Nie wieder weinen, Mami: Mami Bestseller 92 – Familienroman
Von Gisela Reutling
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Über dieses E-Book
Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt!
In diesem Frühjahr gab es aufregende Tage für Gaby. Sie wollten nämlich umziehen. Die Mami hatte eine Wohnung in einem Neubau gemietet. Heute waren sie hingefahren, um nachzusehen, ob Frau Mertens, die Haushaltshilfe, die Fenster schon geputzt und die Böden gewischt hatte. Umziehen wollte man am Montag. »Was ist das doch für ein großes Haus«, stellte Gaby fest, während sie einen Bogen um die Bausteine und leeren Papiersäcke machten, die noch vor dem Eingang lagen. »Viel größer als das, in dem wir bis jetzt gewohnt haben, ja, Mami?« »Dafür ist unsere Wohnung viel kleiner«, bemerkte Dagmar. »Och, so klein auch wieder nicht«, sagte ihr Töchterchen, das ein sonniges Gemüt hatte. Und es fügte hinzu: »Hoffentlich ziehen da auch viele Männer rein!« Dagmar nickte gedankenlos. Sie überlegte gerade, ob sie nicht doch noch neue Küchenvorhänge kaufen sollte, damit nicht jeder Vorübergehende hereinschauen konnte. Wenn ein Alltagsproblem sie beschäftigte, hörte sie manchmal nicht auf das, was ihre Kleine so dahinplapperte. Aber plötzlich stutzte sie. Was hatte Gaby eben gesagt? »Warum willst du denn, daß viele Männer hier einziehen?« fragte sie in einem Ton, als glaube sie nicht richtig gehört zu haben.
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Mami Bestseller
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Buchvorschau
Nie wieder weinen, Mami - Gisela Reutling
Mami Bestseller
– 92 –
Nie wieder weinen, Mami
Dagmar hat gelernt zu verzeihen
Gisela Reutling
In diesem Frühjahr gab es aufregende Tage für Gaby. Sie wollten nämlich umziehen. Die Mami hatte eine Wohnung in einem Neubau gemietet. Heute waren sie hingefahren, um nachzusehen, ob Frau Mertens, die Haushaltshilfe, die Fenster schon geputzt und die Böden gewischt hatte. Umziehen wollte man am Montag.
»Was ist das doch für ein großes Haus«, stellte Gaby fest, während sie einen Bogen um die Bausteine und leeren Papiersäcke machten, die noch vor dem Eingang lagen. »Viel größer als das, in dem wir bis jetzt gewohnt haben, ja, Mami?«
»Dafür ist unsere Wohnung viel kleiner«, bemerkte Dagmar.
»Och, so klein auch wieder nicht«, sagte ihr Töchterchen, das ein sonniges Gemüt hatte. Und es fügte hinzu: »Hoffentlich ziehen da auch viele Männer rein!«
Dagmar nickte gedankenlos. Sie überlegte gerade, ob sie nicht doch noch neue Küchenvorhänge kaufen sollte, damit nicht jeder Vorübergehende hereinschauen konnte. Wenn ein Alltagsproblem sie beschäftigte, hörte sie manchmal nicht auf das, was ihre Kleine so dahinplapperte.
Aber plötzlich stutzte sie. Was hatte Gaby eben gesagt?
»Warum willst du denn, daß viele Männer hier einziehen?« fragte sie in einem Ton, als glaube sie nicht richtig gehört zu haben.
»Weil wir doch einen brauchen, Mama. Du hast es selbst gesagt. Gestern, als du die schweren Kartons mit dem Prozellan und den Büchern nicht fortrücken konntest, hast du gesagt, wenn jetzt ein Mann im Haus wäre…«
Mitten im Satz stockte sie. Sie hatten das Haus betreten, in dem es nach frischem Lack, Farben und neuen Tapeten roch.
Die Treppe herunter kam ein junger Mann, der sofort Gabys ganze Aufmerksamkeit erweckte. Sie blieb stehen und betrachtete ihn interessiert.
Der Fremde streifte sie mit einem flüchtigen Blick und eilte an ihnen vorbei.
»Der ist nett!« rief Gaby. »Zieht der hier ein?«
Peinlich berührt ging Dagmar weiter. Bestimmt hatte der junge Mann die Worte ihrer naseweisen kleinen Tochter noch gehört.
»Gaby! Man starrt fremde Menschen nicht neugierig an und macht auch keine Bemerkungen über sie, das mußt du dir mal merken.«
Gaby nickte ungeduldig, blieb aber beharrlich beim Thema. »Zieht der hier ein?« fragte sie wortwörtlich zum zweiten Mal, wenn auch jetzt leiser und vertraulich, obwohl er ja doch schon das Haus verlassen hatte.
»Woher soll ich das wissen, hör jetzt auf damit!« Dagmar holte den Schlüssel aus ihrer Schultertasche und schloß die mittlere Parterrewohnung auf. Gaby schmollte genau zwei Minuten lang, weil sie es als ungerecht empfand, daß die Mama so strikt und abweisend auf diese wichtige Frage reagierte. Aber dann vergaß sie es, lief wieselgeschwind durch die offenstehenden Türen in das Zimmer mit den lustigen bunten Tapeten, die sie sich selbst hatte aussuchen dürfen. Es war freilich kleiner als das andere in ihrem bisherigen Zuhause, aber es hatte Platz genug für ihr Bett und ihre Puppen und Spiele. Mehr brauchte sie nicht.
Mehr brauchten sie nicht, so sagte sich auch Dagmar.
Ihre Gedanken waren zur Hälfte noch in der Wohnung in der Herderstraße, als sie, an diesem Sonntag abend, Abschied nehmend durch die Wohnung ging, die sechs Jahre lang das Heim einer glücklichen kleinen Familie gewesen war.
Das Glück war mit Davids Tod vor gut einem Jahr zerbrochen. Seitdem waren ihr die vier großzügig gestalteten Räume in dem villenartigen Haus zur Last geworden. Nicht nur, weil zu viele Erinnerungen daran hingen. Auch finanziell war es nicht mehr zu bewältigen, mit nur einem Gehalt, dem ihrigen als Arzthelferin, Rücklagen gab es nicht. Eine Lebensversicherung hatte David nicht abgeschlossen. Wie sollte er auch, ein Mensch, der nur dem Heute und Jetzt gelebt hatte.
Dagmar verschränkte die Hände über der Brust, sie zog sich wie fröstelnd in sich zusammen. Sie sollte sich auch hinlegen. Um sieben Uhr würde der Möbelwagen vor dem Haus stehen. Und lauerte es nicht wie Schatten in den halbleeren Zimmern? Einen Teil der Möbel hatte sie verkaufen können, auch die beiden zeitgenössischen Bilder, zu denen sie nie einen Zugang gefunden hatte. Die leeren Stellen, die sie hinterlassen hatten, zeichneten sich an den Tapeten ab. Die nackten Glühbirnen an den Decken – die Lampen waren bereits abgenommen – warfen ein diffuses Licht darüber.
Nur dort, wo Gaby schlief, war es dunkel. Dagmar ging zu ihr, sie strich sacht über die Decke, in die ihre Kleine hineingekuschelt war, lauschte den tiefen, ruhigen Atemzügen.
Wenn ich dich nicht hätte, mein Liebling…
Gewiß wäre das Leben auch so weitergegangen. Es ging ja immer weiter. Aber ohne Gaby hätte sie nicht so bald wieder die Kraft und die Tapferkeit und den Mut gefunden, es zu leben.
»Wir werden schon wieder einen neuen Papa finden«, hatte die damals Dreieinhalbjährige gesagt und unablässig die Wangen, die Arme ihrer Mama gestreichelt. Das war, nachdem sie viele Male zusammen geweint hatten. Aber Gaby wollte nun nicht mehr weinen, und die Mama sollte es auch nicht mehr. Sie sollte lieber wieder einmal mit ihr spielen und lachen können, ihr Geschichten vorlesen und abends ein Liedchen zur Guten Nacht singen.
Dagmar hatte sich dazu gezwungen, weil ihr Kind nicht länger unglücklich, sondern getröstet sein sollte, und sie hatte schließlich selbst Trost darin gefunden. David gab es nicht mehr. Aber die Erfüllung ihrer Liebe war ihr mit Gaby geblieben.
Bei einem Flugzeugunglück war David Bernauer ums Leben gekommen, auf dem Rückflug von Mailand her, wo er an einer Vorführung der ALTA MODA teilgenommen hatte. Als Einkäufer für ein großes Modehaus war er beruflich öfter unterwegs. Er mußte auch nach Paris, London, New York, überall dorthin, wo die neuesten Kreationen gezeigt wurden. Wenn er dann von seinen Reisen nach Hause kam, war es immer ein Fest.
Manchmal hatte Dagmar sich gewundert, daß dieser charmante, weltgewandte berufsbedingt elegante Mann sich sie zur Frau auserkoren hatte. Ein eher doch bescheidenes Wesen, ungeschminkt und natürlich, Assisentin in einer Zahnarztpraxis. Dort hatten sie sich auch kennengelernt. Liebe auf den ersten Blick war es gewesen.
Wenn sie David, halb neckend, halb scherzhaft, in verliebten Stunden ihre Bedenken wissen ließ, hatte er sie ausgelacht.
»Du glaubst doch nicht, daß
mir eine dieser halbverhungerten, hochgestylten Models von den Laufstegen gefährlich werden könnte?«
»Aber es werden andere schöne Frauen deinen Weg kreuzen.«
»Du bist die Schönste für mich.«
Trotzdem hatte er sie einmal betrogen. Ein hauchzartes Spitzennachthemd war an Frau Bernauer nachgeschickt worden, von einem Hotel in Berlin. Dagmar war es wie ein Schwert ins Herz gefahren.
David, zur Rede gestellt, war kaum verlegen, geschweige denn niedergeschmettert gewesen. Höchstens war er ärgerlich über die Ungeschicklichkeit des Hotelpersonals. Ja, er hatte ein flüchtiges Abenteuer in Berlin gehabt.
»Es hat nichts mit uns zu tun, Dagmar.«
Mit diesen paar Worten hatte er den Zwischenfall mit leichter Hand beiseitegeschoben und war zur Tagesordnung übergegangen.
Sie hatte ihm keine Szenen gemacht, keine Tränen vor David vergossen. Aber die Frage stellte sich ihr, ob es mehr solcher »flüchtiger Abenteuer« für ihn gab. Dagmar hatte sie nicht laut werden lassen, sie fand keinen Sinn darin. Sie hatte den Mantel des Schweigens darüber gebreitet, und sie hatte es sich versagt, von da an beständig an Davids Treue zu zweifeln. Das wäre wie ein schleichendes Gift gewesen, das die Basis ihrer Ehe zerstört hätte. Sie gehörten zusammen, sie trugen beide den Ring, und der sollte nicht entzweispringen, wie es in einem alten Volkslied hieß.
Daß der Tod sie nun getrennt hatte, war ihnen von einer höheren Macht bestimmt worden.
Ich muß mich diesem Schickal beugen, David, ohne daran zu zerbrechen, schon um unserer kleinen Tochter willen, die du geliebt hast wie ich sie liebe, so sprach lautlos die Frau vor sich hin, am Bett ihres Kindes.
Dann ging sie, um