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Zeit der Bewährung - Sybille und die anderen
Zeit der Bewährung - Sybille und die anderen
Zeit der Bewährung - Sybille und die anderen
eBook159 Seiten2 Stunden

Zeit der Bewährung - Sybille und die anderen

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Über dieses E-Book

Sybille und ihre Freunde Matthias, Heidel und Kay sind beste Freunde. Sie verbringen, wann immer es geht, ihre Zeit in Gemeinschaft. Sie haben Spaß und Freude am Leben. Zusammen machen sie aber auch die Erfahrung, dass Jungsein nicht immer ganz einfach ist. ZEIT DER BEWÄHRUNG von Lise Gast ist eine erfrischende Familiengeschichte, die sich sowohl heiter als auch ernst mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerden beschäftigt. -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum11. Apr. 2018
ISBN9788711510070
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    Buchvorschau

    Zeit der Bewährung - Sybille und die anderen - Lise Gast

    www.egmont.com

    „Aufstehen! Aber leise! Mutter ist krank!"

    Das war Matthias. Seit Vater nicht mehr lebte, hatte er das Wecken übernommen, nicht gern zwar, aber einer mußte es ja tun. Wecken, Feuer im Herd, Frühstück. Mutter hatte das nie gemacht; sie saß abends immer noch so lange in ihrer Werkstatt, daß jeder in der Familie einsah: Das konnte sie nicht auch noch tun. So ging Matthias jeden Morgen herum und klopfte, nicht gerade sanft. Vor allem am Zimmer der Mädchen — schließlich hätte Annette ja auch ein einziges Mal …

    Annette warf sich wütend im Bett herum. Diese Aufsteherei, jetzt, da es morgens noch dunkel war und kalt! Und wenn Mutter krank war, mußte man vor der Schule noch … Ihr schwante, was kam. Annette war übrigens morgens immer schlecht gelaunt. Ganz gleich, ob man sie weckte oder ob man sie nicht weckte, ob in der Schulzeit oder in den Ferien. Niemand, der sie nur am Tag kannte — Schulfreundinnen oder Lehrer —, hätte das von ihr geglaubt. Annette, die reizende, liebenswürdige, das Glanzstück der Familie.

    „Ist ja bloß heute. Morgen und übermorgen haben wir schulfrei, tröstete Heidel mit noch geschlossenen Augen. Heidel — getauft war sie Adelheid, aber niemand in der Familie rief sie so — kam das Aufstehen eigentlich viel härter an als die größere Schwester, die beim ersten Pochen hellwach war. Heidel fand schwer aus den Träumen und der Wärme des Schlafes, aber sie war sofort bereit, Freundlichkeit und Trost um sich zu verbreiten. Alles ging doch viel leichter, wenn man Frieden hielt und sich gegenseitig ein wenig half. „Meine Klappern sind wieder nicht da, wahrscheinlich hast du sie, fauchte Annette als Antwort, während sie unter ihrem Bet rumorte. „Ohne Klappern kann ich nicht ins Bad!"

    Heidel schob ihr die eigenen zu. „Nimm meine, ich dusch’ später. Ich muß sowieso noch —" Heidel überlegte. Was war das Nötigste? Sie fand immer, man tat besser von selbst etwas, um zu helfen, sonst bekam man es von den anderen zugeschoben. Freiwillig war es leichter. Also: den Abfalleimer hinuntertragen und ausleeren, das machte niemand gern.

    Außer Kay, und der sollte es nicht, weil er allzu leicht die Treppe damit hinunterfiel. Aber auch heute hatte er sich wieder einmal den Eimer geholt, und schon war es passiert: holterdiepolter — der Eimer überschlug sich und entleerte seinen Inhalt über die Stufen. Kay brüllte. Heidel, die ihm nachgelaufen war, machte sofort kehrt und holte Schaufel und Handfeger. Sie begann, die Treppe Stufe für Stufe abzufegen, und dabei sprach sie tröstend auf Kay ein.

    Ach ja, immer passierte etwas Unvorhergesehenes, wenn Mutter einmal ausfiel. „Aber das kriegen wir schon hin, das wäre ja noch schöner", brummte Heidel vor sich hin, und aus dem Brummen wurde unversehens eine Melodie:

    „Die früheste Stunde am Morgen

    ist größer als Lust und Schmerz,

    werft von euch Kummer und Sorgen …"

    Heidel sang viel. Sie hatte erfahren, wie gut und hilfreich es sein kann, zu singen, wie sehr manche Melodien einen aufmunterten und gute Laune gaben.

    „… schenkt dem Tage ein frohes Herz.

    Werft von euch Kummer und Sohohohorgen …"

    So, das war getan. Aufatmend betrat Heidel die Küche. Dort knisterte schon das Feuer im Herd, na also! Matthias langte eben die bunten Teller vom Bord.

    „Laß, ich mach’ es schon. Annette ist noch im Bad, da kann ich doch nicht hinein."

    Heidel mochte den großen Bruder gern. Wie er so dastand, in Rollkragenpulli und Jeans, sah er vornehmer aus als mancher im guten Anzug, fand sie. Nicht einmal die Brille tat seinem Aussehen Abbruch.

    „Geht’s ihr schlecht?" fragte sie.

    „Ach, wie immer. Wenn sie liegenbleibt, wird es schnell vorbeisein. Sie ist halt überfordert, und das dürfte nicht sein …"

    Matthias war sechzehn. Er hatte nach Vaters Tod die Schule verlassen und war zu einem Glasermeister in die Lehre gegangen, einem übrigens sehr netten Lehrherrn. Glaser wird es immer geben müssen, hatte Matthias gedacht; immer werden Lausejungen Scheiben einwerfen, und Neubauten brauchen schließlich auch Fenster.

    „Und später heiratest du dann eine Prinzessin", meinte Heidel damals. Sie dachte dabei an ’Die drei Schwestern mit den gläsernen Herzen’ — dieses Märchen hatte sie gerade am abend vorher Kay vorgelesen. Kay hatte furchtbar gelacht, er wollte immer lustige Märchen hören.

    Jetzt kam der kleine Bruder zum Frühstück. Er mußte genau so zeitig aufstehen wie die Großen, weil sie ihn mitnahmen und im Kindergarten ablieferten. Heidel schöpfte ihm eine Portion Haferflocke rei auf den Teller und goß kalte Milch darüber. „So, nun verbrennst du dich nicht. Bist du eigentlich gewaschen?"

    „Mhm", machte Kay. Das klang nicht sehr glaubhaft. Aber Matthias war schon wieder draußen; so tat Heidel, als sei sie überzeugt davon, daß es stimme.

    „Hier, nimm Marmelade dazu, Hagebutten. Schmeckt wunderbar."

    Kay war fünf, der Nachkömmling der Familie, und wurde dementsprechend behandelt. Er eignete sich aber auch sehr zum Verwöhnen, sah aus wie ein Posaunenengel, blond, süß und rund. Er futterte zufrieden seinen Brei.

    Jetzt kam auch Annette herein, sah den Frühstückstisch an und stellte nach einem Augenblick Überlegen ihren Teller unbenutzt weg.

    „Ich mach’ Mutter was zurecht", sagte sie. Wenig später duftete es stark und bitter nach Kaffee, und Annette ordnete auf einem kleinen Tablett liebevoll Thermosflasche und Tasse, bestrichenen Zwieback, Zucker, Milch und Marmelade an und ging damit zu Mutters Zimmer hinüber. Unhörbar öffnete sie die Tür, schob sich hinein und stellte das Tablett auf den Schemel vor Mutters Bett. Die merkte nichts, schlief fest.

    Annette sah sie ein paar Augenblicke lang an, zärtlich, ein wenig traurig. Heute mittag ist sie wieder mobil, dachte sie. Sie kannte Mutter doch. Sie kannte ihre Mutter vielleicht am besten von allen Geschwistern, was niemand ahnte. Vielleicht war sie ihr ähnlicher als die kräftige und einfache Heidel, auch als der grüblerische Matthias. Annette nickte der Schlafenden zu und glitt wieder hinaus.

    Zehn Minuten später waren alle fertig zum Aufbruch. Matthias ging voran, Kay an der Hand mehr zerrend als führend, unter dem anderen Arm Mutters Bügeleisen, das repariert werden sollte. Dahinter Annette, die vorsichtig um Pfützen und Schlammkuhlen des Feldwegs herumtrippelte — sie trug noch die ’guten’ Sommerschuhe —, und schließlich Heidel im Trab. Sie hatte noch schnell die drei jungen Wolfshunde im Kälberstall gefüttert, dabei war ihr einer ausgerückt und unter eine Kuh gelaufen — Heidel sprudelte es atemlos und in Stichworten hervor und brachte eine Wolke warmen Kuhstalldunst mit sich.


    Die Bergerkinder hatten einen weiten Schulweg. Mutter war damals mit einem raschen Entschluß aus der Stadt hierhergezogen, auf den Aussiedlerhof ihres Bruders. Dort war das obere Stockwerk des Hauses freigeworden, und die Wohnung reichte gerade für sie und die vier Kinder. Außerdem war sie billig, und Mutter konnte hier töpfern. Sogar einen Brennofen hatte sie aufstellen können, so daß sie zum Brennen nicht aus dem Haus mußte. Dies alles sprach dafür, daß sie hierhergezogen waren. Anderes sprach dagegen. Die Wohnung war durch die vorherigen Mieter ziemlich abgewohnt, vieles kaputt, und die Wege waren weit. Doch immerhin brauchte Mutter selbst kaum aus dem Haus, wenn die Kinder jeden Tag in der Stadt waren.

    „Einkaufen können die Mädchen", hatte Matthias bestimmt und dabei sein Gesicht ’Bis-hierher-undnicht-weiter’ aufgesetzt. Annette wollte protestieren, aber bei diesem Gesicht zog sie es vor zu schlucken und zu schweigen. Heidel konnte ja einkaufen, bitte. Sie war jedenfalls kein Dienstbote, sie, Annette Berger. Also war die Einkauferei an Heidel hängengeblieben, die das gar nicht so übel fand. Sie sah sich gern in Läden um, verglich Preise und ergatterte Sonderangebote. So hatte sich bald alles eingespielt, und auch an den langen Schulweg waren sie rasch gewöhnt.

    Freilich, im Winter im Stockdunkeln loszugehen, war kein Vergnügen — schon jetzt im Herbst war es ungemütlich. Wenigstens goß es heute nicht.

    „Vielleicht gibt’s bald Schnee", sagte Kay erwartungsvoll und hob das Gesicht. Annette lachte kurz durch die Nase.

    „Schnee? Matsch! Ist ja erst Oktober."

    „Aber nicht mehr lange. Heidel stand dem kleinen Bruder bei. „Jetzt noch zwei Tage Oktober — einen sogar bloß, Allerheiligen ist schon November. Und Ende November fängt die Adventszeit an, und zu Advent gehört Schnee.

    „Und da darf man schon …"

    „Von Weihnachten reden, ja, man darf. Ab elften November. Da ist Sankt Martin, du weißt doch, wenn wir mit Laternen laufen und singen ’Sankt Martin, Sankt Martin …’ Aber erst wollen wir nochmal in die Halde, ehe es Winter wird. Vielleicht morgen und übermorgen? Da hast du doch auch frei, Matthias? „Ja, habe ich. Gut, gehen wir in die Halde, dort ist allerlei zu tun, Zäune ausbessern und den Schuppen einwintern und —

    „Reparieren und einwintern und — und — und. Wir könnten eigentlich auch mal zwei Tage dort faulenzen", sagte Annette. Sie war übrigens inzwischen wie ausgetauscht und bester Laune. So grillig sie aufwachte, so vergnügt wurde sie, wenn sie, tipp topp in Schale, der Schule zumarschierte; im Mantel, die weiße Katzenmütze auf dem Kopf, die Ohren und Stirn umschloß und in zwei lange Schwänze auslief, die man sich um den Hals legen konnte. In diesem Rahmen sah ihr feines und schmales Gesicht mit dem halbmondförmigen Muttermal auf der linken Wange besonders anmutig aus und beinah erwachsen. Ein Gesicht, das man glatt für achtzehn halten konnte, und sie war vierzehn.

    „Vierzehn ist kein Alter", sagte sie mitunter.

    „Vierzehn ist schauderhaft, das muß man so bald wie möglich hinter sich bringen. Zwanzig ist schön."

    „Wart’s ab, brummte Matthias. Und Annette lachte: „Als ob du’s schon hinter dir hättest! Tschüß, ich geh’ zu Sybille.

    Sybille war Annettes Schulfreundin. Sie wohnte mit ihren Eltern im ersten Hochhaus der Stadtrandsiedlung, in einem richtigen ’Wollkratzer’, wie Kay sagte. Er meinte natürlich Wolkenkratzer; da er sich darunter aber wohl nichts Rechtes vorstellen konnte, andererseits mit geerbten Pullovern die Erfahrung gemacht hatte, daß Wolle scheußlich kratzen kann, erfand er den Wollkratzer.

    Es war ein modernes und vornehmes Hochhaus mit Aufzug und Müllschlucker und Balkons, die vor den Wohnzimmern klebten wie Schwalbennester. Heidel, die Sybille auch manchmal besuchte, fand es gruselig, von dort oben aus schwindelnder Höhe hinunterzugucken. Wer wußte denn, ob der Balkon auch fest genug hing! Heidel hatte zwar keine Angst, eine Kuh aufzuhalten, die wild muhend auf sie zuraste — Kühe können ganz schön rasen, Kopf tief und Schwanz hoch —, aber auf so einem angepappten Balkon fühlte sie sich nicht übermäßig behaglich. Außerdem, so meinte sie, schwanke der ’Wollkratzer’. Matthias hatte ihr einmal erklärt, daß Hochhäuser wirklich schwanken und daß sie es sogar müssen — so betrachtete sie ihn lieber von unten und verspürte kein Verlangen, mit der Schwester hineinzuschlüpfen. Annette war’ s zufrieden. Sie drückte auf den roten Knopf neben der Glastür und schwebte gleich darauf im Fahrstuhl aufwärts. Schon allein dieses Schweben lohnte den Besuch, fand sie.

    Sybille wartete schon. Ihre Eltern, beide berufstätig, waren bereits aus dem Haus. Sie riß die Flurtür auf und zog Annette mit sich in die kleine Eßnische im Wohnzimmer. Dort war zum Frühstück gedeckt, aber nicht mit Haferflockenbrei und Milch, o nein. „Du, wir schwänzen heute die erste Stunde, das ist sowieso nur Chor, sagte Sybille sofort und nahm der Freundin die Mappe aus der Hand, „da können wir gemütlich frühstücken.

    Annette hatte nichts dagegen. Da stand die kleine Porzellankanne mit Tee auf dem Stövchen, das mit seinem glimmenden Licht die Wärme und Gemütlichkeit des Zimmers noch unterstrich, und Sybille war eben am Toaströster beschäftigt. Wupp, sprangen zwei goldbraun geröstete Scheiben Weißbrot in die Höhe. Sybille legte sie auf die Teller und steckte neue nach.

    „Setz dich, die mögen ohne uns im Chor jubilieren. Kein ein merkt was."

    ’Kein ein’ — das war so einer von Sybilles Ausdrükken; sie sprach noch immer etwas norddeutsch, denn ihre Eltern ’s-tammten aus Hamburch’.

    „Danke. Ja. Herrlich. Ich bin ganz durchfroren!" Annette warf Mantel und Mütze auf die Couch. Ihre schwarzen Fransenhaare hatten gerade die richtige Zerwehtheit, wie sie mit einem raschen Blick in die Fensterscheibe feststellte.

    „Du siehst großartig aus, sagte Sybille denn auch prompt. „Ihr habt’s gut, den ganzen Tag im Freien. Ich dagegen, armes Kind, mitten in den Auspuffgasen der Stadt!

    Annette lachte. „Red nicht geschwollen. Hier

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