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Eine Familie für den Cowboy
Eine Familie für den Cowboy
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eBook330 Seiten4 Stunden

Eine Familie für den Cowboy

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Über dieses E-Book

Helden fahren normalerweise keine schäbigen Pickup Trucks oder brechen Frauenherzen. Doch Macy Joyces Held, Garrett Grayson, ist in beiden Punkten schuldig. Macy braucht keinen Helden in ihrem Leben, nur jemanden, der ihr bei der Rancharbeit zur Hand geht und herausfinden kann, wer ihre Zäune durchschneidet und Steine durch ihr Fenster wirft. Garrett hat gerade Urlaub von der Armee und nimmt sich des Problems an. Die Frage ist nur, ob Macy damit umgehen kann, dass ihr Puls jedes Mal zu rasen beginnt, wenn sie ihn sieht. Und kann sie damit umgehen, dass ihr sechs Jahre alter Sohn diesen Mann vergöttert, der seit ihrer Schulzeit einen Platz in ihrem Herzen hat? Kann sie damit umgehen, dass Garrett sie wieder verlassen wird? Denn das ist unvermeidlich.

 

So wie Garrett die Sache sieht, war er nie für Macy da, sondern hat sie einfach nur verlassen. In seinen Augen hat er eine Frau wie sie nicht verdient. Doch dann ruft Macys Bruder, der vor Jahren sein bester Freund war, an und bittet ihn darum, sie zu beschützen. Garrett willigt ein, denn er weiß, dass es nur vorübergehend ist. Er glaubt, dass er ohne Weiteres auf der Ranch arbeiten kann, ohne sich wieder mit Macy einzulassen. Seit seiner wilden Jugend versucht Garrett seinen Namen reinzuwaschen, indem er den Einwohnern von Heartstring beweist, dass er sich geändert hat und ihnen eine helfende Hand reicht, wo er nur kann. Wenn er allerdings Macys Herz noch einmal bräche, würde er damit nur beweisen, dass er sich kein bisschen verändert hat. Deshalb hält er sich soweit es möglich ist von ihr fern. Dabei muss er nur sein pochendes Herz ignorieren, das jedes Mal höher schlägt, wenn er sie sieht, denn aus Macy ist eine wunderschöne und auffallend attraktive Frau geworden. Aber er will ihr seine Gefühle nicht offenbaren. Um keinen Preis.

 

Das Problem dabei ist nur, dass er nicht damit gerechnet hat, wie schwer es sein würde, der einzigen Frau, die er je geliebt hat, den Rücken zu kehren.   

SpracheDeutsch
HerausgeberRelay Publishing
Erscheinungsdatum5. Jan. 2022
ISBN9798201846855
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    Buchvorschau

    Eine Familie für den Cowboy - Leslie North

    EINS

    Wenn man sich langweilte, konnten dreißig Tage eine halbe Ewigkeit sein.

    Garrett Grayson warf einen Blick auf die Uhr, die ihm wie ein altbekannter Feind entgegen starrte. Bildete er es sich nur ein oder bewegten sich die Zeiger tatsächlich langsamer?

    Natürlich kannte Garrett das Gefühl von Langeweile. Er war oft genug Streife gelaufen und hatte dabei einen Red Bull nach dem anderen getrunken, um nicht einzuschlafen. Wenn er jemanden überwacht hatte, hatte sich oft überhaupt nichts geregt und er hatte die Nacht erschöpft und mit voller Blase beendet.

    Doch Langeweile in Heartstring, Wyoming war eine völlig andere Sache. Dafür konnte er niemandem außer sich selbst die Schuld in die Schuhe schieben. Er hatte gerade Urlaub von der Armee und hatte seit seiner Ankunft pausenlos gearbeitet. Er schuftete sechzehn Stunden am Tag mit einem Enthusiasmus, der ihn selbst überraschte. Er hatte geglaubt, dass er nach all den Jahren irgendwann genug davon haben würde, Buße zu leisten. Die Zeiten, in denen er in der Stadt Unruhe gestiftet hatte, lagen längst hinter ihm. Seine Großmutter war mittlerweile seit fünf Jahren tot und sein Großvater bereits acht, während sein Vater offenbar alles daransetzte, sich zu Tode zu saufen. Ihn verband nichts mehr mit seiner Heimat außer Schuld.

    Und diese Schuld hieß er willkommen.

    Es lag fast ein Jahrzehnt zwischen dem Mann, der er heute war und dem wütenden, verbitterten Teenager, der bei jeder Gelegenheit die Fassung verloren hatte. Doch ein Jahrzehnt war nicht genug, ein ganzes Leben würde nicht ausreichen, um die Vergangenheit zu ändern.

    Doch er hatte derart viel Buße geleistet, dass ihm irgendwann die Arbeit ausgegangen war. Während der ersten drei Tage war er mit einem Pickup voller Dachnägel und Dichtungskitt die Häuser der Rentner in Heartstring abgefahren. Nach einem milden Winter hatten sie allerdings nicht viel Hilfe mit ihren Dächern benötigt. Am vierten Tag hatte er die Graffiti-Schmierereien entlang der Hauptstraße in Angriff genommen, doch auch diese Aufgabe hatte ihn nicht lange beschäftigt. Entweder hatte die Jugend von Heartstring ihr Interesse an der Kunst verloren oder sie war zu einer weniger dauerhaften Form des Vandalismus übergegangen. Am fünften Tag hatte er sich angeboten, für die Gemeindeparks erhöhte Rabatten zu bauen und war davon ausgegangen, dass er sich den Rest seines Aufenthalts damit vertreiben könnte. Doch als er am Tag zuvor seine neunte Rabatte abgeliefert hatte, hatte ihn der Parkdirektor um Gnade angefleht, da er nicht ausreichend Stauraum dafür hatte.

    Jetzt musste er irgendwie die kommenden zwölf Tage totschlagen, bevor er seine Sachen packen und wieder aus Heartstring verschwinden würde.

    Um anderswo Buße zu leisten.

    Garrett ging in seinem schäbigen Apartment auf und ab. Da er nur wenig Miete bezahlte, behielt er die Wohnung als eine Art heimatliche Basis, um während seines Urlaubs einen Rückzugsort zu haben. Die kleine Wohnung erinnerte ihn an die Kaserne und auf gewisse Weise hatte das eine beruhigende Wirkung auf ihn.

    Aufgrund seiner Klaustrophobie erschien ihm das Apartment allerdings mehr wie eine Höhle.

    Er ließ sich zu Boden fallen und machte dreißig Liegestützen, dann sprang er wieder auf die Füße. Er wollte gerade eine Runde Jumping Jacks beginnen, als sein Handy klingelte.

    Dankbar für die Ablenkung, griff er danach und machte sich keine Gedanken darüber, dass er die Nummer des Anrufers nicht kannte. Zu diesem Zeitpunkt hätte er sich sogar mit einem Televerkäufer unterhalten. Sie arbeiten für einen nigerianischen Prinzen? Aber sicher, ich bin ganz Ohr. Ich habe eine Menge Zeit.

    „Grayson", keuchte er und war überraschenderweise außer Atem. Offensichtlich hatte die lange Weile nicht nur seiner geistigen, sondern auch seiner körperlichen Verfassung geschadet.

    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Garrett dachte schon, dass die Verbindung unterbrochen worden war und wollte gerade etwas sagen, als er einen vertrauten Laut hörte. Jemand sog langsam die Luft ein. Ihm stellten sich die Nackenhaare zu Berge.

    „Duncan? Fast hätte er die Nummer auf dem Display überprüft. „Wolltest du mir irgendetwas sagen? Oder rufst du nach zehn Jahren das erste Mal an, nur um wie ein verrückter Widerling ins Telefon zu atmen?

    Sein Freund, der einmal sein bester Kumpel gewesen war, sog wieder die Luft ein und Garrett umfasste sein Handy mit festem Griff, um nicht laut loszuschreien. Er hatte sich diese Unterhaltung Millionen Male in seiner Vorstellung ausgemalt, doch nie war sie auf diese Weise abgelaufen. Er hatte immer gehofft, dass Duncan ihn irgendwann einfach anrufen würde, schließlich waren sie mittlerweile erwachsen. Außerdem lebte Duncans Vater nicht mehr, was bedeutete, dass auch für ihn keine Bedrohung mehr bestand.

    Er hatte nur gehofft, dass Duncan auch etwas zu sagen hatte, wenn er anrief.

    Wie zum Beispiel: Es tut mir leid oder Wollen wir uns auf ein Bier treffen?

    In warnendem Ton sagte Garrett: „Ich habe noch einiges zu erledigen."

    Das war gelogen. Er wollte mit Duncan sprechen und freute sich, dass Duncan offenbar bereit war, mit ihm zu reden. Doch dieses unbehagliche Schweigen war ihm zuwider. Er wurde nicht gerne daran erinnert, wie das einst so starke Band ihrer Freundschaft irgendwann zerrissen war. Er zog es vor, Duncan zu vermissen, statt ihn anzuschweigen. „Ich werde jetzt auflegen."

    „Nein, sagte Duncan schließlich und Garrett musste sich unwillkürlich setzen. Er stützte seinen Kopf auf eine Hand. „Leg nicht auf.

    „Ich bin noch da. Garrett rieb sich mit einer Hand die Augen und versuchte, wieder klar zu sehen. Allerdings machte das keinen Sinn, denn es waren seine Ohren, die ihn zu täuschen schienen. „Dunk. Der alte Kosename kam ihm unwillkürlich über die Lippen. „Was zur Hölle soll das?"

    Falls Duncan den flehenden Unterton in Garretts Stimme bemerkt hatte, so ließ er sich nichts anmerken. Durch das Getratsche in der Stadt und nach einigen Abenden, an denen er nach zu viel Bier das Internet durchforstet hatte, wusste er, dass Duncan Joyce in Dallas ein gefragter Anwalt war.

    „Du bist in Heartstring? Duncans Stimme hatte einen eindringlichen Unterton angenommen, bei dem Garrett augenblicklich Mitleid mit jedem Zeugen bekam, den Duncan im Laufe seiner Karriere je ins Kreuzverhör genommen hatte. „Hast du während der nächsten zwölf Tage Urlaub?

    „Du rufst mich nach all den Jahren an, um mich über meinen Urlaub auszufragen?"

    Duncan schwieg.

    „Gibt es sonst noch etwas?"

    Natürlich gab es noch etwas, und Duncan wusste es.

    Was würde geschehen, wenn er es ihm sagen würde? Hier und jetzt? Dein verstorbener Vater war ein Arschloch, Duncan und er ist schuld daran, dass wir jahrelang nicht miteinander gesprochen haben. Er ist auch daran schuld, dass ich deiner Schwester das Herz gebrochen habe.

    Vielleicht wusste es Duncan bereits. Vielleicht rief er deshalb an und Garrett hatte gerade alles ruiniert, indem er sich wie ein Arschloch verhalten hatte. Es wäre nicht das erste Mal. „Nein. Offenbar nicht. Hallo, wie geht’s dir. Es ist auch schön, von dir zu hören, Duncan", begann er.

    „Genau. So in der Art, sagte Duncan zögerlich, wobei seine Stimme plötzlich einen sanften Unterton angenommen hatte. „Garrett. Ich brauche deine Hilfe.

    Natürlich. Man hatte ihm nicht vergeben. Duncan hatte ihn nicht aus dem Nichts angerufen, nur um ihre Freundschaft wiederaufleben zu lassen. Er hatte also auch nicht den wahren Grund dafür herausgefunden, warum er Heartstring verlassen hatte. Und offenbar hatte sein Vater kurz vor seinem Tod kein Geständnis gemacht, das Garrett entlastet hätte.

    Er war immer noch der böse Junge.

    Dann war es sicher kein Problem, wenn er sich auch wie einer benahm.

    Ihm entfuhr ein spöttisches Schnauben. „Dir helfen? Du machst wohl Witze."

    „In Ordnung. Dann eben nicht mir."

    „Komm endlich zur Sache, Duncan."

    Duncan atmete noch einmal tief durch. „Garrett, Macy braucht Hilfe."

    Als er ihren Namen hörte hatte er das Gefühl, als hätte man ihm gerade einen Eimer mit Eiswasser übergegossen. Er erstarrte.

    Duncan verstand sein Schweigen als Ablehnung. „Komm schon, Gray-man. Der Kosename war wie ein Schlag in seine Magengrube. „Ich weiß, dass wir nicht im Guten auseinandergegangen sind. Garrett schnaubte wieder. „Aber Macy steckt in Schwierigkeiten. Er hielt inne. „Sie braucht einen Leibwächter.

    „Wie bitte?"

    „Sie ist auf der Ranch."

    „Pride and Joyce?" Der Ort war wie ein zweites Zuhause für ihn gewesen. Das war lange her.

    „Meine Mutter und sie und… Duncan verstummte. „Mein... Neffe.

    Noch ein Eimer mit Eiswasser, diesmal noch kälter als der erste. „Ja. Ich habe gehört, dass du Onkel geworden bist. Diese Worte kamen ihm leichter über die Lippen, als Macy eine Mutter zu nennen. „Meine Glückwünsche nachträglich. Er ballte die Hand zur Faust, bis seine Fingernägel in sein Fleisch schnitten.

    „Trey ist sechs Jahre alt. Duncan sagte das mit einem gewissen Stolz. „Er ist der einzige Mann im Haus und nimmt seine Rolle sehr ernst. Aber sie stecken in Schwierigkeiten.

    „Was für Schwierigkeiten?" Garret spürte, wie sich sein Beschützerinstinkt einschaltete und von seinem Körper Besitz ergriff.

    „Möglicherweise bedeutet es gar nichts. Aber vielleicht ist da doch etwas. Der Zaun wurde durchtrennt und die Pferde sind entkommen… Und sie hat mir erzählt, dass letzte Nacht jemand den Strom abgeschaltet hat…"

    „Wer denn?"

    „Ich weiß es nicht. Duncans Stimme klang hart. „Und es treibt mich noch in den Wahnsinn. Ich kann von Dallas aus nichts tun, daher dachte ich, dass…

    „Ich helfen kann?"

    „Bitte, Garrett. Wenn dir unsere Freundschaft je etwas bedeutet hat..."

    „Das weißt du genau."

    Duncan verstummte. Garrett wünschte sich, dass er die Worte zurücknehmen konnte, denn er hatte in seinem Freund keine Schuldgefühle erwecken wollen. Ihre gemeinsame Vergangenheit war viel zu verworren. Wenn er ihre Freundschaft wieder aufleben lassen wollte – und das wollte er – dann täte er besser daran, die begangenen Fehler ruhen zu lassen und neu anzufangen.

    „Vergiss es, das hätte ich nicht sagen sollen, knurrte er. „Tut mir leid.

    „Schon gut, das ist nicht wichtig. Duncan räusperte sich. „Das einzige, was jetzt wichtig ist, ist Macy.

    Duncan hatte ihn in der Tasche und das wusste er. In dem Moment, als er Macys Namen genannt hatte, konnte Garrett nicht mehr ablehnen. „Weiß sie, dass du mich angerufen hast?"

    Duncan lachte. „Das lass mal meine Sorge sein. Ich werde es meiner Schwester schon noch sagen."

    „Keine einfache Aufgabe, bemerkte Garrett. „Ich beneide dich nicht darum.

    „Dann wirst du es also tun?"

    Von all den Fehlern, die er in der Vergangenheit begangen hatte, gab es einen, der ihm besonders schwer im Magen lag. Er hätte nie geglaubt, dass er einmal die Chance haben würde, dafür zu büßen. Er hatte immer gehofft, dass er Macy wiedersehen würde. Er wusste, dass sie nie wieder zusammenkommen würden, dafür war es zu spät, aber er würde seinen Fehler endlich wiedergutmachen können.

    Er hätte nur nie geglaubt, dass ausgerechnet Duncan derjenige sein würde, der ihm diese Chance geben würde.

    Garrett stand auf. „Ja, Dunk. Ich werde es tun. Ich fahre gleich zu ihr."

    Müdigkeit konnte sich auf verschiedene Arten bemerkbar machen, dachte Macy Joyce bei sich, als sie sich eine Tasse schwarzen Kaffee einschenkte. Es war bereits ihr fünfter heute. Zum einen war da die geistige Erschöpfung, die man empfand, nachdem man einen sechs Jahre alten, lebhaften Jungen einen ganzen Sonntag lang beschäftigt hatte. Trey war ein gutes Kind, aber Macy fühlte sich dennoch wie die Leiterin eines Feldlagers, während sie die ganze Zeit über aufpasste, dass er sich nicht verletzte. Dann war da die körperliche Ermüdung, die man nach einem langen Tag Arbeit empfand. Es gehörte eine Menge dazu, ein so großes Unternehmen, wie die Pride and Joyce Ranch am Laufen zu halten.

    Und da war eine tiefsitzende Ermattung der Seele, die einen bis auf die Knochen durchdringen konnte, wenn man als Zielscheibe herumlief.

    Sie konnte es eigentlich nicht glauben. Sie wusste natürlich, was die Einwohner von Heartstring hinter ihrem Rücken über sie sagten. Eine alleinerziehende Mutter, die ohne einen Mann eine Ranch wie Pride und Joyce führte? So etwas hatte es in dieser Kleinstadt noch nie gegeben. Doch trotz all des Geredes hätte sie es nie für möglich gehalten, dass sich jemand auf diese Weise gegen sie stellte.

    Sie konnte nicht leugnen, dass die anfänglichen Streiche immer schlimmer wurden. Einmal hatte sie das Geräusch von klirrendem Glas aus dem Schlaf aufschrecken lassen. Jemand hatte einen Stein durch ihr Wohnzimmerfenster geworfen.

    Einen scharfkantigen, schweren Stein.

    Gott sei Dank hatte Trey an diesem Morgen länger geschlafen. Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn er wie gewöhnlich vor dem Sonnenaufgang wach geworden wäre.

    Macy erschauerte bei dem Gedanken.

    Sie trank einen großen Schluck Kaffee und beäugte dann argwöhnisch ihre Tasse. War es möglich, dass Kaffee ab einem gewissen Punkt keine Wirkung mehr zeigte? Hatte ihre Mutter versehentlich den entkoffeinierten gekauft? Sie rieb sich die Augen. Warum war sie nur so müde?

    Vielleicht sollte sie einfach die Augen schließen. Nur für eine Sekunde.

    Das Geräusch von Autoreifen, die über den Kies in der Einfahrt fuhren, ließ sie hochschrecken. Ich bin gerade im Stehen eingeschlafen, dachte sie verblüfft. Sie blickte zum Fenster hinaus und fragte sich, ob sie noch immer schlief. Und träumte.

    Was gab es sonst für einen Grund, warum Garrett Grayson vor ihrem Haus aus seinem Pickup stieg? Er hatte zuerst ihr Herz gebrochen und war dann verschwunden. Bis heute.

    Falls sie träumte, dann hatte sie ohne Zweifel einen Albtraum.

    Macy konnte noch immer nicht recht glauben, was eigentlich geschah, doch sie ging, um die Tür zu öffnen.

    Als sich ihre Blicke trafen, blieb Garrett wie angewurzelt stehen. Er verharrte mitten in der Einfahrt in der Mittagshitze und blickte zu ihr auf, während sie im Schatten der Eingangstür verborgen blieb. Es war ein gutes Gefühl, ihn so von oben herab zu betrachten. Für einen kurzen Augenblick verspürte sie ein Gefühl der Macht, das allerdings gleich wieder verschwand als sie sah, wie er sich nach all den Jahren verändert hatte.

    Sein Körper war kräftiger als damals. Er war zum Mann geworden, trug einen Dreitagebart und hatte die gerade Haltung eines Soldaten. Sie wusste, dass er sich verpflichtet hatte kurz nachdem er ihr Herz gebrochen hatte. Die Armee hatte ihm gut getan und sie verabscheute die Tatsache, dass sie es sofort bemerkt hatte.

    „Guten Morgen Macy", sagte er gedehnt und tippte zur Begrüßung an seinen alten Cowboyhut, an den sie sich noch erinnern konnte.

    Die alte Vertrautheit, die zwischen ihnen flüchtig aufblitzte, zwang sie zu einer höflichen Antwort, statt ihm die Flüche an den Kopf zu werfen, die ihr auf der Zunge lagen. „Garrett, sagte sie. „Was tust du hier?

    Er antwortete nicht. Das überraschte sie nicht. Garrett hatte schon immer zuerst nachgedacht, bevor er etwas laut aussprach. Macy konnte es ihm am Gesicht ablesen und sie wusste genau, warum er jetzt mit gerunzelter Stirn zu dem mit Brettern vernagelten Fenster sah.

    Sie schloss die Augen und hielt sich am Türrahmen fest, um die Balance nicht zu verlieren. „Es ist nichts, Garrett."

    „Sieht nicht gerade wie nichts aus." Er nickte, als hätte sie gerade seine Gedanken bestätigt.

    Sein Nicken machte Macy nervös. Sie warf einen Blick auf seinen Truck. „Was haben all diese Sachen zu bedeuten?

    Garrett nickte noch einmal entschlossen, bevor er die Ladeklappe seines Pickups öffnete. „Duncan sagte, dass du in letzter Zeit mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hattest."

    „Warte mal, ist das ein Koffer?, rief Macy mit schriller Stimme. Dann registrierte sie, was Garrett gerade gesagt hatte. „Du hast mit meinem Bruder gesprochen? Über mich?

    Garrett hob beschwichtigend eine Hand in die Höhe und blinzelte langsam. Macy konnte spüren, wie eine alte Lust in ihr aufflatterte, die zwar lange in ihrem Inneren geruht hatte, aber noch immer am Leben war. „Dann hat Dunk dich also nicht angerufen, um dir die Neuigkeiten mitzuteilen?"

    „Welche Neuigkeiten?" Sie verschränkte die Arme vor der Brust und unterdrückte den Drang, laut loszuschreien.

    „Dunk hat mir erzählt, dass du hier ein wenig Hilfe gebrauchen könntest. Von einem Leibwächter. Er stand breitbeinig da, wobei er jedoch von einem Fuß auf den anderen trat. Der Anblick wäre fast liebenswert gewesen, wenn Macy nicht so wütend gewesen wäre. Er zeigte zu dem vernagelten Fenster. „Damit hat er wohl nicht ganz unrecht.

    Sie hob ihr Kinn, während sie hin und hergerissen war zwischen der Wut auf ihren Bruder, der offenbar annahm, dass er für sie die Entscheidungen treffen konnte und der Wut auf Garrett, der glaubte, dass er auf der Ranch willkommen war. Er konnte von Glück reden, dass sie die Tür nicht mit ihrer Schrotflinte geöffnet hatte. „Doch, Garrett, fauchte sie. „Er hat verdammt nochmal unrecht, und das werde ich ihm sagen, sobald du von hier verschwunden bist.

    Garrett bedachte sie mit einem eindringlichen Blick. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, um ihm standzuhalten und ihm nicht plötzlich irgendwelche Fragen über ihre Vergangenheit an den Kopf zu werfen. Wo warst du? Warum hast du mich einfach so verlassen? Was zum Teufel ist nur mit uns geschehen, Garrett? Es machte keinerlei Unterschied. Das war eine halbe Ewigkeit her.

    Sie fragte sich, ob sich ihre Gedanken ebenso wie Garretts auf ihrem Gesicht widerspiegelten. Plötzlich schlug er die Ladeklappe zu und tippte sich an den Hut. „In Ordnung, dann entschuldige bitte die Störung, Macy-May." Der alte Kosename umhüllte sie wie ihr altes Lieblingssweatshirt und sie hasste ihn dafür. Dafür, dass er sich daran erinnert hatte. Er bedachte sie mit einem letzten Blick.

    „Aber es war schön, dich wiederzusehen", sagte er so leise, dass sie ihn fast nicht gehört hätte.

    Sie wünschte sich, sie hätte es nicht gehört.

    Macy wandte sich um und schloss die Tür hinter sich, dann lehnte sie sich dagegen und verharrte, bis sie hörte, wie sein Truck sich langsam entfernte.

    Warum nur fühlte sie sich plötzlich so leer? Gegen ihren Willen wiederholte sie ihre Begegnung noch einmal im Geiste. Sie sah ganz deutlich vor sich, wie Garrett vor ihr gestanden und sie angesehen hatte. Sie hielt inne und sah dann noch einmal, wie er sich an den Hut tippte. Es war als betrachtete sie einen Film über all die Dinge, die sie bedauerte.

    Er fehlte ihr nicht. Das war unmöglich. Sie konnte nicht darauf hoffen, dass er umkehrte und zurückkam. Das wäre einfach lächerlich. Sie musste sich zusammenreißen, denn sie hatte im Moment zu viel um die Ohren.

    Sie nahm ihre Tasse und umfasste sie mit festem Griff. Der Kaffee war eiskalt, doch das war nicht wichtig. Sie war endlich hellwach.

    „Ich bringe Duncan um, murmelte sie und ging mit energischen Schritten in die Küche, um den Kaffee in den Ausguss zu schütten. „Nein. Ich werde nach Dallas fliegen, um ihn mit bloßen Händen zu erwürgen. Sie kniff die Augen zusammen und blickte zum Küchenfenster hinaus.

    Die Hügel breiteten sich in sanften Wogen vor ihr aus und bildeten ein Meer aus grünem Gras und Wildblumen. Der Anblick hatte normalerweise eine beruhigende Wirkung auf sie. Sie hielt noch immer ihre Tasse in der Hand und atmete tief durch, während sie den Horizont absuchte.

    Das Vieh war im Nordwesten zusammengerottet und wirkte wie ein seltsamer brauner Knoten, der sich langsam auflöste.

    Macy ließ die Tasse in die Spüle fallen. „Verdammt, fauchte sie und rannte zur Tür. „Nicht schon wieder.

    ZWEI

    In den Morgenstunden dachte Garrett oft an seine Großeltern.

    Für ihn waren sie immer alt gewesen, aber wenn er jetzt zurückblickte, waren sie nur fünfzig und zweiundfünfzig Jahre alt, als sie sich der Herausforderung stellten, ihn großzuziehen. Wie aus dem Nichts war sein Großvater damals an diesem Herbstnachmittag im Haus seines Vaters erschienen und hatte nicht einmal an die Tür geklopft. Seine Stiefel hatten auf dem schmutzigen Fußboden ein knirschendes Geräusch verursacht, während er sich in der Küche mit zwei Koffern in der Hand langsam um die eigene Achse gedreht hatte. Seine Großmutter hatte sich neben ihn gestellt und sich einen Zeigefinger auf die Lippen gelegt. Die weißen Strähnen in ihrem dunklen Haar waren das einzig Leuchtende in dem dämmerigen Licht gewesen.

    Garrett hatte vor Schock nur nicken können, während er auf die Koffer gestarrt hatte.

    Mit fast sieben Jahren hatte Garrett noch nie zuvor etwas derart Sauberes gesehen. Seinen Großeltern war nicht entgangen, dass sein Vater mehr damit beschäftigt gewesen war, in die Flasche zu schauen, statt sich um Garrett zu kümmern. Die Koffer waren brandneu gewesen und Garrett hatte sich geweigert, seine schmutzige, schäbige Kleidung in einen so perfekten und glänzenden Behälter zu stecken.

    Deshalb hatte seine Großmutter in aller Stille seine Sachen für ihn gepackt, während sie alle darauf geachtet hatten, seinen Vater nicht zu wecken, der besoffen auf der Couch geschlafen hatte.

    Garrett würde die erste Woche in seinem neuen Zuhause nie vergessen. Er war ein wildes Kind gewesen, dessen einzige Regelmäßigkeit die Sauftouren seines Vaters gewesen waren. Als seine Großeltern ihn aus dem verschmutzten, verrauchten Haus geholt und ihn in ihr sauberes Häuschen verfrachtet hatten, hatte er sich gefühlt wie ein Abenteurer, der auf einer unbekannten Insel gestrandet war.

    Statt dankbar für regelmäßige Mahlzeiten und saubere Kleidung zu sein, war er wütend gewesen, weil er seine Freiheit verloren hatte. Er hatte geschrien und seine neuen Spielsachen um sich geworfen. Er hatte absichtlich die Sammlung der Porzellanfiguren seiner Großmutter zerbrochen. Er hatte seinen Großvater abscheulich und alt genannt und sich lautstark gewünscht, dass er vom Pferd fiel und sich die Hüfte brach.

    Er war ein schreckliches Kind gewesen, doch sie hatten nie aufgegeben.

    Auch wenn die meisten Tage mühselig und ein einziger Kampf gewesen waren, hatten sie beim Frühstück immer zusammengesessen. Sie hatten schweigend gegessen und die Sünden vom Vortag beiseitegeschoben. Und während sie friedlich am Küchentisch gesessen hatten, hatte er beobachtet, wie sich die Sonne über den Horizont erhob.

    Seitdem war Garrett ein Frühaufsteher und hatte als Teenager in der Schule als Mysterium gegolten. In der Armee war er der einzige Rekrut gewesen, der keine Probleme damit hatte, um fünf Uhr morgens aufzustehen. Meistens war er sogar schon vorher wach.

    An diesem Morgen war er aufgestanden noch bevor die Sonne überhaupt daran gedacht hatte, sich über der Stadt zu erheben.

    Er hatte nicht schlafen können. Vielmehr hatte er sich bemüht, nicht einzuschlafen.

    Denn jedes Mal, wenn er die Augen geschlossen hatte, hatte er von Macy geträumt.

    Er aß sein Müsli und kaute energischer als es nötig war, während er im Morgengrauen aus dem Fenster sah. Es hatte ihn völlig durcheinandergebracht, sie wiederzusehen. Nicht wegen ihrem Aussehen – sie hatte schon immer bezaubernd ausgesehen und daran hatte sich nichts geändert. Es war ihr Verhalten, dass ihn so aus der Bahn warf.

    Sie war hart. Entschlossen. Und ganz und gar eine Frau. Sie war gewachsen, und zwar genau an den richtigen Stellen. Sie war bereits hübsch gewesen, als sie sich zum ersten Mal unterm offenem Sternenhimmel geküsst hatten. Doch jetzt?

    Jetzt sah sie absolut umwerfend aus.

    Und sie brauchte Hilfe, auch wenn sie das nie zugeben würde. Er wusste, dass Macy es sich nie eingestehen würde und dass sie sich eher in Grund und Boden schuften würde, um zu beweisen, dass sie alles im Griff hatte. Duncan war von ihnen beiden der ältere, aber er hatte nicht einmal halb so viel Schneid wie Macy. Es würde nicht leicht werden,

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