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Ein Fohlen für Doria
Ein Fohlen für Doria
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eBook315 Seiten4 Stunden

Ein Fohlen für Doria

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Über dieses E-Book

Dori, die eigentlich Doria heisst, ist ein hilfsbereites und quirliges Mädchen, voller Phantasie und Lebensfreude. Sie geniesst das Leben auf dem "Schlosshof" vollumfänglich und versteht sich prächtig mit ihrer Grossmutter, sowie mit Tante Ulle und deren Sohn. Zusammen mit Peter, Tante Ulles Sohn, erlebt Dori viele Abenteuer. -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711509210
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    Buchvorschau

    Ein Fohlen für Doria - Lise Gast

    www.egmont.com

    Ein Fohlen im Versteck

    Na, wen hast du dir denn da wieder aufgehalst?", fragte Peter und zog sein zehnjähriges Ohrfeigengesicht auseinander. Mutter legte den Hörer auf.

    „Was heißt wieder? Dieses Jahr hatten wir noch keine Gäste, oder etwa –"

    „Und Schillings? Sie waren sechs Wochen hier, mit dem unausstehlichen Sebastian. Dann kam Waltrud und dann Robert ..."

    „Wenn man so wohnt wie wir – du hast ja keine Ahnung, was es heißt, in der Stadt leben zu müssen, wo es nach Autoabgasen stinkt und man dauernd das Rasseln der Lastwagen hört, wo man keine Sonne hat und abends keine Sterne ..."

    „Jaja, ich weiß. Trotzdem könnten wir auch mal unter uns bleiben."

    „Ach Peter, ist es denn weniger schön bei uns, wenn noch ein paar andere Leute hier sind und es gut haben? Die es sonst –" Mutter hielt inne. Sie suchte nach einem Wort, das kräftig genug war und trotzdem auszusprechen.

    „Beschissen", half Peter ihr freundlich aus. Sie musste lachen.

    „Danke. Genau. Du sagst es, bleiche Taube. Und jetzt geh und füttere die Katzen, sie haben heute noch nichts gekriegt. Und Brumme muss ausgeführt werden."

    Peter hatte Pfingstferien. Er behauptete in den Ferien mehr zu tun zu haben als in der Schulzeit. Da konnte man sich jederzeit mit einem „Ich hab noch Schularbeiten oder „Wir schreiben morgen eine Arbeit dünnemachen, während es in den Ferien dauernd hieß: „Tu das!, „Mach jenes!, „Hol mir mal schnell –", wenn man nicht von vornherein dazu verurteilt war, einzukaufen oder Mutters Fahrrad zu putzen oder sonst eine Sklavenarbeit zu verrichten.

    Peter wollte sich auch jetzt schnellstens absetzen, bevor Mutter noch mehr einfiel, aber seine Neugierde war doch größer als die Faulheit.

    „Wer kommt denn?", fragte er also noch mal. Wissen wollte er es schon.

    „Eine Kusine von dir. Du kennst sie noch nicht. So alt wie du, nein, etwas älter. Doria heißt sie."

    „Doria? Ist das ein Name?"

    „Ja, damit du es weißt. Sie wird Dori genannt. Sicher ist sie nett. Und nun verdufte."

    „Nett, nett, brummte Peter vor sich hin, während er davontrottete, „wenn ich das schon höre. Aber vielleicht kann sie ...

    ... die Katzen füttern, Fahrräder putzen, ins Dorf fahren und einkaufen ... Er würde schon dafür sorgen.

    Peter war der vierte von vier Brüdern, ein Nachkömmling, die drei andern hatten das Elternhaus bereits verlassen.

    Langsam schlenderte er über den Hof. Die Kastanien hatten ihre weißen Kerzen aufgestellt, der Flieder hing in schweren lila-blauen Dolden über den Zaun. Es war wirklich schön in dem weiten Hof, der an einer Seite von dicken Kastanienbäumen begrenzt war, an der anderen vom ehemaligen Bauernhaus. Das war ihr Wohnhaus, der angebaute Pferdestall zum Atelier für Vater umgebaut. An der dritten Seite des Hofes begann der Park, in dem das Schloss stand. Zu ihm hatte früher der Hof gehört, weshalb er noch heute „der Schlosshof" genannt wurde. An der vierten Seite, dort, wo man hereinkam, lag das Pförtnerhaus. Dort wurde gebaut.

    Peter bummelte hinüber. Er ärgerte sich über Mutter. Seit die großen Brüder nicht mehr daheim waren, hatte sie sich verändert, fand er, war nicht mehr dieselbe. Sie sagte das selbst.

    „Ich kann nur in großen Töpfen kochen, seufzte sie manchmal und versuchte es scherzhaft klingen zu lassen, aber es war ihr Ernst. „Wenn bei uns der Tisch nicht ausgezogen ist und mindestens fünfzehn hungrige Mäuler darauf warten, dass ich ausgebe wie in der Jugendherberge –

    „Fünfzehn, sagte Vater dann, blinzelte ein wenig und schüttelte den Kopf, „übertreib nicht so maßlos.

    „Und ich nicht Quadratmeter Kuchen backe, der mir aus den Fingern gerissen wird, fuhr Mutter fort, „und alles ohne Katastrophen abläuft ...

    Früher war fast täglich der Ruf „Katastrophe! Katastrophe! ertönt, ob nun ein Fahrradreifen geplatzt war oder eine Katze gejungt, der Hund ein „gräfliches Huhn erwischt und stolz apportiert hatte, wofür man sich noch entsetzlich entschuldigen musste – immer war etwas los gewesen. Jetzt, da Peter allein für Mutters Abwechslung sorgte, verlief der Tag meistens harmlos und friedlich. Das war gut, wenn Vater da war; wenn er sich, wie so oft, auf Reisen befand, behauptete Mutter, sie wüsste nicht, wozu sie eigentlich da sei. Deshalb die vielen Gäste, deshalb also Doria.

    Peter versuchte die Kusine zu vergessen, bis sie kam, und blieb vor dem Pförtnerhäuschen stehen. Hier war gottlob etwas los. Der Kran, der mit seinen zwei Schalen wie ein gewaltiges Riesenmaul zugriff, schwenkte Balken und Baumaterial durch die Luft, der Trecker ruckelte heran, was beim Bauen gebraucht wurde. Und manchmal, wenn Peter mit gar zu sehnsüchtigen Augen zum Fahrer hinaufschaute, sagte der:

    „Komm, Junge, kannst mal ein Stück fahren ... Schlag ein, aufpassen – ja, so ist es richtig. Noch etwas mehr!"

    Peter war wie ein Affe hinaufgeturnt und saß am Steuer, gab Gas, bediente die Kupplung – und der Trecker gehorchte, ruckte vor oder zurück, wie er es wollte. Peters Gesicht glühte vor Eifer.

    Wenn nur Mutter nicht dazukam. Sie konnte es gar nicht leiden, wenn er auf dem Trecker saß – dabei hatten die großen Brüder das auch getan. Hoffentlich dauerte die Bauerei noch recht lange, mindestens die ganzen Pfingstferien über! Aus dem Pförtnerhäuschen, das bisher als Garage gedient hatte, sollte ein kleines Wohnhaus für Großmutter werden. Sie hatte sich entschlossen hierher zu ziehen.

    Peter kannte sie nur von gelegentlichen Besuchen her. Ihn interessierten die meisten Erwachsenen nicht. Freilich brachten sie oft etwas mit und Großmutter war insofern eine Ausnahme, als sie sich nicht auf Schokolade beschränkte, sondern auch ferngelenkte Autos oder andere technische Dinge mitbrachte. Auch Bücher. Peter las sehr gern, wenn die Bücher interessant waren, und die von Großmutter waren eigentlich immer Treffer. Dabei war sie doch schon ziemlich alt. Aber sie fuhr noch Auto, was Peter ihr hoch anrechnete. Selbst hatte sie keinen Wagen mehr, aber einmal war sie mit einem geborgten BMW hier gewesen. Den fuhr sie genauso selbstverständlich, wie andere Großmütter Strümpfe strickten. Oder wie es hieß, dass sie es taten, gesehen hatte Peter das noch nie. Na ja, die Erwachsenen ...

    „Schlaf nicht, Junge, pass auf!, raunzte in diesem Augenblick der Treckerfahrer zu ihm herauf. „Nimm den zweiten, los, ja. Und kuppeln! Na siehst du, so ist’s gut.

    Habt ihr Pferde?" Die Frage schoss aus Dori heraus, noch ehe sie und Peter einander begrüßt hatten. Peter war von Mutter zum Bahnhof geschickt worden um den Gast abzuholen und hatte missmutig und gelangweilt auf dem Bahnsteig herumgestanden.

    „Pferde, wieso?", fragte er mürrisch.

    „Na, ihr wohnt doch auf einem Bauernhof, auf dem Schlosshof, hat Mutter gesagt. Dori ließ nicht locker. „Bauernhöfe haben doch Pferde – oder Schlosshöfe vielleicht nicht?

    „Es ist kein Bauernhof mehr, Vater ist Maler, entgegnete Peter verärgert. „Früher gab es welche bei uns, das heißt, als wir noch nicht da wohnten. Jetzt ist der Pferdestall Vaters Atelier.

    „Schade! Doris Enttäuschung war groß. „Auch keine Ponys? Ich hab bestimmt geglaubt, ihr habt welche. Mutter sagte, jetzt gibts überall auf dem Lande Ponys.

    „Das kann sie ja nicht wissen."

    Dori hatte ihr Fahrrad aus dem Gepäckwagen des Zuges in Empfang genommen und machte sich nun daran, ihr Gepäck darauf zu verstauen. Der Rucksack kam auf den Gepäckträger, eine Tasche an die Lenkstange, die andere ...

    „Gib her, sagte Peter nicht gerade freundlich, aber schließlich mussten sie ja weiter. „Ich hänge sie bei mir dran. Wir müssen sowieso die meiste Zeit schieben.

    „Gehts bergauf?", fragte Dori. Peter nickte.

    „Klar. Wir wohnen auf dem Schlossberg."

    „Zu schade, dass ihr keine Pferde habt, wiederholte Dori, während sie die Fahrräder nebeneinanderher aus dem Bahnhofsgelände schoben. „Bei uns ist ein Reitverein gleich nebenan, da bin ich jeden Tag zum Helfen. Zum Ausmisten und Stallgasse-Kehren, na, zu allem, was gemacht werden muss. Manchmal darf ich auch trockenreiten.

    „Trockenreiten?"

    „Na ja doch. Wenn die Pferde nass geschwitzt sind, in der Abteilung oder beim Ausreiten, müssen sie zehn Minuten geführt oder im Schritt geritten werden, bis sie trocken sind. Ich führe natürlich nicht, sondern reite."

    „Hm. Einen Reitverein gibts hier auch. Nicht in Neuenstein, aber in Oeffingen. Das ist das Nachbardorf. Wir können ja mal hinradeln."

    „Mal? Jetzt gleich. Wir bringen nur das Gepäck weg, zu euch – oder können wir es woanders lassen, damit wir nicht erst den Berg rauf müssen?"

    „Nee, das müssen wir erst raufbringen. Mutter wartet. Sonst denkt sie, du bist gar nicht gekommen."

    Peter sprang vom Rad, sie waren am Fuß des Schlossbergs angelangt. Während sie ihre Räder den steilen Fußweg hinaufschoben, wobei Dori immerzu der Rucksack vom Gepäckträger rutschen wollte, betrachtete Peter sie unauffällig. Sie war etwas größer als er, was ihn ärgerte, trug eine kurze Hose und ein T-Shirt und hatte ziemlich kurz geschnittenes Haar, braun mit einem rötlichen Schimmer darüber. Ein rundes Gesicht mit lustigen Sommersprossen, muntere Augen und einen Mund, der nicht stillstand, auch hier nicht, wo man die Luft doch eigentlich zum Steigen brauchte, vor allem, wenn man ein beladenes Fahrrad schob. Dori scherte sich nicht darum, sondern fragte und fragte, wollte alles wissen, vor allem vom Reitverein. Schließlich fand Peter, der nicht allzu viel vom Reitverein wusste, nun könnte er ja auch mal was fragen.

    „Wie heißt du eigentlich? Doria?", setzte er also an. Es klang nicht sehr liebenswürdig.

    „Eigentlich Dorothea, antwortete sie, „das heißt ‚Gottesgeschenk‘. Meine Eltern haben sich eine Tochter gewünscht und mich deshalb so genannt.

    „Na, wie ein Gottesgeschenk siehst du nicht aus, meinte Peter. „Aber keiner kann für den Geschmack seiner Eltern. ‚Peter‘ mag ich ja auch nicht.

    „Peter heißt bei uns ein Rappe, ziemlich schwer, aber gutmütig, sagte Dori. „Damit es schneller geht, sagen sie Doria oder Dori oder Dor zu mir. Ich hieße gern anders. Es gibt aber viel mehr hübsche Jungenals Mädchennamen. Petra würde ich gern heißen.

    „Ausgerechnet Petra?", fragte Peter erstaunt. Sie lachte.

    „Noch lieber richtig Peter. Es gibt Mädchen, die Peter heißen. Oder Hansi. Ich aber leider nicht."

    „Gefällt dir denn ‚Peter‘?", fragte er erstaunt.

    „Und wie! Ich nenne mein erstes Kind bestimmt mal so, ob Junge oder Mädchen." Sie sagte das so selbstverständlich, wie ein anderer vielleicht gesagt hätte: Mein Rucksack rutscht schon wieder. Eine Schmeichelei war es also auf keinen Fall.

    Peter schwieg. Dann waren sie oben.

    Mutter kam ihnen nicht entgegen. Sie fanden sie auch nicht in der Küche, sondern endlich im oberen Flur.

    „Ich muss fort, Vater hat eben angerufen. Sucht euch etwas zu essen – Tag, Dori! Wie schön, dass du da bist ..." Schon war sie um die Ecke der Garderobe verschwunden. Peter lachte vergnügt.

    „Na schön, können wir machen, was wir wollen. Spiegeleier oder –"

    „Hast du Hunger?, unterbrach ihn Dori. „Ich nicht. Bloß Durst. Lass, ich trinke Wasser. Peter hatte den Kühlschrank aufmachen wollen. „Damit wir fortkommen."

    „Fort? Wohin denn?"

    „Na, zum Reitverein natürlich. Wohin denn sonst?"

    Dori warf den Rucksack in eine Ecke und die Taschen darauf. „Komm, los, desto mehr Zeit haben wir dort."

    „Na schön."

    Peter wäre lieber in der kühlen Küche geblieben, aber er konnte seinen Gast nicht gut allein loslaufen lassen. Außerdem wusste Dori ja nicht, wo der Reitverein war. So trank auch er nur ein Glas Wasser und wollte Dori folgen, besann sich aber und erwischte sie noch am Arm, ehe sie die Treppe hinunter war.

    „Komm noch mal her, ich will dir was zeigen."

    Aus der Küche führte eine zweite Tür in den oberen Flur und von da aus ging eine Wendeltreppe hinab, bei der man rundum sausen konnte, wenn man sich am mittleren Geländer festhielt. Peter machte es vor, Dori folgte. Dann standen sie in einem großen Raum, der nach zwei Seiten hin Fenster hatte.

    „Das ist das Atelier. Früher war es der Pferdestall."

    Bei dem Wort Pferdestall riss Dori die Augen weit auf.

    „Richtig. Das müssen die Boxen gewesen sein. Sie ging von einem der Pfosten, die noch vorhanden waren, zum anderen. „Hier – und hier – und da –

    „Dort hinten war der Wassertrog. Der Kutscher pumpte ihn immer abends voll, sagt Mutter."

    „Damit das Wasser abgestanden war. Pferde müssen abgestandenes Wasser bekommen, kein eiskaltes."

    „Und dort oben ist die Luke. Peter deutete zur Decke hinauf. „Da durch warfen sie das Heu herunter.

    „Das ist praktisch, lobte Dori. „Bei uns im Reitstall ist das auch so: oben der Heuboden mit den vielen Katzen.

    „Gibts dort so viele?", fragte Peter.

    „Klar. Wo Pferde sind, die Hafer zu fressen bekommen, sind immer Mäuse, deshalb hält man sich Katzen. Nur bekommen sie oft Junge, ohne dass man es merkt – im Heu. Meist findet man sie erst, wenn sie schon ziemlich groß sind. Was glaubst du, wie oft ich schon mit jungen Katzen herumgezogen bin und sie Leuten angeboten habe, in der Hoffnung, dass sie sie nehmen würden. Katzen vermehren sich wahnsinnig schnell. Ich habe mal ein Bild bei unserem Tierarzt gesehen, da war oben eine Katze, darunter zwei, dann vier und acht und so weiter, zuletzt lauter, lauter, lauter Katzen, ein ganzer Berg. Kein Mensch will so viele. Aber man kann sie ja beim Tierarzt sterilisieren lassen. Das sollten alle Leute tun, die sich eine Katze wünschen."

    „Kann man das?", fragte Peter.

    „Man kann. Man muss. Du, im Reitverein hatten wir mal eine Ratte. Die saß in einer leeren Tonne, in der vorher Kraftfutter gewesen war. Da haben wir unseren größten Kater geholt und dazugetan. Und weißt du, was dann passierte?"

    „Er brachte die Ratte um."

    „Denkste! Überhaupt nicht. Er hat sich gefürchtet wie vor wer weiß was, hat gemaunzt und ist schließlich aus der Tonne herausgesprungen und weg war er."

    „Und die Ratte?"

    „Die hinterher! Über den Hof haben wir beide fegen sehen und dann waren sie weg. Das heißt, der Kater kam eines Tages zurück. Er gehörte ja zu uns. Den haben wir aber ausgelacht."

    „Ob er das gemerkt hat?"

    „Na sicher. Katzen sind sehr feinfühlige Tiere."

    „Aber so eine Ratte ist auch was zum Fürchten. Ich kann den Kater verstehen. Der kannte bis dahin vielleicht nur Mäuse. Ich hab mal eine Ratte von nahem gesehen, die war ganz fett und hatte scheußliche Zähne ..." Peter schüttelte sich noch, während er daran dachte. Dori nickte zustimmend.

    „Ja, Ratten sind ekelhaft. Aber Mäuse sind niedlich."

    Sie schoben die Fahrräder nebeneinander den Weg hinunter, der zu steil war um hinunterzufahren.

    „Ich hatte mal eine Haselmaus, erzählte Dori, „die war süß! Ganz klein, etwa so groß wie das vordere Glied von meinem Daumen. Und zahm! Und rennen konnte die! Ich war damals krank, lag im Bett und langweilte mich. Mutter ist ja berufstätig, halbtags, aber oft war sie den ganzen Tag nicht da. Damals hab ich mir heimlich die Haselmaus geholt und auf die Bettdecke gesetzt. Aber –

    „Sie rannte dir fort?", fragte Peter gespannt.

    „Im Gegenteil. Sie kletterte sofort von der Bettdecke auf meine Hand. Und lief mir den Arm rauf und runter und auf die andere Hand, wenn ich sie hinhielt."

    „Mensch, lustig, sagte Peter begeistert. Sie waren auf der Straße angekommen und stiegen auf die Fahrräder. „Erzähl weiter!

    „Weiter gar nichts. Aber ich hatte keine Langeweile mehr. Sie sauste hin und her auf meinen Händen, ganz süß. Und ich hab sie natürlich gefüttert, mit Krümeln. Die nahm sie und aß sie im Sitzen, so wie ein Eichhörnchen ungefähr, sehr niedlich."

    „Und in der Nacht? Hattest du da nicht Angst sie zu zerdrücken?"

    „Ja, doch. Da hab ich sie dann wieder in ihr Kästchen gesetzt, vorsichtshalber. Sie wohnte in einem viereckigen Glasbehälter, in den hatte ich unten Watte gelegt, damit sie nicht fror, und eine kleine flache Schüssel mit Milch dazugestellt. Über das Glas hatte ich einen durchsichtigen Stoff gespannt, aber eines Morgens war der angenagt und die Maus fort. Ich hab schrecklich geheult, weil ich nun nichts mehr zum Spielen und Füttern hatte, und Mutter versprach mir eine weiße Maus aus einer Zoohandlung mitzubringen. An dem Tag konnte sie es aber nicht, da waren die Läden zu und am nächsten –"

    „Brachte sie auch keine? Die Erwachsenen versprechen oft viel und dann ..."

    „Nein, so ist Mutter nicht. Aber am nächsten Tag war die Haselmaus wieder da, auf einmal. Ich konnte es gar nicht fassen. Mutter rief: ‚Dori, Dori, was glaubst du, was ich hier habe?‘ Na, was schon, sagte ich maulig. Aber da kam sie angelaufen und hatte das Mäuschen in der hohlen Hand, obwohl sie sich sonst vor Mäusen graulte. Das war eine Freude!"

    Dori und Peter radelten nebeneinanderher. Es war heiß, aber schön.

    Sie erreichten das Dorf und gleich darauf den Reitverein. Ein großer alter Stall mit einem Walmdach, daneben ein riesiger Misthaufen, zu dem eine kleine Brücke hinüberführte. Dahinter die Halle.

    Die beiden lehnten ihre Fahrräder an die Stallwand. Im Nu war Dori in der offenen Stalltür verschwunden. Zu ihrer größten Verblüffung fand sie sich aber schon im nächsten Augenblick draußen wieder, und zwar recht unsanft gelandet auf ihrem Allerwertesten.

    „Puh, wer war das. Wer hat mich ..."

    Peter krümmte sich vor Lachen.

    „Das war Mephisto, der kleine Teufel!"

    Dori stand auf, putzte ein wenig an sich herum und ging dann vorsichtig wieder auf die Stalltür zu.

    „Mephisto? Wer ist denn das?"

    „Der Ziegenbock. Im Verein halten sie sich einen Zwergziegenbock, der soll Glück bringen. Und der mag Fremde nicht." Peter hatte sich vorsichtshalber hinter einen der beiden Torpfosten gestellt. Dori kam näher.

    Ja, jetzt sah sie das kleine Biest. So klein, dass sein Kopf, mit Hörnern bestückt, ihr nur bis an die Knie reichte. Der hatte sie so freundlich begrüßt.

    „Geh ja nicht wieder ran", warnte Peter, aber Dori war schon dabei. Sie hatte entdeckt, dass an der Stallmauer entlang Löwenzahn wuchs, beinahe aus den Steinen heraus, denn der Hof war gepflastert. Sie pflückte ein paar und näherte sich mit diesem Friedenspfand in der Hand erneut dem kleinen Ungeheuer.

    „Mephisto, mein Guter, ich hab dir was mitgebracht, schmeichelte sie, „komm, komm, schöner Löwenzahn, den mögen kleine Ziegenböcke gern!

    Der winzige Teufel kam näher, schnupperte an den Blättern und fraß sie ihr dann aus der Hand. Peter stand daneben und staunte. Sie streichelten Mephisto und lobten ihn und er tat ganz vertraut.

    Dann führte Peter Dori an den Ständen entlang. Die Namen der Pferde standen auf kleinen Tafeln über den Krippen. Es waren komische dabei: Astnichte und Damenweg und Garibaldi, und dann wieder ganz einfache wie Hansi oder Moritz oder Liebchen. Auch ein Mumpitz war dabei.

    „So würde ich mein Pferd aber nie nennen, sagte Dori empört. „Und Garibaldi, das klingt wie der Name von einem Schnellkochtopf. Werde bald gar, so ungefähr. Peter sah sie von der Seite an.

    „Weißt du nicht, dass Garibaldi ein berühmter Mann war?"

    „Ja, und es ruft sich auch gut, jedenfalls besser als Astnichte", meinte Dori. Gerade kam der Pferdepfleger. Er sah die beiden an.

    „Was wollt ihr denn hier?"

    „Helfen!", rief Dori sofort. Der Mann lachte behaglich. Er war alt und freundlich; über Hemd und Hose trug er eine grüne Schürze.

    „So eine Schürze hab ich mir immer gewünscht!", sagte Dori.

    „Vielleicht bringt sie der Osterhase, erwiderte der Alte, „aber es geht auch ohne ganz gut. Ihr könnt die Stallgasse fegen, dort stehen Besen. Dich kenne ich ja, Junge.

    Peter wurde rot vor Stolz. Er war schon ein paar Mal hier gewesen.

    „Der Osterhase?", fragte Dori und lachte.

    „Ja, du meinst, das dauert eine Weile, bis der wieder kommt? Dahinten steht er. Er wies zum Ende des Stalles hin, wo ein Pferd nicht in einem Stand wie die anderen, sondern in einer ringsum geschlossenen Box stand. Wirklich, auf dem Schild stand „Osterhase. Dori guckte über die Bretterwand und lachte.

    „Ein bisschen sieht es wirklich so aus, jedenfalls die Ohren!" Die waren länger als bei den meisten Pferden. Der Alte lachte.

    „Jaja. Da war der Vater ein Esel. Aber lasst mal, Esel sind gar nicht dumm. Das heißt es nur immer. Esel sind weder dumm noch störrisch. Und dieser hat viel von der Mutter. Ihr wisst ja, wenn der Vater ein Esel ist und die Mutter eine Pferdestute, dann wird das Kind ein Maultier. Und umgekehrt, ist die Mutter eine Eselin, der Vater ein Pferd, so gibt das einen Maulesel. Dieser kam an einem Ostersonntag zur Welt, deshalb heißt er Osterhase."

    „Und man kann ihn richtig reiten wie ein Pferd?"

    „Man kann. Die Leute, denen er gehört, haben noch andere Pferde. Aber der Junge bestand darauf, dass sie den Osterhasen behielten. Er reitet ihn."

    „Und dort? Dahinter? Wer steht darin?", fragte Dori und lief zur nächsten Box. Der Alte schüttelte den Kopf.

    „Niemand. Wenn du keines mitbringst, ist die Box leer."

    „Ich hab leider kein Pferd. Aber, Doris Gesicht leuchtete jetzt vor Eifer, ihre Augen sprühten, „ich spare auf eins. Schon lange. Ich esse kein Eis, wenn mir jemand eins spendieren will, und lass mir lieber das Geld geben. Und wenn wir einen Schulausflug machen und Geld mitbekommen, dann kaufe ich mir nichts unterwegs. Alles spare ich – schon seit Jahren!

    „Das ist recht. So kommt man zum Pferd, lobte der Pferdepfleger. „Kannst dir ja am Mittwoch eins aussuchen. Da ist Stutenschau in der Kreisstadt. Ihr kommt doch sicher auch hin, ihr beiden. Wir auch.

    Gegen Abend kamen die Reitvereinsleute. Manche sattelten selber, einige ließen sich die Pferde vom Pferdepfleger fertig machen, sogar nachgurten, warfen dann ihren Zigarettenstummel auf die Erde und traten ihn aus. Dori beobachtete es angewidert.

    „Ich würde immer selbst satteln, murrte sie, „man muss doch wissen, ob alles sitzt. Und du?

    Peter zuckte die Achseln. Er hatte sich das noch nie überlegt. Als sie heimradelten, fragte er:

    „Du möchtest wohl gern reiten? Erlauben das deine Eltern nicht?"

    „Es ist zu teuer, erklärte Dori. „Voltigieren habe ich gedurft, als ich noch kleiner war. Das war schön. Aber reiten ... Wenn ich erst einmal ein eigenes Pferd hab ...

    „Wissen sie, dass du darauf sparst?", fragte Peter.

    „Hm. Weiß nicht. Doch, ja, sie wird es wohl wissen."

    „Und ein Pferd im Reitverein stehen haben, das ist teuer, ich weiß", sagte Peter. „Zu mir sagt Vater immer, ich hätte noch zu kurze Beine. So ein Quatsch. Die Prinzessin Anne in England ist auch schon mit fünf

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