Der Wahn mit der Bürokratie: Wie Bürokratismus unsere Gesellschaft zerstört
Von Andreas Dripke und Hubert Nowatzki
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Über dieses E-Book
Egal, wohin wir blicken, vom Deutschen Bundestag bis zu den Vereinten Nationen: Die Regulierungswut einer ausufernden Bürokratie scheint nicht mehr zu bremsen. Jede noch so gute Idee wird in einem Wust von Vorschriften, Formularen und kleinlicher Überwachung zermürbt, bis von der einstmals grandiosen Vision - egal, ob es um die Parlamentarische Demokratie oder den Weltfrieden geht - kaum noch etwas zu sehen ist.
Doch die Autoren dieses Buches kritisieren nicht nur, sondern zeigen auch Wege auf, dem Wahn mit der Bürokratie zu entkommen. Das Buch ist gespickt mit einer Vielzahl aberwitziger Beispiele für Behördenwahn, zeigt jedoch weit darüber hinausgehend die dahinter steckenden strukturellen Probleme auf und unterbreitet Lösungsvorschläge.
Andreas Dripke
Andreas Dripke is Chairman of the UN think tank Diplomatic Council and author of numerous non-fiction books.
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Buchvorschau
Der Wahn mit der Bürokratie - Andreas Dripke
Widmung
Dieses Buch ist dem Songwriter Reinhard Mey gewidmet, der mit seiner 1977 erstmals veröffentlichten Ballade über den „Antrag auf Erteilung eines Antragformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt, zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt" dem Wesen der Bürokratie so nahe kam wie es nur möglich ist.¹
Die Autoren hätten ihr Werk auch Thomas Mann („Der Untertan) oder Franz Kafka („Der Prozess
) widmen können, aber keiner dieser beiden hat sich dem Thema dieses Buches so humoristisch genähert wie Reinhard Mey. Und die Autoren vertreten die feste Überzeugung, dass Humor das beste Mittel ist, die geradezu unglaublichen Wucherungen der Bürokratie zu ertragen.
Im Unterschied zu Thomas Mann und Franz Kafka findet Reinhard Meys Irrweg durch die Behörden übrigens ein glückliches Ende. Immerhin heißt es in dem Lied: „Heute geh' ich weltmännisch auf allen Ämtern ein und aus. Schließlich bin ich auf den Dienstwegen so gut schon wie zu Haus."
Inhalt
Vorwort
Die Anfänge: Volkszählungen
Geld und die Kampfstärke der Bevölkerung
Volk, Beruf, Gebäude, Wohnungen, Arbeitsplätze
Die Herrschaft der Verwaltung
Bürokratie ist nichts Neues
Theoretische Bürokratie
Aristoteles, Platon und die Entbürokratisierung
Deutschland befindet sich im Reformstau
Mehr Parlamente, mehr Gesetze
Der Fisch stinkt vom Kopf
Vielfalt der Parlamente
Niemand weiß, wie viele Gesetze es gibt
XL-Bundestag seit 2021
Im Schneckentempo zum schnellen Internet
Behörden-Bildung auf halbem Niveau
Der Bürger als Bittsteller und Kunde
Radwege auf dem Papier und in der Realität
Erbarmungslose Bürokratie
Tod in der Arbeitsagentur
„Die machen auch nur ihren Job"
60 verschiedene Geschlechter
Der Bürger als Kunde
Von der Kameralistik zum Neuen Steuerungsmodell
Große Verwaltungsreform seit 31 Jahren überfällig
Die Bürokratie stolpert über sich selbst
Der Bürger will die Bürokratie kontrollieren
Bauen, Verkehr, Digitales, Soziales
3.700 Normen für das Bauen in Deutschland
Ordnung im Straßenverkehr
Schilder wie Schilda
Neue Beschilderungen seit 2021
e-Government: Bürokratisches Chaos digitalisiert
Überkomplizierter E-Mail-Dienst für Behörden
Bürokratie der sozialen Wohltaten
Bedingungsloses Grundeinkommen
Unbürokratischer Weg: Irrweg oder Ausweg?
Beamten-Deutsch
Amtliche Lebensberechtigungsbescheinigung
Verkaufsoffener Sonntag im Amtsdeutsch
Der Amtsschimmel wiehert – aber warum?
Amtsdeutsch von der Künstlerkasse
Die Mercedes-Zentrale liegt in Schilda
Der Staat regelt alles – alles!
Wir wollen unser Schicksal selbst bestimmen
Wir sind dumm, schwach und voller Vorurteile
Das RKI warnt vor Corona, Raclette und Fondue
Moralischer Zeigefinger über den Tod hinaus
„S wie Siegfried" wird zum Nazi
Steuerhölle Deutschland
Bonpflicht beim Bäcker
Das Finanzamt isst mit
GoBD: Einstieg in die digitale Finanzüberwachung
Ein Lehrstück aus der Praxis der GoBD
Die Finanzverwaltung der dreisten Trickser
Datenhehlerei zwischen Knast und Belobigung
Der größte Lump im ganzen Land
Früher war alles besser – oder doch nicht?
Der Bundesfinanzhof verteilt Ohrfeigen
Warum sich ein Steuerberater lohnt
Rätselraten für die Bürger
Prüfer setzt Steuerberaterin unter Druck
Das Finanzamt droht sozialen Wohnungsvermietern
Kaiser Wilhelm regiert bis heute
Vom Unternehmen zum Amt
Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken
Familie muss der Sparkasse Notsituation beweisen
Finanzbranche droht am Bürokratismus zu ersticken
Das Regelwerk der Deutschen Post
Tesla verzichtet auf Fördermilliarden
Autohersteller: Kundenservice mit Bürokratiefaktor
Bürokratie auf moderne Art
Die größte Bürokratie der Welt: UNO
Die Anfänge der UNO: Eine Vision, viel Bürokratie
Die Unverbindlichkeit eines Papiertigers
Grundlage für eine bessere Welt
Das UNO-Hauptquartier als Symbol der Bürokratie
Das Finanzsystem der UNO finanziert die Bürokratie
Rahmenplan zur „Umwandlung unserer Welt"
Das Europa der Bürokraten
Die EU-Kommission als europäische Regierung
Von der Vision zum Bürokratie-Monster
EU: Weltmacht der Regulierung
„Wie mache ich mich am unbeliebtesten"
Die Mär vom Brüsseler Beamtenapparat
Bürokratie-Monster Datenschutz
Die Visitenkartenfalle
Lizenz gelesen – wirklich?
Umfassendster Datenschutz der Menschheit
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht
Meta/Facebook erdreistet sich
Mittelstand und Vereine lahmgelegt
Datenschutz wichtiger als Leben
Gesetzes-Ungetüm irrsinnig in der Praxis
Toaster mit Privatsphäre
Zustimmungsorgie voraus
Wann kommt das e-Privacy-Chaos?
Der entfesselte Staat: Corona
Familienregeln zu Weihnachten
Härtefälle: Kinder und Familien
Kinder in den Knast
G-Regeln für jede Lage
Gibt es ein Leben nach Corona?
Freiheiten mit Einschränkungen
Wovor will uns der Staat noch schützen?
Balance zwischen Sicherheit und Freiheit
Digitaler Überwachungsstaat auf dem Vormarsch
Versprechungen der Politik
Totalstopp für das öffentliche Leben
Der Staat führt uns an der Nase herum
Wankelmütigkeit der Politik
Verfassungswidrigkeit mit Befristung
Flucht in die Expertokratie
Damen und Herren gegen die Verfassung
Die digitale Herrschaft
Dem Menschen ebenbürtige Intelligenz
Ethik für Künstliche Intelligenz und Bürokratie
Auf dem Weg ins perfekte Chaos
Der Fall Jeanne Pouchin
Plädoyer für Vereinfachung
Was die Politiker von Steve Jobs lernen können
Die Bierdeckel-Rechnung des Friedrich Merz
Die 25 Prozent-Regel des Paul Kirchhof
Auf dem Weg zur Digikratie
Welche Unendlichkeit die größte ist
Über die Autoren
Andreas Dripke, Publizist
Hubert Nowatzki, Steuerberater
Bücher im DC Verlag
Über das Diplomatic Council
Quellenangaben und Anmerkungen
Vorwort
Die überbordende Bürokratie behindert unsere Demokratie, zerstört unsere Gesellschaft und beeinträchtigt unser Leben in einem schier unerträglichen Maße.
Viele Amtshandlungen schweben irgendwo im Raum zwischen den Streichen aus Schilda und Kafkas „Josef K., gegen den ein Prozess anhängig ist und der bis zu seiner Hinrichtung nicht einmal den Grund der Anklage erfährt. Ort der Handlung von Kafkas Werk „Der Prozess
ist eine fiktive deutsche Großstadt – und die Erfahrungen mit der heutigen Bürokratie lassen den Schluss zu: Es könnte jede beliebige Stadt sein. Anders ausgedrückt: Die ebenso fiktive Stadt Schilda steht überall in Deutschland, aber das Ausmaß der heutigen Schildbürgerstreiche ist durch die moderne Bürokratie geradezu ins Monströse gewachsen.
Ein historisch gut belegtes Beispiel stellt der Prozess gegen Jesus Christus dar, bei dem Jesus zunächst vom Hohepriester Kaiphas zum römischen Statthalter Pontius Pilatus geschickt wurde, von diesem zum König Herodes Antipas und dann wieder zu Pilatus zurück, der schließlich das Todesurteil vollstrecken lässt. Mehr als 2000 Jahre später steht die Redensart „jemanden von Pontius zu Pilatus schicken immer noch als Synonym dafür, jemanden zwecklos hin- und her zu schicken. Und die Erfahrung zeigt: Niemand kann das besser als Behörden. Der Duden (Band 11) schreibt als Beispiel für die Anwendung dieser Redewendung äußerst trefflich „Im Finanzamt haben sie ihn von Pontius zu Pilatus geschickt, bis er alle Unterlagen zusammen hatte.
²
Der Bogen vom Ursprung des Christentums bis zum Deutschen Bundestag gelingt mühelos: In dem seit 2021 amtierenden 20. Deutschen Bundestag sitzen mehr Abgeordnete als jemals zuvor.³ Die Befürchtungen, dass der XL-Bundestag auch mehr Gesetze und Verordnungen hervorbringen wird als jemals zuvor, sind wohl gerechtfertigt. Schließlich sind die Abgeordneten gewählt worden, um sich neue Regelungen zum Wohle des Volkes auszudenken. Daran, Regelungen abzuschaffen, wird wohl niemand denken, steht zu befürchten.
Egal, wohin wir sehen, vom Deutschen Bundestag bis hin zu den Vereinten Nationen und zurück: Die Regulierungswut einer ausufernden Bürokratie scheint nicht mehr zu bremsen. Jede noch so gute Idee wird in einem Wust von Vorschriften, Formularen und kleinlicher Überwachung zermürbt, bis von der einstmals grandiosen Vision – egal, ob es um die Parlamentarische Demokratie oder den Weltfrieden geht – kaum noch etwas zu sehen ist.
Andreas Dripke
Hubert Nowatzki
Die Anfänge: Volkszählungen
Die Bürokratie ist keine Erfindung der Neuzeit. Vor allem Volkszählungen waren schon frühzeitig bei „den Herrschenden" sehr beliebt. Ermittlungen von Bevölkerungszahlen lassen sich bereits um 2700 v. Chr. in Ägypten nachweisen. Auch den Zweck hat die Altertumsforschung zutage befördert: Es ging darum, Steuern einzutreiben.
Geld und die Kampfstärke der Bevölkerung
Der Wunsch der herrschenden Klasse, seine Untertanen zu kennen und daraus seinen Nutzen zu ziehen, ist also nicht – oder jedenfalls nicht nachweislich – so alt wie die Menschheit, aber immerhin bis zu den „Alten Ägyptern" zurückzuverfolgen. Anhand von Tonscherben lässt sich auch für die Zeit um 1700 v. Chr. eine lokale Volkszählung in Mesopotamien für militärische Zwecke belegen. Aus den früheren Epochen sind ferner Zählungen in China (2 n. Chr.) sowie in Persien und Griechenland bekannt. Bemerkenswert ist in Ägypten unter Amasis (569 v. Chr.) und in Israel unter König David (1000 v. Chr.) ein Dekret über die Erfassung der Einkommen. Man beschränkte sich dabei oft auf die Erfassung der waffenfähigen Männer. Mit anderen Worten: Für die frühen Herrscher ging es bei Volkszählungen entweder um Geld oder um die Kampfstärke der Bevölkerung. Heute geht es immer noch in weiten Teilen der Bürokratie ums Geld – und um die Einhaltung im wortwörtlichen Sinne unzähliger Vorschriften, die erlassen, verwaltet, eingehalten, überwacht und bei Verstößen geahndet werden wollen.
Im Römischen Reich gab es seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. alle fünf Jahre Volkszählungen und Erhebungen über die Einkünfte der römischen Bürger. Für den Zensus – der Fachbegriff für eine „Volkszählung" – und die Steuerschätzungen war der Censor, ein altrömischer Beamter, verantwortlich. Er legte die Höhe der Steuer fest, die jeder Bürger zu zahlen hatte und war dem Senat verantwortlich. Die Censoren waren sehr einflussreich und genossen hohes Ansehen. Ersteres mag auch heute noch je nach Hierarchie für Verwaltungsbeamte gelten, letzteres eher nicht.
Im Mittelalter gab es in Europa nur wenige Volkszählungen; meist wurden die Feuerstellen registriert, doch waren die erhobenen Daten oft ungenau, sodass Angaben zur Bevölkerung in der Regel nur Hochrechnungen darstellten. Von Bedeutung bei der Erfassung der Bevölkerung waren kirchliche Aufzeichnungen der Pfarren, weil die Pastoren Bücher über die „Seelen" führen mussten. Der russische Schriftsteller Nikolai Gogol hat in seiner literarischen Groteske Die toten Seelen den damaligen Bürokratismus sehr trefflich beschrieben. Der Protagonist reist in der Bürokratie-Satire durch das zaristische Russland, um Großgrundbesitzern ihre „toten Seelen, die Namen kürzlich verstorbener Leibeigener, abzukaufen, und diese teuer zu verpfänden. Dreh- und Angelpunkt von Gogols beißender Satire ist die Tatsache, dass dieses „Geschäftsmodell
überhaupt möglich war. Allerdings ließ der Beamtenapparat den Spaß auf seine Kosten nicht durchgehen. Mit der Begründung „Die Seele ist unsterblich; eine tote Seele gibt es nicht." erteilte die Zensurbehörde dem Werk eine Absage. Dennoch gelang es Gogol zumindest den ersten Teilband seines Werkes drucken lassen; der zweite ist Fragment geblieben.⁴
Die erste Volkszählung in Deutschland fand 1816 im Königreich Preußen statt. Zwischen 1834 und 1867 führte der Deutsche Zollverein regelmäßig alle drei Jahre Volkszählungen in den Mitgliedsländern des Nord- und Süddeutschen Bundes sowie Preußen und Österreich durch.⁵ Ermittelt wurde die sogenannte „Zollabrechnungsbevölkerung". Zur Durchführung wurde ein Zeitpunkt gewählt, zu dem zu erwarten war, dass sich der größte Teil der Bevölkerung zu Hause aufhalten würde. Der Zollverein legte den 3. Dezember als Datum fest.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Dezember 1945 in der sowjetischen Besatzungszone, im Januar 1946 in der französischen Besatzungszone und im Oktober 1946 in allen vier Besatzungszonen Deutschlands unter Verantwortung der Besatzungsmächte Volks- und Berufszählungen durchgeführt. Dies geschah insbesondere, um die Kriegsverluste und die zahlreichen Ströme von Flüchtlingen, Umsiedlern und Heimatvertriebenen zu erfassen. Nach Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 fanden jeweils mehrere Volkszählungen statt.⁶
Volk, Beruf, Gebäude, Wohnungen, Arbeitsplätze
Die in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1950 und 1987 durchgeführten Zählungen waren gleichzeitig Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählungen. Die Zählungen von 1961 und 1970 erfolgten als Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählungen. Während der Gebäude- und Wohnungszählung von 1956 wurde auch die Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik gezählt („kleine Volkszählung"). Die Veröffentlichung der Daten aller Zählungen in der Bundesrepublik Deutschland, ab 1994 auch der Ergebnisse der Volkszählungen in der DDR, erfolgte vom Statistischen Bundesamt.⁷
Die 1987 durchgeführte Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland war ursprünglich bereits für das Jahr 1981 geplant gewesen. Sie war in den Augen der Bundesbehörden notwendig geworden, um die Infrastruktur einem veränderten sozialen Gefüge anzupassen und entsprechend neue Maßnahmen einzuleiten. Dies galt für Verkehrsplanung ebenso wie für die soziale Versorgung und anderes. Die Verzögerung um sechs Jahre hatte einen für unser Thema bemerkenswerten Hintergrund: Es gab Widerstand in der Bevölkerung.⁸ Man könnte sogar von Boykott sprechen, angestachelt von einem breiten Bündnis verschiedener sozialer und politischer Gruppen und vom „Koordinierungsbüro gegen den Überwachungsstaat im Bonner Büro der Jungdemokraten, der ehemaligen Jugendorganisation der FDP, organisiert. Auch die damalige Partei „Die Grünen
, zu der Zeit seit etwa vier Jahren im Bundestag vertreten, gehörte zu den Kritikern der Volkszählung und sie beteiligte sich mit vielen ihrer Mitglieder an der Kampagne. „Boykott-Ratgeber waren damals groß in Mode. Vom Büchlein „Was Sie gegen Mikrozensus und Volkszählung tun können
für 5 Mark wurden in nicht einmal vier Monaten eine viertel Million Exemplare ausgeliefert; jede Woche ließ der Frankfurter Verlag Zweitausendeins 2.000 Bücher nachdrucken. Der Verlagsgeschäftsführer Lutz Kroth analysierte damals: „Das Thema berührt die Menschen offenbar ganz intim und ganz privat.⁹ Einen vergleichbar reißenden Absatz erlebte der Verlag zuvor nur bei dem 1980 erschienenen Umwelt-Report „Global 2000
, der die Zerstörung der Umwelt als Lebensgrundlage für die Menschen thematisierte. Das staatliche Ausspionieren der eigenen Privatsphäre gleichauf mit der Vernichtung der Erde – bemerkenswert!
Die Regierung hatte den möglichen Widerstand offenbar vorausgesehen und drohte im Gesetz mit einer Höchststrafe von 10.000 Mark als Bußgeld für Verweigerer, die den Zählungsfragebogen nicht oder nicht wahrheitsgemäß ausfüllten. Abgefragt wurden mit insgesamt 18 Fragen das Geburtsjahr, das Geschlecht, der Familienstand, die religiöse Zugehörigkeit, die Staatsangehörigkeit, die Wohnungsnutzung, die Erwerbstätigkeit, das Bildungsniveau und die Nutzung von Verkehrsmitteln. In unserer heutigen Zeit lässt sich übrigens aus beinahe jedem Facebook-Profil mehr herauslesen als der damalige Fragebogen erfasste. Dennoch war der Boykott damals durchaus erfolgreich. So ändern sich allem Anschein nach die Zeiten.
In Folge der Proteste