Zwei Freundinnen auf den Buckelwiesen: 2. Band der Reihe "Zwei Freundinnen"
Von Andrea Wehr
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Buchvorschau
Zwei Freundinnen auf den Buckelwiesen - Andrea Wehr
Kapitel 1: Mit Opel Schweinchen auf Tour
„Oma kommt!"
Kathrin hüpfte auf und ab vor Freude. Ich hüpfte ebenso.
Gerade kam Opel Schweinchen um die Ecke gebogen, der rosa Opel Corsa meiner Oma. Kathrin, meine beste Freundin, nennt sie auch Oma, weil ihre eigene weit weg in Hamburg wohnt. Die beiden haben sich quasi gegenseitig adoptiert. Ich habe kein Problem damit, Oma zu teilen. Es ist genug Oma da für zwei Mädchen. Damit meine ich nicht nur, dass sie ein wenig rund um die Mitte ist, sondern auch, dass ihr Herz groß genug für viele Kinder ist.
Opel Schweinchen bremste mit quietschenden Reifen, was meine Mutter zu einem Stirnrunzeln veranlasste.
„Na ja, ich weiß ja nicht, ob das wirklich eine so gute Idee war, euch beide mit Oma auf die Reise zu schicken."
Oma hatte den Satz noch gehört, als sie aus dem Auto ausstieg. Sie umarmte ihre einzige Tochter, meine Mutter nämlich, dann mich, ihre einzige leibliche Enkeltochter, und anschließend Kathrin, ihre adoptierte Enkeltochter.
Nach all diesen Umarmungen strahlte sie meine Mutter, also ihre Tochter, an und versuchte sie zu beruhigen.
„Monika, du weißt doch, dass ich einen Schutzengel an Bord von Opel Schweinchen habe. Was soll uns da passieren?!"
Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich nicht wirklich.
„Fahr anständig, Mutter, ich bitte dich!"
Das musste ausgerechnet Mama sagen. Nee, wirklich, der Fahrstil meiner Mutter war keinen Deut besser als der von Oma. Ständig musste ich sie bremsen, wenn sie mal wieder auf zwei Reifen durch die Kurven fuhr. Woher sie das nur hatte?
Oma lachte.
„Aber natürlich, Monika, ich werde auf meine besten und einzigen Enkelkinder aufpassen! Du kennst mich doch."
Ich beobachtete Mama und grinste weiter in mich hinein. Ihr Gesicht zeigte deutlich, was sie gerne geantwortet hätte. Bevor Mama jedoch einen Rückzieher machen konnte und uns am Ende noch die Reise verbieten würde, riss ich kurzerhand den Kofferraum auf und wollte meine Reisetasche hineinwerfen. Mitten im Schwung stoppte ich und starrte fassungslos auf das Sammelsurium von Taschen, kleinen Koffern, Stoffbeuteln und Plastiktüten, die den Kofferraum nahezu vollständig ausfüllten.
„Oma! Der Kofferraum ist voll!", stammelte ich. Meine Reisetasche schwebte kurz über meinem Kopf in der Luft, bis ich sie langsam wieder auf dem Boden absetzte.
Kathrin kam näher, und schaute genauso ratlos wie ich in den Kofferraum. Hier hatte nicht einmal der winzigste Rucksack Platz, geschweige denn meine geräumige Reisetasche!
„Ach ja, begann Oma. „Ich wollte es gerade sagen, ich habe nicht so viel Platz hinten drinnen, aber wir haben ja noch den Platz im Auto selbst. Da kriegen wir eure zwei Taschen schon unter.
„Und unsere Vesperpakete! Vergiss die nicht!", bemerkte Kathrin.
Unsere Eltern hatten, wie gewohnt, riesige Vesperpakete für die Reise gerichtet. Sie nahmen annähernd so viel Platz ein wie unsere Reisetaschen, hatten aber den Vorteil, dass sie gegen Ende der Fahrt kleiner werden würden. In der Regel waren mehrere belegte Brote, verschiedene Sorten Joghurts, Äpfel oder anderes Obst, Müsliriegel und sonstige Leckereien vertreten. Manchmal gab es dazu Apfelschorle, aber auch mal nur Tee, je nachdem, was gerade vorrätig war.
Mama gab mir einen Kuss auf die Wange und umarmte uns alle drei. Kopfschüttelnd ging sie auf das Haus zu mit dem Kommentar: „Ich will mir das nicht ansehen, wie ihr mit Vollgas abfahrt, vielleicht noch auf zwei Reifen in der Kurve. Nein, das will ich nicht. Gute Fahrt und ruft an, wenn ihr angekommen seid. Ich hoffe gesund, bei dem Fahrstil!"
Von Papa hatte ich mich gestern Abend schon verabschiedet, denn heute musste er arbeiten. Es war Freitagmorgen und ein verlängertes Wochenende bis einschließlich Dienstagabend lag vor uns. Wir hatten dieses Wochenende als Belohnung für die Aufklärung eines Kriminalfalles bekommen, den wir vor ein paar Wochen gelöst hatten: Vier Übernachtungen mit Frühstück in der Pension „Ziegenweide" im Städtchen Pfronten-Steinach und einen Extra-Gutschein für einen Besuch bei der örtlichen Polizeistation. Letzterer war uns sicher zwecks Fortbildung geschenkt worden, denn schließlich wollte ich Polizistin werden, wenn ich erst mal erwachsen war.
Das hatte ich seit dem letzten Polizeieinsatz so oft ausgesprochen, dass es wahrscheinlich die halbe deutsche Polizei schon wusste. „Wisst ihr, Anna Reiter wird sicher einmal Polizistin ...", oder so ähnlich.
Die Reise ging los. Oma fuhr, wie Oma halt fuhr. Mir machte das gar nichts aus. Das lag wahrscheinlich in den Genen. Nach Mama würde ich wahrscheinlich die nächste sein, die fuhr wie Oma. Mein Fahrlehrer konnte sich auf was gefasst machen!
Kathrin war ein klein wenig zarter besaitet mit ihrer musischen Seele. Sie spielt Klavier und singt sogar in einem Chor. Ihr machte der Fahrstil meiner Oma leider wirklich etwas aus. In manchen Kurven wurde sie etwas grau im Gesicht, aber ich lenkte sie immer gleich mit Geschichten oder Sehenswürdigkeiten ab, die es auf der Strecke gab.
„Schau mal, Kathrin, da kommt eine Raststätte. Da hält Oma sicher. Sie hat schon seit einer halben Stunde keine Pause mehr gemacht."
Oma liebte Pausen. Kathrin auch. Schließlich musste sie dann Omas Fahrkünste nicht mehr ertragen. In jeder Pause erleichterten wir unser Vesperpaket um ein paar Pfund und Oma ihre Blase. Ältere Damen haben oft eine schwache Blase und Oma war keine Ausnahme. Das war für Kathrin und mich kein Problem, denn wir liebten die Pausen – aus verschiedenen Gründen. Kathrin zum Erholen vom Fahrstil, ich wegen meines immer hungrigen Magens.
Fünf lange Pausen brauchten wir bis zur Pension „Ziegenweide"!
Eine sogar mit Kulturprogramm, nämlich im Kloster Benediktbeuren. Das war auch typisch für Ausflüge mit Oma. Wir besuchten immer etwas, das uns bildet. Eine Kläranlage, ein Kloster, eine besondere Brücke, eine Burgruine, eine Bibliothek, eine Schleuse, ein Schloss oder ein Museum. Oma meint, dass uns das fürs Leben bildet. Oma ist trotz ihres Alters immer noch neugierig auf alles Neue und steckt uns damit an. Ich glaube, durch Omas Ausflüge habe ich mehr über die Geschichte Deutschlands gelernt, als in meiner gesamten Schullaufbahn. Und dabei noch Spaß gehabt. Der leuchtende Blick von Omas Augen war inspirierender als die besten Unterrichtsstunden.
Ich will dir jetzt aber nichts über Benediktbeuren erzählen, schau es dir einfach mal selber an, es lohnt sich!
Kapitel 2: Pension Ziegenweide
Ich will dir lieber von unserer Ankunft in der Pension „Ziegenweide erzählen. Es war schon kurz vor 17 Uhr, als wir entlang den Almwiesen über eine schmale einspurige und kurvige Straße immer höher fuhren. Oma fuhr ausnahmsweise einmal anständig, weil sie dem – wenn auch spärlichen – Gegenverkehr in kleinen Buchten ausweichen musste und dabei schließlich die Pension „Ziegenweide
nicht verpassen wollte.
Das Navigationsgerät, das wir bei uns hatten, führte uns mysteriöserweise zum „Hotel Bartl. Wir stiegen aus und schauten hinter das Hotel, ob da die Pension Ziegenweide versteckt war. Aber Fehlanzeige, alles, was wir sahen, war das Hotel. Wir errieten die Lösung des Problems: Das „Navi
war überfordert mit der dünn besiedelten Gegend und schickte uns zu dem einzig sichtbaren Haus auf dem Weg.
Jetzt waren wir auf uns selbst gestellt. Wir holten die Karte aus dem Fach und suchten die Pension Ziegenweide. Sie war nicht eingezeichnet, wohl, weil sie zu klein war. Das war trotzdem kein Problem, Kathrin und ich hatten nicht zufällig den letzten Kriminalfall von Penzberg gelöst!
Mit unserem schlauen Hirn fingen wir an zu kombinieren. Es waren wenige Häuser hier oben auf den Almwiesen, aber ziemlich viele Ziegen auf den Weiden. Wo waren die meisten Ziegen? Um das kleine Häuschen da vorne mit der Scheune dran. Klar doch, das musste die Pension Ziegenweide sein!
Wir teilten Oma unsere Erkenntnisse mit, und sie fuhr zu dem kleinen Häuschen. Das wurde etwas größer, als wir näher kamen. Wir erkannten ein bayrisches Häuschen mit einer hübschen Balkongalerie rund um den ersten Stock,