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Jonas Schritt ins Leben
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eBook191 Seiten2 Stunden

Jonas Schritt ins Leben

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Über dieses E-Book

Jona ist achtzehn und schon zweimal sitzen geblieben. Für die Schule hat sie nicht viel übrig. Ihr einziges Interesse gilt den Pferden. Von den Pferden fühlt sie sich verstanden – von ihrem Vater aber nicht. Jede Diskussion mit ihrem Vater endet im Streit. Deshalb beschließt Jona eines Tages, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Sie schmeißt die Schule und beginnt auf dem "Erlenhof" zu arbeiten, einem beliebten Reitstall. Jona zeigt sofort, dass sie ein gutes Händchen für die Pferde hat. Und selbst die strenge Frau Kaiser, die Besitzerin, ist von Jona begeistert. Endlich hat Jona ihren Platz in der Welt gefunden. Sie ist überglücklich und kann sich ein Leben ohne Pferde gar nicht mehr vorstellen. Doch dann kommt plötzlich alles anders. Jona wird schwanger. Für Jona bricht eine Welt zusammen. Muss sie nun ihren Traum vom Leben begraben?-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711509623
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    Buchvorschau

    Jonas Schritt ins Leben - Lise Gast

    www.egmont.com

    Jona stand da und sah die ältere Schwester an, schweigend, weder trotzig noch betrübt, eigentlich nur nachdenklich. Sie dachte Kerstins Worten nach, folgte ihnen, spann sie weiter aus, seit diese geendet hatte.

    Noch nie, soweit sich Jona erinnern konnte, hatte jemand so ernsthaft mit ihr gesprochen, meinte sie. Mutter — das war unendlich lange her, und was von ihr an Erinnerung noch bestand, war keineswegs ernsthaft. Dies sollte keine Kritik sein. Mutter war wie ein bunter, wehender Hauch in ihrem Gedächtnis geblieben; nun ja, sie selbst zählte damals acht Jahre. Und Vater ... doch, er sprach manchmal mit ihr, nicht tadelnd oder scheltend, eher — ja am ehsten traf hier wohl das Wort „hoffnungslos zu. Oder „hoffnungsarm, wenn man so sagen wollte. Vater hatte wenig Hoffnung, daß aus ihr noch etwas werden könnte. Aus der heutigen Jugend überhaupt; Jona fühlte, wie nun doch Trotz und Widerstand in ihr aufstiegen. Diese Verallgemeinerungen — sie konnte sie nicht vertragen. Wer ist denn die heutige Jugend? Die, die gammelten, oder die, die strebten wie verrückt, um an die Krippe zu kommen, oder? Gibt es nicht immer solche, solche und karierte, wie der Berliner sagt?

    Gewiß, Kerstin hatte recht in vielem, im Sachlichen. Sie, Jona, war achtzehn Jahre alt und hatte noch nicht einmal die mittlere Reife. Zweimal sitzengeblieben, na und? In jeder Familie bleibt heutzutage mal jemand sitzen. Die Schulanforderungen waren eben zu hoch. Und die Ablenkung zu groß. Und ...

    Wozu sollte man das Abitur machen? Man kam ja doch nicht zum Studium. Überall numerus clausus — und Lust zum Studieren hatte sie nicht. Sie hatte nur zu einem Lust. Warum sollte sie das nicht tun? Heutzutage, wo so viel Wert darauf gelegt wurde, daß man ohne Frustration durch die Pubertät kam, daß es Lustgewinne, Erfolgserlebnisse gab, nicht nur gute oder schlechte Zensuren.

    Beim Reiten hatte sie Erfolg. Na bitte! Warum dann nicht das Reiten zum Beruf erwählen? Wie viele Leute taten das heute, richteten Verleihställe ein, wo Kinder oder Erwachsene ihre Ferien verbringen können, wo man verdient und trotzdem immerzu bei den Pferden ist, die einem das Schönste und Höchste im Leben bedeuten. Oder Bereiterin werden und Pferde zureiten oder auch das Reitlehrerexamen machen oder bei einem Tierarzt, der sich auf Pferde spezialisiert hatte, Sprechstundenhilfe werden? Warum nicht?

    Jona merkte, daß sie dies alles sagte, erst, als sie schließlich schwieg. Es war ihr selbst verwunderlich, daß sie so aus sich herausgegangen war, Kerstin gegenüber, die nicht ritt und überhaupt kein Verhältnis zu Pferden hatte und dadurch auch kein Verständnis dafür aufbringen konnte. Kerstin war so fertig, so — nicht untadelig, das wäre ungerecht gewesen zu behaupten, denn sie war ein kritischer Mensch, sie korrigierte sich immerzu, sie war keineswegs das, was man ein Vortrefflichkeitsekel nennt. Aber sie war etwas, Ärztin, sogar den Facharzt hatte sie schon, Hut ab vor ihr. Mit ihren dreißig Jahren hatte sie alles erreicht, was zu erreichen war, und Vater sollte eigentlich vor Stolz platzen, daß er so eine Tochter hatte, statt dauernd in Sorge zu sein, daß die zweite Tochter, sie, ein Taugenichts war.

    Sie hatte also vor Kerstin ausgepackt, alles gesagt, was sie dachte — jetzt schwieg sie, erschrocken bis ins Innerste. Kerstin sah sie an, mit ihrem unbestechlichen, seltsam klaren Arztblick — wunderschöne Augen hatte sie übrigens, wie Jona jetzt beinahe erstaunt feststellte, aquamarinblaue; wenn man poetisch sein wollte: brunnentiefe. Und was sie dann sagte, erstaunte Jona noch viel mehr.

    „Dann ist ja alles in Ordnung", sagte sie nämlich langsam, und es klang freundlich, ja erleichtert. „Dann weißt du ja, was du werden willst. Leicht, Jona, wird dieser Lebensweg nicht sein, ob du nun das eine oder andere aussuchst, wer aber wünscht sich — oder dem, der ihm nahesteht — einen leichten Weg? Einen guten Weg wünscht man ihm, einen erfolgreichen — nicht in bezug auf Geld oder Ansehen, verstehst du, o nein, das nicht. Das wünschen zwar viele, aber die sind auch danach. Inneren Erfolg, solchen, der das Herz ernährt, und — nein, lassen wir das. Man kann darüber nicht sprechen, oder doch nur, wenn es der andere auch erlebte. Sprechen wir deshalb von anderem, vom Praktischen, Technischen."

    Kerstin machte eine Pause.

    „Vater ist fort, er war bei der EG tätig, zur Zeit in Afrika, ungewiß, wie lange, „und hat mir aufgetragen, solange den Schutzengel bei dir zu spielen. Du verstehst, was ich meine. Sie lächelte. „Ich tu es übrigens gern, denn ich erinnere mich sehr genau, wie mir zumute war, als ich achtzehn war. Achtzehn. Nach dem Gesetz bist du jetzt volljährig.

    Hör zu. Vater hat mir freigestellt, ob ich es dir vorher sage oder nachher. Ich habe mich für vorher entschieden.

    Bis zu den großen Ferien, also zum Schuljahrsabschluß, sind es noch ein paar Wochen. Da werdet ihr noch einige Arbeiten schreiben, entscheidende, so weiß ich von damals her. Du kannst dich also noch mühen durchzukommen und hättest — endlich! — die mittlere Reife. Immerhin einen Abschluß. Einen wichtigen, den Abschluß, wenn du kein Abitur machen willst. Vater hat lange überlegt, wie er dir dazu verhelfen könnte. Wie er dich anspornen, aufrütteln, dir die Einsicht vermitteln könnte, daß du den Willen aufbringst, durchzukommen. Durchkommen mußt du und nur du, auch ich kann dir nichts abnehmen. Dumm bist du nicht. Andere können es auch. Also!

    Er hat lange überlegt und dir schließlich ein Bankkonto eingerichtet, ehe er abflog, auf dem ist soviel, daß du dir ein Mofa kaufen kannst — und noch etwas dazu, wenn du durchkommst. Er weiß doch, wie du dich immer mit dem Fahrrad abstrampelst, wenn du zum Reiten auf den Erlenhof fährst. Wie du siehst, hat er im Grunde gar nichts dagegen, daß du dort bist. Solange jedenfalls, wie du — aber ich will mich nicht wiederholen. Das wär’s."

    Kerstin schwieg. Jona schwieg auch, verblüfft, gerührt, ein wenig geniert, ziemlich unsicher. Vater verhalf ihr dazu, öfter und bequemer zum Reiten zu kommen, Vater hatte nichts dagegen, daß sie, falls — ja, falls. War das nicht wieder so ein tückischer Erwachsenentrick, einen mit etwas zu locken, damit man das tat, was sie wollten?

    Nein. Jona versuchte gerecht zu sein. Vater konnte verlangen, daß sie die Schule fertig machte, wenigstens diesen Abschluß erreichte. Das war sein gutes Recht und nicht unbillig. Und daß er dafür eine Prämie aussetzte, war nett von ihm. Er hätte ja auch drohen können.

    Drohen hätte nichts genützt, flüsterte der Teufel in ihr, wer erreicht heutzutage noch etwas durch Drohungen seinen Kindern gegenüber? Aber sie stopfte dem Teufel das Maul.

    „Kusch, Satan, knirschte sie. „Vaters Handeln ist gut, jedenfalls gut gemeint.

    „Schön, sagte sie also zu Kerstin. „Ich werde — und auf einmal war alles anders, alles neu. Sie warf sich der Schwester in einer plötzlichen Regung an den Hals (das hatte es noch nie gegeben), umarmte und küßte sie wahrhaftig auf die Wange.

    „Ein Mofa, Kerstin, herrlich! Da kann ich jeden Tag hinüber, auch wenn ich nicht so viel Zeit habe!"

    Hinüber hieß auf den Erlenhof. Auf dem Erlenhof standen die Pferde, die Jonas ein und alles waren. Auf dem Erlenhof regierte Frau Kaiser, die Frau, von der Jona dachte: So wie sie würde ich auch gern einmal werden. So schneidig, so vernünftig, so herzhaft ...

    „Ja, das kannst du. Und ich gönn’ es dir. O Jona, so ähnlich war mir zumute, als Vater mir sagte, er hätte nichts dagegen, daß ich Medizin studierte ..."


    Diese Unterredung fand im Mai statt. Im Juli begannen die großen Ferien. Jona hatte sich wie wild ins Geschirr geworfen und tatsächlich bessere Arbeiten nach Hause gebracht. Es blieb bis zuletzt spannend, ob es reichte. Aber es reichte. Sie wurde versetzt und besaß nun die mittlere Reife.

    Sie erfuhr nie, daß ihre Schwester bei ihrem Klassenlehrer gewesen war und lange mit ihm gesprochen, ihm fest zugesagt hatte, daß Jona mit der mittleren Reife abgehen würde, wenn sie sie erreichte. Abitur käme nicht in Frage. Man könnte Zeugnisse ja übel- oder wohlwollend ausstellen, und das Mündliche spielte ja auch eine Rolle, und —

    Es war gar nicht nötig, noch weitere Unds anzubringen.

    „Sie kommt durch sagte der junge Studienrat und lächelte die große und hübsche Schwester seiner Schülerin an, selbst erleichtert und glücklich, „sie hat sich in letzter Zeit sehr, sehr gemacht. Eigentlich ein Grund, sie doch noch auf der Schule zu halten. Begabt ist sie.

    „Um Himmels willen, nein! Kerstin winkte so energisch ab, wie sie es tat, wenn etwa eine Mutter mit einem Schnupfenkind kam und behauptete, es habe eine Lungenentzündung. „Man kann auch ohne Abitur etwas werden und seinen Weg finden.

    „Kann man, der Klassenlehrer nickte, „und ich wünsche ihr einen guten Weg, wenn es auch nicht der ihrer älteren Schwester sein kann. Sie lächelten sich an und fanden sich ungeheuer sympathisch.

    Und dann kam also der Tag, an dem Jona nach Hause kam und den Klingelknopf nicht losließ, der an der Tür des Häuschens war, in dem Kerstin kleinere und größere Kinder behandelte.

    „Ich bin durch, ich bin durch!" rief sie, die Sprechstundenhilfe überrennend, die die Tür öffnete. Kerstin stand an ihrem Schreibtisch, im weißen Kittel, sah ihr entgegen und hielt den Ansprung aus.

    „Gratuliere", sagte sie und drückte Jona ein kleines Buch in die Hand. Jona verstand nicht, was es damit auf sich hatte.

    „Das Scheckbuch, mein Dummes, lachte Kerstin „das Scheckbuch für das Konto, auf das Vater dir das Geld eingezahlt hat. Soll ich dir erklären, wie man es macht?

    „Ja, nein, vielleicht morgen, danke, aber bist du denn gar nicht überrascht? Ich meine, weil du es schon in der Hand hattest?"

    „Doch, doch, schrecklich überrascht. Ganz furchtbar überrascht. Reiner Zufall, daß ich gerade —" und dann hakten sie einander unter und machten die Tür hinter sich zu, denn die Sprechstunde war vorbei, und nun konnte man überlegen, wie dieser Tag am besten gefeiert werden sollte.

    „Zuallererst gehen wir mal essen, ich habe heut früh vor Aufregung keinen Bissen heruntergebracht, gestand Kerstin, „du hattest kein Lampenfieber, nein? O wie ungerecht ist das Leben! Und dann machen wir Pläne. Wollen wir sogar eine Kleinigkeit trinken, vielleicht ein Glas Sekt? Wann sollte man Sekt trinken, wenn nicht heute?

    Jona nickte strahlend.


    Jona hieß eigentlich Johanna. Sie hatte diesen Namen nie leiden können, schon als Kind nicht. Am ehesten mochte sie ihn später in Verbindung mit der Heiligen Johanna, diesem Schauspiel, das sie mit Erschütterung und Hingabe gesehen und dann noch mehrmals gelesen hatte. Sonst aber fand sie den Namen fad — und viel zu weiblich-weichlich. Andrea hätte eher zu ihr gepaßt oder Michaela, aber Johanna, etwa in Hannchen abgewandelt, puh! Nun, Jona ging. Nur mußte man immer wieder erklären, warum man so und nicht anders hieß. Das war mühsam und machte ungeduldig, aber man gewöhnte sich schließlich daran.

    Jona war ungeduldig von Natur aus, unduldsam, rasch. Kerstin wußte das und hatte, nicht zuletzt deshalb, lange mit Vater gesprochen und den Standpunkt verteidigt, daß es gut sei, wenn die jüngere Schwester mit Pferden umging. Mit Pferden muß man geduldig sein, das wußte sie auch. Und mit Pferden war es Jona auch, das hatte ihr Frau Kaiser oft bestätigt. Denn Kerstin hielt, seit Vater nicht mehr da war, immer ein wenig Kontakt mit dieser Frau, die ihrer jüngeren Schwester so viel bedeutete. Sie telefonierte mit ihr, besuchte sie auch manchmal ohne Jonas Wissen — zur Zeit behandelte sie sogar Frau Kaisers kleines Mädchen, das an einem Ausschlag litt, hinter dessen Ursache bisher kein Arzt gekommen war. Das übrigens wußte Jona, sie hatte es selbst vermittelt.

    „Wir fahren auf den Erlenhof, wollen wir? fragte Kerstin jetzt, als sie ausgetrunken hatte. „Heute ist Samstag, nachmittags keine Sprechstunde. Reitet ihr heute aus?

    „Vielleicht, ich weiß nicht, es ist so heiß."

    „Seit wann stört dich Hitze, wenn du zum Reiten willst?" fragte Kerstin verwundert. Sie wußte, wie unermüdlich die Jüngere die zwölf Kilometer zum Erlenhof hinübergeradelt war, bei strömendem Regen, bei Hitze, auch bei Schnee.

    „Mich nicht, aber die Pferde. Es gibt viele Bremsen dies Jahr, die sie plagen. Aber morgen früh? Wollen wir da?"

    Ihre Augen waren jetzt weit geöffnet. Kerstin dachte wieder einmal, daß die jüngere Schwester, die so gar nichts auf ihr Äußeres gab, doch sehr hübsch aussehen konnte. Hübsch nicht im üblichen Sinne, es war nichts Hervorstechendes an ihr. Etwas kleiner als sie selbst — Kerstin fand sich etwas zu groß —, weder zu rund noch zu schlank, das Übliche halt. Höchstens das Haar war schön, fand Kerstin. Jona trug es im Gegensatz zu der gängigen Mode nicht glatt und lang auf die Schultern fallend, sondern ziemlich kurz, die Ohren frei, ungefähr das, was man vor Zeiten einmal als Herrenschnitt bezeichnete. Es war üppiges, volles, kräftiges Haar, das sich drehte und krümmte, nicht lockte, sondern kreuz und quer wuschelte, ohne daß es eines Friseurs bedurfte. Jona und Friseur, undenkbar! Es hatte eigentlich keine richtige Farbe, eher mehrere. Hier heller und dort dunkler, konnte man es am ehesten als unregelmäßiges Dunkelblond definieren, an manchen Stellen, wo es sich krümmte, konnte es aussehen wie mit ein ganz klein wenig Goldstaub bepudert. Und die Augen paßten dazu, sie waren braun, aber weder golden noch haselnußfarben, sondern braun mit grauen und auch ein paar grünen Sprenkeln durchsetzt. Das Ganze war nicht schön, aber eventuell reizvoll, wenn man wohlwollend gesinnt war und sich die Mühe machte, richtig hinzusehen. Kerstin hatte bisher immer gefunden, daß die jüngere Schwester leider und Gott sei Dank nicht hübsch sei, obwohl sie das nie ausgesprochen hätte. Leider: denn sie mochte sie gern und wünschte ihr alles Gute; Gott sei Dank: denn sie selbst war in Abwesenheit des Vaters verantwortlich für sie, und was es mit sehr hübschen Schwestern heutzutage auf sich hat, das wußte sie zur Genüge.

    Heute betrachtete sie Jona etwas nachdenklicher als sonst, eingehender, so daß es Jona selbst auffiel.

    „Ist was an mir?" fragte sie, ein wenig geniert.

    „Nichts, was soll denn sein. Müde siehst du aus. Kerstin lachte. „Und recht hast du, wenn du sagst, heute unternehmen wir nichts mehr. Blödsinnig diese Hitze. Und gegessen —

    „Gut gegessen, fiel Jona korrigierend ein, „und Sekt getrunken, am hellen Mittag, unverantwortlich so was. Da soll der Mensch nicht müde aussehen.

    Sie traten auf die Straße hinaus. Der Juli flimmerte über der Großstadt, daß es die Augen blendete. Beinah taumelnd schoben sie sich im Strom der Fußgänger dahin, eng untergehakt. „Jetzt wollen wir schlafen, wir haben es verdient, seufzte Kerstin, als sie die Haustür aufgesperrt hatte, „kein Sonntagsdienst, wunderbar. Jona brummte nur etwas, vom Gähnen unterbrochen. Sie sanken genußvoll in die Betten.

    Um so munterer waren sie am andern Morgen. Kerstin hatte den Wecker auf fünf gestellt, herrlich schwarzen Kaffee gekocht und Jona damit geweckt. Nun fuhren sie nordwärts, die Straße, die sich Jona sonst mit dem Fahrrad entlangzuquälen hatte.

    „Nun bald nicht mehr! lachte sie, „jetzt wird geschnauferlt. Schnell fährt ja so ein Mofa nicht, aber man braucht nicht zu treten. Was glaubst du, wie ich mich darauf freu’!

    Es war hell, als sie ankamen. Ein heller, sehr früher Morgen — und auf dem Erlenhof Großalarm. Alle dreißig Pferde waren ausgebrochen ...

    Frau Kaiser

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