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Leiche 21: Die Krimis mit dem Rembrandt
Leiche 21: Die Krimis mit dem Rembrandt
Leiche 21: Die Krimis mit dem Rembrandt
eBook1.361 Seiten19 Stunden

Leiche 21: Die Krimis mit dem Rembrandt

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Über dieses E-Book

Ein neuer Fall für Martin v. Malvoisin, Erster Kriminalhauptkommissar beim K1 in Lübeck, und seinen Freund-Kollegen, den Deutsch-Dänen Frederik Langeland. Malvoisin wohnt in dem niedlichen, alten Ostseebad Kellenhusen, eingebettet zwischen Ostsee und dem Eutiner Staatsforst an der Lübecker Bucht und ausgerechnet in den schönen Wald, fast vor seiner Haustür, wird ihm eines Morgens im Juli 2010 eine nackte männliche Leiche kopfüber in einen Baum gehängt - ausgeblutet. Es bleibt nicht bei dem einen Toten, das Ganze zieht herüber in einen zweiten Kriminalfall, der von höchsten Kreisen ausgeht. In diesem erotischen Krimi über eine späte Rache kommt schließlich gar Malvoisins Ältester in Lebensgefahr. Lernen Sie auch Malvoisins Familie weiter kennen, seine schöne, selbstbewußte Frau, seine flotten Teenager-Kinder und die Baby-Zwillinge samt der beeindruckenden ostpreußischen Großmutter, der fast 95jährigen Uri Cilla, die ein Familiengeheimnis enthüllen wird. Und daß des schönen Christian Malvoisins Freund Jan Reet etwas mehr will als nur Freundschaft … ! 320.000 Wörter Spannung, Erotik, liebevolles Familienleben, Irrungen, Wirrungen und brutale Morde. Und dann ist da noch der Lensterstrand, der Nacktbadestrand von Grömitz, wo die Opfer vorher … aber lesen Sie selbst.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum28. Jan. 2014
ISBN9783844282405
Leiche 21: Die Krimis mit dem Rembrandt

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    Buchvorschau

    Leiche 21 - Georg von Rotthausen

    Imprint

    Leiche 21

    Georg von Rotthausen

    published by: epubli GmbH, Berlin

    Copyright: © 2014 Georg von Rotthausen

    ISBN 978-3-8442-8240-5

    Inhaltsverzeichnis

    Imprint

    Inhaltsverzeichnis

    Initiale spaventoso

    Vier Jahre später.

    Prolog

    Drei weitere Jahre später.

    1. Tag:

    2. Tag:

    3. Tag:

    4. Tag:

    5. Tag:

    6. Tag:

    7. Tag:

    8. Tag:

    Einen Tag später …

    Das Ende der Lysistratäischen Woche

    Vier weitere Tage später …

    Knapp drei Monate später …

    Epilog

    Ein letztes Wort noch, so wie es die Frauen gerne haben ... das letzte Wort, auch wenn alles schon gesagt ist.

    Schlußerklärung und Danksagung

    Georg von Rotthausen

    Leiche 21

    Carl Spitteler:

    Phantasie ist die schönste Tochter der Wahrheit, aber etwas lebhafter als die Mama.

    Initiale spaventoso

    Sanft streicht eine warme Brise über die Küste.

    Eine große weiße Möwe stolziert selbstbewußt an der Wasserlinie entlang. Sie sieht niemanden, der ihr den Strand streitig machen könnte. Ein weiblicher menschlicher Körper, nur bedeckt von kaum wahrnehmbarer weißer Badeseide, ist weit genug entfernt und stört sie nicht. Sie sucht nach Nahrungsresten, die diese großen seltsamen Wesen immer wieder in den Sand fallen lassen. Und wenn sie selbst ein Mensch wäre, würde sie an diesem herrlichen Tag vielleicht denken: „Ha! Das ist mein Strand!"

    Die Sonne brennt von einem strahlendblauen Himmel herunter. Ihr wärmendes Feuer wird kaum von kleinen weißen Wolken unterbrochen, die irgendwie tapfer ihrer unvermeidlichen Verdunstung entgegenschweben. 

    „Ist das nicht ein herrliches Plätzchen?"

    „Hm, das ist es."

    „Könnte man sich dran gewöhnen, so unbeobachtet in den Dünen, faul in der Sonne zu liegen und die Wolken zu zählen, nicht?"

    „Könnte man, oh ja, das könnte man."

    Ein tiefes Durchatmen und genüßliches Schnurren unterstreicht es.

    „Es sind bloß nicht so viele da."

    „Was denn?"

    „Wolken. --- Man ist  so schnell fertig."

    „Zu dumm, nicht?"

    „Kann man sagen."

    Zwei Seufzer bekräftigen den Mangel an Faulheitsbeschäftigung.

    „Man könnte sich auch nahtlos …, hm, was meinst Du?"

    „Ist wirklich niemand da?"

    Die kaum sichtbare, aber doch um fünf Jahre ältere Schönheit erhebt sich und ein paar strahlende, grüne Augen prüfen die Umgebung. Außer dem Dünengras, das sich in der angenehmen Brise wiegt, können sie keine Bewegung entdecken. Der weiße Bikini ist durch hohen Strandhafer verdeckt. Sie sieht die Jüngere an, die gerade ihre Augen schließt.

    „Wir sind wirklich allein. Seltsam nicht? Bei diesem herrlichen Wetter. Niemand da außer uns."

    „Mir reicht es an Auftrieb, murmelt die ausgestreckte Schöne. „Hat man schon keine lästige Anmache von dummen Strandcasanovas. Immer diese blöden Sprüche. Den nächsten schicke ich zum Fundbüro.

    „Warum das denn?", grient die Grünäugige.

    „Dort kann er nachfragen, ob vielleicht sein Gehirn gefunden wurde."

    Ein fröhliches Auflachen bestätigt ihr, daß dieser Gedanke etwas für sich hat.

    Im nächsten Augenblick fliegen zwei knappe Bikiniteile neben ihr Badetuch und die Grünäugige greift nach ihrer Sonnencreme, um Busen und Po zu schützen.

    „Komm, Du auch, sei nicht feige", wird die Liegende aufgefordert, sich gänzlich zu entkleiden. Sie blinzelt hoch, erhebt sich und legt ebenfalls ab.

    Während die Ältere sich bereits eincremt, prüft die Jüngere selbst noch einmal die Umgebung, indem sie ein paar Schritte zum Dünenkamm geht und sich umsieht. Dabei dreht sie sich einmal um die eigene Achse.

    „Du, da hinten liegt ein Mädchen in einem weißen Bikini, aber allein. Ob es spätabends hier auch so ruhig sein wird, wenn jetzt schon niemand hier ist? Ich versteh’ das gar nicht, bei dem schönen Strand." Beim Umwenden bemerkt sie rechterhand, daß ein junges Pärchen sich erhoben hat und dabei ist, der Hitze zu entfliehen.

    „Vielleicht sind alle beim Dorffest. Ich hab’ da so ein Plakat gesehen. Da gehen sicher auch die Feriengäste hin. ‘s ist ‘ne schöne Ablenkung für die Kinder."

    „Kann schon sein. Ich bin lieber hier. Wenn Du fertig bist, cremst Du mich auch ein? Dann muß ich mir nicht die Finger fettig machen."

    Das „Sei nicht so faul! wird mit einem Klaps auf den Hintern bekräftigt, aber es nützt nichts. Die jüngere Schöne hebt ihre langen blonden Haare hoch und läßt sich bedienen. „Ich hab’ Ferien mit Lizenz zum Faulsein.

    „Immer das letzte Wort mußt Du haben. Ich bin doch die Ältere!" Die Blonde grient nur noch breiter.

    „Und was meintest Du mit der Ruhe spätabends?" Sie reibt die wohlrunden festen Brüste der Jüngeren ein.

    „Na, wenn wir schon hier sind, dann könnten wir doch einmal am späten Abend hier schwimmen gehen. Es ist heute Vollmond, das macht sicher Spaß."

    „Gute Idee, wird ihr beigepflichtet, „das machen wir, mit einem kleinen Picknick dabei. - So, fertig. Bleib noch etwas stehen, damit es einzieht, sonst schmierst Du alles nur ins Badetuch.

    „Jawohl, Frau Oberlehrerin."

    „Quatschkopf!"

                                              *

    „Hast Du das gehört? Die beiden Miezen wollen heute abend hier schwimmen gehen. Da machen wir doch mit, oder?" Die anlandige Brise treibt die ohnehin nur raunende Stimme von den Mädchen weg.

    „Klar, und mehr als das. Von dem Anblick müßte er sich  eigentlich jetzt schon erst einmal erholen …"

    „Reiß Dich zusammen, dann ist das Vergnügen später umso größer. … He, was soll das?"

    „Teufel, bei Dir ist aber auch schwer Alarm!"

    „Was hast Du denn gedacht? Daß er den Kopf hängen läßt? Träum weiter. … Und welche kriegt Deinen?"

    „Beide! Ist genug für zwei da."

    „Ach ja?"

    „Klar, ich meine für uns zwei und für jeden von uns. Wir wechseln uns ab. Die können uns ja doch nicht auseinanderhalten."

    Ein böses Grinsen verzerrt die schönen Gesichter der Brüder voll übler Pläne. Sie ziehen sich zurück, nachdem die Mädchen sich wieder niedergelegt haben und vertreiben sich die Wartezeit auf ihre dunkle Stunde mit wildem Tanz auf dem Dorffest.

                                              *

    „Hast Du übrigens den Auftrag für die Brunnenfiguren bekommen?"

    Die Jüngere blinzelt zu ihrer Schwester herüber. Deren Gesicht verzieht sich einen Moment lang.

    „Nein, verdammt. Dieses Miststück hat ihn mir weggeschnappt. Ihr Entwurf mit den Nixen sei angeblich schöner. Diese Rathausbanausen haben doch alle keine Ahnung was Kunst ist."

    „Ach, beruhig’ Dich. Wir sind im Urlaub. Nächstes Mal schaffst Du es wieder."

    Sie rekelt ihren schlanken Körper in der Sonne zurecht.

    „Hoffentlich. Drei Aufträge sind wegen der schon perdu. Viel Geld, viel Renommee."

    Die Ältere dreht sich auf den Bauch und hält der Sonne und der Welt ihren Hintern entgegen. Im Moment will sie schmollen.

                                              *

    Am Abend wird der immer noch warme Strand für die zwei Schönheiten zur Hölle. Ihre Körper werden von zwei Land-Haien zerfleischt, ihre Seelen auf ewig verwundet und ihr Geist dauerhaft getrübt. Der Mond deckt sein mildes silbernes Licht über das Grauen, das niemand sieht und niemand erkennt, nachdem der Tagesanbruch das goldene Licht der Sonne zurückgebracht haben wird. Das Böse mischt sich wieder unter das Gute und freut sich, daß sein hämisches Grinsen von den Nichtsehenden nur allzu leicht für eine freundliche Begrüßung gehalten wird. Es ist so leicht, mit einem Lächeln zu zerstören und zu töten.

                                              *

    Am nächsten Morgen bringt der Diensthabende der kleinen Polizeistation nur eine verspätete Bierleiche des Dorffestes nach Hause, er schreibt einen Falschparker auf und scheucht einen Teenager samt Fahrrad vom Bürgersteig. Am Abend freut er sich, daß es in seinem idyllischen Bereich wieder einmal ein schöner, ruhiger Tag war. Er hatte davor auf dem Dorffest nicht einmal eine Hauerei. De Lüüd an de Waterkant sün alltiet sinnig. Dat is allerbest!

                                              *

    Vier Jahre später.

    „Darfst Du mit Deiner Bauchnarbe schon wieder schwimmen gehen?"

    „Klar, nur Köpper soll ich noch nachlassen."

    Martin ist neugierig. Er hat seinen Freund Jens im Krankenhaus immer nur verbunden und verklebt gesehen. Wochenlang hatten sie nichts miteinander unternehmen können. Handys waren nicht erlaubt und ihre beiden knapp aufeinanderfolgenden 15. Geburtstage mußten sie mit kleinen, wirklich ganz kleinen Partys an Jens’ Bett feiern. Der lästige Krankenhauslehrer hatte sie zudem immer wieder bei ihren Unterhaltungen gestört. Nun aber sind Ferien und sie wollen endlich wieder Spaß  miteinander haben und sich austoben. Martin hebt Jens’ T-Shirt hoch und verzieht sein Gesicht.

    „Mann, das sieht ja übel aus. Ging das nicht minimalinvasiv?" Er läßt den Stoff wieder los, der um den schlanken Körper des Jungen schlabbert. Jens darf noch nichts Hautenges tragen. Martin hingegen ist voll im Training, hat schon ein gutes Waschbrett und trägt ein enges Muscleshirt. Er liebt es, wenn die Mädchen ihm tuschelnd nachsehen, und er ist stolz, wenn andere Jungen ihn um seine Figur beneiden.

    „Nee, leider nicht. Ist etwas größer geworden als ‘ne Blinddarmnarbe, und Du hast nicht mal die", ist Jens etwas neidisch auf den makellosen Oberkörper seines Freundes.

    „Vielleicht habe ich Glück. Meinem Opa haben sie erst letztes Jahr den Blinddarm ‘rausgenommen, da war er schon 71." Martins Blick zeigt die pure Bewunderung für den alten Herrn.

    „Eh, cool, Mann. Ich dachte immer, in unserem Alter ist man dieses Extrawürmchen schon quitt."

    „Wann war’s denn bei Dir?"

    „Als ich 10 war. Blöderweise in den Sommerferien, kurz bevor wir auf dem Gymmi angefangen haben."

    „Tatsache? Ich hab’s nie gesehen. Zeig’ mal."

    Jens öffnet seine Jeans und zieht sie samt Slip etwas herunter. „Da!" Er deutet mit seinem linken Zeigefinger darauf.

    „Ah, Bikinischnitt", stellt Martin grinsend fest.

    „Ich bin doch kein Mädchen, Du Affe!", sagts, zieht alles wieder hoch und boxt seinem Freund gegen die Schulter.

    „Is’ ja gut, lacht der, Badehosenschnitt. Aber man sieht’s wirklich kaum. Hast wohl gutes Heilfleisch. Dann geht die Rötung der Bauchnarbe sicher auch noch weg."

    „Ja hoffentlich, verzieht Jens sein Gesicht und ratscht den Reißverschluß wieder hoch. „Auf das nervige Gestarre der Anderen kann ich verzichten. Plötzlich wirkt er sehr nachdenklich und senkt den Blick, was seinem Freund nicht entgeht.

    „Was hast Du?"

    Ach, weißt Du, mir gefällt doch die Anja aus der Nachbarklasse …

    „Die noch nich’ viel Busen hat?"

    „Die mit den schönen braunen Augen und der schmalen Nase …"

    „Was Du so alles siehst …"

    „Ja, und im Bikini sieht sie ganz toll aus", protestiert Jens gegen Martins Negativbewertung.

    „Is’ ja gut, Mann. Also schöne, kleine, süße Titten, und was weiter? Mein Typ ist sie nicht. Ich steh’ eher auf die Rosie mit ihren tollen Rundungen, wenn die einen ansieht, dann macht meiner ‘n langen Hals."

    „Echt? Bist Du in sie verknallt?, will Jens wissen. „Und hast Du’s denn bei ihr schon probiert?

    „Nee, noch nich’ wirklich. Ich seh’ sie mir lieber noch’n Weilchen an. Vielleicht ist sie ‘ne Zicke und verarscht mich nur. Und Du, bei Anja, mein’ ich, schon mal geküßt?"

    Jens wird rot und schüttelt den Kopf.

    „Ob sie sich wohl an der blöden Narbe stört?", zweifelt der verliebte Junge.

    „Wenn ja, macht Martin auf erwachsen, „dann taugt sie nichts, dann kannst Du sie gleich vergessen. Da ist genug Fisch im Teich, um sich zu trösten.

    Das tröstet Jens allerdings überhaupt nicht, denn wenn er an Anja denkt, kann er kaum schlafen und muß sich sehr intensiv mit sich selbst unterhalten.

    „Mein Bruder hat auch gerade eine abgelegt, die nur zickte und dann sagte er wieder, das sei nicht so schlimm, so lange ein Mann zwei gesunde Hände habe …"

    Die Freunde sehen sich lachend an.

    „Neuerdings duscht er wieder mindestens eine halbe Stunde länger. Letzten Samstag über eine Stunde!"

    Jens grient über sein ganzes Gesicht.

    „Mann, das’s ja cool. Kriegt er da keinen Streß zu Hause?"

    „Er sei eben sehr reinlich, meint er dann, dabei weiß jeder, was abgeht."

    „Und Du? Auch ‘ne Stunde?" Jens schaut kritisch, aber neugierig.

    „Hhm, jaaa, klar, schaff’ ich auch. Warum?"

    „Solln wir mal zusammen? Wer am längsten und am weitesten?" Jens errötet bei dem Gedanken, aber er will es einfach mal wissen.

    „Ja klar, warum nicht. Martin ist cool drauf. „Ich hab’s Dir schon lange mal vorschlagen wollen. Die anderen in der Klasse sind mir zu spießig dafür, die denken gleich wer weiß was, obwohl … Ist Dir schon aufgefallen, daß der Ole unter der Dusche fast immer ‘nen Ständer kriegt?

    „Na, der Knut doch auch, steuert Jens als Beobachtung bei, „und der Raimund hat doch schon mal beim Duschen … Er macht eine eindeutige Handbewegung.

    „Tatsächlich? Hab’ ich gar nicht mitgekriegt. Der geile Bock und sonst so unschuldig tun, ha!"

    Und nun stellen die Freunde fest, daß sie bei weitem mehr interessante Beobachtungen gemacht haben, als sie sich bislang erzählten. Sie beschließen, die Augen künftig noch weiter offenzuhalten und verabreden sich für den frühen Nachmittag an ihrer einsamen Stelle am See, wo sie nackt schwimmen und ihre Forschungen ungestört betreiben können.

    Zwei Stunden später.

    Jens und Martin haben ihre Runde um den See gemacht und steigen an ihrem Lagerplatz aus dem Wasser.

    „Mann, das war klasse. Bei der Hitze genau das Richtige."

    Die beiden schütteln ihre Mähnen aus und streifen sich mit den Händen das Wasser von ihren Körpern und lassen sich, ohne sich abzutrocknen, auf ihren Badetüchern nieder. Die Sonne wird ihr Werk tun. Sie strecken sich aus, verschränken die Arme unter ihren Köpfen und schließen die Augen. Die Freunde wähnen sich allein. Sie sind völlig arglos.

                                              *

    „Was hältst Du von den beiden?"

    „Hm, grundsätzlich beide sehr gut, das habe ich Dir über den Blonden doch schon im Freibad gesagt, aber hast Du bei dem Schwarzhaarigen nicht die Narbe auf dem Bauch bemerkt? Der bringt nichts. Den lassen wir hier, aber den anderen schnappen wir uns. Der bringt locker zehn Riesen."

    Die beiden Männer, die in gebührendem Abstand ihre Beobachtung mit Ferngläsern machen, flüstern trotzdem nur leise miteinander. Der Bewerter hat eine kalte Stimme - eiskalte Augen haben beide Fänger.

    „Warten wir, bis die beiden eingeschlafen sind? Dann können wir …"

    Der Andere unterbricht ihn.

    „Guck Dir das an!"

    Der Bewerter lenkt den Blick des Anderen auf die ruhenden Jungen.

    „Scheinen scharfe Gedanken zu haben. Der Perfekte zeigt uns ja gleich, was er so drauf hat. Besser geht’s ja gar nicht. Das sind gleich zwei Riesen mehr."

    Er will seinen Blick zur Geländeüberprüfung schweifen lassen, als …

    „Jetzt sieh’ Dir das dann. Nun kriegen wir glatt noch ‘ne Gratisvorstellung."

    „Großartig! Besser abgelenkt können sie gar nicht sein. Da können wir auf jeden Fall unbemerkt heran. Warten wir noch ein paar Minuten, und dann …"

                                              *

    Jens und Martin sind voll bei der Sache. Jeder denkt an sein Mädchen, die Sonne brennt auf ihre erhitzten Körper.

    Martin hat plötzlich einen penetranten Parfümgeruch in der Nase, will an Jens schnuppern, der es doch nicht sein kann; sein Freund bäumt sich bereits auf, verschießt sich, als Jens einen seltsamen Geruch wahrnimmt, ein leises Knacken hört, sich umsehen will, doch dann werden er und Martin gleichzeitig gepackt und ihre Münder und Nasen mit dickem, chloroformgetränktem Mull zugepreßt. Jens bekommt noch etwas zu fassen, reißt daran, sein Aufstöhnen mischt sich mit dem seines Freundes, ihre in der Abwehr angespannten, kämpfenden Körper werden schlaff, sacken zusammen - und beiden wird fast gleichzeitig schwarz vor Augen.

                                              *

    Als Jens eine gefühlte Ewigkeit später wieder zu sich kommt, ist ihm schlecht, er ruft nach seinem Freund, fühlt den angetrockneten Samen auf seinem Bauch, und dann bemerkt er, daß Martin nicht mehr da ist. Als er sich mit schlechtem Geschmack im Mund und Kopfschmerzen aufrichtet, fühlt er etwas auf dem Badetuch unter seiner rechten Hand. Er hebt sie hoch - und sein Blick fällt auf einen seltsamen Knopf.

                                              *

    Prolog

    Drei weitere Jahre später.

    Mein Name ist Malvoisin, Martin von Malvoisin.  Begleiten Sie mich ein Stück? Eine schöne Gegend hier, nicht wahr? Es lebt sich wunderbar hier. Eine herrliche Urlaubslandschaft. In den Bergen ist es grandios, aber hier kann man durchatmen, und Berge haben wir hier auch - Wellenberge, aber meist nur im Winter, wenn Neptun seinen Dreizack schwingt und der Klabautermann dazu sein Lied pfeift. Bei den Sandbergen haben wir es nicht so mächtig. Der Watzmann ist das nicht, aber Deutschlands schönster Berg ist auch da besser aufgehoben wo er ist. Die Berchtesgadener würden ihn ohnehin nicht hergeben.

    So sind wir mit den Dünen ganz zufrieden.

    Wo wir hier sind möchten Sie wissen? Das will ich Ihnen gerne sagen: Wir befinden uns auf dem Landesdeich zwischen Kellenhusen und Grömitz, und ich möchte Ihnen zeigen, wo mein letzter Fall seinen Anfang nahm. Fall? Oh, verzeihen Sie. Sie kennen mich vielleicht noch nicht. Ich bin Erster Kriminalhauptkommissar und gehöre zum Kommissariat 1 der Kripo in Lübeck. Was wir bearbeiten? Morde, oder, wie wir es lieber nennen, Tötungsdelikte. Ob es Mord oder Totschlag ist, das stellt mein Vorgesetzter fest. Wer das ist? Ein manchmal ganz netter Staatsanwalt, das heißt, wenn er will. Und wenn er alles weiß, was meine Kollegen und ich herausgefunden haben, dann versucht er seine Sicht der Dinge einem Richter überzeugend darzustellen. Der urteilt und verurteilt dann, wiederum mit zwei links und rechts von ihm sitzenden Richterkollegen. Ein Verteidiger versucht, gegen gutes Geld, versteht sich, die Überzeugungen meines Vorgesetzten zu widerlegen und zu beweisen, daß meine Kollegen und ich seiner Mandantschaft übelwollen - mehr oder weniger. Aber ein Urteil kommt immer, früher oder später, recht feierlich mit dem Aufstehen aller Anwesenden und der hehren Einleitung des Vorsitzenden Im Namen des Volkes. Nach dem Urteil dürfen sich alle setzen und Angeklagte sitzt auch wieder - meist etwas länger. Manche Anwesende machen hinterher ein mehr oder weniger enttäuschtes Gesicht, andere freuen sich, meist mein Vorgesetzter. Wir sind nicht immer mit dem Urteil einverstanden, der überführte Täter ist es so gut wie nie, aber das kann man ihm nicht übelnehmen. Die Richter gehen mit einem feierlich unbewegten Gesicht, der Staatsanwalt mit einem triumphierenden Gesicht, der Verteidiger mit einem zufriedenen Gesicht, denn er hat immer Erfolg, da auch bei Lebenslänglich für seine Mandantschaft die Brago immer schöne Zahlen mit dem €uro-Zeichen für ihn bereithält, mit D-Mark hörte sich das noch viel besser an, und der Verurteilte mit einem langen Gesicht, aber auch das kann man ihm nicht verübeln - ich sagte es schon.  

    Und warum ich als deutscher Kriminalbeamter einen französischen Familiennamen habe? Das ist schnell erklärt: Meine Vorfahren kamen im 17. Jahrhundert aus Frankreich in die Mark Brandenburg, wo sie von dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm als glaubensverfolgte Protestanten aufgenommen wurden. Kurzum, wir sind Hugenotten. Und seinem Urenkel, dem Alten Fritz, hat ein Mehrfach-Urgroßvater von mir in der Schlacht bei Kunersdorf am 12. August 1759 das Leben gerettet, Beförderung auf dem Schlachtfeld, Schwarzer Adlerorden und seither waren wir auch in Preußen ganz offiziell von, denn unsere vielen französischen Titel, die ich hier nicht alle aufzählen will, klingen zwar ganz hübsch, haben aber letztlich außerhalb Frankreichs keine große Bedeutung. Mir steht ein sogenanntes Prädikat zu und wenn mein Vater einmal das Zeitliche segnet, als sein Nachfolger, des 14. Herzogs von Brantôme, durch einst besondere preußische Verleihung ein noch höheres, aber das spielt hier keine Rolle - im Dienst sowieso nicht; bis auf Hauke Tewes und Frederik Langeland, meine engsten Kollegen, und den Herrn Präsidenten, weiß es ohnehin niemand. Warum auch! 

    Meiner Familie werden Sie im Laufe der Geschichte begegnen. Einige von Ihnen kennen meine schöne Frau und unsere Kinder bereits, zu denen sich erst kürzlich zwei weitere hinzugesellten, eineiige Zwillinge, Alexander und Christoph, um genau zu sein. Muntere Krähhälse. Die werden uns noch viel Freude machen. - Ja ja, die lieben Kleinen. - Was ich da auf dem Kopf habe? Oh, das ist mein Rembrandt. Ein aparter Hut, nicht wahr? Mir gefällt er auch. Hat sonst keiner.

    Aber da sind wir bereits, am FKK-Strand von Lenste, genau gesagt Lensterstrand, schon in meiner Kindheit auch Nakedunien genannt. Grömitz ist nicht mehr weit, nur vier Kilometer. Kellenhusen liegt hinter uns, wie die böse Geschichte, die hier begann, genau da drüben, da wo Sie jetzt hinsehen, im letzten Sommer. Es war heiß, sehr heiß …

    1. Tag:

    Der Himmel war strahlendblau, keine einzige Wolke bot auch nur für Sekunden Schatten. Aber gerade das war ihm recht. Magnus war vor einer Woche nach Grömitz gekommen. Er hatte das zweite Staatsexamen bestanden und sollte nach den Ferien in der Berliner Kanzlei seines Vaters als Rechtsanwalt anfangen. Sein alter Herr hatte ihm den Urlaub bezahlt - vier herrliche Wochen wollte er entspannen, aber auch nicht zu sehr; mindestens ein schönes Mädchen wollte Magnus erobern. Seine Freundin war ihm während der Prüfungen davongelaufen. Sie war von Hause aus arg verwöhnt und reichlich zickig, 20 Jahre alt, Figur wie ein Model, im Bett ein Knaller, aber eben zickig. Als Mann hatte er sie genossen, eine dauerhafte Beziehung war ihm aber immer unwahrscheinlicher geworden, und so trauerte er nicht sehr. Drei Jahre erschienen ihm genug, und sie war einem Kollegen von ihm zugelaufen, den er nicht ausstehen konnte. Er gönnte sie ihm.

    Magnus kannte Grömitz seit seiner Kindheit. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder verbrachte er dort in jedem Sommer mehrere Wochen. Als Teenager hatte er sich hin und wieder nach Lenste geschlichen, wenn es seine Familie nicht bemerkte, am dortigen FKK-Strand die ersten nackten Mädchen gesehen und seine ersten sexuellen Erfahrungen als mal mehr mal weniger angenehme Folgen erlebt.

    In diesem Jahr hatte er für schlechteres Wetter einen Korb am Strand von Grömitz gemietet, doch er wollte es unbedingt einmal schaffen, ohne weiße Hose aus dem Sommer zu kommen; immerhin lief eine Tausend-€uro-Wette mit seinen Saunafreunden, die alle in einem FKK-Dorf an der Biskaya ihre Ferien verbrachten und sich über seine Ostsee-Vorliebe lustig gemacht hatten.

    Nun lag er am Strand und genoß mit geschlossenen Augen die Sonne und die leichte Seebrise auf seiner Haut. Magnus bemerkte nicht, daß sich ihm eine weibliche Schönheit näherte, bis sie ihm die Sonne verstellte. Er öffnete die Augen und sah im Gegenlicht zunächst nur weibliche Formen. Erst als er sich halb aufrichtete konnte Magnus genau erkennen, was da vor ihm stand.

    Magnus protestierte. „Sie stehen mir im Licht."

    „Oh, habe ich gar nicht bemerkt." Ihr Ton war etwas spitz, mit einer Prise Verschmitztheit.

    „Jetzt wissen Sie es." Sein Ton war leicht pampig, aber doch so, daß durchzuhören war, sie solle ruhig bleiben, denn es könnte ein interessanter Streit werden. So ganz bewußt war ihm das aber noch nicht.

    Die junge Schönheit machte keine Anstalten, zur Seite zu treten. Magnus überlegte, ob er sich über solche Sturheit ärgern oder über die Gegenwart einer schönen jungen Frau freuen sollte. Er machte eine genervte Handbewegung.

    „Würde es Ihnen etwas ausmachen …?"

    „Oh, Sie befürchten, Sie könnten nicht schnell genug braun werden? Verzeihen Sie bitte." Spitz, sehr spitz klang das.

    Die Schöne trat zwei kleine Schritte zur Seite, blieb erneut stehen und betrachte die männliche Ausstellung. Nun erst sah Magnus, was er vor sich hatte. Er machte ein so überraschtes Gesicht, daß die Schöne leise auflachte.

    „Was ist so komisch?"

    „Ihr Gesichtsausdruck. Man könnte meinen, Sie hätten noch nie eine nackte Frau gesehen."

    „Selten eine so schöne." Magnus zeigte ein zufriedenes, ein sehr anziehendes Lächeln.

    „Oh, wie galant. Dankeschön. Und wenn Sie jetzt noch aufstehen würden …"

    „Warum?"

    Die Schöne öffnete eine Plastikflasche Sonnenmilch und drückte eine Ladung heraus - direkt auf Magnus’ Waschbrett.

    „He, was soll das? Ich bin bereits eingecremt." Das war ihm doch ein wenig zu direkt, immerhin eine neue Variante aus dem Arsenal weiblicher Annäherungstaktik.

    „Aber ich noch nicht."

    „Das hätten Sie doch gleich sagen können."

    „Aber nur auf Augenhöhe."

    Nun sprang Magnus auf, die Sonnenmilch lief langsam an seinem Körper herab. Die Schöne legte ohne viel Federlesens ihre rechte Hand auf Magnus’ Bauch und rieb die Sonnenmilch bis zu seiner wohldefinierten Brust hinauf, während er sie erstaunt ansah. Es kam ihm vor, als wäre solch ein direkter Hautkontakt bei einem völlig fremden Mann für sein Gegenüber das normalste der Welt. Er fühlte, daß das Ganze interessant werden könnte.

    „Wie heißen Sie?"

    „Magnus."

    „Oh, und das in des Wortes bester Bedeutung." Ihre Stimme hatte eine anregend laszive Melodie angenommen. Der Blick der Schönen wanderte einmal an Magnus auf und ab, was ihm sichtlich gefiel.

    „Und Sie?"

    Die Schöne hielt ihm die Sonnenmilchflasche hin und drehte sich um. So konnte Magnus ihr triumphierendes Lächeln nicht sehen.

                                              *

    2. Tag:

    Der Förster des Eutiner Staatsforstes, Hinnerk Haagböök, und sein Waldarbeiter Fritz Möller sind im Revier unterwegs, um fällreife Bäume zu markieren. Sie kommen gerade an der Wasserstandseiche vorbei, als ihnen ein aufgeregter Mann entgegengelaufen kommt.

    „Herr Haagböök, Herr Haagböök, kommen Sie schnell, da hinten."

    Der Aufgeregte zeigt, sich immer wieder umdrehend, in die entgegengesetzte Richtung, und bleibt schließlich vor Haagböök und Möller stehen.

    „Was ist denn los? Kommen Sie zu erstmal zu Atem, Herr Hinrichsen, versucht Haagböök den aufgeregten Mittfünfziger zu beruhigen. „Hat sich Ihr Sohn beim Fällen verletzt?

    „Kommen Sie, es ist entsetzlich."

    Hinrichsen zieht Haagböök mit sich, der mit fragendem Kopfschütteln Möller ansieht; beide folgen dem aufgeregten Mann, der sie in ein etwas

    vom Weg entferntes Waldstück führt. Nach etwa 100 Metern sehen sie den Grund für Hinrichsens Aufregung:

    An dem starken Ast einer Eiche hängt kopfüber die nackte Leiche eines jungen Mannes. Am Boden unterhalb des Kopfes, an dem eine Halswunde zu erkennen ist, hat sich eine große rotschwarze Blutlache gebildet. Die rechte  Kopfhälfte  ist von angetrocknetem Blut dunkel gefärbt. Es sieht aus wie die Kriegsbemalung eines nordamerikanischen Prärie-Indianers. Auf dem Bauch des Toten ist in Blut geschrieben die Zahl ‘21’ zu sehen - mit einem X aus Blut durchgestrichen.

    Hinrichsens Sohn Jens hockt wenige Meter entfernt an einem Baumstamm angelehnt und starrt stammelnd die Leiche an:

    „Wer macht denn so ’was, wer macht denn so ’was?"

    Haagböök faßt sich als erster, zieht sein Handy aus der Tasche, wählt eine eingespeicherte Nummer und wartet.

    Möller besieht sich die Leiche und meint trocken: „Wie erlegtes Wild. Er kratzt sich am Kopf.  „Nur, das hier holt kein Restaurant ab.

    „Sabbel nich’ ‘rum, hol lieber den Pastor", stößt ihn Haagböök an und deutet auf den völlig apathischen jungen Hinrichsen, den sein Vater zu beruhigen versucht.

    „Hallo, Polizeistation Grube? - Ist Arne Weber da? Gib ihn mir mal."                             

                                              *

    „Was soll denn die ‘21’ auf dem Bauch des Toten? Malvoisin schüttelt den Kopf. Er wendet sich an Professor Anderson. Sag’ mal, Klinge, wie alt könnte der Mann gewesen sein? Über 20?"

    Der Gefragte sieht den Toten an, dann Malvoisin: „Über 20? Ganz sicher, mindestens 25, würde ich sagen."

    „Das erklärt die ‘21’ nicht."

    Malvoisin sieht sich die Leiche nochmals an, geht näher und betrachtet die Halspartie.

    „Warum ist denn hier ein hellerer Strich durch das Blut?" Anderson sieht ebenfalls genau hin.

    „Vermutlich Abspülung durch heruntergelaufenen Urin. Angstpinkeln oder Loslassen im Erschlaffen des Todes. Wir prüfen das auf dem Tisch." Anderson nickt. Er ist sich ziemlich sicher. „Hm, Kot liegt keiner am Boden. Seltsam."

    „Habe ich Deinen Bericht morgen früh?" Malvoisin wendet sich wieder der Leiche zu, nimmt seinen Rembrandt ab und kratzt sich am Kopf. „Warum ist die 21 ausgekreuzt? Zeichen für ‘erledigt’?" Professor Anderson unterbricht Malvoisins Gedanken.

    „Malle, weil Du’s bist, vielleicht sogar schon heute abend, aber jetzt nehme ich ihn erst einmal mit, lasse den jungen Mann zu mir sprechen und denn vertell ik Di wat he mi vertellt hett. Goot?"

    „Mok dat as jümmers, Klinge. Malvoisin wendet sich dem Hauptmeister Weber zu. „Weber, holen Sie den Toten jetzt herunter und ab nach Lübeck.

    Während Weber die Leiche mit zwei Kollegen langsam auf ein ausgebreitetes Tuch herabläßt und einsargt, geht Malvoisin zu den Spurensicherern, die sorgfältig ihre Sachen einpacken. Hans Nielsen zieht gerade seine Einweghandschuhe aus und steckt sie ein.

    „Habt Ihr alles? Könnt Ihr schon ’was sagen?"

    „Es sind auf jeden Fall zwei Personen gewesen, die das hier bewerkstelligt haben. Einer allein hätte ihn kaum hinaufziehen und gleichzeitig am Baum befestigen können. Und vorher müssen sie ihn hergeschleppt haben."

    „Woraus schließt Du das?"

    „Es besteht keine Möglichkeit, mit einem Auto selbst kleinster Bauart bis hierher zu fahren, und wenn, dann wären Fahrspuren zu sehen. Knutschkugeln und Messerschmitt-Kabinenroller habe ich hier schon seit Jahren nicht mehr gesehen, und wenn - es fehlte dann der Platz für den dritten Mann."

    „Du gehst von Männern als Tätern aus?"

    „Bei dem Kraftaufwand? Das hätten schon russische Gewichtheberinnen gewesen sein müssen." Der Mann vom Erkennungsdienst grinst. 

    „Irgendwelche Blutspuren, von der Blutlache abgesehen?"

    „Nein, nichts. Die Halswunde ist ihm vermutlich erst beigebracht worden, als er bereits kopfüber hing."

    „War er bei Bewußtsein?"

    „Schlecht zu sagen. Das wird Klinge, äh, ich meine Professor Anderson Dir nach der Obduktion sicher sagen können. Aber sieh hier. Der Spusi-Mann, was Nielsen, im Gegensatz zu anderen Kollegen, ganz gern hört, klinge irgendwie niedlich, deutet auf Rötungen an beiden Mundwinkeln. „Das könnte ein Anzeichen für eine Knebelung sein. Vermutlich hat man ihm am Schreien hindern wollen.

    „Gib mir doch mal die Prüflampe." Nielsen reicht sie ihm und Malvoisin beginnt, in halb gebückter Stellung den Waldboden um die Blutlache herum abzuleuchten. Im Schein des blauen Lichtes erkennt er, was er vermutet hatte.

    „Sieh hier. Einzelne Blutstropfen, mal fast runde Kleckse, mal einige Zentimeter lang, als würde man sich Ketchup auf den Hotdog ziehen."

    Malvoisin richtet sich auf und reicht Nielsen die Lampe zurück.

    „Was schließen wir daraus?"

    „Der Mann hat sich bewegt."

    „Richtig. Hat er noch gelebt oder bewegte ihn die Brise von See her? Wir hatten gestern starken anlandigen Wind."

    „Oder die Täterschaft hat ihn angestoßen."

    „Warum sollte sie das tun", bohrt Malvoisin nach.

    „Um den Eindruck eines gehängten Verbrechers am Galgen zu erzeugen?" Langeland tritt näher. Er hatte abseits bei den Bestattern gestanden und sich die Leiche nochmals genau angesehen.

    „So eine Art Triumph beim Verlassen der Leiche, in der Art ‚Hätte nicht sein müssen, wenn du nicht das getan hättest, was du getan hast’?"

    „Vielleicht. Aber noch mal zurück zur Frage, ob er noch gelebt hat. Kommt mal mit."

    Malvoisin, Langeland und Nielsen gehen zum Sarg, der gerade angehoben werden soll. Malvoisin kommandiert:

    „Stellt noch mal ab." Mürrische Gesichter.

    „Macht noch mal auf. Die mürrischen Gesichter werden nicht besser. „Mann, ich hatte schon zwei Leichen heute nacht. Ich will nach Hause.

    Malvoisin sieht den Mauligen in einer Mischung aus Ach-was-tust-du-mir-leid und strafendem Blick an.

    „Rate mal, wobei man mich heute morgen gestört hat? Und gegen das maulige Gesicht meiner Frau bist Du jetzt geradezu eine Schönheit. Und unsere Zwillinge wurden auch wach. Gegen meine zwei Krähhälse …". Er schluckt die Erinnerung an das lebhafte Geschrei der beiden herunter

    Verhaltenes Lachen der Umstehenden. „Junger Vater! „Kann einem leid tun.

    Malvoisin sieht ungnädig in die Richtung der spöttischen Kommentare. „Wie bitte?"

    „Nichts!" Eifriges Kopfschütteln.

    „Also, aufmachen." Der Deckel wird abgehoben. Langeland fordert den Bestatter auf, den rechten Arm des Toten anzuheben und die rechte Handfläche zu zeigen.

    „Blutig." Malvoisin sieht Langeland fragend an.

    „Richtig. Und warum?"

    „Weil aus der Halswunde das Blut auch am Arm entlanggelaufen ist."

    „Und sich schön gleichmäßig von selbst auf der Innenfläche verrieben hat. Langeland verzieht kritisch-spöttisch sein Gesicht. „Der Tote hat, als er noch nicht ohnmächtig war, offenbar bemerkt, was mit ihm passiert und hat instinktiv versucht, mit der rechten Hand an der rechten Halsseite die  Wunde zuzuhalten.

    „Und woher kommt der blaue lange Striemen über dem rechten Bizeps?"

    Langeland geht weg. Malvoisin und die anderen sehen ihm mit Achselzucken nach. Langeland sucht den Boden südlich der Blutlache ab, bückt sich plötzlich, hebt ein etwa einen Meter langes Aststück auf. Dann kommt er zurück.

    „Daher." Er hält das Fundstück Malvoisin und dem Nielsen unter die Nasen.

    Im oberen Drittel ist ein längliches Stück angetrockneten Blutes zu sehen.

    „Also hat er versucht, sich zu wehren und wurde auf den Arm geschlagen. Vorsichtig ins Labor. Das Blut dürfte vom Toten sein, aber vielleicht findet Ihr noch mindestens eine weitere DNA, wenn das Stück ohne Handschuhe angefaßt wurde." Malvoisin bedeutet den Bestattern, den Sarg nun zu schließen.

    „Na endlich", murmelt einer, der Sarg rutscht ins Wageninnere und beide Männer beeilen sich, abzufahren.

    „Und Deine Leute, Hans, durchkämmen mir jetzt genauestens den Boden, notfalls tragt ihr ihn ab. Irgendwas wird die Täterschaft verloren haben, Haare, einen Knopf, Wollflusen, egal. Finden!" Malvoisin klingt sehr bestimmt.

    „Du weißt doch, wir kriegen sogar ‘raus, ob des Teufels Großmutter hier vorbeigelaufen ist."

    Hans Nielsen grient Malvoisin an, der ihm wortlos, mit einem Anflug von Lächeln, gegen die linke Schulter klopft. Er ist immer noch stinkig, am Morgen mit Maren gestört worden zu sein und für den unnötigen Gesang der Zwillinge. Am liebsten würde er den Störern die beiden Alarmsirenen einmal ausleihen, aber seine Löwin machte dabei sicher nicht mit. Ruhe hin oder her.

                                             *

    In einem mit kunsthandwerklichen Kacheln ausgeschmückten Bad sitzt eine schöne junge Frau unter dem prasselnden Strahl eines großen englischen Brausekopfes auf dem Boden des Duschbeckens. Die milchige Kabinentür wird zugeschoben und gleich darauf die Badezimmertür von außen geschlossen. Die Schöne zieht die Knie an, schließt die Augen und senkt den Kopf. Die Sonne des noch jungen Tages hüllt sie, eindringend durch das gegenüberliegende Fenster, plötzlich in eine gleißende Lichtdusche. Sie richtet sich auf und sieht in die Sonnenflut. Ihre blauen Augen scheinen zu brennen.

                                             *

    Malvoisin und Langeland biegen am Strandkasino auf die Promenade von Kellenhusen ein und gehen auf die Fischstube von Ueli Bäni und Lisa zu. Malles Schweizer Freund sitzt draußen. Lisa bedient drinnen einen der letzten Frühstücksgäste.

    Ueli steht auf und begrüßt fröhlich die beiden, denen man nun die Abgespanntheit anmerkt.

    „Hallo, gruezi miteinand. Schön, Euch auch mal etwas früher zu sehen.

    „Moin, Fischbändiger." Malvoisin und Fritz geben ihm die Hand.

    „Nur, der Grund ist nicht so schön." Malvoisin nimm mit einem verpustenden Seufzer auf der Bank Platz, Langeland spreizt die Beine und setzt sich quer hin.

    „Ich hab’ schon gehört. Der Dorffunk ist schnell. Möchtet Ihr ‘was essen, und vielleicht ein Flensburger? Geht auf‘s Haus."

    „Du weißt doch, wir dürfen nichts umsonst nehmen. Wir können uns noch ‘rausreden, aber wenn ein profilierungssüchtiger junger Staatsanwalt seine moralisch-ethischen fünf Minuten hat, bist Du dran, Deine Konzession ist weg und Du gehst Alphornblasen. Wie oft soll ich Dir das noch sagen? Aber danke fürs Angebot. Gib mir bitte ein Fischbrötchen …, er dreht sich um „… Du auch, Fritz? Langeland nickt wortlos. „Also zwei Fischbrötchen und zwei Mineralwasser."

    „Lisa, hasch g’hört?"

    „Kommt gleich!" schallt es aus der Küche zurück.

    „Schlimme Sache das. Wir sind ein schönes Ostseebad. Bi ois sollet Gäschte sich erhole und nüt an de Füaß in de Bäume g’hängt werre, oder?" Ueli schüttelt nachdenklich den Kopf. Da kommt Lisa mit einem kleinen Tablett heraus.

    „Guten Morgen, schöne Männer. Da, laßt es Euch schmecken." Sie klopft Langeland auf die Schulter und geht wieder hinein.

    Der beißt herzhaft in sein Fischbrötchen, Malvoisin setzt auch dazu an, als ihn eine ihm wohlbekannte, markant aufgeregte Stimme unterbricht und er im Zubeißenwollen wieder absetzt und das Gesicht verzieht.

    „Herr Hauptkommissar! Was ist hier los? In meinem Wald hängen nackte Männer kopfüber in den Bäumen?"

    Malvoisin legt sein Fischbrötchen wieder weg und steht auf.

    „Guten Morgen, Frau Bürgermeisterin", wobei er das jeweils sehr betont. Erst beim Orgasmus unterbrochen, Morgenkrähen und jetzt beim Fischbrötchen - es wird ihm langsam zuviel.

    „Erstens ist es bislang Gottseidank lediglich eine Leiche, männlich in der Tat, und mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Laufende Ermittlungen, Sie verstehen, und zweitens hat mein Staatsanwalt die ihm eigene Art daran festzuhalten, daß er zuerst über unsere Feststellungen informiert zu werden wünscht, und nicht irgendwelche Zivilisten, die zu lange Nasen haben."

    Die Bürgermeisterin pluustert sich auf, ringt nach Luft.

    „Irgendwelche Zivilisten? Wer ist hier irgendwer? Als Gemeindeoberhaupt …"

    „… haben Sie sicher sehr viel zu tun, und dem sollten Sie sich jetzt widmen, Verehrteste."

    Malvoisin klingt sehr bestimmt, die Bürgermeisterin ist wohltuend sprachlos, und er nutzt diesen raren Zustand.

    „Fritz, zahl’ mal."

    „Immer ich. Langeland mault. „Steck’ Dir endlich selber eine Börse ein. Du schuldest mir noch drei Frühstücke."

    „Schick’ mir ‘nen Mahnbescheid."

    „Så jeg vil med Maren indlæg, det er hurtigere end med de fogeder."

    [„Da werde ich mit Maren reden, das geht schneller als mit dem Gerichtsvollzieher."]

    „Dänischer Gemütsmensch."

    „Moin, Frau Bürgermeisterin." Die Gegrüßte sieht Malvoisin und Langeland entgeistert nach. Malvoisin dreht sich nach drei Schritten um und wendet sich der Stehengelassenen nochmals zu.

    Ihr Wald?, fragt er sie betont. „Der neue Seesteg war doch schon so teuer. Und dann noch der letzte schwere Sturm. Strand weg, neu aufschieben, Lady-Prom unterspült … diese bösen, bösen Extrakosten …! Woher hat die Gemeinde das Geld, den Eutiner Staatsforst zu kaufen? …

    Die Bürgermeisterin bringt kein Wort heraus, macht stumme Mundbewegungen wie ein Fisch auf dem Trockenen.

    „Also nicht. Dachte ich mir’s doch. Na ja, die Kurtaxe auf 3,50 € zu erhöhen wäre auch nicht so gut. Da bleiben zu viele Gäste weg. Moin!"

    Malvoisin dreht sich im Weggehen noch einmal um.

    „Übrigens, hätten Sie den Seesteg von Brückenpionieren bauen lassen, wäre es bedeutend billiger geworden, und schneller wäre es auch gegangen. Sie erinnern sich an das Theater mit den genervten Gästen? Rammen in der Hauptsaison! Schlimmer Fehler."

    Er genießt einen Augenblick lang das verblüffte Gesicht der Bürgermeisterin.

    „Äh ja, Moin!"

    Malvoisin schließt zu Langeland auf. Der grinst.

    „Wir hätten sie zur Leiche rufen sollen."

    „Warum?"

    „Weißt Du noch, bei Malte Kröger, wie sie da mit aufgepluusterten Backen ankam und dann in Ohnmacht fiel?"

    „Jou, Schweigen im Sand. Guter Zustand."

    Beide gehen grienend zurück zum Auto.

                                              *

    In einer Jugendstilvilla in Dahlem. Ein junger Mann, 26 Jahre alt, durchtrainiert, blendend aussehend, schwarze Haare, dunkelbraune Augen, glattrasiert, kommt, sich abtrocknend, aus dem Bad neben seinem Zimmer. Er hat eine große Zukunft vor sich, gekrönt von einem dichten schwarzen Pelz. Sein Blick schweift im Zimmer umher.

    „Wo habe ich es denn nur wieder hingelegt?"

    „Führst Du Selbstgespräche?"

    Der Angesprochene wendet sich um, hält kurz inne, trocknet sich weiter ab.

    „Hallo, Paps. Habe Dich gar nicht kommen hören."

    Der Blick eines grauhaarigen Mittfünfzigers ruht mit wohlgefälligem Lächeln auf dem jungen Mann.

    „Jetzt kenne ich Euch schon 26 Jahre, und ich staune immer wieder, was für schöne Söhne ich habe."

    Der junge Mann wirft das Handtuch über einen Stuhl, geht zu seinem Vater und umarmt ihn lachend.

    „Paps, Du bist ja eitel!"

    „Nein, mein Junge. Ich bin einfach nur stolz auf Euch. Wenn nur Eure Mutter Euch noch so sehen könnte!" Der Grauhaarige strahlt.

    Der junge Mann geht drei Schritte zurück und breitet die Arme aus.

    „So nackt?"

    „Sie hat Euch nackt geboren, Cornelius, wir haben Euch keine falsche Scham anerzogen - warum nicht?"

    Cornelius schmunzelt, geht zu einem Kleiderschrank, holt sich frische Unterwäsche, ein weißes T-Shirt und eine kurze blaue Hose heraus und zieht sich an.

    „Und was ist mit unserer schönen Schwester? Vergessen?" Cornelius zupft seinen Slip zurecht.

    „Wie könnte ich meine Prinzessin vergessen, aber Du weißt doch, daß sie in Eutin wohnt, kommt ja nicht zurück, seit äh ..." Der Grauhaarige hat plötzlich einen traurigen Ausdruck in seinen Augen. Er will sich an den Grund nicht erinnern, räuspert sich, und sein ferner Blick ist wieder im Raum.

    „Hat sich Dein Bruder aus Grömitz schon gemeldet?"

    „Paps! Er ist doch gerade erst vor ein paar Tagen gefahren. Warum sollte er sich melden? Vielleicht hat er am Strand schon eine Schönheit im Schlepptau, da vergißt er doch alles."

    Sein Vater schaut nachdenklich, dann aber auch amüsiert. Magnus hat schon mit 15 als schnellster seiner Jungs am Strand oder wo auch immer neue Mädels kennengelernt und für sich eingenommen. „Vielleicht hast Du Recht, aber rufe ihn bitte trotzdem an und frage, ob er nicht eine Woche früher zurückkommen kann. Richter Rosslowski hat den Prozeß in Sachen Hartmann & Co. um eine Woche vorverlegt, weiß der Kuckuck warum, die Änderungsladung haben wir schon. Sei so gut. Vielleicht hat Dein Bruder sein Handy nicht abgeschaltet."

    „In Ordnung Paps, ich versuch’s gleich."

    „Ich bin dann in der Kanzlei."

    „Okay, bis nachher."

    Während sein Vater ihn verläßt, sucht der junge Mann weiter nach seinem Handy, das er schließlich unter einer Tageszeitung findet. Er tippt die Nummer seines Bruders ein und wartet.

    Im Hotel „See-Deich" in Grömitz klingelt in einer Suite ein Handy. Niemand nimmt ab.

    „Wenn er gescheit ist", murmelt der junge Mann in der Villa in Dahlem, steckt sein Handy in die Tasche, zieht seine Sandalen an und geht.

                                            *  

    Hanne von Bauwitz sitzt immer noch bass erstaunt vor der eidgenössischen Fischstube auf ihrer Promenade. Ueli wartet leise schmunzelnd auf die Detonation seiner Bürgermeisterin. Sie kocht.

    „Brückenpioniere? Warum Brückenpioniere? Wir sind doch keine Militäranlage! Was denkt der sich eigentlich? Dieser vorlaute Mensch."

    Ueli lächelt, beugt sich zu ihr vor: „Wissen Sie, daß er als Kommandeur eines Brückenbaukommandos bei einem Wettkampf einen Trupp Schweizer Brückenbaupioniere geschlagen hat?"

    Die Bürgermeisterin sieht ihn ungläubig an. Im Weggehen setzt Ueli nach: „Der Mann ist maximal!" Das maximal kommt dabei so heraus, als hätte er Halsschmerzen, aber das haben die Schweizer von Natur aus - sprachtechnisch, oder?

                                              *

    Im großen Garten des Privathauses des Kommissars von Malvoisin bahnt sich ein Streich an.

    Karin und Tessa, seine Töchter, kommen aus der Terrassentür, bleiben stehen und sehen sich an.  Die Mädels  jetzt mittlerweile 16 und 17 Jahre alt. Sie tragen beide knappe Bikinis, die optisch nichts zu wünschen übrig lassen; sie haben unübersehbar die Schönheit ihrer Mutter geerbt. Tessas Körbchen haben sich sehr vorteilhaft gefüllt. Karin ist eine Sensation geworden.

    „Sieh mal, unser hübscher Bruder will tatsächlich ganzkörperbraun werden", stößt Karin ihre Schwester an.

    „Ob wir ihn mal fragen, ob er eine neue Flamme hat", meint Tessa daraufhin.

    „Dann darf er sich aber keinen Sonnenbrand zulegen, schon gar nicht am Männerstolz!" Beide Mädchen lachen leise hinter vorgehaltener Hand.

    „Hast Du die Sonnenmilch? flüstert Tessa und sieht ihre Schwester an. „Ich habe mich schon vor einer halben Stunde eingecremt, Du nicht auch?

    „Doch, sicher, aber Christian braucht bestimmt noch etwas davon. Geh und hol mir mal die Flasche."

    Tessa geht ins Haus zurück, ist nach wenigen Augenblicken wieder da und reicht Karin das hellblaue Behältnis. „Was hast Du vor?"

    „Das wirst Du gleich sehen. Komm, aber leise."

    Karin und Tessa lassen ihre Flipflops auf der Terrasse stehen und gehen barfuß über den Rasen. Christian liegt ausgestreckt, mit den Armen unter dem Kopf verschränkt auf einem der Liegestühle. Er hat die Augen geschlossen und zeigt ein feines Lächeln, als würde er an etwas besonders Schönes denken. Sein Stolz liegt ruhend auf seinem flachen Bauch, reicht fast bis zum Nabel.

    Tessa bleibt hinter dem Liegestuhl stehen, Karin tritt so von der Seite heran, damit sie keinen Schatten wirft. Christian bemerkt nichts. Karin öffnet den Verschluß der Flasche beugt sich vor, sieht grienend zu Tessa hin, nimmt mit einem Blick auf den Schoß ihres Bruders Maß - und drückt über Christians gesamte Penislänge eine dicke Linie kühle Sonnenmilch heraus. Als er die Augen öffnet erschrickt sie und drückt fest zu: Ein Schwall weißer Creme klatscht auf ihres Bruders Besten.

    „Was? Was ist?" Christian öffnet die Augen, sieht sich um, bemerkt die lachende Karin, sieht an sich herab und schimpft los:

    „Was soll das denn? Karin, Du dumme Henne, was fällt Dir denn ein?" Er springt auf, die Sonnenmilch folgt der Schwerkraft und tropft herab.

    Beide Mädchen können sich nicht mehr halten und brechen in eine Mischung aus Kreischen und Lachen aus, während Christian sich wutschnaubend  abwischt, die Creme auf seinen Bauch schmiert und seinen Schwestern böse Blicke zuwirft.

    „Wir dachten, Deine Neue steht vielleicht nicht auf Bratwurst." Karin kann gar nicht glauben, daß sie das gesagt hat und sieht Tessa an. Die Mädchen biegen sich vor Lachen, daß ihnen die Tränen kommen.

    „Ihr blöden Weiber."

    Während seine Schwestern sich über den gelungenen Streich weiter schier ausschütten, entdeckt Christian eine Möglichkeit, es ihnen heimzuzahlen. Karin und Tessa sind vom eigenen Gelächter so abgelenkt, daß sie nicht bemerken, was Christian vorhat. Er nimmt den Gartenschlauch in die Hand, dreht den Wasserhahn auf, hebt erst kurz vor ihnen den Schlauch an - Volltreffer. Die Mädchen kreischen auf, versuchen, dem Wasserstrahl zu entkommen, der ihnen gnadenlos folgt, und mit ihm Christian; das Lachen ist nun an ihm. Am geschlossenen Gartentor machen sie kurz halt, bleiben kreischend stehen, drehen Christian ihre Rücken zu, während sie das Törchen öffnen und auf die Straße flüchten, er aber immer weiter draufhält. Christian denkt im Eifer seiner nassen Revanche nicht daran, daß er nur Haut trägt und von der Nachbarschaft gesehen werden kann.

    Und er wird gesehen. Die achtzehnjährige Christiana von gegenüber hört das Gekreische und sieht von ihrer Gartenarbeit auf.

    „Hhm, Christian wird auch immer hübscher. Ihre Augen glänzen. Auf ihre Hacke aufgestützt verfolgt sie die Szene. Sie seufzt leise vor sich hin. „Er sieht ja so scharf aus. Daß er seine Schwestern abduscht, amüsiert sie - und sie lächelt. Bei Malvoisins ist immer etwas los.

    Sie hat keine Geschwister und beneidet Karin und Tessa um ihren Bruder, aber schwesterliches Interesse hat sie an ihm nicht. Seit sie ihn einmal morgens beim Nacktschwimmen sah, was er nicht bemerkt hatte, träumt sie von ihm. Vor den Ferien hat sie ihren fremdgehenden Freund abgeschossen und wäre frei für ihn, aber er sieht sie nicht. Mehr als „Hi! oder „Moin, Chris kommt von ihm nicht, aber sein Lächeln dabei verschafft ihr stets einen Kloß im Hals. So sieht sie ihn meist nur wortlos an. Was sie nicht weiß, ist, daß Christian sie ganz nett findet, sich aber über ihre Wortlosigkeit wundert und für etwas eigenbrötlerisch hält. Dabei ist sie sehr hübsch und wird sicher einmal eine schöne Frau sein. Sie ist seiner unwillkürlichen Schätzung nach um die 1,70 m groß, hat eine schöne, schlanke Figur, was ihm im Lensahner Waldschwimmbad bei der Aufsicht durchaus aufgefallen war, und ihre etwa 56 Kilogramm kamen in dem süßen Bikini sehr wohl zur Geltung, aber was Christian nicht bemerkt hatte: er stand auf der Leitung. Na ja, Biene war noch da und Christianas Freund Sven kannte er vom Gymnasium.

    So waren alle Schalter von Aufmerksamkeit auf Desinteresse umgelegt. Hätte man ihn nach ihrer Augenfarbe gefragt, er hätte es nicht gewußt. Sie hingegen konnte seine braunen Augen nicht vergessen.

    „Heute Blumengießen mal anders?"

    Christian dreht sich der ihm wohlbekannten Stimme zu - und mit ihm der Wasserstrahl.

    „Hej, ich hab’ schon geduscht." Jan springt zur Seite. Jetzt erst hält Christian den Schlauch gegen den Rasen, als er sieht, daß sein Freund Jan gewässert vor ihm steht.

    „Oh, Tschuldigung, lacht er auf, „Du warst nicht gemeint. Das galt diesen vorlauten Kreischliesen. Er zeigt mit dem Schlauch auf die Mädchen, die, auf der Straßenmitte stehend, sich dem Besucher gerade nähern - und wieder gelöscht werden.

    „Christian, es reicht schreit Karin ihn an.  Es genügt ihr. „So schlimm waren wir auch nicht, mault Tessa und streicht sich das Wasser vom Körper.

    „Schlimm? Wobei? Jan sieht die Drei fragend an. „Nicht so wichtig, wehrt Christian ab, der ungeschickterweise mit dem Schlauch wieder auf Jan deutet, der zu spät zur Seite springt und nun vollends naß ist.

    „Eh, Du, ich bin groß genug. Mich mußt Du nicht mehr gießen." Jetzt erst wirft Christian den Schlauch hinter sich, der sich auf dem Rasen wie eine Schlange hin und her windet.

    Jan sieht die Schwestern an, die nun wieder den Garten betreten und das Törchen schließen, und kann sich ein breites Schmunzeln nicht verkneifen. „Hhmm, schön, neue Bikinis. War wohl die Einweihung?"

    „Immerhin, Jan bemerkt es wenigstens, sagt Karin, während sie ihre nassen Haare ausdrückt. „Unser Brüderchen hat bei uns für so etwas keinen Blick, schickt Tessa spitz hinterher und schüttelt ihre Haare aus.

    „Und Du trägst wohl des Kaisers neue Badehose, hhm? Ist ja so gar nichts zu sehen."

    Jan schaut prüfend auf Christians Lenden, die Mädchen sehen sich an und brechen erneut in Gelächter aus. Auf Christians ungehaltenen Blick suchen sie schnell das Weite und verschwinden im  Haus.

    „Was war denn los? Jan sieht Christian forschend an. „Erzähl.

    Christian will nicht. Laß’, nicht so wichtig.

    „Stell’ Dich nicht so an, Alter. Und überhaupt, seit wann sonnst Du Dich auch hier ohne?"

    „Wieso ohne? Alles am Mann!" Die Freunde lachen, begrüßen sich mit an den rechten Hals gelegten Händen und gehen vom Gartentor weg.

    Damit ist die auch optisch angenehme Unterhaltung für Christiana beendet und sie wendet sich wieder ihrer Gartenarbeit zu. Hätte Christian nur mal ihren Seufzer gehört …

    Am Liegestuhl reicht Christian seinem Freund das große Handtuch. Jan trocknet sich ab. Er hat bemerkt, daß Christian dicke weiße Creme auf dem Bauch verschmiert hat und beginnt, sie mit der rechten Hand zu verreiben.

    „Oh!" Christian sieht an sich herab.

    „Die Mädels?"

    „Ja. - Blöde Ziegen."

    Jan grient in sich hinein, während Christian das Verschmieren übernimmt und Jan seine Hand an Christians Schulter abwischt.

    Christian sieht nun Jan an, befühlt dessen Kleidung. „Komm’, Du bist ja naß bis auf die Haut. Ich geb’ Dir oben trockene Sachen; wozu haben wir eine Größe."

    Jan wirft das nasse Handtuch auf die Liege; die beiden Freunde gehen ins Haus. Christian dreht sich nochmals um. Er bemerkt, daß Christiana im Garten arbeitet, aber gerade nicht herübersieht. „Ob sie mich wohl gesehen hat?" Er sieht nochmals genau hin. „Na und wenn schon, was soll’s." Christian zuckt mit den Achseln und eilt Jan nach.

                                              *

    Die alte Frau Johannson von nebenan macht beim Fensterputzen weiter. „So schön war mein Johann auch mal - ach ja." Sie seufzt ein wenig und schmunzelt. Über 70 Jahre ist das her. Das war noch vor dem Krieg.

    Sie war 17 und ihr Johann ein wenig über 19; er hatte gerade den Reichsarbeitsdienst hinter sich und genügte seiner Militärpflicht in der Wehrmacht. Aber was waren das für herrliche Tage, damals im Sommer, als er auf Urlaub nach Hause kam. Und wie gern hat sie sich von ihm am Lensterstrand nach dem Schwimmen verführen lassen. Sie waren so jung, und er war ein so guter Liebhaber, ein Naturtalent, denn sie wußte, daß sie sein erstes Mädchen war, wie er ihr erster Mann. Und wie leidenschaftlich hatten sie sich geliebt. Ihre Mutter hatte sehr geschimpft, als sie erst spät am Abend nach Hause kam. Nur ihr Vater hatte Verständnis. „Lot de Deern tofreden, de hett ’n Leefsten. Du büst suustein wes as wi tom eersten Mal. --- Hest dat vergeten? Von da an war ihre Mutter still und freute sich sehr, als sie übers Jahr zum ersten Mal Großmutter wurde. Beide waren sie noch nicht volljährig und brauchten die Erlaubnis zum  von beiden Eltern, aber das ging nach ein wenig Schimpfen in Ordnung. Und als dann ihr erster Sohn zur Welt kam, da strahlte die ganze liebe Verwandtschaft. Ein Stammhalter löschte alle Bedenken aus. Und gerade als Johanns Dienstzeit beendet gewesen wäre und er auf den Hof kommen sollte, da ging 1939 der Polenfeldzug los. Sie sah ihn nach dem Sieg, von allen für sein EK Zwo bewundert, wenige Tage zu Weihnachten; er ließ ihr ein Andenken da, das bald nach dem Frankreichfeldzug krähend in der Wiege lag. Er kam noch einmal Weihnachten 1940 nach Hause, sein Andenken blieb da, und dann hatte er Glück, kam 1943 aus Rußland weg auf eine der Kanalinseln, konnte nach einer schweren Verwundung nicht mehr an die Front und wurde auf Jersey vom Engländer gefangengenommen. 1946 kam er mit seiner leichten Gehbehinderung bereits nach Hause. Der Tommy hatte ihn nicht mehr für gefährlich gehalten, den Feldwebel Johann Johannson. Aber die Schmach, ihm sein EK Eins und seinen Portepeedolch weggenommen zu hatten, verzieh er ihnen sein Leben lang nicht. Seine Jungs hatten erst etwas gefremdelt, aber da ihr Johann so große Freude an seinen Söhnen hatte, machte sie noch einen mit ihm. Er war immer noch ein guter Liebhaber gewesen, aber nach dem Krieg sehr nachdenklich geworden und hatte es gar nicht gern gesehen, daß sein Erstgeborener 1958 freiwillig zur Bundeswehr gegangen war. Jan war dann auch als Hauptbootsmann ausgerechnet an Land, bei einem Autounfall nahe Kappeln, ums Leben gekommen, gerade als er die richtige Frau fürs Leben gefunden hatte und die Beförderung zum Stabsbootsmann bevorstand. Friedrich hatte in Bayern, weit weg in Ingolstadt, in der Autoindustrie eine gute Arbeit gefunden, autoverrückt, wie er war, eine Einheimische geheiratet, die kein Platt verstand, und die beiden Enkelinnen hat sie kaum je gesehen. Ernst wurde Handelsschiffskapitän und fand keine Zeit zum Heiraten, hatte einen unehelichen Sohn in Amerika gemacht, von dem sie gerade mal ein einziges Photo zu sehen bekam und ihr Kleiner", Onno, hatte sich bei einem Urlaub in Schweden in Anna verliebt, drei hübsche blonde Söhne in die Welt gesetzt, aber die sah sie bestenfalls einmal im Jahr. Tja, und ihr Johann hatte sie vor 10 Jahren für immer verlassen.

    Ihre danach beginnende beschauliche Einsamkeit, vom Dorfkaffeekränzchen abgesehen, wurde so angenehm unterbrochen, als die Malvoisins nebenan einzogen. Die lütte Tessa durfte bald zum Rasenmähen kommen, Karin ging immer mal für sie einholen und Christian kam zum Heckeschneiden. Und dabei sah sie ihm gern zu. Sie war nun mal eine alte Oma geworden, aber einen seuten, staatschen Jung’ antokieken, dafür fühlt  sie sich nach wie vor nicht zu alt. Dann denkt sie an ihren schönen Johann, damals vor dem Krieg, und träumt von den wild-zärtlichen Stunden am Lensterstrand, wenn sie beide alles um sich herum vergaßen, und nur jung und schön und lieb zueinander waren. Und dann spürt sie wieder seine zärtlichen Hände, die so kräftig von der Feld- und Hofarbeit waren, aber durch seine feine Seele so liebevoll gemacht wurden. Dann vergaßen sie sogar den österreichischen Postkartenmaler mit dem schrecklichen kleinen Schnurrbart. Der Pastor hatte sie im Stillen gewarnt, der würde sie noch alle ins Unglück führen. Und die dafür bezahlt haben, kann man am Kriegerdenkmal nachlesen.

    Es macht ihr Freude, Christian anzusehen. Daneben kann man ja auch Fensterputzen. Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig tun. Da ist Frieda Johannson keine Ausnahme. Auch mit fast 90 nicht. Und den dummen alten Weibern, wie sie sie nennt, die sich aufregen, wenn jemand nackt herumläuft, „Huch, der hat ja nix an!, stellt sie immer wieder die Frage „Ward Ihr nie jung? Ward Ihr nie am Lensterstrand? Hebbt ji joon Kinners mit‘e Plünnen an mookt?

    Die alte Hermine, mit ihren 91, nickt dann immer schmunzelnd, und Frieda Johannson weiß, warum. Hermine Jaspers, die nie viel sagt, das macht sie alles mit ihren lustigen Augen und einem immer wiederkehrenden verschmitzten Zwinkern, hat mit 18 einem Berliner Bildhauer Modell gestanden, als Brunnenmädchen, und vor dem Problem der Kleiderwahl stand sie damals ganz sicher nicht. In einem Museum kann man das immer noch betrachten, aber sie sagt nicht wo. Hermine lächelt nur. Wat geit dat de Lüüd an?  

                                              *

    Christian öffnet seinen Schrank. „Kurze Jeans oder lange? - Übrigens, was sollte das vorhin ‚Ist ja so gar nichts zu sehen’. Kann man das übersehen? Christian dreht sich zu Jan um, der sich bereits entkleidet und im Hose-fallen-lassen feststellt: „Ganz sicher nicht. Wie Du schon ganz richtig festgestellt hast: Wir haben eine Größe.

    Für ein paar Minuten gefallen sie sich in gegenseitiger Bewunderung. Dann erinnert Christian etwas, als er gerade nach den passenden Stücken für Jan suchen will.

    „Sag’ mal, wann war der Termin für die Kalenderphotos bei meinem Großonkel Florian?  „Übermorgen, schon vergessen? Jan streift seinen ebenfalls naßgewordenes Slip ab und legt ihn zu seinen übrigen Sachen.

    Da schlägt er sich mit der flachen Hand vor die eigene Stirn. „Mann, jetzt hätte ich beinahe vergessen, warum ich gekommen bin."

    „Na, dann spuck’s aus." Christian lehnt sich entspannt gegen den Schrank.

    „Ich habe vor ein paar Tagen in Lenste eine Wahnsinnsfrau kennengelernt, an dem Tag, an dem Du keine Zeit hattest."

    „Ja, und?"

    „Sie hat mir ohne Umschweife erklärt, sie sei Bildhauerin und würde mich als Modell für einen David haben wollen, stell’ Dir vor."

    „So richtig als Statue auf einem Sockel in Marmor? „Marmor, Granit, Sandstein, Gips, was weiß ich, Hauptsache Modell - und dann gleich als David. Ist das nicht geil?

    „Wie alt ist sie denn, diese Bildhauerin?"

    Jan überlegt kurz. „Na, so 26, 27 wird sie schon sein."

    „Und was zahlt sie?"

    Jan sieht Christian ein wenig entrüstet an. „Denk’ doch nicht gleich ans Geld, Mann. Vielleicht geht ja ‘was bei ihr. Geld gebe ich nur aus, ein Fick bleibt mir."

    „Wenn Du das so siehst. Christian zuckt mit den Achseln. „Und was soll ich dabei?

    Jan geht auf Christian zu, nimmt ihn bei der Hand, zieht ihn vor den Spiegel, stellt sich hinter ihn und dreht Christian in Position.

    „Hast Du Dich in letzter Zeit mal angesehen, hm? Christian muß grienen. Er hat schon mal seine selbstverliebten fünf Minuten".

    „Siehst Du. Du bist ein schöner Kerl, denk an den ersten erfolgreichen Kalender, und das wird sie auch bemerken. Wenn sie aus mir einen David machen will, dann wird sie Dich als Apoll gleich daneben stellen."

    Christians Miene wechselt zu Ungläubigkeit. „Meinst Du wirklich?"

    „Wenn sie nicht blind ist, im übertragenen Sinne, meine ich."

    „Und wann sollst Du zu ihr kommen?"

    „Heute mittag, so 12, 12 Uhr 30 zur ersten Stehprobe."

    „Und wo ist das?"

    „Kennst Du den großen reetgedeckten Hof bei Oldenburg? Riesengrundstück, stand letztes Jahr zum Verkauf."

    „Ich weiß welchen Du meinst. Den hat sie gekauft? Gekauft oder erst einmal gepachtet, keine Ahnung. Aber Platz für ein großes Atelier ist da allemal. Christian dreht sich zu Jan herum.

    „Hast Du Dein Auto dabei?"

    „Jou."

    „Na, dann laß’ uns mal los. Bis dahin brauchen wir eine knappe Stunde, Trecker eingerechnet, aber vorher essen wir noch‘n Happen. Papa hat Matjes angesetzt."

    Jan klopft Christian auf die Schulter und strahlt. „Das ist mein Krischan. Und nu’ gib mir Hemd und Hose, Slip brauche ich keinen."

    „Wenn Du meinst. Christian reicht Jan eine kurze beige Hose und ein weißes, kurzärmeliges Hemd aus dem Schrank und nimmt sich selber frische Sachen. Instinktiv greift er Klamotten, die seinen Körper betonen, ein knappes, weißes Muscle-Shirt, das seinen Bauchnabel und die Haarnaht freiläßt und knallenge weiße Jeans. Die Freunde kleiden sich an. Christian betrachtet sich im knappen hellblauen Slip, zeigt eine zufriedene Miene, sieht zu Jan, der schweigend-lächelnd Zeigefinger- und Daumenspitze zum Handzeichen Spitze" formt, und steigt in die Jeans.

    „Übrigens, wie heißt sie eigentlich?"

    „Kristin Holmdóttir."

    „Eine Isländerin?"

    „Ich glaub’ schon, bei dem Namen. Aber sie spricht akzentfrei hochdeutsch, vielleicht ein wenig hamburgisch eingefärbt."

    „Na, wir werden es sicher erfahren."

    Christian versucht, die Jeans hochzuziehen. „Schuhlöffel?"

    „Quatschkopf."

    „Nee, aber Dein Arsch ist wohl dicker. Christian zieht weiter, hüpft dabei mehrfach auf und ab. „Verdammt, zuviel trainiert.

    Jan lacht. „Drei Monate kein Sex und schon paßt die Hose nicht mehr."

    „Blödmann. Ich war doch gestern noch drin. „Komm’, ich helf’ Dir. Jan stellt sich hinter Christian und greift links und rechts den Bund. Christian hüpft erneut.

    „Jetzt bleib’ doch mal steh’n, damit ich richtig greifen und heben kann."

    Jan faßt noch einmal zu und hebt Christian mitsamt der Hose an. Jan sieht Christian rechts über die Schulter und bemerkt, daß alles klemmt.

    „Dein Schwanz ist zu groß, Alter."

    „Das sagt der Richtige." Jan hebt Christian nochmals an.

    „Du, das wird nichts. Vielleicht, wenn Du den Slip ausziehst."

    „Meinetwegen. Schotte sollte man sein. Die bringen auch die größte Zukunft immer unter."

    „Na, Du im Röckchen, Alter, und dann ’n Windstoß!" Beide lachen fröhlich auf, aber es klemmt immer noch. Christian versucht, ohne umzufallen, aus den Jeans herauszukommen. Jan tritt zur Seite und betrachtet die Bemühungen kopfschüttelnd.

    „Komm’, leg Dich aufs Bett, das geht so nicht, sonst hat Kristin einen anderen David im Atelier."

    Christian läßt sich rücklings auf sein Bett fallen und streckt Jan beide Beine entgegen. Der zieht an beiden Hosenbeinen - mit mäßigem Erfolg. Einzig, daß Christian polings auf dem Fußboden zu sitzen kommt. Erst schreit er auf, dann kriegen beide das Lachen, während Jan ihm die Hand reicht und hochzieht.

    „Jetzt bleib mal stehen. Ich versuch’s anders." Jan kniet nieder, faßt mit beiden Händen links und rechts den Hosenbund an - und zieht mit einem gewaltigen Ruck die Hose samt Slip herunter.

                                             *

    In der Lübecker Gerichtsmedizin. Professor Anderson steht am Seziertisch Nr. 1, vor ihm die Leiche des Waldtoten. Er klappt seine Lupenbrille herunter, beugt sich vor und betrachtet das Geschlecht des Toten. Bei der dichten Schambehaarung fällt ihm etwas auf. Die auf der gegenüberliegenden Seite stehende Assistentin Liliane Kronborg hört nur ein gemurmeltes „Seltsam." Dann nimmt Anderson den Penis des Toten hoch, sieht genau hin, legt ihn ab, schaut auf, läßt sich das stumm Verlangte geben. Seine aufmerksame Assistentin reicht ihm ein Abstrichstäbchen und einen Objektträger. Nun hebt Lili den Penis hoch und Anderson nimmt die Probe. Wortlos reicht er seiner Assistentin Stäbchen und Objektträger, die mit beidem zum Mikroskop geht und den Abstrich betrachtet.

    Als sie zurückkommt, staunt sie nicht schlecht, was ihr Chef in der Hand hält.

                                              *

    „Bist Du fertig? Jan nickt, erhebt sich und verschließt seine Sandalen. Christian schlüpft in seine blauen Leinenschuhe, ordnet sich nochmals und kommandiert: „Dann laß’ uns fahren.

    „Nee, noch essen, vergessen? Jan reibt sich den Magen. „Modellstehen ist anstrengend.

    „Dann müssen wir aber nochmal Zähneputzen, sonst fliegen wir bei Deiner Bildhauerin gleich ‘raus." Sie verlassen Christians Zimmer und gehen nach unten in die Küche.

    Der Matjes ist großartig, wie immer, schmeckt den beiden auch

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