DIE LEUCHTENDEN FINGER: Thriller
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Der gewaltsame Tod ihrer Tante scheint Melody nicht viel Kummer zu bereiten: Sie amüsiert sich und flirtet ausgelassen am herrlichen Strand von Florence City – für eine Alleinerbin ein verständliches, aber keineswegs unverdächtiges Verhalten. Cliff – ein ehemaliger Polizist – hält es dennoch für ausgemachten Unsinn, Melody den Mord an ihrer Tante anzuhängen, denn der Mörder hat den gesamten Schmuck mitgenommen, und warum sollte Melody etwas stehlen, das sie ohnehin erben wird? Aber das reizende Mädchen sorgt dafür, dass die Verwirrung immer größer wird: Denn die erste heiße Spur von dem verschwundenen Millionenschmuck ist ein kostbarer Rubin-Ring. Und man findet ihn – ausgerechnet unter Melodys Bett...
Der Thriller Die leuchtenden Finger von John D. MacDonald – erstmals im Jahr 1950 veröffentlicht – gilt als einer der ganz großen Krimi-Klassiker des Autors der Travis-McGee-Romane.
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DIE LEUCHTENDEN FINGER - John D. MacDonald
Das Buch
Der gewaltsame Tod ihrer Tante scheint Melody nicht viel Kummer zu bereiten: Sie amüsiert sich und flirtet ausgelassen am herrlichen Strand von Florence City – für eine Alleinerbin ein verständliches, aber keineswegs unverdächtiges Verhalten. Cliff – ein ehemaliger Polizist – hält es dennoch für ausgemachten Unsinn, Melody den Mord an ihrer Tante anzuhängen, denn der Mörder hat den gesamten Schmuck mitgenommen, und warum sollte Melody etwas stehlen, das sie ohnehin erben wird? Aber das reizende Mädchen sorgt dafür, dass die Verwirrung immer größer wird: Denn die erste heiße Spur von dem verschwundenen Millionenschmuck ist ein kostbarer Rubin-Ring. Und man findet ihn – ausgerechnet unter Melodys Bett...
Der Thriller Die leuchtenden Finger von John D. MacDonald – erstmals im Jahr 1950 veröffentlicht – gilt als einer der ganz großen Krimi-Klassiker des Autors der Travis-McGee-Romane.
DIE LEUCHTENDEN FINGER
Erstes Kapitel
Es war ein sonniger Morgen im Februar, als die Tat entdeckt wurde. Passiert war sie schon in der Nacht vorher.
Um sieben Uhr morgens schloss Frances Audrey, ein Negermädchen, die Tür zu dem Appartement im ersten Stock auf, das an Elizabeth Stegman aus Boston, Massachusetts, vermietet war. Das Gebäude hieß Tide Winds und lag an der North Florence Beach, etwas außerhalb von Florence City, Florida.
Alles war wie immer. Frances schielte durch die offene Tür von Miss Stegmans Schlafzimmer, um zu sehen, ob sie schon wach sei. Aber dann tat sie etwas, was sie noch nie getan hatte: Sie schrie gellend...
Ich wachte um zehn Uhr auf und verließ das Haus um zehn Uhr zwanzig. Unterwegs frühstückte ich in einem Café und ging die kurze Strecke ins Büro zu Fuß.
Es befand sich im dritten Stock eines Geschäftsgebäudes, nur sechs Block von meiner Wohnung entfernt. An der Tür war ein Schild mit folgender Aufschrift befestigt:
Condor-Versicherung - Bezirksdirektion A. Myers.
Dahinter lag ein Raum mit dem Schreibtisch von Wilma Booton, einer dürren, bleichsüchtigen Person, die hier Empfangsdame spielte und den Telefondienst versah. Rechts, dem Eingang gegenüber, lag das Büro des Bezirksdirektors, links mein kleines, viel schlichter eingerichtetes Büro. An der Tür stand:
Clifford C. Bartells - Schadenersatz.
Im Zimmer neben mir saß Andrew Hope Maybree, der Bezirksvertreter. Wilma Booton sah mich vorwurfsvoll an.
»Sie sind heute spät dran.«
Ich legte beide Hände flach auf ihren Schreibtisch und beugte mich nach vorn.
»Um drei Uhr morgens, liebe Wilma, war ich noch damit beschäftigt, die Unterschrift eines Mannes einzuholen, der sich zwangsweise dazu entschlossen hat, auf seine Ansprüche zu verzichten.«
Myers, ein aufgedunsener, blasser Sitzriese, erschien in der Tür seines Büros.
»Kommen Sie gleich zu mir herein, Cliff«, sagte er.
Ich warf einen schnellen Blick auf Kathy. Der Blick ihrer großen Augen war unruhig. Ich folgte Myers in das Büro und schloss die Tür hinter mir. Vor dem Fenster blieb er stehen, den Rücken mir zugewandt.
»Nehmen Sie Platz, Cliff.«
Ida setzte mich und zündete mir eine Zigarette an.
Er fuhr herum.
»Halten Sie sich fest«, sagte er ohne Einleitung. »Elizabeth Stegman ist tot.«
»Das ist bedauerlich. Und wer ist Elizabeth Stegman?«
Myers setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
»Wer Elizabeth Stegman ist? Verflucht, Cliff, wissen Sie denn gar nichts?«
»Ich weiß vieles, aber nicht, wer diese Stegman ist.«
»Verzeihen Sie, ich bin zu aufgeregt. Mir läuft der Schweiß den Rücken herunter. Sie wurde vergangene Nacht ermordet. Vielleicht auch erst am frühen Morgen. Das Dienstmädchen hat sie gefunden. Seitdem hänge ich am Telefon. Sie hatte ihren gesamten Schmuck mit nach Florida gebracht. Er ist weg. Alles!«
Der Rest war mir klar.
»Und sie war bei uns versichert, nehme ich an.«
»Ja. Für eine dreiviertel Million Dollar.«
Ich zog nachdenklich an meiner Zigarette. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Während ich Amerika den Krieg gewinnen half und danach ein paar Jahre in Westdeutschland stationiert war, wuchs Florence City in die Dimensionen einer Großstadt. Als ich meine Arbeit bei der Polizei wieder aufnahm, musste ich feststellen, dass mit der Stadt auch die Anzahl der Verbrechen gewachsen war. Das sei unvermeidlich, behauptete man, und das sah ich auch ein.
Aber dann kam ich hinter ein paar Dinge, die mir nicht gefallen wollten.
Man müsse einer gewissen Organisation gegenüber großzügig sein, sagte man mir. Nur so könne man eine gewisse Ordnung halten. Damals roch ich zum ersten Mal den Gestank der Korruption. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich geglaubt, derlei Praktiken gehörten längst der Vergangenheit an.
Es war das alte Lied mit einer neuen Melodie.
An einem Januarmorgen tappte ich mitten hinein.
Ich sah den Halbwüchsigen, den sie wegen seines renitenten Verhaltens fast zu Tode geprügelt hatten, ohne eine Spur an seinem Körper zu hinterlassen. Er sah wie ein alter Mann aus und bewegte sich auch so.
Man nahm ihm ein Geständnis ab. Es handelte sich um ganze zehn Raubüberfälle. Ich sprach mit dem Jungen in der Zelle und stellte zu meiner Befriedigung fest, dass er mit keinem der Verbrechen etwas zu tun gehabt hatte. Als man ihn dennoch zu fünfzehn Jahren verurteilte, schaltete ich mich ein.
Ich sagte, was ich herausgefunden hatte, und drei Tage später war ich einfacher Streifenpolizist. Der einzige, der in Florence City zu Fuß ging.
Ich nahm natürlich meinen Abschied - wie man es von mir erwartet hatte - und arbeitete von da an für die Condor-Versicherung. Man war der Auffassung, dass ich als ehemaliger Polizeibeamter genau der richtige Mann für die Schadenersatzabteilung sei. Ich beschäftigte mich hauptsächlich damit, gestohlene Ware zurückzukaufen, wofür ich dann Provision bekam. Ein Rückkauf von Smaragden im Wert von vierzigtausend Dollar - ich bezahlte siebzehntausend dafür - brachte mir zum Beispiel dreitausend Dollar ein. Bei einem anderen Fall verdiente ich fünftausend, weil ich die gestohlene Ware, die mit siebenundsechzigtausend Dollar versichert war, billig wieder eingehandelt hatte.
Aber langsam fiel mir diese Arbeit auf die Nerven. Ich wünschte mir etwas Abwechslung im täglichen Einerlei.
Myers knallte den Hörer auf die Gabel und starrte mich geistesabwesend an.
»Wir müssen von der Annahme ausgehen«, sagte er schließlich, »dass sich die Täter noch in der Stadt befinden. Bartells, Sie müssen sich sofort an die Arbeit machen und versuchen, mit den Burschen ins Geschäft zu kommen. Der Schmuck darf nicht aus dem Land geschafft werden.«
»Sie tun so, als ob das ein Kinderspiel wäre.«
»Es ist nicht das erste Mal, dass Sie so etwas erledigen.«
»Sicher, aber bisher habe ich ohne die Aufsicht der Presse gearbeitet. Sehen Sie, dieser Mord hat unsere Situation etwas geändert. Im Gegensatz zu unseren bisherigen Fällen wird sich keiner auf einen Handel mit mir einlassen. Das Risiko ist zu groß. Die Polizei wird jeden Schritt, den ich mache, überwachen. Sie will den Mörder, und wir wollen den Schmuck. Falls es mir gelingen sollte, den Schmuck zurückzukaufen, würde man mich so lange in die Zange nehmen, bis ich aussage, von wem ich den Schmuck habe. Rede ich nicht, werde ich wegen Begünstigung verurteilt. Man wartet nur darauf, mir eins auszuwischen. Sie erinnern sich doch noch daran, was vor einigen Jahren passiert ist.«
»Na schön, dann reden Sie eben, wenn der Handel abgeschlossen ist.«
»Wenn ich das tue, komme ich für alle Zeiten mit keinem Hehler mehr ins Geschäft. Das wissen Sie so gut wie ich. Von diesem Moment an habe ich bei diesen Leuten ausgespielt. So etwas spricht sich schnell herum.«
»Aber bisher ist doch alles glatt gegangen, Cliff.«
»Ja, ohne Mord. Lassen Sie mich bei dieser Sache aus dem Spiel, Arthur.«
»Das können Sie mir nicht antun«, jammerte er.
»Ich möchte nichts damit zu tun haben.«
Er fuhr sich über die Stirn. »Cliff, ich werde jetzt einige Anrufe erledigen. Wir sprechen später noch einmal darüber.«
Ich ging zurück in mein Büro. Kurz darauf kam Andrew Hope Maybree herein. Er war ein großer Mann mit kastanienbraunem Haar, einer immer spiegelblank geputzten Brille, großen gelben Zähnen und der fixen Idee, dass man selbst in der höllischen Sommerhitze eine Krawatte zu tragen habe.
»Wieder ein großer Fall, Cliff?«, fragte er.
»Raubmord«, antwortete ich. »Nichts Außergewöhnliches.«
»Wird die Polizei den Täter fassen?«
»Das kommt darauf an. Wenn es sich um einen Amateur handelt, schon. Wenn es ein Profi war, wahrscheinlich nicht.«
»Und war es ein Profi?«
»Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich weiß, wie die Frau umgekommen ist.«
Kathy kam herein. »Du sollst zum Chef kommen.«
Wieder nahm ich an seinem Schreibtisch Platz.
»Ich habe«, begann Myers stockend, »der Zentrale Ihre Einstellung mitgeteilt, Cliff. Wir sind zu einem Entschluss gekommen. Unglücklicherweise sind die einzelnen Schmuckstücke schwer erkennbar und dadurch leicht zu verkaufen. Wir können Sie natürlich nicht dazu zwingen, sich mit den Tätern einzulassen. Sie haben das Recht, den Auftrag abzulehnen. Die Zentrale ist jedoch bereit, eine große Summe für den Rückkauf zu bieten. Man hat sich für dreihunderttausend Dollar entschieden. Wenn Sie den Schmuck wieder beschaffen können, bekommen Sie eine Provision von dreißigtausend Dollar.«
»Ich verlange fünfzigtausend«, sagte ich.
»Sind Sie wahnsinnig?«, rief Myers entsetzt, und sein Blick flackerte.
»Entweder fünfzigtausend oder die Gesellschaft hat einen Verlust von siebenhundertfünfzigtausend Dollar. Offensichtlich ist der Schmuck mehr wert...«
»Gut«, sagte Myers. »In Gottes Namen vierzigtausend.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Fünfundvierzigtausend?«
Ich lächelte ihn an.
»Fünfzigtausend!«, rief er. »Fünfzigtausend Dollar!«
»Zahlbar in fünf Jahresraten von je zehntausend Dollar«, sagte ich. »Und ich möchte es schriftlich. Sie unterzeichnen, und Kathy unterzeichnet als Zeugin.«
»In Gottes Namen«, sagte er und lehnte sich zurück. Sein Schreibtischstuhl knarrte.
Fünfzehn Minuten später kam Kathy in mein Büro. Sie legte mir die schriftliche Abmachung vor.
»Lies es durch«, sagte sie. »Ist alles in Ordnung?«
Sie stand neben mir. Ich roch ihr Parfüm und spürte ihren Atem in meinem Nacken. Kathy war ein schlankes dunkelhaariges Mädchen mit einer sportlichen, sehr guten Figur. Andrew Hope Maybree und ich gingen abwechselnd mit ihr aus. Wenn man sie Tag für Tag im Büro sah, ergab sich das von selbst.
Ich wusste, dass Andrew dieselbe Erfahrung mit ihr gemacht hatte wie ich. Der erste Schritt war nicht schwer. Mit etwas Geschicklichkeit schaffte man auch noch den zweiten. Aber wie sehr man sich auch anstrengte, man erreichte das Ziel nicht. Kathy war sexy, jung und immer sehr elegant angezogen, aber sie war nicht zu überreden.
Der Grund dafür war einfach: Kathy wollte heiraten. Beim Anblick von Babys bekam sie sanfte Augen, und nichts interessierte sie mehr als Möbelgeschäfte.
»Du hast keine Hemmungen, was?«, fragte sie.
»In dem Fall bestimmt nicht«, antwortete ich.
Als das Schriftstück von Myers und Kathy unterschrieben war, verließ ich das Büro.
Florence City reagierte auf die heiße Februarsonne mit einem breiten geldgierigen Lächeln. Die Wagen von schätzungsweise siebzigtausend Touristen schoben sich durch die verstopften Straßen. Aufgetakelte Mädchen, ältliche Männer mit roten Gesichtern, jede Menge Straßenkreuzer. Man sah sofort, wer Tourist und wer Einheimischer war. Im Blick der Einheimischen lag ein Anflug von Resignation, im Blick der Touristen hektische Vergnügungssucht.
Ich ging zurück und holte meinen Wagen. Vor einem Schaufenster blieb ich stehen und betrachtete mein Spiegelbild: breite Schultern, undurchdringliche Augen mit schweren Lidern, dunkles Haar, das sich an den Schläfen bereits lichtete, einen finsteren, fast verdrießlichen Zug um den Mund, Fäuste wie Stahl, unerfüllte Träume und zum Teil sehr trübe Vorahnungen.
Zweites Kapitel
Sergeant Banson wohnte mit seinen beiden Kindern und seiner Schwester in einem kleinen Fertighaus in einer sumpfigen, von Moskitos verseuchten Gegend im Osten der Stadt.
Ich klopfte an der Küchentür, und die Schwester des Sergeanten begrüßte mich mit unverhohlener Feindseligkeit.
»Sie wissen ganz genau, dass Sie hier nicht gern gesehen sind«, sagte sie.
»Ich muss mit Harry sprechen.«
»Er schläft. Können Sie ihn nicht in Ruhe lassen?«
»Es ist dringend.«
»Ich wecke ihn nicht.«
»Dann tue ich es eben selbst«, sagte ich und drängte mich an ihr vorbei.
Harry lag im vorderen Schlafzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Er lag in der Unterhose auf dem Bett und erstickte fast an seinem Schnarchen. Er war ein großer drahtiger Mann. Seine .38er Polizeipistole lag auf dem Nachttisch.
Ich zündete mir eine Zigarette an, setzte mich auf den Bettrand, packte ihn am Knie und schüttelte ihn.
»Harry, wach auf!«
Er brummte, fuhr plötzlich in die Höhe und griff nach der Waffe.
»Was... Ach, du!«, sagte er und gähnte. Ich zündete eine zweite Zigarette an und gab sie