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Xaverna: Stauffenberg fährt Rad
Xaverna: Stauffenberg fährt Rad
Xaverna: Stauffenberg fährt Rad
eBook248 Seiten3 Stunden

Xaverna: Stauffenberg fährt Rad

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Über dieses E-Book

Cornelia widmet ihre Ferien auf der Insel Usedom ihren zwei größten Hobbys: dem Schreiben und dem Sport. Bei einer ihrer vielen Radtouren durch die idyllische Landschaft stößt sie auf eine Höhle, die ihr Leben verändert. Unter der Insel lagern Millionen von Büchern, alles Erstexemplare. Zuerst fühlt sich Cornelia dort wie im Paradies, aber schon bald taucht Xaver auf, der die Verantwortung für all die Bücher trägt. Er hält sich für einen großen Revolutionär und plant, die Bücher zu vernichten. Damit würde er auch alle Nachdrucke vollständig auslöschen; das jeweilige Buch verschwände spurlos von der Erde. Dabei orientiert sich Xaver an historischen Ereignissen. Als Cornelia beschließt, die Bücher zu retten, wird sie immer tiefer in einen Sog aus Geschichte und Realität gezogen. Ein spannendes Abenteuer beginnt, als sie erkennt, dass sie Xaver nur in der Rolle des Grafen von Stauffenberg die Stirn bieten kann.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Okt. 2014
ISBN9783944575094
Xaverna: Stauffenberg fährt Rad

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    Buchvorschau

    Xaverna - Antonia Kraus

    In Gedenken an Karlheinz Böhm

    Vorwort

    Cornelia in „Xaverna" betrachtet wie viele andere deutsche Jugendliche Schule als lästige Nebenbeschäftigung, nicht so die vielen Kinder in Äthiopien. Sie jubeln, wenn sie eine Schule bekommen.

    Auch in vielen anderen Belangen geht es uns viel besser.

    Bildung ist eine Grundvoraussetzung für dauerhaft besseres Leben.

    Daher startet Antonia gemeinsam mit „Menschen für Menschen nach bereits langjähriger erfolgreicher Zusammenarbeit nun einen weiteren Schritt: Teile des Erlöses aus dem Verkauf der Bücher werden in das Bildungsprojekt von „Menschen für Menschen „Generation ABC 2015" sowie später folgende Bildungsprojekte investiert.

    Somit trägt jeder einzelne mit dem Kauf dieses tollen Buches dazu bei, den Kindern in Äthiopien eine Bildung zu ermöglichen und dadurch Gutes zu tun.

    An dieser Stelle möchte ich mich im Namen von „Menschen für Menschen" ganz herzlich bei euch bedanken.

    Viel Spaß beim Lesen.

    Inhaltsverzeichnis

    Cover

    Titel

    Widmung

    Vorwort

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Danksagung

    Liebe Leserin, lieber Leser!

    Impressum

    Klappentext

    Fußnote

    Kapitel 1

    Wieder eine Absage. Mutlos ließ ich den Kopf in die Hände sinken. Ich spürte, wie sich eine Träne aus meinem Auge löste. Obwohl ich es verhindern wollte, bahnte sie sich nur Sekunden später den Weg über meine Wange. Ärgerlich wischte ich den Tropfen fort.

    Langsam las ich den Text ein zweites Mal. Es war die gleiche fadenscheinige Begründung wie in den vorangegangenen 17 Briefen auch: Zwar könne ich wirklich exzellent schreiben, doch leider sehe der Verlag trotzdem keine Möglichkeit zur Veröffentlichung meines Buches, da mein Name einfach inakzeptabel sei. Natürlich, Cornelia Fatjona Unke mag ungeeignet sein, aber wozu gibt es Pseudonyme? Warum bot mir kein Verlag einen Druck unter falschem Namen an, wenn dies doch das einzige Problem darstellte? Seufzend faltete ich das Papier zusammen, um es später in die dafür vorgesehene Dose zu legen, wo es auf seine 17 Artgenossen treffen würde. Dann kippte ich eine nicht zu kleine Portion Schokomüsli in eine Schüssel und schüttete Milch darüber. Frustvoll begann ich, das Essen in mich hineinzuschaufeln.

    Eigentlich hätte es ein wundervoller Tag werden sollen, von den Zeugnissen einmal abgesehen. Am letzten Schultag vor den Sommerferien herrschte bisher immer eine durch und durch positive Grundstimmung. Heute jedoch hatte niemand gute Laune gehabt. Die Abschlussrede des Direktors war einfach grauenhaft gewesen, auch hatte sie deutlich länger gedauert als im letzten Jahr. Darauf folgte die Zeugnisausgabe, die ebenfalls ein kompletter Reinfall war. Erst nachdem wir einer ewigen Moralpredigt gelauscht hatten – oder eben auch nicht – erhielten wir die ungeliebten Papiere. Wenige freudige Aufschreie und viel lautes Stöhnen hallten durch den Raum. Ich war recht zufrieden, doch ich wusste auch, dass Dad es nicht sein würde.

    Es dauerte nur wenige Minuten, bis in der Klasse die Freude auf sechs Wochen Ferien die Oberhand gewann. Zwar würde kaum jemand in den Urlaub fahren, da fast alle Eltern in der Tourismusbranche arbeiteten – wir waren schließlich die sogenannte Inselklasse – und somit den ganzen Sommer über alle Hände voll zu tun hatten, aber inmitten der vielen Urlauber auf Usedom kam so gut wie nie Langeweile auf. Die meisten meiner Klassenkameraden hatten bereits große Strandpartys mit möglichst viel Alkohol geplant, ich hingegen fieberte ruhigen Stunden am PC zum Schreiben neuer Geschichten sowie ausgedehnten Fahrradtouren entgegen.

    Als wir jedoch nach Schulschluss alle aufgeregt aus dem Gebäude gestürmt waren, hatte wie aus dem Nichts ein heftiger Regen eingesetzt. Binnen weniger Sekunden war ich bis auf die Haut durchnässt, obwohl ich meine Kapuze dicht ins Gesicht zog. Dabei hatte ich vergleichsweise noch Glück: Meine Klassenleiterin, Frau Schupanirak, die zugleich meine Nachbarin war, hielt neben mir und bot an, mich mitzunehmen.

    Sie unterrichtete uns in Mathematik und Geschichte, absolut nicht meinen Lieblingsfächern, und war allgemein ziemlich unbeliebt, doch da ich sie durch die Nachbarschaft schon sehr lange kannte, hatte ich kaum Probleme mit ihr. Was allerdings nicht bedeutete, dass ich sie besonders mochte, im Gegenteil.

    In ihrem Auto war es gemütlich warm. Aus dem Radio dudelte klassische Musik. Ich hatte wenig Lust auf ein Gespräch mit ihr, doch Frau Schupanirak bemerkte das nicht und begann fröhlich zu plaudern: „Na, Cornelia, fahrt ihr dieses Jahr in die Berge? „Nein, meine Eltern arbeiten, wie jedes Jahr in den Ferien. „Ach ja, ach ja. Nun, du weißt ja, wenn du dich langweilst, kannst du mich gerne besuchen, solange ich zu Hause bin. Meine Sammlung von Geschichtsbüchern ist wirklich außerordentlich interessant! „Danke, aber ich habe ja auch selbst Bücher, und außerdem zwei Brüder. „Richtig, richtig. Zwillinge, nicht wahr? Ich nickte langsam. „Wie alt sind sie doch gleich? „Dreizehn. „Und die Namen? Himmel, entschuldige, ich habe das schon so oft gefragt!

    Achselzuckend antwortete ich: „Janis und David." Dann wandte ich den Kopf ab, um aus dem Fenster zu schauen, während wir über die Brücke auf die Insel rollten. Es war erst Anfang Juli, sodass noch nicht viel Verkehr auf den Straßen herrschte. Ich war ganz froh darüber, denn so kamen wir gut voran und bogen schon bald nach Koserow ein. Auf den Gehwegen rechts und links der Hauptstraße waren bereits einige Kinder aus den Grundschulen unterwegs, während die meisten Gymnasiasten noch in den Schulbussen saßen. Kurz bevor Frau Schupanirak in die Siemensstraße kurvte, endete der Regenfall so jäh, wie er begonnen hatte. Ich bedankte mich möglichst freundlich für die Mitnahme, als ich klopfenden Herzens aus dem Auto stieg. Ohne Umschweife marschierte ich zum Briefkasten. Wenige Minuten später saß ich mit dem frustrierenden Bescheid am Küchentisch. Innerlich dankte ich David dafür, dass er immer etwas Schokomüsli in der Küche lagerte. So konnte ich mir wenigstens einige Glückshormone zuführen. Erst als ich so über Davids Frühstücksgewohnheiten sinnierte, fiel mir auf, dass wir die Jungs vielleicht auch hätten mitnehmen sollen, statt sie mit dem Bus fahren zu lassen. Seufzend stand ich auf und trat ans Fenster, um die beiden schon am Gartentor kommen zu sehen.

    Sie waren eineinhalb Jahre jünger als ich und obwohl sie sich äußerlich glichen wie ein Ei dem anderen, waren ihre Charaktere grundverschieden. Janis Gunar war der ruhige Typ, der Geige spielte, schwimmen ging, fleißig war und somit die besten Noten von uns dreien hatte. Er machte allgemein nie Ärger. Zu ihm hatte ich ein exzellentes Verhältnis, denn er bewunderte mich aufrichtig – wofür auch immer – und ich liebte ihn.

    David Lars hingegen hatte nur Unsinn im Kopf. Für die Schule interessierte er sich keine Spur, stattdessen ging er mehrmals in der Woche zum Fußballtraining oder Skaten, saß oft bis spät in die Nacht vor seinem PC und es geschah nicht selten, dass er trotz seines zarten Alters sonntagmorgens sturzbetrunken ins Haus stolperte. Ich bezweifelte, dass er auf diese Art noch lange alles schaffen würde. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ich mit ihm weit weniger gut auskam als mit unserem gemeinsamen Bruder. Ein Stöhnen entfuhr mir, als ich Janis allein die Straße entlanglaufen sah. Sofort hastete ich zur Tür, um ihn hineinzulassen. Am liebsten hätte ich auf der Stelle nach David gefragt, doch ich wartete damit ungeduldig, bis wir beide am Küchentisch saßen.

    „David ist mit zu einem seiner Saufkumpanen gefahren, glaube ich. Angeblich wollen sie die Ferien zusammen einläuten. Ich denke eher, er hat Angst, nach Hause zu kommen. Jedenfalls hätte ich die mit seinem Zeugnis. Erstaunt zog ich eine Augenbraue hoch. „Saß er nicht neben einer der Besten, extra zum Abschreiben?, hakte ich nach. „Schon. Janis zuckte mit den Schultern. „Aber dabei lässt er sich ja ständig erwischen. Ehrlich, bei dem hilft alles nichts. Spätestens in zwei Jahren ist Schluss mit ihm, wenn er nicht langsam anfängt, seinen Verfall zu stoppen. Ich nickte langsam. Das entsprach genau meinem Eindruck von David. Bevor ich aber etwas antworten konnte, sprach Janis schon weiter: „Er macht es so doch nur schlimmer. Papa wird zuerst ausrasten, weil David einfach verschwunden ist und dann nochmal, wenn er sein Zeugnis sieht. Ich brachte ein schiefes Grinsen zustande. „Stimmt, eigentlich hatte ich gehofft, dass ich meines nach seinem zeigen kann. Janis lachte und erklärte mir zum etwa fünfmillionsten Mal, dass unser Vater zwar überehrgeizig, im Grunde aber nicht verkehrt war. Zweifellos hatte er damit Recht. Und seit Janis mir Gesellschaft leistete, gelang es mir auch, die Gedanken an die 18. Absage zu verdrängen. Selbstverständlich war es Janis‘ Vorschlag, Pizza zum Abendbrot zu backen. In der Tiefkühltruhe entdeckte ich Spinat, Broccoli und Lachs, während Janis den Teig, Tomaten und Käse hervorkramte. Ich schämte mich fast dafür, den gefrorenen Lachs zu verwenden, wo ich doch nur kurz mein Fahrrad hätte bemühen müssen, um frischen Fisch zu besorgen. Dennoch, als unsere Eltern nach Hause kamen, standen fünf dampfende Pizzen auf dem gedeckten Küchentisch. Mum umarmte uns beide, Dad reckte immerhin den Daumen nach oben. Sofort danach erkundigte er sich nach David, worauf er die gleiche Antwort erhielt wie ich auch. Ich konnte ihm ansehen, wie er seine Wut unterdrückte, während er Davids Pizza wieder in den Ofen schob, um sie warm zu halten.

    Bevor er jedoch zu essen begann, verlangte er nach unseren Zeugnissen. Zuerst betrachtete er Janis‘, mit dem er offensichtlich zufrieden war, dann begutachtete er das meinige, welches ihm nicht ganz so zusagte: „Wie ist dein Durchschnitt?", rief er entsetzt.

    Ich starrte ihn entnervt an, erwiderte aber trotzig: „Die Dreien sind doch eh nur in den unwichtigen Fächern: Geschichte, Musik, Religion … „Kein Fach ist unwichtig!, unterbrach Dad mich unwirsch. „Durchschnitt? „Weiß ich nicht … zwei Komma drei oder so.

    Dad presste rot anlaufend die Lippen aufeinander, als er sich der Beurteilung zuwandte: „Cornelia ist eine ruhige Schülerin, die über ein gut ausgeprägtes logisches Denkvermögen verfügt, was ihr speziell in den Naturwissenschaften gute und sehr gute Leistungen einbringt. Doch häufig ist Cornelia unkonzentriert und bereitet sich nicht intensiv genug auf den Unterricht vor. Des Weiteren gelingt es ihr kaum, soziale Anbindung in der Klasse zu finden." Natürlich war mir klar, dass diese Einschätzung nicht gerade glänzend war, aber ich musste auch zugeben, dass sie genau ins Schwarze traf. Dennoch: Meine Eltern wussten genauso gut wie ich, woraus sämtliche Kritikpunkte resultierten. Anscheinend begriff Dad einfach nicht, dass sich eine Hochbegabung nicht mal eben abstellen ließ. Weder Janis noch David waren hochbegabt, in meiner Familie litt nur ich darunter. Dabei hatte ich sogar Freunde gefunden, doch sie waren allesamt älter als ich und gingen somit nicht in meine Klasse. Ich bemühte mich ständig, trotz meines hohen IQs relativ normal zu wirken. Leider gelang mir das oft nicht. Nachdem Dad sich wieder beruhigt hatte, Mum hatte etwas nachgeholfen, machten wir uns hungrig über die Pizzen her. Garantiert hätten wir eine äußerst harmonische Mahlzeit verlebt, wäre nicht in diesem Moment David durch die Küchentür gestürzt.

    Dad sprang sofort auf, um sich vor seinem Sohn aufzubauen. „Wo warst du?, schrie er ihn an. Ein Grinsen umspielte Davids Lippen. „Schuljahresausklangparty bei Maik, sagte er. Es war ihm sowohl anzusehen als auch anzuhören, dass auf der Party nicht zu wenig Alkohol geflossen war. Daher hatte sich auch Mum erhoben: „David, du hast getrunken! Schon wieder! Wann wirst du es endlich lassen? „Nie, erwiderte David. Noch immer grinsend holte er seine Pizza aus dem Ofen und setzte sich zu uns an den Tisch. In Dads Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton mit, als er forderte: „Zeig mir dein Zeugnis, David! „Das liegt noch bei Maik! Dad stand wortlos auf, ergriff Davids Ranzen und begann nach dem gewünschten Dokument zu suchen. Als er es endlich vor sich hatte, weiteten sich seine Augen merklich. David ignorierte ihn. Kopfschüttelnd reichte Dad das Zeugnis an Mum weiter. Ich wusste, gleich würde wieder die ewige Diskussion über Nachhilfe anfangen, deshalb stopfte ich mir hastig das letzte Stück Pizza in den Mund. „Ich geh nochmal zum Strand", schmatzte ich, bevor ich die Küche verließ. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprang ich die Treppe hinauf. Aus meinem Kleiderschrank angelte ich ein altes

    T-Shirt

    , das von Dad stammte und mir viel zu groß war, sowie eine kurze Sporthose. Rasch schlüpfte ich in die Sachen, trampelte die Treppe wieder hinunter und schnappte den Schlüssel für mein Fahrradschloss. Bevor ich losradelte, schickte ich noch eine SMS an Jördis. Garantiert würde sie auch ans Wasser kommen, wenn ich dort war. Dann schwang ich mich auf mein Rad und sauste von dannen. Schneller als gewöhnlich strampelte ich die Siemensstraße in Richtung Wald entlang. Hinter den ersten Bäumen bog ich scharf links ab und holte Schwung, um den ersten Berg zu bewältigen. Ich war ziemlich außer Atem, als ich den Platz vor der Seebrücke erreichte. Wie erwartet waren noch genügend Fahrradständer frei. Nachdem ich mein Rad angeschlossen hatte, schlenderte ich gelassen über den Platz.

    Sowohl der Waffelstand als auch der Backfisch King waren noch geöffnet, ebenso konnte man noch in den Salzhütten speisen, jedoch keine Fischbrötchen mehr mitnehmen. An der Seebrücke hielt ich kurz an, schwankte, wohin ich mich wenden sollte. Schließlich entschied ich mich für die Brücke.

    Zum Glück war es ziemlich warm für einen Abend Anfang Juli. Außerdem war ich den Wind gewohnt, der mir in die Kleider fuhr und meine Haare zerzauste. Das Rauschen der Wellen zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Beschwingt gelangte ich ans Ende der Seebrücke. Ich stützte beide Arme auf das Geländer und schaute auf die Wellen, die unter mir schäumend brachen und gegen die Stützpfeiler krachten. Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, wie lange ich so dagestanden und versonnen auf das Wasser geblickt hatte, aber es waren gewiss einige Minuten verstrichen. Plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern. Erschrocken fuhr ich aus meiner Trance, drehte mich um. Unauffällig hatte Jördis sich von hinten herangeschlichen.

    Jördis war knapp zwei Jahre älter als ich, aber das störte uns in keiner Weise: Wann immer wir uns sahen, hatten wir jede Menge Spaß miteinander! Gemeinsam konnten wir sämtliche Ärgernisse des Alltags vergessen.

    Ich strahlte Jördis an. „Schön, dass du gekommen bist! „Klar, immer wieder gerne. Was hältst du von einer kleinen Bootsfahrt? Jördis‘ Vater vermietete Tretboote auf der ganzen Insel, doch sein Hauptsitz lag hier in Koserow, sodass uns an urlauberarmen Tagen stets kostenlos ein Boot zur Verfügung stand. Diesen großen Vorteil nutzten wir nicht selten, denn solche Touren wurden auch beim hundertsten Mal nicht langweilig. Ich folgte Jördis an den Strand, wo sie eins der Boote von der Sicherungskette befreite. Mit vereinten Kräften schoben wir es ins Meer. Als es auf den sanften Überbleibseln der Wellen schaukelte, wateten wir knietief ins Wasser, wobei wir das Boot vor uns hertrieben. Erst dann kletterten wir auf die Sitze.

    Beim Treten schlugen wir automatisch den gleichen Rhythmus an. Dieser hatte sich nach den jahrelangen gemeinsamen Ausflügen einfach so eingepegelt. Wie immer hielt ich den Steuerknüppel, denn Jördis war seit jeher der Auffassung, dass sie im Lenken „eine Niete" sei. Dabei war es im Grunde ganz egal, in welche Richtung wir schipperten. Meist fuhren wir außerhalb der Badezone, besonders im Sommer, wegen der Schwimmer. Angst vor dem offenen Meer hatten wir keine, schließlich begleitete es uns bereits unser ganzes Leben lang.

    Irgendwann, längst hatten wir die Bojen hinter uns gelassen, fragte Jördis einfach nur: „Und?" Ich seufzte. Mir war klar, was sie meinte: Ob ich denn endlich eine Zusage erhalten hätte. Resigniert schüttelte ich den Kopf.

    „Wie viele Anfragen hast du gesendet? „21. Bisher sind 18 Absagen eingegangen. „Hast du noch Hoffnung auf eine positive Rückmeldung? „Ehrlich gesagt, nein. Ach Jördis, was soll ich nur tun? Ich habe alles versucht. Es muss doch irgendwie möglich sein, das Buch drucken zu lassen! Jördis legte mir eine Hand auf die Schulter. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie erwiderte: „Es gibt da etwas, das ist wie eine Art Verlag. Schon mal was von ‚Books Selfmade‘ gehört? Du kannst dort verschiedene Leistungen kaufen – Lektorat, Design, ISBN und solche Dinge. Dann legst du eine Exemplarzahl für den Erstdruck fest. Du zahlst einen Pauschalpreis pro Buch, den Verkaufspreis suchst du dir danach einfach selbst aus, wobei er nicht viel höher sein wird, aber Grundkosten hast du keine, abgesehen von den Leistungen, die ich aufgezählt habe." Ich überlegte kurz. „Okay, ein

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