Weder lechts noch rinks: 101 Kolumnen aus der Neuen Zürcher Zeitung
Von Gerhard Schwarz und Claudia Wirz
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Buchvorschau
Weder lechts noch rinks - Gerhard Schwarz
Inhalt
Cover
Titelei
Vorwort
Geleitwort
Weckrufe wider die Denkfaulheit
Liberal ist weder «lechts» noch «rinks»
Progressiv ist manchmal ausgesprochen konservativ
Die libertäre Utopie
Die Gefahr utopischer Würfe
Liberale Gewissenserforschung
Vereinnahmung von allen Seiten
Toleranz heisst nicht Beliebigkeit
Wo sind die Bürgerlichen?
Ist Faulheit Freiheit und umgekehrt?
Urliberale Etatisten
Ist die Linke noch links?
Des Kapitalismus schlechte Presse
Liberal bedeutet Wahl
Gute und faule Kompromisse
Bedeutet direkte Demokratie «Zustimmung der Dummen»?
Herrschaft auf Zeit
Dankbarkeit ist eine Tugend, keine Pflicht
Die schleichende Verstaatlichung der Familie
Plädoyer für einen Pilz
Politisches Anti-Aging
Schenken ohne Widerspruch
Liberale misstrauen der Gewissheit
Die Krise des Milizsystems
Wie das Modell Schweiz verblasst
Die Kurzfristigkeitsfalle der Politik
Der Kipppunkt der Demokratie
Die unsensible Bevölkerung
Ausbruch aus dem Elend
Die Wohlfahrt als Dämon
Lohntransparenz für Arbeitnehmer
Der Wohlfahrtsstaat ist eine tragische Figur
Hochqualifizierte Bedürftigkeit
Immer das Gleiche über Reiche
Falsche Tabus in der Altersvorsorge
Der Lohn des Jammerns
Ist Reichtum eine Schande?
Dem Staat zu Diensten
Chancen statt Ergebnisse
Alle Macht dem Mittelmass
Island – für Frauen der beste Ort der Welt
Ungleichheit ist nicht per se ungerecht
Das Gymnasium ist überschätzt
Die apokalyptischen Reiter der Nivellierung
Hurra, wir sind diskriminiert
Klassenkampf im Haushalt
Gleichheit ist oft das Gegenteil von Gerechtigkeit
Das Klavier, der Sexist
Jenseits von Gut und Böse
Von Privilegien und unverdientem Wohlergehen
Die Banalisierung der Solidarität
Der transparente Mensch
Fünf Rappen für das gute Gewissen
Kostenwahrheit – das «Grün» der Ökonomen
Aufstand der Gutsituierten
Das eine tun verlangt das andere zu lassen
Mehr Markt bringt mehr Ökologie
Die Meisterflieger
Grün ist auch ein schönes Rot
Liberale Klimapolitik ist möglich
Von Schuld und Steuern
Sollen wir alles genau so erhalten, wie es ist?
Muss Klimaschutz weh tun?
Muss denn Essen Sünde sein?
Rhetorische Tugendschau
Gelenkte Begeisterung
Mohrenkopf und Meitlibei
Wie aus Vielfalt Diversity wurde
Der dressierte Mensch
Der Flirt mit der Genügsamkeit
Leben in der Grauzone
Die Sittenwächter der Moderne
Heilfasten für Kinder
Gendern im Betrieb
Durch Dick und Dünn
Der Mann, der Feminist
Die dreieinhalb Freiheiten der EU
Kontrolle ohne Heimattümelei
Pragmatismus statt Prinzipientreue
Auf Augenhöhe mit der EU
Was wir vermuten und was wir wissen
Der Charme der Kleinheit
David gegen Goliath
Das völlig andere Staatsverständnis der Schweiz
Für einen genügsamen Bilateralismus
Das Nashorn neben dem Elefanten im Raum
Einwanderung in den Arbeitsmarkt?
«Jedermann» und die Managerlöhne
Der Markt als Menschenwerk
Totengräber der Marktwirtschaft
Unbequeme Ergebnisoffenheit
Die «Wirtschaft» und der «Markt»
Die Beere des Bösen
Wirtschaft und Gemeinnutz harmonieren
Unfaire gleiche Wettbewerbsbedingungen
Verdienen Frauen, was sie verdienen?
Gute Shareholder pflegen die Stakeholder
Machtlos in der Pensionskasse
Alles für den (Non-)Profit
Jede Arbeit ist Care-Arbeit
Das ägyptische Kartoffelmärchen
Für moderne Hofnarren in Wirtschaft und Politik
Zehn Gebote des gesunden Menschenverstands
Namensregister
Über die Autoren
Über das Buch
emptyGerhard Schwarz
Claudia Wirz
Weder lechts
noch rinks
101 Kolumnen aus der Neuen Zürcher Zeitung
Mit einem Geleitwort von Lino Guzzella
und Vignetten von Peter Gut
NZZ Libro
Publiziert mit freundlicher Unterstützung der NZZ und der Progress Foundation.
emptyBibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2024 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel
Coverabbildung: Vignette Links und Rechts von Peter Gut (Winterthur)
Korrektorat: Ruth Rybi, Gockhausen-Zürich
Layout: icona basel gmbh, Basel
Satz: 3w+p, Rimpar
Druck: Finidr, Tschechische Republik
Printed in the EU
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ISBN Print 978-3-907396-77-3
ISBN E-Book 978-3-907396-78-0
www.nzz-libro.ch
NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.
Vorwort
Nichts sei schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen, besagt ein geflügeltes Wort, dessen Ursprung wahlweise Goethe, Luther, Fontane oder einem anderen Granden des deutschen Kulturraums zugeschrieben wird. Wer auch immer es erfunden hat, es liegt viel Weisheit in dieser Beobachtung. Denn ein konstantes Zuviel des Guten kann für das menschliche Zusammenleben zum moralischen Risiko werden.
Seit Jahrzehnten geniessen wir in unseren Breitengraden schon das gute Leben, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, ja ein Menschenrecht. Es fehlt den meisten Menschen an nichts, zumindest an nichts wahrhaft Existenziellem. Armut und Elend sind von gestern. Verzicht und Entbehrung sind uns weitgehend fremd. Nur das Beste ist für uns und unsere Kinder gut genug. Einkaufen ist nicht mehr nur eine Notwendigkeit, sondern ein Zeitvertreib. Und Zeit zu vertreiben haben wir reichlich, denn nie hatten wir mehr Freizeit als heute – bei gleichzeitig wachsendem Wohlstand.
Dieser Zustand ist für den Einzelnen eine Herausforderung, führt aber auch den Staat in die Bredouille – in zweierlei Hinsicht. Einerseits wird der Staat in einem Klima wachsender Ansprüche seinerseits zu einer Ware, die es zu konsumieren gilt, wenn man nicht zu den Dummen zählen möchte, die nur in die Staatskasse einzahlen und nichts beziehen. Der Ausbau der Sozialleistungen, der seit der Corona-Pandemie um sich greifende Subventionswettlauf und die immer grosszügigere Auslegung der Menschenrechte im Sinn von einklagbaren Forderungen an den Staat legen davon Zeugnis ab. Der Staat wird so zum Getriebenen der wohlstandsverwöhnten Anspruchsgruppen, die jede Missachtung ihrer Wünsche als Verletzung oder Diskriminierung verstehen. Politiker wollen gewählt werden, und sie wissen, dass Geschenke die Freundschaft erhalten.
Anderseits leidet der Staat insofern am Wohlstand, als er – Schulden hin oder her – über grosse finanzielle Mittel verfügt. Das Wachstum von Bevölkerung, Einkommen, Konsum und Vermögen lässt die Steuereinnahmen sprudeln. Und da Kasse sinnlich macht, wächst die Gefahr, dass der Staat Dinge tut, die er besser bleiben liesse. Ein Staat, der viel Geld hat, kann kaum anders, als sich stetig aufzublähen, die Verwaltung aufzustocken und immerzu neue Aufgaben zu übernehmen oder zu erfinden. Mit dem Arbeits- und Personalvolumen des Staates wächst die Regulierung unseres Lebens bis tief ins Private hinein. Mit jeder Regulierung pflanzt sich die Bürokratie selber fort und verdrängt Stück für Stück unsere Freiheit.
Zwar gibt es Politiker, die diese Gefahr erkennen, zu Zurückhaltung sowie Bürokratieabbau aufrufen und das Loblied auf die Freiheit und den «schlanken Staat» anstimmen – zumindest fürs Protokoll. Doch es sind wenige und ihre Rufe sind schwach. Sie verhallen in den weitläufigen Gängen von Parlamenten und Amtsstuben. Solange genügend Geld vorhanden zu sein scheint, gibt es keinen politischen Willen zum Masshalten, weder in der Bevölkerung noch beim Staat. Der Wohlfahrtsstaat wird ausgebaut, auch per Volksentscheid, und beglückt breite Bevölkerungsteile bis weit hinauf ins akademische Milieu. Und niemand weiss so genau, wer die Zeche zahlt.
Ähnliches gilt für die Privatwirtschaft. Bürokratieaufbau ist mitnichten eine staatliche Spezialität. Grosse Unternehmen können es sich leisten, ihre Stäbe, Vorschriften und bürokratischen Abläufe auszubauen. Sie spielen im Rösselspiel der politischen Korrektheit und des «woke capitalism» eifrig mit und sehen ihre Aufgabe zunehmend nicht nur darin, mit ihren Dienstleistungen und Produkten Gewinne zu erwirtschaften (und Steuern zu zahlen), sondern wollen Haltung zeigen, die Welt retten und allen möglichen Gruppen gerecht werden. Woke zu sein ist keine Exklusivität der politischen Linken mehr, Wokeness ist vielmehr zu einem Geschäft geworden, das intensiv bewirtschaftet wird. Die Rechnung zahlen die Konsumenten, aber auch die Angestellten, die sich den Regeln der Wokeness unterwerfen müssen und so persönliche Freiheit einbüssen.
Wir haben in den letzten acht Jahren versucht, diesen Entwicklungen publizistisch gegenzusteuern. So sind mit der Zeit rund 400 Kolumnen entstanden, solche, die Diskussionen angestossen oder sogar unmittelbar etwas bewirkt haben, andere, die zumindest ein wenig den Zeitgeist hinterfragt haben. Eine Auswahl dieser Kolumnen, die wir im Zeitraum von 2016 bis 2024 zunächst separat, dann unter dem Titel «Schwarz und Wirz» im wöchentlichen Wechsel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) veröffentlicht haben, hier zusammengetragen und innerhalb der Kapitel chronologisch geordnet. Sie basieren auf den Texten, wie sie online publiziert wurden, und wurden sanft retuschiert. Ein besonderer Dank geht an Dieter Bachmann von der NZZ-Wirtschaftsredaktion. Seit 2018 hat er sich um die sorgfältige Redaktion der Texte gekümmert, und das mit einem stets offenen Ohr für die Autoren.
Die meisten Texte sind ordnungspolitische Betrachtungen zu den mannigfaltigen Entwicklungen in den Wohlstandsgesellschaften. Wir haben die Themen jeweils nicht miteinander besprochen, aber die starke Überzeugung, dass die Idee der Freiheit gefährdet ist und dass es sich lohnt, sich für sie einzusetzen, bildet bei allen Unterschieden in Stil, Interessen und Erfahrungshintergrund die Klammer, die die Texte zusammenhält. Bei der Auswahl haben wir versucht, besonders stark beachtete Texte zu berücksichtigen, die Vielfalt der von uns behandelten Themen abzubilden und zu sehr aktualitätsbezogene Texte wegzulassen. Gleichzeitig macht das am Schluss jeder Kolumne angegebene Erscheinungsjahr den einen oder anderen Bezug zu einem Ereignis verständlich. Das eine oder andere würden wir mit heutigem Kenntnisstand vielleicht etwas anders formulieren, milder oder schärfer, aber kaum grundsätzlich anders.
Der Titel des Buches bezieht sich auf das Gedicht des Wiener Dichters Ernst Jandl (1925–2000), in dem er formulierte, dass man «lechts» und «rinks» sehr wohl verwechseln könne. Er soll zum Ausdruck bringen, dass wir uns an der Idee einer offenen Gesellschaft und einer liberalen Marktwirtschaft orientieren, aber jenseits des Rechts-Links-Schemas und vor allem frei von parteipolitischer Vereinnahmung. Auf dieser Basis sezieren wir die zunehmende Staatsgläubigkeit, die wachsende Angst vor dem Wettbewerb, den unbändigen Regulierungsdrang der Politik, die Exzesse der Klientel- und Schuldenpolitik, die Fehlanreize und Gefahren in Umverteilungs- und Entlohnungssystemen und die Bedrohung der Meinungsfreiheit.
Die Kolumnen wollen eine Zeitdiagnose sein in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bürger, Staat und Wirtschaft, wobei «Staat» mehr als nur das eigene Land meint. In einer Zeit zunehmender Harmonisierungen, Zentralisierungen und internationaler Standards ist «der Staat» immer mehr eine übernationale Kraft, womit sich auch die Frage nach Stellenwert und Zustand der Demokratie stellt. Die Kolumnen wollen die Komplexität dieser Zusammenhänge ausleuchten und zur Aufklärung beitragen, stets aus der Sicht des liberalen Skeptikers, der den Staat und seine Regulierungen zwar nicht grundsätzlich ablehnt, aber auf ein notwendiges Mass reduzieren möchte, auf dass auch die, die nach uns kommen, noch eine Reihe von schönen Tagen haben können.
Gerhard Schwarz (G. S.) Claudia Wirz (crz.)
Geleitwort
Lino Guzzella
Weckrufe wider die Denkfaulheit
«The great enemy of clear language is insincerity.»
George Orwell
Manchmal versuche ich mir vorzustellen, was die Historiker des ausgehenden 21. Jahrhunderts so über die 2020er-Jahre schreiben werden. Ich vermute mal, es wird eine ziemlich unvorteilhafte Analyse unserer Unfähigkeit sein, Lebenslügen zu erkennen und echte Problemlösungen anzugehen.
Denk- und entscheidungsfaul geworden durch die grossen Fortschritte der Naturwissenschaften und der Technik, verwöhnt durch die geopolitische Ausnahmesituation nach dem Mauerfall und alimentiert durch die Früchte einer hocheffizienten globalisierten und arbeitsteiligen Weltwirtschaft wurden – vor allem in den OECD-Staaten – einige Jahrzehnte vergeudet, in denen Nebensächlichkeiten zu dominanten Themen aufgebauscht und die wirklichen Erfolgsfaktoren vernachlässigt wurden.
Man kann daher nur hoffen, dass diese Historiker bei ihren Recherchen in der Zukunft die Kolumnen von Claudia Wirz und Gerhard Schwarz nicht übersehen werden. Diese Kleinode des angewandten «critical thinking» werden nämlich einen Beitrag zu unserer Ehrenrettung leisten und beweisen, dass es auch in unserer Zeit Menschen gab, die unbequeme Wahrheiten erkannten und sich nicht scheuten, ihre Gedanken öffentlich zu machen.
Von der realistischen Darstellung der Situation von scheinbaren und echten Benachteiligten bis hin zu Repetition der Grundregeln der Ökonomie leisten die Kolumnen von Claudia Wirz und Gerhard Schwarz das, was in jeder Gesellschaft wichtig und notwendig ist: Sie löcken wider den Stachel der gerade angesagten Ideologie und steigern damit, um einen von Michael Hampe geprägten Begriff zu verwenden, unsere «Verblüffungsresistenz».
Gerhard Schwarz und Claudia Wirz schwimmen in ihren Kolumnen dabei aber nicht einfach immer gegen den Strom, denn manchmal ist dessen Richtung die richtige und einfach gegen alles zu sein, ist noch kein Qualitätskriterium. Nein, sie beide haben ein untrügliches Gespür für die wahren Absurditäten des Mainstreamdenkens und finden immer wieder den Weg – wie das Kind in Andersens Märchen –, die Nacktheit des politisch korrekten Kaisers zu entlarven.
Die Kolumnen von Gerhard Schwarz und Claudia Wirz sind dabei so aufgebaut, dass sie mich manchmal an Beweise von mathematischen Theoremen erinnern. Sie sezieren das Problem und führen in logischen kleinen Einzelschritten den Nachweis, dass ihre Beobachtungen beziehungsweise ihre Aussagen korrekt sind. Mit dieser quasimathematischen Gesellschaftsanalyse decken Claudia Wirz und Gerhard Schwarz Absurditäten in der Wirtschaft, in der Politik und im Alltag auf, die eigentlich offensichtlich sind, die aber zur Erkennung dieser Evidenz ein Minimum an intellektueller Anstrengung und gedanklicher Unabhängigkeit verlangen, die heute leider nicht genügend oft angetroffen wird.
Beachtenswert ist auch die sprachliche Qualität der Kolumnen von Gerhard Schwarz und Claudia Wirz. Nicht nur die inhaltliche, sondern auch die formale Präzision der Kolumnen beeindrucken uns Leserinnen und Leser. Der kritische Umgang mit scheinbaren Selbstverständlichkeiten zeigt sich nämlich auch im sprachlichen, wenn zum Beispiel einzelne Begriffe wie Populismus seziert und als inhaltsleer bzw. beliebig demaskiert werden.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern viel Freude bei der Lektüre dieser Sammlung der Kolumnen von Claudia Wirz und Gerhard Schwarz. Ich hoffe, dass sie nicht nur zu unserer Ehrenrettung in der Zukunft dienen werden, sondern dass sie uns allen auch Mut zum Denken und Handeln in der Gegenwart machen.
Lino Guzzella war von 1999 bis 2023 ordentlicher Professor für Thermotronik an der ETH Zürich. Zwischen 2012 und 2014 war er zudem Rektor und von 2015 bis 2019 Präsident der ETH Zürich. Seit seiner Emeritierung widmet er sich vermehrt der unternehmerischen und strategischen Beratung.
Wider die begriffliche Beliebigkeit
emptyLiberal ist weder «lechts» noch «rinks»
Der Liberalismus gehört nicht in die rechte Schmuddelecke
Österreich wird in der Europa-Ausgabe des Time Magazine vom 3. Oktober 2016 die zweifelhafte Ehre zuteil, das Titelblatt zu schmücken und im Zentrum der Titelgeschichte zu stehen. Grund ist nicht die Peinlichkeit um die Wahlverschiebung, sondern der Aufstieg weit rechts politisierender Parteien in ganz Europa. Dass in Österreich die Wahl eines Vertreters einer solchen Partei zum Staatspräsidenten und – nach den nächsten Nationalratswahlen – selbst die Beauftragung des Präsidenten ebendieser Partei, Heinz-Christian Strache, mit der Regierungsbildung nicht mehr ausgeschlossen wird, hält der Autor des Artikels für ein Fanal für den ganzen Kontinent.
Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist nicht die einzige Partei im europäischen Trend nach rechts, die sich zumindest im Namen liberal gibt. Jenen, denen Markt und Freiheit schon immer suspekt waren, kann das recht sein. So können sie den ihnen verhassten (Neo-)Liberalismus in die rechte Schmuddelecke stellen – wo er aber nicht hingehört. Man muss deshalb wieder einmal in Erinnerung rufen, dass der Liberalismus eine eigenständige, keine rechte oder linke weltanschauliche Strömung ist. Dass der politische Liberalismus oft gezwungen ist, mit Parteien auf beiden Seiten Koalitionen einzugehen, steht auf einem anderen Blatt.
Den Liberalismus zeichnet zum einen das konsequente Bekenntnis zum Privateigentum und zu dessen Schutz aus. Daraus leitet sich das Bemühen um tiefe Steuern, kaum eigentumsbeschränkende Regulierungen, geringe Umverteilung und den Erhalt des Geldwertes ab. Zum anderen setzt sich der Liberalismus für Wettbewerb ein. Er ist den Liberalen wichtig, weil er die wirtschaftliche Macht in Schranken weist und ein hervorragendes Instrument der ständigen Suche nach dem Besseren ist. Daraus ergeben sich gesellschaftlicher Auf- und Abstieg, aber auch Ungleichheit von Einkommen und Vermögen. Das Ja zum Privateigentum und das Ja zum Wettbewerb werden von der Klammer der Selbstverantwortung