprüngliche Disco-Charme war inzwischen allerdings ziemlich überspeckt und schlaff geworden. Nicht dass ich glaubte, er hätte etwas mit dem Drohbrief zu tun – es war ganz einfach meine Neugierde, die sich an dem einzigen etwas dubiosen Sachverhalt festbiss, der sich mir hier bot.

    Zunächst aber ließ ich den Toni an seinem Baum lehnen, ging weiter und kam nach einem längeren Spaziergang gegen ein Uhr wieder zum Drehort zurück. Die Mittagspause ging gerade zu Ende, das eigentlich für mich vorgesehene Lunchpaket hatte man, da ich nicht auffindbar gewesen war, dem inzwischen eingetroffenen Georg Seidl gegeben.

    Der saß satt und zufrieden auf den breiten Stufen, die zum Hauseingang hinaufführten, und ließ sich die Sonne auf den respektablen Bauch scheinen. Natürlich sagte er, es täte ihm leid, mich meines Mittagessens beraubt zu haben, und er bot mir den übriggelassenen Nachtisch an: Vanillepudding im Plastikbecher. Ich lehnte dankend ab, besorgte mir Kaffee, ergatterte auch noch eine trockene Semmel und setzte mich neben ihn.

    »Na, alles im Griff?«, fragte er mich grinsend.

    »Und wie! Wenn's so weitergeht, wird das a echt ruhiger Job. Ham Sie noch was zu tun hier?«

    »I muss mit dem da drüben an Interviewtermin absprechen. Der spuit den Vater von der Ilona.« Er wies mit dem Kopf auf einen Mann, der neben dem Star stand. Ich kannte sein Gesicht aus dem Fernsehen. Es gibt da ja eine Reihe von Schauspielern, die immer wieder auftauchen, die heute einen Kriminalkommissar geben, morgen einen Manager und übermorgen einen Obdachlosen. Mir wäre etwas mehr Abwechslung lieber, aber das Publikum liebt es offenbar, immer wieder dieselben Köpfe zu sehen. Und irgendwann beginnt die Presse sie dann TV-Star zu nennen.

    Hansing, der Aufnahmeleiter, kam auf uns zu. »Herr Moser, es tut mir sehr leid, im Hotel war leider kein Zimmer mehr frei. Wir haben aber ein noch freies Fremdenzimmer gefunden, ganz in der Nähe. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.«

    Natürlich war ich einverstanden. Mir war das sogar viel lieber, als zusammen mit den Filmleuten im Hotel zu wohnen. Wie das zu meiner Beschützerfunktion passen sollte, war mir allerdings schleierhaft. Aber wenn es meine Auftraggeber nicht kümmerte, sollte es mir erst recht egal sein.

    Ich sprach Seidl auf die Bekanntschaft Ilonas mit diesem Toni an; ob er etwas darüber wüsste.

    »Wenig. Sie stammen alle zwoa aus der Kieferngartensiedlung, die liegt am nördlichen Stadtrand, in der Nähe vom Fußballstadion. Der Toni hat da a Kneipn, glaub i. Jetzt ham sie sich nach ungefähr fuchzehn Jahr wiedertroffen und der Toni, der Depp, hat sich wieder in sie verknallt. Dabei is er ihr vollkommen wurscht, die spielt nur a bissl mit ihm.«

    Sie spielt mit ihm. Ob das als Erklärung genügte?

    »Wie is es denn zu dem Wiedersehen kommen? Ich mein, hat sie ihn vielleicht angerufen oder is er einfach so hier auftaucht?«

    Seidl hob die Schultern. »Keine Ahnung. Vor a paar Tag war er plötzlich da. Und seit der Gschicht mit dem Brief geht er überhaupt nimmer weg. Jetzt spielt er den Beschützer. Der Produzent hätt ihn ja schon längst davongjagt, aber unser hochverehrter Star lasst des net zu.«

    Ilona hatte ihrem Vorstadtritter also von dem Brief erzählt. Unwillkürlich schaute ich mich nach ihm um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Seidl erriet, nach wem ich suchte. »Wahrscheinlich holt er sich grad was zum Essen, mir können ihn ja net aa no durchfüttern.«

    Damit hatte Ilona Samm jetzt schon zwei, die auf sie aufpassten. Das alles kam mir ziemlich merkwürdig vor, ohne dass ich genau hätte definieren können, was mir daran nicht gefiel.

    Plötzlich sagte Seidl: »Schaun S' mal, da vorn. Mit der sollten S' auch mal reden.« Er wies mit dem Kopf auf eine junge Frau, die sich nahe am Ausgang des Grundstücks mit dem Regisseur unterhielt. Sie trug einen Jeansanzug, ihr Haar schimmerte rötlich in der Sonne.

    »Des is die Brigitte Thorakis«, erklärte Seidl. »Die is Journalistin und schreibt was Längeres über die Samm. Vergangenheit und Comeback und so weiter. Die weiß bestimmt noch so einiges über unsern Star. Sie übernachtet übrigens heut auch im Hotel, ausnahmsweise, weil ihr Wagen kaputt is.«

    Dann war sie es also gewesen, die mir das letzte Zimmer weggeschnappt hatte. »Für wen schreibt sie?«, wollte ich noch wissen.

    »Für verschiedene, sie is a Freelancer, a freie Journalistin. Und sie is sogar ziemlich gut, schaut zierlich aus, is aber a zäher Brockn. Wenn's um a gute Story geht, kennt s' koane Rücksichten.«

    Das klang halb bewundernd, halb abwertend. Wahrscheinlich gab es Momente, in denen Georg Seidl auch gerne so gewesen wäre. Draufgängerisch, rücksichtslos, erfolgreich. Solche Momente hat wohl jeder mal. Zum Glück bleibt es in der Regel dabei.

    Auf der Straße kam jetzt Toni herangeschlendert. Er aß etwas aus dem Papier, ein Stück Kuchen offenbar, in der anderen Hand hielt er eine Coladose. Er blieb am Tor stehen und lehnte sich gegen den Pfosten.

    Brigitte Thorakis war mit ihrer Regisseur-Befragung fertig, sie ging zu Toni und sprach mit ihm. Aber nicht lange, dann gab sie ihm einen Klaps auf den Arm und marschierte davon, Richtung Hotel. Peter Gershof, der Regisseur, war inzwischen zum Haus zurückgekommen und stieg die drei Stufen herauf, auf denen Seidl und ich saßen.

    »Schönen Gruß von der Thorakis«, sagte er im Vorbeigehen zu Seidl. »Du sollst nicht vergessen, am Abend bei ihr im Hotel vorbeizukommen, bevor du nach München zurückfährst.«

    »Ich weiß Bescheid«, brummte Seidl.

    Meine Wirtin hieß Augusta Elsheimer, und sie hatte es mit den Fußmatten. Vor dem Hauseingang lag die erste, die nächste dann gleich hinter der Tür im Flur, eine weitere entdeckte ich unten an der Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte, und am oberen Treppenende, wo es zu meinem Zimmer ging, lag schon wieder eine. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn sich auch vor meinem Bett noch eine befunden hätte. Aber sonst gefiel mir Frau Elsheimer. Sie war, wie sie mir gleich nach meiner Ankunft erzählte, pensionierte Lehrerin, schon fünfundsiebzig, schlank, lebhaft, und sie sprach ein angenehm klingendes, bayerisch gefärbtes Hochdeutsch. Während sie mir mein Zimmer zeigte, erwähnte sie, sie sei als Kind noch dem Oskar Maria Graf begegnet, der ja hier ganz in der Nähe, in Berg, geboren war.

    Offenbar war das eine Art Test, denn als ich zu erkennen gab, dass ich nicht nur wusste, wer das war, sondern dass ich auch einiges von ihm gelesen hatte, schien ich auf ihrer persönlichen Werteskala gleich ein ganzes Stück nach oben zu rutschen. Leider hatte ich keine Zeit, mich länger mit ihr zu unterhalten, denn ich musste mich ja – es war inzwischen Abend geworden – am Ort meines Arbeitseinsatzes sehen lassen. Also im Hotel.

    Es waren zu Fuß nur ein paar Minuten bis dorthin, ein schmales Sträßchen hinunter und dann noch zweihundert Meter am See entlang. Für mich allerdings, gefühlsmäßig, lagen die beiden Punkte viel weiter auseinander. Hier das alte, schmale Haus mit dem Spitzgiebeldach und dem geschnitzten Holzbalkon hinter dem kleinen, fröhlich kunterbunt blühenden Vorgarten, dort der breite, formlose Hotelkasten am Seeufer mit ausladender Terrasse, großem Parkplatz und der Speisekarte im schmiedeeisernen Kästchen.

    Es war kühl geworden, der Betrieb hatte sich von der Terrasse ins Restaurant verlagert. Ich betrat es von der Seeseite her.

    Innen herrschte pompös-rustikaler Salonbayernstil mit grob gewebten und gemusterten Vorhängen, stoffbezogenen Lampen, schweren Tischen und Stühlen, gepolsterten Bänken und viel Zirbelholz als Wandverkleidung. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es welches war, aber es sah so aus, und nach den Preisen der Speisekarte zu schließen konnte es nur Zirbelholz sein. Auch einen offenen Kamin gab es, der sogar so aussah, als würde von Zeit zu Zeit ein Feuer in ihm brennen. Vielleicht war er aber schon mit den Rauchspuren geliefert worden. Alles zusammen wirkte ungefähr so echt wie eine Volksmusiksendung im Fernsehen.

    Das Restaurant war recht gut besucht, die Fernsehleute hatten einen langen Tisch in der Ecke besetzt. Allerdings schienen es nur die zu sein, die hier im Hotel nächtigten, also die höheren Chargen. Die übrigen, Beleuchter, Requisiteur, Maskenbildner und so weiter, hatte man auf billigere Quartiere verteilt. Ilona Samm saß da, neben ihr zwei Schauspieler, die ich auch schon am Set gesehen hatte, dann der Regisseur, der Kameramann und der Aufnahmeleiter. Dazu noch ein paar andere, deren Funktion ich nicht kannte. Und Brigitte Thorakis. Rötlich schimmerndes Haar umschloss helmartig ein attraktives Gesicht mit graugrünen Augen, die mich, als ich näher trat, neugierig musterten. Alter: schätzungsweise Anfang bis Mitte dreißig, Gesamteindruck: attraktiv und intelligent.

    Befriedigt stellte ich fest, dass an dem Tisch kein Platz mehr frei war. Man bot mir an zusammenzurücken, aber ich lehnte dankend ab und verwies auf freie Plätze ganz in der Nähe. Dann stellte ich mich Brigitte Thorakis vor.

    »Ich habe schon von Ihnen gehört«, sagte sie und gab mir die Hand. »Gibt es schon einen Hinweis darauf, wer unseren Star bedroht?«

    »Leider nein. Aber ich bin ja noch länger hier.«

    »Sehr gut. Vielleicht können wir uns mal unterhalten. Ich hätte da nämlich ein paar Fragen an Sie. Und wenn ich Ihnen bei Ihren Nachforschungen helfen kann ... gerne.«

    »Okay, freut mich.«

    Ich lächelte allen freundlich zu und setzte mich an einen Nebentisch, an dem noch zwei Leute von der Produktionscrew saßen: der Regieassistent und der Standfotograf. Während ich auf die gegrillte Renke wartete, die ich in Auftrag gegeben hatte, und mich mit meinen beiden Tischgenossen über Belanglosigkeiten unterhielt, schaute ich immer wieder unauffällig zum Nebentisch hinüber, und jedes Mal blieb mein Blick an dieser Brigitte Thorakis hängen. Sicher, ich fand sie anziehend, aber das war es nicht allein. Da war etwas in der Art, wie sie mit den anderen sprach, wie sie an ihrem Weinglas nippte, zwischendurch auch mal auf die Uhr sah oder ihren Blick durchs Lokal wandern ließ, das mir eines zweifelsfrei verriet: Diese Frau war nervös, unruhig, hatte vielleicht sogar Angst.

    Noch etwas fiel mir auf. Wenn sie mit Ilona sprach, dann schien – bei aller Fröhlichkeit, die beide an den Tag legten, bei allem Gelächter über lustige Anekdoten, die am Tisch erzählt wurden – eine gewisse Spannung in der Luft zu liegen. Vielleicht kam es mir so vor, weil die beiden sich für mein Gefühl ein wenig zu intensiv anlächelten. Möglich war allerdings auch, dass ich, der ich ja zum ersten Mal mit Showleuten zu tun hatte, dieses Verhalten falsch auslegte; es konnte ja sein, dass so ein extrovertiertes Gehabe für sie ganz normal war.

    Dann wurde die gegrillte Renke gebracht, ich konzentrierte mich auf sie, bekam aber trotzdem mit, dass Brigitte Thorakis zweimal aufstand und im Hintergrund, gleich neben dem Gang, der zu den Toiletten führte, mit ihrem Handy jemanden anzurufen versuchte. Beim zweiten Mal klappte es, sie redete hastig und aufgeregt, aber so gedämpft, dass auch die ihr am nächsten Sitzenden mit Sicherheit nichts verstanden.

    Zwei Gläser Grüner Veltliner später, ich fühlte mich schon recht entspannt und diskutierte gerade mit dem Standfotografen die richtige Zubereitung von Spaghetti al pesto, stand Brigitte Thorakis wieder mal auf. Ich hörte etwas von »Luft schnappen«, und Ilona Samm griff neben sich und reichte ihr eine bunte Flickenjacke mit angenähter Kapuze. Die Journalistin zog sie an und ging zur Tür, die auf die Terrasse führte. Als sie an meinem Tisch vorbeikam, warf sie mir einen kurzen Blick zu, der mich sofort aus meinem kulinarischen Exkurs riss. Sie wollte offenbar etwas von mir, und da ich nicht so überheblich war mir einzubilden, das sei eine Anmache, konnte es nur eines bedeuten: Sie wollte mir etwas sagen.

    Ich blieb also noch ein, zwei Minuten sitzen und verschwand dann im Flur, Richtung Toilette. Von dort aus gelangte ich zum vorderen Hoteleingang und dann ums Gebäude herum auf die Terrasse. Brigitte Thorakis lehnte am Holzgeländer des Stegs, der zur Schiffsanlegestelle hinausführte.

    »Hallo«, sagte ich, als ich auf sie zutrat. »Sie wollten mit mir reden?«

    Sie lächelte. »Sie machen wohl nicht gerne Umwege, was?«

    »Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«

    »Na gut. Ich wollte Sie eigentlich nur etwas fragen. Wie ernst nehmen Sie diesen Drohbrief?«

    Keine schlechte Frage. Noch vor ein paar Stunden hätte ich geantwortet, dass ich das Ganze für ein Windei hielt, aber jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Und mit ein Grund dafür war die offensichtliche Nervosität dieser ziemlich aufregenden Frau, die mir dicht gegenüberstand und in deren jetzt dunkel wirkenden Augen sich der schwache Lichtschein des Hotels spiegelte. Aber ich konnte ihr ja schlecht ihr eigenes Verhalten als Grund für meine Einschätzung angeben. Also versuchte ich es andersrum: »Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher. Bis jetzt sieht es für mich eher so aus, als hätte sich da jemand einen üblen Scherz erlaubt. Selbst Ilona Samm scheint nicht sonderlich beunruhigt zu sein.«

    »Das kann täuschen. Sie ist schließlich Schauspielerin.«

    Dieses Hin-und-Her-Geplänkel begann mir auf die Nerven zu gehen. »Entschuldigen Sie, aber wenn Sie irgendetwas Konkretes wissen, dann sollten Sie das jetzt sagen. Mit bloßen Andeutungen werden wir kaum weiterkommen.«

    Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht besonders gut. Die Finger ihrer rechten Hand, die sie auf das Geländer gelegt hatte, zuckten leicht. »Sie haben natürlich recht, aber … Hier ist nicht der richtige Ort, um sich zu unterhalten. Wir müssen aber unbedingt miteinander reden, bevor …« Sie zögerte. »Nun ja, bevor vielleicht doch noch etwas passiert.«

    »Gut. Reden wir. Wann und wo?«

    Auf der anderen Seite der Terrasse, dort, wo einige Büsche eine schwarze, kompakte Masse bildeten, knirschte der Kies. Wir horchten beide, aber es blieb ruhig.

    »Ich werde mich bei Ihnen melden. Sie sind doch morgen hier, oder?«

    »Ja.«

    »Gut, dann also bis morgen. Ich muss jetzt wieder rein.« Sie wandte sich zum Gehen, blieb aber dann noch mal stehen. »Und … vielleicht ist nicht nur Ilona in Gefahr.« Mit schnellen Schritten ging sie zum Hotel zurück.

    Kruzitürken, was sollte das nun wieder? Wollte sie mir damit andeuten, dass auch sie sich bedroht fühlte? Wahrscheinlich ja, aber wo war da der Zusammenhang mit dem verdammten Brief? Plötzlich hatte ich gar kein gutes Gefühl mehr. Ich stützte mich auf das Geländer und schaute auf den See hinaus.

    Auf der dunklen, glatten Wasserfläche vor mir lag der schwache Widerschein des abnehmenden Mondes. Rund um den See, bis hinunter nach Starnberg, glommen die Lichter der Häuser und Straßen. Leise Wellen plätscherten unter mir gegen den Beton der Terrasse, von rechts, aus dem schmalen Schilfstreifen, ertönte von Zeit zu Zeit der knarrende Ruf eines Wasservogels. So eine verdammt romantische Stimmung war um mich rum, sie machte mich richtig wütend.

    Wie lange war es eigentlich schon her, dass ich etwas Derartiges erlebt hatte, dass ich überhaupt Gelegenheit gehabt hatte, mich auf so etwas einzulassen? Auf so eine verdammt romantische Stimmung? Vielleicht ging das ja auch nur bis zu einem gewissen Alter, und ich war schon darüber hinaus. Gerade noch war eine schöne Frau neben mir gestanden, eine, der man gerne den Arm um die Schultern gelegt hätte, die man vielleicht auf das Knarren im Schilf aufmerksam gemacht hätte, das klang, als hätte da irgendein Seegeflügel einen schlechten Traum …

    Am anderen Ende der Terrasse knirschte wieder der Kies, wahrscheinlich vertrat sich da auch jemand die Füße.

    Ich blieb noch ein paar Minuten lang so stehen, dann ging ich langsam zum Hotel zurück. Vom Regieassistenten hatte ich erfahren, wo Ilona Samms Zimmer lag. Ich wollte nachsehen, ob es eine Möglichkeit gab, von außen hineinzugelangen. Erster Stock an der Ecke, wo die Hecke zum See hin abknickt, hatte der Assistent gesagt. Auf der Seeseite ein Balkon und seitlich, über der Einfahrt, ein Fenster.

    Als ich darunter stand, sah ich, dass der Balkon die gesamte Front an der Seeseite entlanglief, die Trennung zwischen den zu den jeweiligen Zimmern gehörenden Bereichen geschah durch hohe hölzerne Sichtblenden. Man konnte also ohne besondere Schwierigkeiten von einem Zimmer ins andere gelangen, man musste nur um die Sichtblenden herumturnen. Vom Erdboden aus war es allerdings ohne Leiter so gut wie unmöglich, den Balkon zu erreichen. Ich ging um die Ecke herum zur Einfahrt.

    An der Wand hier kam bestimmt niemand hoch, aber auf der anderen Seite der Hecke stand eine alte Buche mit weit ausladender Krone, und wenn man da hinaufstieg, konnte man vielleicht, womit auch immer, ins Fenster hineinzielen. Ich wollte das überprüfen, marschierte um die Hecke herum, stockfinster war's hier, als ich plötzlich hinter mir ein Geräusch hörte, im nächsten Moment sprang mich jemand an und riss mich zu Boden.

    »Hob i di, Bürscherl!«, keuchte mein Angreifer, der quer auf mir lag und versuchte, mir den linken Arm nach hinten zu drehen. Fairness ist in solchen Fällen fehl am Platz, ich bekam mit der rechten Hand einen dichten Haarschopf zu fassen und riss kräftig daran. Der Kerl stieß einen unterdrückten Schmerzensschrei aus und lockerte für einen Moment seinen Griff. Das genügte mir, ihm den Arm zu entwinden und mit dem Daumen seine Nase nach oben zu drücken. So was tut saumäßig weh, er gab auch sofort nach, stieß meinen Arm zur Seite und wollte mir eine scheuern, ich konnte so weit ausweichen, dass der Hieb mich nur streifte …

    Das Ende des Zweikampfs bestand darin, dass ich einen Ippon-ken, einen Fauststoß mit vorgeschobenem Mittelfingerknochen, in die Magengrube meines Gegners platzierte. Er schnappte nach Luft, und während ich ihn ins Licht zog, dankte ich wieder einmal in Gedanken meinem ehemaligen Karatelehrer, der mir nicht nur die stilechten Techniken, sondern auch einige ziemlich üble Tricks beigebracht hatte. Das Gesicht meines Widersachers war für mich keine Überraschung mehr, ich hatte ihn schon erkannt, als er mich angesprungen hatte. Es war natürlich Toni, der edle Ritter aus der Kieferngartensiedlung.

    »Jetzt sag mal«, schnaufte ich und ließ ihn los. »Bist du jetzt ganz narrisch worn? Hast du denn net gsehn, wer i bin?«

    »Naa, da is so finster. I hab mir nur denkt, da will jemand der Ilona was doa.«

    Also hatte er hier in der dunklen Ecke Wache geschoben.

    »Wollten Sie vielleicht die ganze Nacht dableiben?«, fragte ich, ihn wieder siezend, denn so jung war er ja nun auch nicht mehr.

    »I wollt grad fahrn, wia Sie kommen san.

    »Na, dann fahrn S' jetzt aber. Ich pass schon auf.«

    Er nickte, murmelte ein »'tschuldigung« und verdrückte sich. Gleich darauf hörte ich ein Auto wegfahren.

    Ich musste morgen unbedingt das tun, was ich mir bereits vorgenommen, aber noch nicht als besonders dringend eingeschätzt hatte: mich über ihn informieren und auch ausführlicher mit ihm reden. Denn dass er sich nur aus einer Art spätpubertärer Anhimmelei heraus so benahm, konnte ich mir nicht vorstellen. Er war vielleicht nicht der Allerschlaueste, aber so blöd, wie man aus seinem Verhalten hätte schließen können, bestimmt auch nicht.

    Ich ging ins Restaurant zurück, um meine Renke zu bezahlen.

    »Noch etwas Kaffee, Herr Moser?« Frau Elsheimer war wirklich sehr um mein Wohlergehen besorgt. Ich saß mit ihr auf der kleinen Terrasse, ein prächtiges Frühstück vor mir, genoss den Ausblick auf den See, genoss das angenehme, mit Blumenduft angereicherte Lüftchen, das vom Garten herüberwehte, genoss eigentlich alles, einschließlich Frau Augusta Elsheimer. Sie hatte sich zu mir gesetzt, und wir unterhielten uns. Über Oskar Maria Graf zum Beispiel, von dem sie anscheinend alles gelesen hatte. Über seine Erlebnisse bei der Revolution in München, bei der Ausrufung der Räterepublik und bei ihrer blutigen Niederschlagung. Über den Roman »Das Leben meiner Mutter«, die Schilderung einer ganzen Epoche, dargestellt an der Entwicklung einer Bauernfamilie. Mir fiel als Beispiel meiner literarischen Graf-Kenntnisse leider nur die Geschichte vom Imsinger Girgl ein, der beim Leberknödel-Wettessen schon nach dem neununddreißigsten Knödel tot vom Stuhl fiel. Obwohl er doch gewettet hatte, fünfzig zu schaffen.

    Frau Elsheimer sprach auch von früher, als es unten am See noch keine protzigen Millionärsvillen gab, sondern noch richtige Fischer, als die Sommerfrischler aus München, ganz normale Leute, herauskamen, um hier die Ferien zu verbringen. Ich hörte ihr gerne zu und schaute sie auch gerne an: ihr rosiges, nur von wenigen feinen Fältchen durchzogenes Gesicht, die hellen, lebhaften Augen, das sorgfältig frisierte weiße Haar. Gerne hätte ich auch etwas über ihr Leben erfahren. War sie mal verheiratet gewesen, hatte sie Kinder, lebte sie immer allein hier? Aber zu meiner Verwunderung verspürte ich so etwas wie Scheu. Solange sie nicht selbst davon anfing, wollte auch ich nicht darauf zu sprechen kommen. Und was würde mit dem schönen alten Haus hier geschehen, wenn sie sich einmal aufmachte, Oskar Maria Graf im weiß-blauen Himmel zu begegnen? Würde es einem dieser Protzbauten mit Walmdach Platz machen müssen?

    Inzwischen war noch jemand auf der Terrasse angekommen und hatte es sich auf einem freien Stuhl bequem gemacht: Othello, ein großer schwarzer Kater mit weißer rechter Vorderpfote. Er rollte sich zusammen und schloss die Augen, die Schwanzspitze zuckte leise. Vermutlich rekapitulierte er nun seine nächtlichen Abenteuer. Gerade als wir uns in Mutmaßungen über sein ausschweifendes Liebesleben ergehen wollten, schrillte im Haus das Telefon. Als Frau Elsheimer zurückkam, sagte sie, jemand von der Produktion hätte angerufen. Ich solle sofort zum Hotel kommen, es sei etwas passiert.

    Ich rannte die kurze Strecke zum See hinunter. Das entspannte Hochgefühl von eben war schlagartig weg, die Stimmung von gestern Abend wieder da und mit ihr die Gewissheit, dass das nur etwas wirklich Schlimmes sein konnte. Und dass ich, was immer es war, wen immer es betraf, zu spät kommen würde.

    Als ich den Platz vor dem Hotel erreichte, sah ich zwei Autos mit Fürstenfeldbrucker Kennzeichen davor halten, zwei Funkstreifen aus Starnberg standen auch da, uniformierte Beamte hinderten Neugierige daran, sich dem Hotel zu nähern. Ich ging langsamer, denn ich wusste jetzt, worum es sich handelte. Nicht nur des Bildes wegen, das sich meinen Augen bot; da war etwas, das in der Luft lag, etwas Unsichtbares, etwas, das ich schon oft wahrgenommen hatte und für das ich anscheinend immer empfänglicher wurde: Ich spürte die Gegenwart des Todes.

    Es war Brigitte Thorakis. Man hatte sie auf die Planken des Stegs gelegt und zugedeckt. Nachdem ich mich ausgewiesen und meine Funktion hier erklärt hatte, wurde mir erlaubt, die Plane hochzuheben. Die Tote war voll angekleidet, sie trug die bunte Flickenjacke, die sie auch bei unserer letzten Begegnung angehabt hatte; die Kapuze war über den Kopf gezogen und beim Hinlegen verrutscht, wodurch sie einen Teil der Stirn und ein Auge verdeckte. Die Kleidung war klatschnass, um die Leiche herum waren die Planken dunkel vom aufgesogenen Wasser. Man hatte sie also aus dem See geholt. Das, was ich vom Gesicht sehen konnte, sah ruhig und friedlich aus.

    Zuständig war, wie ich gleich erfuhr, die Kripo Fürstenfeldbruck, der Kommissar, der die Ermittlungen leitete, hieß Rainer Wieland. Er machte auf den ersten Blick einen eher gelangweilten Eindruck, seine bestimmt über fünfzig Lebensjahre drückten seine Schultern nach unten und den Bauch nach vorn. Nur noch wenige, sorgfältig von links nach rechts über den kahlen Schädel drapierte Haare bestätigten meine Altersschätzung, er trug eine randlose Brille vor braunen Augen, deren müd-melancholischem Ausdruck ich sofort misstraute.

    Während er mit Leuten vom Hotel sprach, erfuhr ich von Regisseur Gershof, dass Brigitte Thorakis unter dem Steg im Wasser gelegen hatte. Deshalb war sie auch erst so spät entdeckt worden. Sie sei erschlagen und dann dort hinuntergeworfen worden.

    »Warum hat man mich erst jetzt verständigt?«, wollte ich wissen.

    »Ich weiß es nicht. Die allgemeine Aufregung wahrscheinlich. Irgendjemand hat Ihre Handynummer verschlampt. Und die meisten wussten nicht mal, wo Sie untergebracht sind …«

    Wir konnten nicht weiterreden, denn nun stürzte Ilona Samm auf mich zu. Sie sah ziemlich fertig aus.

    »Haben Sie gesehen, was passiert ist, haben Sie es gesehen?«, schrie sie mich an. »Wo sind Sie gewesen? Sie hätten es verhindern müssen! Wozu sind Sie eigentlich engagiert worden, Sie, Sie …«

    »Ilona, bitte!«, versuchte Gershof sie zu beruhigen. Sie fiel ihm schluchzend um den Hals. »Brigitte ist tot«, hörte ich sie gegen das Sweatshirt des Regisseurs stammeln, »meine Freundin Brigitte ist tot.«

    Ich war richtig froh, als nun ein Kriminalbeamter auf mich zukam und mich zum Kommissar bat.

    »Also, Herr Moser«, sagte der, nachdem wir uns begrüßt hatten, »von dem Drohbrief weiß ich ja inzwischen. Haben Sie etwas herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte?«

    »Tut mir leid. Ich bin ja auch erst seit gestern hier. Und das Nachforschen gehörte streng genommen gar nicht zu meinen Aufgaben.«

    »Ich weiß. Ihre Gegenwart diente eher psychologischen Zwecken. Wundert mich ein bisschen, dass Sie dabei überhaupt mitgemacht haben. Aber es wird sich schon lohnen, nehme ich an.«

    Ich zog es vor, nur mit den Schultern zu zucken. Der Kommissar redete auch gleich weiter. »Sie haben doch gestern Abend noch allein mit Frau Thorakis auf der Terrasse gestanden. Worüber haben Sie gesprochen?«

    Das wusste er also auch schon. »Sie sagte mir eigentlich nur, dass der Drohbrief ernstzunehmen sei. Und dass sie Angst hätte.«

    »Wovor?«

    »Keine Ahnung. Wir haben uns nur sehr kurz unterhalten. Heute wollte sie mir mehr sagen.«

    Der Kommissar schaute mich melancholisch an. »Wo waren Sie heute Nacht zwischen elf und eins?«

    »Im Bett. Ohne Zeugen. Darf ich Sie jetzt auch was fragen?«

    »Bitte.«

    »Wie ist sie ermordet worden? Ich hörte etwas von Erschlagen.«

    »Das stimmt. Jemand hat ihr einen schweren Gegenstand von hinten auf den Kopf gehauen. Sie war vermutlich sofort tot. Ins Wasser hat man sie möglicherweise geworfen, damit sie nicht so schnell gefunden wird.«

    »Oder weil der Mörder sichergehen wollte. Falls sie noch gelebt hat, wäre sie auf jeden Fall ertrunken. Hatte sie eigentlich die Kapuze auf, als es passierte?«

    Jemand fragte Kommissar Wieland, ob man die Leiche jetzt wegbringen könne. Er bejahte und wandte sich dann wieder mir zu. »Ja. Das steht fest. Auf der Innenseite der Kapuze sind Blutspuren. Sie denken also an eine Verwechslung, die Jacke gehört ja Frau Samm.«

    »Natürlich. In der Dunkelheit und mit Kapuze. Da liegt es doch nahe.«

    »Schon. Trotzdem bin ich mir da nicht so sicher.«

    Ich war es ebenso wenig. Und damit Wieland mich nicht für unterbelichtet hielt, sagte ich: »In der Nacht unbemerkt so nahe heranzukommen ist so gut wie unmöglich. Der knirschende Kies hier und dort die knarrenden Bohlen vom Steg … Sie muss ihren Mörder gekannt haben.«

    Der Kommissar tätschelte meinen Arm. »Gut, der Mann. Sie hätten Kriminaler werden sollen.« Dann fügte er noch hinzu: »Schauen Sie doch morgen Vormittag mal bei mir vorbei. Wegen Protokoll und so.«

    »In Fürstenfeldbruck?«

    »Wo sonst? Wir sind nun mal für die Gegend hier zuständig.«

    Ich wusste nicht recht, was ich von ihm halten sollte. Bis jetzt war er ja recht zutraulich, aber so etwas konnte auch täuschen. Gerade im Umgang mit Privatdetektiven sind Polizeibeamte oft den seltsamsten Stimmungen unterworfen. Entweder halten sie dich für einen minderwertigen Schnüffler oder sie beneiden dich wegen der vermeintlichen Freiheiten, die du genießt, oder gar wegen der Honorare.

    Ich ging langsam den Steg hinaus. Es schien wieder ein schöner, sonniger, strahlender Tag zu werden. Kein Tag zum Sterben, aber welcher Tag ist das schon. Man kann es natürlich auch andersrum sehen: Jeder Tag ist ein Tag zum Sterben. Völlig sicher, dass Brigitte Thorakis ihren Mörder gekannt hatte, war ich mir keineswegs. Wenn er überzeugt gewesen war, Ilona Samm vor sich zu haben, wenn er schnell auf sie zugesprungen war und dann gleich zugeschlagen hatte …

    Wenn, wenn … Warum machte ich mir überhaupt Gedanken, mein Job war doch mit Sicherheit jetzt zu Ende, alles weitere Sache der Polizei. Ich sah kurz einer Entenmutter zu, die ihre flaumigen Jungen, die wie braune Wattebällchen auf dem Wasser schwammen, zur Nahrungssuche geleitete, dann wanderte ich wieder Richtung Hotel.

    Toni war gerade eingetroffen und wurde von Kommissar Wieland und einem seiner Mitarbeiter vernommen. Da die Fläche zwischen Restauranteingang und Anlegesteg von der Polizei zwecks Spurensicherung gesperrt worden war, hatten sich die drei an einen Tisch dicht am Ufer gesetzt. Bei dem Gespräch hätte ich gerne zugehört. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Toni für die Polizei mit zu den Verdächtigen gehörte; sie hatte bestimmt schon erfahren, dass auch er sich noch am Abend hier draußen herumgetrieben hatte. Und da er ja in Ilona vernarrt war, und wenn diese wirklich etwas gegen die Thorakis hatte … Blödsinn! Toni schied für mich als Täter aus. Aber ich konnte mir gut vorstellen, dass er etwas wusste, was vielleicht zur Klärung beitragen konnte. Allerdings zweifelte ich daran,

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