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Hat China schon gewonnen?: Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht
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eBook444 Seiten8 Stunden

Hat China schon gewonnen?: Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht

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Über dieses E-Book

Sie beobachten sich gegenseitig über den Pazifik hinweg mit Argusaugen und reden übereinander statt miteinander: Längst hat der entscheidende geopolitische Wettstreit des 21. Jahrhunderts zwischen China und den USA begonnen – beides Weltmächte ohne ernsthafte Rivalen. Kishore Mahbubani, renommierter und hervorragend vernetzter Diplomat und Gelehrter, analysiert die tiefen Verwerfungen in den Beziehungen zwischen Peking und Washington. Mit unverstelltem Blick erläutert er die Stärken, Schwächen, Fehler und Eigenheiten Chinas und der USA. In Zeiten schwelender Handelskriege und ständiger politischer Konflikte ist sein Buch ein unverzichtbarer Leitfaden für ein besseres Verständnis der beiden Supermächte – insbesondere des unaufhaltsamen Aufsteigers China.
SpracheDeutsch
HerausgeberPlassen Verlag
Erscheinungsdatum16. Sept. 2021
ISBN9783864707742
Hat China schon gewonnen?: Chinas Aufstieg zur neuen Supermacht

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    Buchvorschau

    Hat China schon gewonnen? - Kishore Mahbubani

    Kapitel 1

    EINFÜHRUNG

    Eines ist gewiss: Der geopolitische Wettbewerb zwischen Amerika und China wird die nächsten ein, zwei Jahrzehnte weitergehen. Präsident Donald Trump läutete 2018 die erste Runde ein, aber dieser Zustand wird seine Amtszeit überdauern. Der Präsident hat mit seiner Politik Amerika in Bezug auf sämtliche Themen gespalten, mit einer einzigen Ausnahme: bei seinem Handels- und Technologiekrieg gegen China. Tatsächlich erhielt er für sein Vorgehen parteiübergreifend viel Zuspruch und in der amerikanischen Politiklandschaft bildete sich ein klarer Konsens heraus, dass China für Amerika eine Bedrohung darstellt.

    General Joseph Duford, Stabschef der US-Streitkräfte, sagte: „Ab ungefähr 2025 wird China vermutlich die größte Bedrohung für unsere Nation darstellen."¹ In der Zusammenfassung des 2018 erstellten Strategiepapiers der USA zur nationalen Sicherheit heißt es, bei China und Russland handele es sich um „revisionistische Mächte, die danach streben, „die Welt nach ihrem autoritären Modell zu formen – und ein Vetorecht über die wirtschaftsbezogenen, diplomatischen und sicherheitspolitischen Entscheidungen anderer Länder zu erlangen.² FBI-Direktor Christopher Wray äußerte sich so: „Wir versuchen, die China-Bedrohung nicht bloß als Bedrohung für den gesamten Staat, sondern für die gesamte Gesellschaft zu sehen … und ich glaube, sie wird uns eine Reaktion der gesamten Gesellschaft abverlangen.³ Selbst George Soros, der Millionen Dollar für den Versuch ausgab, einen Wahlerfolg Trumps zu verhindern, hat Trumps China-Politik gelobt. Er sagte: „Die größte – und möglicherweise einzige – außenpolitische Leistung der Regierung Trump bestand darin, eine in sich schlüssige und wahrhaftig überparteiliche Politik gegen das China von Xi Jinping zu entwickeln.⁴ Und er fuhr fort, es sei von der Regierung Trump richtig gewesen, China zum „strategischen Rivalen" zu erklären.

    Doch obwohl das amerikanische Establishment Trumps China-Politik größtenteils begeistert unterstützte, wies seltsamerweise niemand darauf hin, dass Amerika einen gewaltigen strategischen Fehler begeht. Es hat sich nämlich in diese Auseinandersetzung mit China gestürzt, ohne sich zunächst eine umfassende und globale Strategie für den Umgang mit China zu überlegen.

    Der Mann, der mich darauf aufmerksam machte, zählt zu Amerikas größten strategischen Denkern – Dr. Henry Kissinger. Ich erinnere mich sehr lebhaft an das private Mittagessen, das wir beide Mitte März 2018 in einem Separee seines Klubs in Manhattan einnahmen. Ich hatte Sorge, dass der Termin abgesagt werden würde, weil für diesen Tag ein Schneesturm angekündigt worden war, doch trotz der Wetterwarnung tauchte Kissinger auf. Wir führten ein wunderbares Gespräch, das zwei Stunden dauerte. Um der Wahrheit Genüge zu tun, sagte er nicht wortwörtlich, dass Amerika eine langfristige Strategie für den Umgang mit China fehlt, aber das war die Botschaft, die er mir während unseres Essens vermittelte. Und das ist auch die zentrale Botschaft seines Buchs „On China [dt. Titel: „China: Zwischen Tradition und Herausforderung, C. Bertelsmann, München, 2011].

    Ganz anders war es zu der Zeit, als sich Amerika auf den Kalten Krieg mit der Sowjetunion einließ. Damals ließ man sich die Angelegenheit zunächst gründlich und ausführlich durch den Kopf gehen. George Kennan war der Chefstratege, der Amerikas erfolgreiche Strategie zur Eindämmung der Sowjetunion (Containment-Politik) formulierte. Erstmals öffentlich erläutert wurde sie in dem berühmten Essay, den Kennan unter dem Pseudonym „Mister X" in der Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlichen ließ. Der sogenannte „X-Artikel beruhte auf Kennans „langem Telegramm, das er im Februar 1946 verfasst hatte. Zu diesem Zeitpunkt leitete Kennan im US-Außenministerium den politischen Planungsstab, der langfristige strategische Planungen anstellte.

    Für die politischen Planungen im Außenministerium war von September 2018 bis August 2019 Professorin Kiron Skinner von der Universität Carnegie Mellon zuständig. Bei einer Podiumsdiskussion erklärte sie am 29. April 2019, ihre Abteilung sei, was den erneuten Aufschwung Chinas angehe, noch immer damit beschäftigt, eine Strategie auszuarbeiten, die so umfassend wie die ihres Vorgängers George Kennan ausfalle.

    Als ich für das Außenministerium von Singapur tätig war, gehörte es zu meinen Aufgaben, langfristige Strategien für die Regierung zu verfassen. Von Singapurs drei außergewöhnlichen Meistern der Geopolitik (Lee Kuan Yew, Goh Keng Swee und Sinnathamby Rajaratnam) habe ich dabei vor allem eines gelernt: Der erste Schritt zum Erstellen einer langfristigen Strategie besteht darin, dass man die richtigen Fragen stellt. Sind die Fragen falsch, werden auch die Antworten falsch sein. Und Rajaratnam hat mich gelehrt, dass es am wichtigsten sei, stets „das Undenkbare zu denken", wenn man derartige Fragen formuliert.

    Im Geiste des „Das-Undenkbare-Denkens" möchte ich zehn Themenbereiche vorstellen, die Fragen aufwerfen, mit denen sich die politischen Planer befassen sollten. Ich habe George Kennan Ende der 1990er-Jahre einmal in Princeton in seinem Büro im Institute of Advanced Study getroffen und ich glaube, er wäre auch dafür, direkt die schwierigsten Themen anzugehen, die vor einem liegen.

    Die großen Zehn

    1.Am Ende des Zweiten Weltkriegs belief sich Amerikas Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf nahezu 50 Prozent, der Anteil an der Weltbevölkerung auf vier Prozent. Während des Kalten Kriegs kam das BIP der Sowjetunion nicht einmal ansatzweise an dasjenige Amerikas heran und erreichte zu seinen besten Zeiten gerade einmal 40 Prozent des amerikanischen BIP.⁵ Besteht die Möglichkeit, dass Amerikas BIP innerhalb der nächsten 30 Jahre kleiner als das chinesische wird? Falls ja, welche strategischen Änderungen müsste Amerika vornehmen, wenn es nicht mehr die größte Wirtschaftsmacht der Welt ist?

    2.Worin sollte Amerikas Hauptziel bestehen? Darin, das Leben seiner 330 Millionen Bewohner zu verbessern, oder darin, seine Vormachtstellung innerhalb des internationalen Systems zu bewahren? Wenn diese Ziele im Konflikt zueinander stehen, welches Ziel sollte dann Priorität haben?

    3.Die enormen Rüstungsausgaben, die Amerika während des Kalten Kriegs vornahm, erwiesen sich als umsichtige Entscheidung, denn auf diese Weise wurde die Sowjetunion mit ihrer schwächeren Volkswirtschaft gezwungen, bei Amerikas militärischen Ausgaben mitzuhalten. Das trug letztlich dazu bei, die Sowjetunion in den Bankrott zu treiben. China hat aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion seine Lehren gezogen. Das Land deckelt seine Rüstungsausgaben und legt den Schwerpunkt auf seine wirtschaftliche Entwicklung. Ist es klug, dass Amerika weiterhin einen derart großen Verteidigungshaushalt unterhält? Oder sollte das Land seine Rüstungsausgaben und seine Beteiligung an kostspieligen Kriegen im Ausland zurückfahren und stattdessen mehr Geld in den Ausbau sozialer Leistungen und eine Modernisierung der nationalen Infrastruktur stecken? Was will China? Dass Amerika mehr Geld für sein Militär ausgibt oder weniger?

    4.Den Kalten Krieg hat Amerika nicht im Alleingang gewonnen. Vielmehr schmiedete das Land mit seinen westlichen Partnern ein festes Bündnis in Form der NATO und kultivierte in der Dritten Welt zentrale Freunde und Verbündete wie China, Pakistan, Indonesien und Ägypten. Amerika ließ seine Wirtschaft offen für seine Verbündeten und verteilte großzügig Hilfen. Vor allem war Amerika während des Kalten Kriegs für seine Großzügigkeit bekannt. Die Regierung Trump hat eine Politik des „America First verkündet und wichtigen Verbündeten wie der EU und Japan sowie Freunden aus der Dritten Welt wie Indien Strafzölle angedroht. Kann Amerika eine starke globale Allianz als Gegengewicht zu China aufbauen, während es gleichzeitig seine wichtigsten Verbündeten vor den Kopf stößt? War Amerikas Entscheidung, sich nicht am Freihandelsabkommen Trans-Pacific Partnership (TPP) zu beteiligen, ein geopolitisches Geschenk an China? Hat China bereits einen Präventivschlag gegen eine Containment-Politik geführt, indem es im Rahmen der „Belt & Road-Initiative (BRI) neue wirtschaftliche Partnerschaften mit seinen Nachbarn einging?

    5.Welches ist die wirksamste Waffe, die Amerika einsetzen kann, um seine Verbündeten und seine Widersacher auf Linie zu bringen und seine Wünsche durchzusetzen? Nicht das US-Militär, sondern der US-Dollar. Der US-Dollar ist aus dem globalen Handel und weltumspannenden finanziellen Transaktionen praktisch nicht mehr wegzudenken und fungiert als eine Art globales Gemeinschaftsgut für die Weltwirtschaft. Für ausländische Banken und Einrichtungen ist es unumgänglich, den Dollar zu verwenden, was es Amerika ermöglicht hat, auch außerhalb seines Territoriums nationales Recht durchzusetzen und amerikanische Banken mit hohen Geldstrafen zu belegen, wenn sie Geschäfte etwa mit dem Iran oder anderen Nationen machen, gegen die die USA Sanktionen verhängt haben. Amerikanische Widersacher wie Nordkorea und der Iran wurden mithilfe lähmender Finanzsanktionen an den Verhandlungstisch gezwungen. Am besten funktionierte die Sanktionierung dieser Länder, wenn Amerika dabei von multilateralen Institutionen wie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unterstützt wurde, dessen Entscheidungen bindend für die UNO-Mitgliedsstaaten sind. Unter der Regierung Trump ist Amerika von multilateralen auf unilaterale Sanktionen umgestiegen und hat den Dollar in eine Waffe verwandelt, die gegen Amerikas Widersacher eingesetzt wird. Ist es klug, ein globales Gemeinschaftsgut in eine Waffe zu verwandeln und für unilaterale Zwecke einzusetzen? Aktuell gibt es keine praktischen Alternativen zum US-Dollar, aber wird das stets so sein? Handelt es sich hier um die Achillesferse der amerikanischen Wirtschaft, um eine Schwachstelle, die China angreifen und schwächen kann?

    6.Als er eine Strategie gegen die Sowjetunion entwickelte, betonte Kennan, wie wichtig es sei, dass die Amerikaner unter den Völkern der Welt allgemein den Eindruck eines Lands erwecken, das innenpolitisch erfolgreich sei und „spirituelle Vitalität" genieße.⁶ „Amerikas Soft Power nannte das Professor Joseph Nye. Von den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren boomte amerikanische Soft Power. Seit 9/11 hat Amerika gegen Völkerrecht und internationale Menschenrechtskonventionen verstoßen (und führte als erstes westliches Land die Folter wieder ein). Die Soft Power Amerikas hat – insbesondere unter Trump – beträchtlich nachgelassen. Sind die Amerikaner bereit, die Opfer zu bringen, die es braucht, um Amerikas Soft Power erneut zu stärken? Kann Amerika die ideologische Auseinandersetzung mit China gewinnen, wenn es als „normale Nation und nicht als Land mit einer „Sonderstellung" angesehen wird?

    7.General H. R. McMaster, 2017 bis 2018 nationaler Sicherheitsberater von Präsident Trump, sagte, die Auseinandersetzung zwischen Amerika und China stelle letzten Endes die Auseinandersetzung zwischen „freien und offenen Gesellschaften und geschlossenen autoritären Systemen" dar.⁷ Trifft diese Einschätzung zu, dann sollten sich alle freien und offenen Gesellschaften von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) gleichermaßen bedroht fühlen. Zwei der drei größten Demokratien der Welt finden sich in Asien – Indien und Indonesien. Weder die indische noch die indonesische Demokratie fühlen sich von Chinas Ideologie bedroht, genauso wenig die meisten europäischen Demokratien. Im Gegensatz zur Sowjetunion versucht China nicht, Amerikas Ideologie infrage zu stellen oder zu bedrohen. Indem es die neue Bedrohung durch China mit der alten Strategie der Sowjets gleichsetzt, begeht Amerika einen klassischen strategischen Irrtum und führt den Krieg von morgen mit den Strategien von gestern. Gelingt es Amerikas Strategen, neue analytische Grundgerüste zu entwickeln, die das Wesen des Wettbewerbs mit China abbilden?

    8.Bei jedem größeren geopolitischen Wettbewerb ist die Partei im Vorteil, die rational bleibt und kühlen Kopf bewahrt, während die Partei, die sich, bewusst oder unbewusst, von Emotionen treiben lässt, Nachteile hat. Kennan merkte klug an, „Wutausbrüche und ein Verlust der Selbstkontrolle seien ein Zeichen der Schwäche. Aber sind Amerikas Reaktionen auf China von Vernunft getrieben? Oder doch von unterbewussten Gefühlen? In der westlichen Psyche hat sich vor langer Zeit eine tief sitzende und unterschwellige Furcht vor der „gelben Gefahr eingenistet? Beim Wettbewerb mit China handele es sich um eine Auseinandersetzung mit einer „nicht-kaukasischen" Macht, sagt Kiron Skinner und legt damit den Finger auf den Auslöser der emotionalen Reaktionen auf China. Kann ein strategischer Denker im von Political Correctness dominierten Klima Washingtons auf einen so politisch unkorrekten, aber zutreffenden Aspekt hinweisen, ohne dafür politisch aufgespießt zu werden?

    9.Sun Tzu, einer von Chinas größten strategischen Denkern, sagt: „Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du sogar hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, den Feind aber nicht, wirst du für jeden errungenen Sieg eine Niederlage erleiden. Kennst du weder den Feind noch dich selbst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen."⁸ Kennt Amerika seinen chinesischen Rivalen? Begeht Amerika beispielsweise einen grundlegenden Wahrnehmungsfehler, wenn es die KPCh als eine chinesische kommunistische Partei ansieht? Das würde nämlich bedeuten, die Seele der KPCh ist in ihren kommunistischen Wurzeln vergraben. Für viele objektive asiatische Betrachter dagegen fungiert die KPCh in Wahrheit viel eher als „chinesische Kulturpartei". Ihre Wurzeln liegen nicht in der ausländischen Ideologie des Marxismus-Leninismus, sondern in der chinesischen Kultur. Die wichtigste Aufgabe eines Strategen besteht darin, möglichst exakt so wie der Widersacher zu denken. Hier also eine Testaufgabe: Zu wie viel Prozent beschäftigt sich der Geist eines chinesischen Führers mit marxistisch-leninistischer Ideologie und zu wie viel Prozent mit der reichen Kulturgeschichte Chinas? Die Antwort würde viele Amerikaner vermutlich verblüffen.

    10.In „On China betont Henry Kissinger, dass Chinas Strategie vom chinesischen Spiel Wei Qi ( ) und nicht vom westlichen Schachspiel geleitet wird. [Anm. d. Übers.: Bei uns ist Wei Qi vermutlich eher unter seinem japanischen Namen Go bekannt.] Beim Schach geht es darum, schnellstmöglich den gegnerischen König zu fangen. Bei Wei Qi besteht das Ziel darin, langsam und geduldig darauf hinzuarbeiten, dass sich das Gleichgewicht des Spiels irgendwann zum eigenen Vorteil verlagert. Es geht um langfristige Strategien, nicht um schnelle Erfolge. Arbeitet China also langsam und geduldig darauf hin, das strategische Gleichgewicht Schritt für Schritt zu seinen eigenen Gunsten zu verschieben? Interessanterweise hat Amerika zwei größere Anstrengungen unternommen, Schritte zu vereiteln, die China auf lange Sicht Vorteile einbringen sollten. Beide schlugen fehl. 2014/15 bemühte sich die Regierung Obama vergebens, ihre Verbündeten daran zu hindern, sich der von China angeregten Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) anzuschließen. Ebenso scheiterte die Regierung Trump mit ihren Bemühungen, zu verhindern, dass sich ihre Verbündeten an Chinas „Belt & Road-Initiative beteiligen. Stellt Amerika ausreichend Ressourcen für den langfristigen Wettbewerb ab? Verfügt die amerikanische Gesellschaft von Natur aus über die Stärke und die Ausdauer, die es braucht, um bei Chinas auf lange Sicht ausgelegtem Vorgehen mitzuhalten?

    Die Absicht dieser Fragen besteht darin, eine Strategiedebatte anzustoßen, das Undenkbare zu denken und die vielen komplexen Schichten des geopolitischen Wettstreits, der sich im Verlauf des nächsten Jahrzehnts zwischen USA und China herausbilden wird, zu sezieren und zu begreifen. Eines der Ziele dieses Buchs ist es, sachliches und rationales Denken zu einem Thema zu fördern, das unvermeidbar komplex sein und Wandlungen unterliegen wird. Jeder amerikanische Stratege wird sich, bevor er sich in einen großen geopolitischen Wettbewerb stürzt, eine grundlegende Frage stellen müssen: Bin ich mir des wahren Ausmaßes der damit einhergehenden Risiken bewusst? Oder anders formuliert: Kann Amerika verlieren? Der Gedanke wirkt unvorstellbar. Sowohl physisch wie auch moralisch hält sich Amerika seit Langem für die stärkste Nation. Amerikas Wirtschaft – und in der Folge sein Militär – ist seit mehr als einem Jahrhundert die weltweite Nummer 1. Der natürliche Vorteil, einen dünn besiedelten, mit Bodenschätzen gesegneten Kontinent zu bewohnen, in Kombination mit der Innovationskraft und der Vitalität der amerikanischen Institutionen (insbesondere seinen freien Märkten, seiner Rechtsstaatlichkeit und seinen Universitäten) und des amerikanischen Volks haben in Amerika die Überzeugung geweckt, keine andere Nation auf der Erde könne es auch nur annähernd mit seinem Einfallsreichtum und seiner Produktivität aufnehmen.

    Auf moralischer Ebene ist es für die meisten Amerikaner eine absolut absurde Vorstellung, eine freie und offene Gesellschaft wie Amerika, die stärkste Demokratie der Welt, könnte einen Wettstreit gegen eine geschlossene kommunistische Gesellschaft wie die chinesische verlieren. Die Amerikaner neigen zu dem Glauben, dass das Gute stets über das Böse triumphiert und kein politisches System von Natur aus so gut ist wie das, was den Gründern der Republik vorschwebte. Das könnte auch erklären, warum die Verteufelung Chinas in den vergangenen Jahren so stark zugenommen hat. Je mehr China als böser Akteur hingestellt wird (vor allem, weil China sich über Amerikas Erwartung hinwegsetzte, dass sich das Land progressiv öffnen und im Verlauf einer Annäherung an Amerika in eine demokratische Gesellschaft verwandeln würde), desto einfacher ist es für Amerikaner geworden, sich an den Glauben zu klammern, dass man früher oder später gegen China triumphieren werde, unabhängig davon, wie die Chancen dafür tatsächlich stehen.

    Amerika rühmt sich des Weiteren, eine rationale Gesellschaft zu sein, und in vielerlei Hinsicht ist sie das auch. Sie ist Erbin der großen Erzählung von der westlichen Gesellschaft mit ihren Wurzeln in Vernunft und Logik. Die wissenschaftliche Revolution, die der westlichen Kultur so viel Schub verlieh, ermöglichte auch ihre Dominanz. Mit den Vorteilen, die mit einem lebendigen Markt, den stärksten Universitäten und den am besten ausgebildeten Eliten der Welt verbunden sind, ging Amerika davon aus, dass keine Gesellschaft würde mithalten können, wenn es um die entscheidenden Bereiche ging – um wirtschaftliche und militärische Stärke, um intellektuellen Einfallsreichtum und um moralische Überlegenheit.

    Und weil sie in der offensten Gesellschaft auf diesem Planeten leben, gingen die Amerikaner auch davon aus, dass die unterschiedlichen Mechanismen dieser offenen Gesellschaft sie schon alarmieren würden, sollte Amerika auf einen völlig falschen Weg geraten. Leider ist das in den vergangenen Jahrzehnten nicht geschehen. Die meisten Amerikaner sind sich nicht bewusst, dass das Durchschnittseinkommen der unteren 50 Prozent der Bevölkerung über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg gesunken ist.⁹ Das liegt nicht daran, dass man an einer einzelnen Stelle falsch abgebogen ist. Dieses Buch wird zeigen, dass Amerika sich deutlich von einigen zentralen Grundsätzen entfernt hat, die soziale Gerechtigkeit innerhalb der amerikanischen Gesellschaft definierten. Amerikas größter politischer und moralischer Philosoph der jüngeren Vergangenheit war John Rawls. In seinen Werken versuchte er, die Weisheit von Europas großen Philosophen zu destillieren. Von ihnen hatten auch Amerikas Gründerväter gelernt. Leider ist vielen Amerikanern gar nicht bewusst, wie sehr sie sich von einigen Gründungsgrundsätzen abgewendet haben.

    Ebenso sind sich nur wenige Amerikaner bewusst, dass sich die Welt, seit Amerika in den 1950er-Jahren auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, in vielen wichtigen Dimensionen verändert hat. Gemessen in Kaufkraftparitäten entfielen 1950 auf Amerika 27,3 Prozent des globalen BIP, während China nur auf 4,5 Prozent kam.¹⁰ 1990, in einem triumphalen Augenblick am Ende des Kalten Kriegs, stand Amerika bei 20,6 Prozent und China bei 3,86 Prozent. 2018 lag Amerika (15 Prozent) hinter China zurück (18,6 Prozent).¹¹ In einem wichtigen Aspekt ist Amerika bereits nur noch die Nummer 2. Nur wenige Amerikaner sind sich dessen bewusst und noch weniger haben darüber nachgedacht, was das bedeutet.

    Noch entscheidender: Der globale Kontext, vor dem die Rivalität zwischen den USA und China ablaufen wird, unterscheidet sich sehr von den Zuständen, die während des Kalten Kriegs herrschten. Die Welt ist komplexer geworden. Eines ist klar: Es ist nicht unmöglich, dass Amerika auch künftig die vorherrschende Weltmacht sein wird, aber wenn Amerika sich nicht an die Umstände anpasst, die in der neuen Welt herrschen, wird dieser Ausgang mit der Zeit immer unwahrscheinlicher.

    Was die zivilisatorische Dynamik anbelangt, kehrt die Welt zu einer Art historischem Gleichgewicht unterschiedlicher menschlicher Gesellschaften zurück. Mehr als 200 Jahre schnitt die westliche Gesellschaft deutlich besser ab als der Rest der Welt und konnte auf diese Weise historische Präzedenzen abschütteln. Vom Jahr 1 bis 1820 waren China und Indien stets die Gesellschaften mit den weltweit größten Volkswirtschaften gewesen. Insofern waren die vergangenen 200 Jahre eine Abweichung von der Norm.

    Dass der Westen die Welt nicht länger dominieren kann, liegt unter anderem daran, dass die restliche Welt so viel vom Westen gelernt hat. In Feldern wie Ökonomie, Politik, Wissenschaft und Technologie haben die anderen Länder vieles übernommen, was sich im Westen zum Standard entwickelt hat. Das Ergebnis: Weite Teile der westlichen Zivilisation (insbesondere Europa) wirken erschöpft, antriebsarm und energielos, während gleichzeitig andere Zivilisationen gerade erst loslegen. In dieser Hinsicht ähneln menschliche Gesellschaften anderen lebenden Organismen. Sie durchlaufen Lebenszyklen.

    Chinas Zivilisation hat viele Aufs und Abs hinter sich, insofern sollte es niemanden überraschen, dass sie jetzt wieder erstarkt. China existiert seit mehr als 2.000 Jahren und seine Zivilisation hat im Laufe der Zeit kräftige Sehnen entwickelt. Professor Wang Gungwu merkt an, dass die Welt viele alte Zivilisationen kennt, aber es nur eine einzige gibt, die viermal abgestürzt und wieder auferstanden ist – die chinesische. Als Zivilisation ist China erstaunlich widerstandsfähig, zudem ist das chinesische Volk ausgesprochen talentiert. Blicken die Chinesen auf ihre über 2.000 Jahre währende Geschichte zurück, ist ihnen sehr wohl bewusst, dass es der chinesischen Zivilisation, seit Qin Shi Huang im Jahr 221 vor unserer Zeitrechnung China vereinte, niemals so gut ergangen ist wie während der vergangenen 30 Jahre unter der Herrschaft der KPCh. Unter dem kaiserlichen System der vergangenen 2.000 Jahre ist der gewaltige Pool an zur Verfügung stehender Intelligenz größtenteils nie dermaßen entwickelt worden wie heute, in den vergangenen 30 Jahren wurde er zum ersten Mal in der Geschichte Chinas in enormem Umfang angezapft.

    Die Kombination aus kulturellem Selbstvertrauen, das die Chinesen seit Jahrhunderten besitzen, und dem vom Westen übernommenen Wissen verleiht der chinesischen Gesellschaft heute eine ganz besondere Vitalität. Jean Fan, eine chinesischstämmige Amerikanerin, die an der Uni Stanford im Bereich Wissenschaft forscht, besuchte 2019 China und merkte anschließend an: „China verändert sich auf eine weitreichende und instinktive Weise und es verändert sich schnell, auf eine Art und Weise, die, wenn man es nicht selbst erlebt, nahezu unverständlich ist. Im Gegensatz zu Amerikas Stagnation sind in China Kultur, Selbstverständnis und Moral einem raschen Wandel unterzogen – größtenteils zum Besseren."¹²

    Könnte man messen, wie sich die jeweilige Stärke und Widerstandskraft unterschiedlicher menschlicher Zivilisationen über einen Zeitraum von mehr als 2.000 Jahren entwickelt haben, könnte Chinas Zivilisation durchaus auf dem ersten Platz stehen. Die außerordentliche Vitalität von Chinas Gesellschaft ist kein Einzelfall. Auch andere asiatische Gesellschaften blühen auf, weil der Westen ein guter Lehrer für die restliche Welt war und seine Lehren breit gestreut hat.¹³

    Aufgrund einer ungewöhnlichen kulturellen Eigenart kann ich mich kompetent zur zivilisatorischen Vitalität unterschiedlicher asiatischer Gesellschaften äußern. Meine kulturellen Verbindungen reichen in diverse Gesellschaften Asiens hinein, Heimat der einen Hälfte der Menschheit, von Teheran bis Tokio. Geboren wurde ich 1948 in Singapur als Kind zweier hinduistischer Sindhi-Eltern, was mich mit mehr als einer Milliarde Hindus in Südasien verbindet. [Anm. d. Übers.: Sindhi wird vor allem in der südpakistanischen Region Sindh gesprochen.] In neun der zehn südostasiatischen Staaten weist die Kultur indische Wurzeln auf. Wenn ich in Südostasien Zeuge werde, wie Geschichten aus dem Ramayana und dem Mahabharata (ein fester Bestandteil meiner Kindheit) aufgeführt werden, spüre ich meine Verbindung zu ihnen. [Anm. d. Übers.: Es handelt sich um die beiden indischen Nationalepen.] Mehr als 550 Menschen leben in diesem südostasiatisch-indischen Raum. Meine Eltern waren 1947 wegen der schmerzhaften Trennung zwischen dem hinduistisch dominierten Indien und dem islamisch geprägten Pakistan ausgewandert. Als Kind lernte ich, Sindhi mit seiner arabischen Schrift zu lesen und zu schreiben. Mein Name Mahbubani stammt vom arabisch-persischen Wort mahbub ab, was so viel wie „Angebeteter" bedeutet. Wann immer ich also den arabischen oder iranischen Kulturraum besuche, kann ich dorthin ebenfalls eine kulturelle Verbindung spüren. Und wenn ich buddhistische Tempel in China, Korea und Japan aufsuche, kann ich ebenfalls eine Form der kulturellen Verbundenheit wahrnehmen. Die Ursprünge des Buddhismus mit seinen Wurzeln im Hinduismus liegen in Indien. Als ich klein war, ging meine Mutter zum Beten mit mir genauso in buddhistische Tempel wie in Hindutempel.

    Diese persönliche Verbindung zu einer erstaunlich weiten Spanne asiatischer Gesellschaften sowie meine zehn Jahre als Botschafter an den Vereinten Nationen haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass sich im Reich der internationalen Angelegenheiten die Textur und die Chemie der Welt auf eine Art und Weise gewandelt haben, von der die meisten Amerikaner nichts mitbekommen haben. 193 Nationalstaaten sind Mitglieder der UNO. Eine einfache Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen sollten: China oder die Vereinigten Staaten, welches Land schwimmt in dieselbe Richtung wie die Mehrheit der anderen 191 Staaten?

    Die meisten Amerikaner gehen davon aus, dass Amerikas Politik und Amerikas Ziele von Natur aus im Einklang mit dem Rest der Welt stehen, schließlich übt Amerika seit Jahrzehnten eine Führungsrolle gegenüber dem Rest der Welt aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab Amerika die allgemeine Richtung für die liberale internationale Ordnung vor (die „auf Regeln basierende internationale Ordnung" wäre vermutlich treffender). Die wichtigsten globalen multilateralen Institutionen entstanden allesamt auf dem Höhepunkt der amerikanischen Macht, darunter die Vereinten Nationen, die Welthandelsorganisation (WTO), der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Sie spiegeln amerikanische Werte wider und ihre kulturelle Identität ist westlich, nicht asiatisch oder chinesisch. Doch obwohl diese Institutionen westliche Werte und Prioritäten repräsentieren, hat sich Amerika in den vergangenen Jahren von ihnen abgewandt, während sich der Rest der Welt und insbesondere China ihnen zugewandt hat.

    Kurzum: Es ist alles andere als gewiss, dass Amerika den Wettstreit gewinnen wird. Chinas Chancen, als dominierender Einfluss auf der Weltbühne hervorzugehen, sind genauso groß wie die Amerikas. Tatsächlich bereiten sich viele aufmerksame Anführer und Beobachter in strategisch sensiblen Ländern rund um den Globus auf eine Welt vor, in der China die Nummer 1 sein könnte.

    Aber genauso wie es ein strategischer Fehler amerikanischer Denker war, einen Erfolg als unumgänglich vorauszusetzen, wäre es ein ebenso kolossaler strategischer Schnitzer Chinas, nun seinerseits einen Erfolg als garantiert zu erachten. Wenn es um die Größe und die Widerstandsfähigkeit seiner Gesellschaft geht, genießt China viele Vorteile, aber Chinas Führung wäre schlecht beraten, würde sie die grundsätzliche Stärke der amerikanischen Wirtschaft und Gesellschaft unterschätzen. Nachdem die Finanzkrise 2008/2009 (die man treffender als „Finanzkrise im Westen" bezeichnen sollte) die Volkswirtschaften des Westens erschütterte, ließ sich China unvernünftigerweise zu einem arroganten Auftreten hinreißen. Das kam das Land teuer zu stehen. Zum Zeitpunkt der Krise rund um die Bank Lehman Brothers wirkte es, als hinge das viel gerühmte amerikanische Finanzsystem in den Seilen. Chinas Führung war so unklug, sich abfällig über Amerika zu äußern. Zehn Jahre später hat sich Amerika wieder erholt. Wäre ich ein ranghoher Berater von Chinas Präsident Xi Jinping, würde ich Xi dringend ans Herz legen, Amerikas Stärken eher zu überschätzen als zu unterschätzen. Und würde man mich bitten, für Präsident Xi ein Memo über Amerikas große Stärken zu erstellen, würde dieses Schriftstück so aussehen:

    Memo an den Genossen Xi Jinping: „Vorbereitung auf die große Auseinandersetzung mit Amerika"

    1. Januar 2020

    In 20 Jahren jährt sich zum 200. Mal der Jahrestag der erniedrigendsten Phase der chinesischen Geschichte. Wir, das chinesische Volk, wurden von den Briten gezwungen, als Bezahlung für unseren kostbaren Tee Opium zu akzeptieren. Wie Genosse Xi sagte: „Der Opiumkrieg von 1840 stürzte China in die Dunkelheit innerer Unruhen und ausländischer Aggression. Das vom Krieg geplagte Volk musste mitansehen, wie sein Heimatland zerrissen wurde, und es lebte in Armut und Verzweiflung."¹⁴ Wir waren schwach. Wir haben 100 Jahre der Erniedrigung erlitten, bis der Vorsitzende Mao bei der Gründungszeremonie für die Volksrepublik China erklärte: „Das chinesische Volk hat sich erhoben."¹⁵

    Heute sind wir stark. Keine Macht kann China erniedrigen. Wir befinden uns auf dem Weg zu einer nationalen Verjüngung. Bei der Eröffnung des 19. Parteitags der KPCh inspirierte Genosse Xi uns mit seiner Erinnerung: „Das Hauptthema dieses Parteitags lautet: Die ursprüngliche Zielvorstellung im Kopf behalten, die Mission beherzigen, das große Banner des Sozialismus chinesischer Prägung hochhalten, den entscheidenden Sieg der umfassenden Vollendung des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand erringen, um große Siege des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter kämpfen und ununterbrochen nach Verwirklichung des chinesischen Traums des großartigen Wiederauflebens der chinesischen Nation streben."¹⁶

    Dennoch sehen wir uns jetzt der größten Herausforderung auf dem Weg zu Chinas Verjüngung ausgesetzt. Wir hatten gehofft, dass das „schöne Land weiterschlafen würde, während China aufsteigt. [Anm. d. Übers.: Auf Mandarin heißt Amerika meiguo ( ), wörtlich „schönes Land.] Leider jedoch ist es mittlerweile erwacht. Wir müssen uns auf eine intensive Auseinandersetzung in den nächsten paar Jahrzehnten vorbereiten, bevor wir unser Ziel der nationalen Verjüngung erreichen.

    Es wäre ein gewaltiger strategischer Fehler, die großen Stärken Amerikas zu unterschätzen. Das chinesische Volk fürchtet Chaos. Es ist die eine Kraft, die China in der Vergangenheit in die Knie gezwungen hat und großes Leid über das chinesische Volk brachte. Ganz offenkundig erleidet Amerika derzeit Chaos. Präsident Donald Trump war eine polarisierende und spaltende Persönlichkeit. Seit dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 war die amerikanische Gesellschaft niemals derart gespalten.

    Chaos sollte ein Zeichen von Schwäche sein, doch für Amerika ist es ein Zeichen von Stärke. Das Chaos ist die Folge davon, dass die Menschen lautstark darüber streiten, welche Richtung Amerika einschlagen sollte. Dass die Menschen so laut streiten, liegt daran, dass sie glauben, das Land gehöre ihnen und nicht der Regierung. Dieses Besitzgefühl sorgt beim amerikanischen Volk für ein gewaltiges Maß an individueller Befähigung. Die chinesische Kultur schätzt gesellschaftliche Harmonie höher als die Befähigung des Einzelnen. In Amerikas Kultur ist es genau andersherum.

    Dieses Gefühl der individuellen Befähigung hat es der amerikanischen Gesellschaft erlaubt, einige der mächtigsten Personen auf dem Planeten Erde hervorzubringen. In vielen Gesellschaften wird der Nagel, der hervorsteht, flach gehämmert. Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Ein hoher Baum steht im Wind" (shù dà zhāo fēng, ) – eine Person in herausragender Position muss sich darauf

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