Waisenkind Alida – endlich zu Hause: Mami 1926 – Familienroman
Von Lisa Simon
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Traurig preßte die sechsjährige Alida ihre kleine Nase gegen die kühle Fensterscheibe. Dort unten im Hof wurde gerade ein anderes kleines Mädchen von seinen neuen überstolzen Eltern abgeholt. Dieses Kind war allerdings kaum zwei Jahre alt, und Alida wußte, daß so kleine Kinder schnell ein Ehepaar fanden, das sie adoptierte.Mit einem tiefen Seufzer wendete sich Alida Lorenz an diesem verregneten Sonntagnachmittag wieder ihrem Malbuch zu. Ihre leibliche Mutter war bei der Geburt gestorben, hatte man ihr erzählt – und ihr Vater war den Behörden unbekannt.So hatte das niedliche blonde Mädchen mit den lustigen Sommersprossen auf der Nasenspitze nie etwas anderes als das Städtische Waisenhaus kennengelernt. Eigentlich hätte sie sich an dieses Leben längst gewöhnen müssen, doch das tat sie nicht. In ihren kindlichen Träumen tauchte immer wieder ein nettes Ehepaar auf, das kein anderes Kind als Alida bei sich aufnehmen wollte.Doch je älter das Mädchen wurde, desto tiefer sank die Hoffnung auf ein richtiges Zuhause. Die Betreuerinnen im Heim waren zwar alle sehr lieb und schimpften nur hin und wieder, trotzdem bekamen die Kinder längst nicht die Zuneigung, die sie brauchten.»Was malst du denn da?« Kristin, im selben Alter wie Alida und gleichzeitig ihre Zimmergenossin, beugte sich leicht vor, um genauer sehen zu können. »Guck mal, du hast überall drübergemalt.Alida zuckte die Schultern. »Na und? Ich habe sowieso keine Lust mehr, in diesem dummen Buch zu malen.»Wollen wir was spielen?« schlug Kristin gutgelaunt vor. Sie war zwar auch Vollwaise, doch bemühten sich die Großeltern bereits um das Sorgerecht für sie, so daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Mädchen dem Waisenhaus für immer den Rücken kehren konnte.Leider gab es in Alidas Leben keine Verwandtschaft, die sie zu sich nehmen könnte.
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Rezensionen für Waisenkind Alida – endlich zu Hause
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Buchvorschau
Waisenkind Alida – endlich zu Hause - Lisa Simon
Mami
– 1926–
Waisenkind Alida – endlich zu Hause
… und auch für Romy erfüllt sich ein Traum
Lisa Simon
Traurig preßte die sechsjährige Alida ihre kleine Nase gegen die kühle Fensterscheibe. Dort unten im Hof wurde gerade ein anderes kleines Mädchen von seinen neuen überstolzen Eltern abgeholt. Dieses Kind war allerdings kaum zwei Jahre alt, und Alida wußte, daß so kleine Kinder schnell ein Ehepaar fanden, das sie adoptierte.
Mit einem tiefen Seufzer wendete sich Alida Lorenz an diesem verregneten Sonntagnachmittag wieder ihrem Malbuch zu. Ihre leibliche Mutter war bei der Geburt gestorben, hatte man ihr erzählt – und ihr Vater war den Behörden unbekannt.
So hatte das niedliche blonde Mädchen mit den lustigen Sommersprossen auf der Nasenspitze nie etwas anderes als das Städtische Waisenhaus kennengelernt. Eigentlich hätte sie sich an dieses Leben längst gewöhnen müssen, doch das tat sie nicht. In ihren kindlichen Träumen tauchte immer wieder ein nettes Ehepaar auf, das kein anderes Kind als Alida bei sich aufnehmen wollte.
Doch je älter das Mädchen wurde, desto tiefer sank die Hoffnung auf ein richtiges Zuhause. Die Betreuerinnen im Heim waren zwar alle sehr lieb und schimpften nur hin und wieder, trotzdem bekamen die Kinder längst nicht die Zuneigung, die sie brauchten.
»Was malst du denn da?« Kristin, im selben Alter wie Alida und gleichzeitig ihre Zimmergenossin, beugte sich leicht vor, um genauer sehen zu können. »Guck mal, du hast überall drübergemalt.«
Alida zuckte die Schultern. »Na und? Ich habe sowieso keine Lust mehr, in diesem dummen Buch zu malen.«
»Wollen wir was spielen?« schlug Kristin gutgelaunt vor. Sie war zwar auch Vollwaise, doch bemühten sich die Großeltern bereits um das Sorgerecht für sie, so daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Mädchen dem Waisenhaus für immer den Rücken kehren konnte.
Leider gab es in Alidas Leben keine Verwandtschaft, die sie zu sich nehmen könnte. Noch einmal zuckte sie die Achseln. »Weiß nicht…«
Kristin zog die Nase kraus und fragte skeptisch: »Warum bist du heute wieder so komisch?«
»Bin ich doch gar nicht«, erwiderte Alida heftig und klappte das Malbuch zu. »Also gut, meinetwegen können wir Halma spielen.«
Sie wollte unbedingt verhindern, daß ihr Kristin auf die Schliche kam – denn sie war immer sehr niedergeschlagen und verstimmt, wenn sie miterlebte, wie wieder eines der Kinder ein neues Zuhause gefunden hatte.
Das Zimmer, in dem außer Alida und Kristin noch zwei andere Mädchen schliefen, war schlicht und zweckmäßig eingerichtet. Zwar gab es an den Wänden bunte Bilder, und auch die Gardinen waren mit Märchenfiguren bedruckt, doch täuschte dies nicht darüber hinweg, daß es sich um ein Waisenhaus handelte.
Kristin hatte bereits den Tisch abgeräumt und das Spielbrett aufgebaut, und Alida gab sich für den Rest des trostlosen Nachmittags die größte Mühe, fröhlich zu wirken.
*
»Aber Alida, wo bist du denn jetzt schon wieder mit deinen Gedanken?« tadelte Irmgard Flechter sanft und schüttelte den Kopf. »Sieh mal, alle anderen haben ihren Namen bereits geschrieben.«
Die Erzieherin hatte die Funktion einer Vorschullehrerin übernommen, um die Kinder, die im kommenden Jahr zur Schule kamen, aufs Lernen vorzubereiten.
Schuldbewußt senkte Alida den Blick und malte besonders sorgfältig ihren Namen auf das Papier. Der Grund für ihre Geistesabwesenheit war der Blitzgedanke, der ihr während des Unterrichts gekommen war: Wenn niemand bereit war, sie zu adoptieren, suchte sie sich eben selbst neue Eltern.
Wie das in der Praxis aussehen sollte, wußte Alida natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht – nur soviel, daß sie eine Möglichkeit finden mußte, hin und wieder unauffällig aus dem Heim zu verschwinden, um sich auf die Suche zu machen. Wie sie dabei genau vorgehen würde, war ihr noch etwas unklar; vor allem, wie sie es anstellen sollte, durch die Eingangshalle, die stets von einem Pförtner bewacht wurde, unauffällig zu entkommen.
»So, und nun möchte ich, daß ihr diese Buchstaben, die an der Tafel stehen, schön abschreibt«, erklärte Irmgard Flechter und wies mit dem Zeigestock auf die obere Reihe.
Doch obwohl es Alida sonst immer viel Spaß machte, schreiben zu lernen, war sie an diesem Vormittag weit weg mit ihren Gedanken.
*
»Es stört Sie hoffentlich nicht, daß sich das Städtische Waisenhaus gleich neben diesem Grundstück befindet«, sagte der Makler und öffnete schwungvoll die Haustür der alten Jugendstilvilla. »Der Verkäufer betont, daß man die Kinder kaum hört, geschweige denn sieht. Bitte treten Sie ein.«
Jörg und Romy Westfeld waren schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem etwas abseits gelegenen Haus, das jedoch nicht allzu weit von der Innenstadt entfernt lag, wo Jörg Westfeld eine gutgehende Anwaltskanzlei betrieb.
»Was meinst du?« fragte er nun seine Frau, als sie sämtliche Räume besichtigt hatten. »Gefällt es dir?«
Sie nickte eifrig. »Ja, es ist genauso, wie ich mir ein gemütliches Heim vorstelle. Wir sollten das Haus kaufen, bevor es uns noch jemand vor der Nase wegschnappt.«
Sie trat auf einen der Balkone im Obergeschoß hinaus. Zur rechten Seite lag das graugetünchte Waisenhaus mit seinen zahlreichen Nebengebäuden. Eine zertretene Rasenfläche mit einigen Schaukeln und Sandkästen schien als einzige Möglichkeit zur Beschäftigung der Kinder zu dienen. Das ganze riesige Anwesen war von einer hohen, häßlichen Mauer umgeben.
Wie im Gefängnis! dachte Romy mit Schaudern. Die armen Kinder konnten einem leid tun.
Wie gern hätte auch Romy ein Kind gehabt, doch nach einer langen Krankheit, die ihren Körper sehr geschwächt hatte, war ihr von den Ärzten nahegelegt worden, auf eigene Kinder zunächst zu verzichten.
Jörg hatte diese Nachricht sehr gefaßt aufgenommen, im Gegensatz zu seiner Frau, die fast zusammengebrochen wäre. Seitdem die Westfelds fünf Jahre zuvor geheiratet hatten, war es Romys sehnlichster Wunsch gewesen, ein Baby zu bekommen. Zu Beginn ihrer Ehe hatte sie eingesehen, daß man sich damit noch Zeit lassen mußte, weil Jörg gerade seine Referendarzeit begonnen hatte und somit nicht viel verdiente.
Und nun, da er ein erfolgreicher Rechtsanwalt war, kam die Hiobsbotschaft der Ärzte. Dabei war diese Jugendstilvilla der ideale Platz, um eine ganze Horde von Kindern aufzuziehen.
Nach dem Urteil der Ärzte hatten die Westfelds nicht wieder von einem Kind geredet, und wie es schien, war Jörg dies ganz recht. Er ging in seiner Arbeit förmlich auf, während Romy den ganzen Tag zu Hause saß und über ihr ungerechtes Schicksal grübelte.
»Natürlich müssen noch etliche Schönheitskorrekturen am und im Haus vorgenommen werden«, drang Jörgs Stimme an Romys Ohr. »Doch ich denke, für diesen Preis bekommen wir kein schöneres Haus.«
Er umarmte sie flüchtig. »Und du kannst dich hier so richtig gut erholen und wieder zu Kräften kommen, nicht wahr?«
Romy nickte leidenschaftslos. Sie haßte es, nicht wie früher lange Spaziergänge machen zu können, dafür war sie noch zu schwach nach der Krankheit. Doch es gab eine große Süd-Terrasse, von der aus man einen wundervollen Blick in den verwilderten Garten mit dem alten Baumbestand hatte.
»Wenn es mir wieder bessergeht, werde ich mich um den Garten kümmern«, sagte sie. »Ich denke, er wird sehr hübsch aussehen, wenn er entsprechend gepflegt ist.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« entrüstete sich Jörg. »Du weißt doch, daß du dich schonen mußt. Ich werde einen Gärtner beauftragen, aus dieser Wildnis ein kleines Paradies zu machen.«
Noch immer standen sie auf dem Balkon, und Romy lehnte sich gegen Jörgs Brust. Vielleicht war der Kauf des Hauses auch ein neuer Anfang für ihre Ehe, und ihr Mann verbrachte nicht mehr ganz soviel Zeit in seiner Kanzlei…
*
Aufmerksam blickte Alida wieder einmal aus dem Fenster ihres Zimmers – und diesmal erweckte das alte Haus, das direkt neben dem Waisenhaus stand, ihr Interesse. Lange hatte es leer gestanden, doch nun