Seewölfe - Piraten der Weltmeere 743: Zur falschen Zeit
Von Jan J. Moreno
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Rezensionen für Seewölfe - Piraten der Weltmeere 743
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Buchvorschau
Seewölfe - Piraten der Weltmeere 743 - Jan J. Moreno
1.
Nachdem er eine Zeitlang vergeblich versucht hatte, noch einmal Schlaf zu finden, entschloß sich der Seewolf, den neuen Tag früher als sonst zu beginnen. Im Dahindämmern zwischen Traum und Wachen hatte er sieben Schläge der Schiffsglocke vernommen. Die Sonne würde also ohnehin bald über die Kimm heraufsteigen.
Hasard fragte sich, wann die Schebecke endlich zur Manila-Galeone aufschließen würde. Die Eingeborenen auf der letzten Insel, die von den Arwenacks angelaufen worden war, hatten gesehen, daß das „große Geisterschiff" nach Osten gesegelt war. Das war erst vor wenigen Tagen gewesen. Besonders groß schien der Vorsprung der Spanier demnach nicht zu sein.
Der Seewolf schwang sich aus der Koje und reckte sich vor dem halb geöffneten Fenster. Eine angenehme, wenn auch keineswegs kühle Morgenbrise wehte herein. Schwer lag der Salzgeruch der See in der Luft. In einiger Entfernung stiegen Nebelschwaden auf, zerfaserten aber im vorherrschenden Südwestwind.
Das Rauschen der Hecksee, die als langsam verwischender Gischtstreifen hinter dem Schiff zurückblieb, übertönte das Raunen des Windes. An Deck erklangen Kommandos, Schritte polterten über die Planken, und jemand – der Stimme nach konnte es nur Blacky sein – stimmte einen monotonen Gesang an.
Die Schebecke ging höher an den Wind, der nun nicht mehr achterlich einfiel, sondern nahezu im rechten Winkel. Anlaß für den Kurswechsel mochte eine der ungezählten kleinen Inseln sein, die das Seegebiet östlich von Neuguinea entscheidend prägten.
Im Westen war der Himmel noch schwarz und ließ eine funkelnde Sternenpracht erkennen. Zum Zenit hin zeigte sich jedoch bereits eine erste schwache Graufärbung, die den neuen Tag ankündigte.
Der Seewolf öffnete den Fensterflügel bis zum Anschlag. Eine Lederschlaufe, um den Riegel geschlungen, verhinderte ein ungewolltes Zuschlagen und damit die Beschädigung der bleigefaßten Scheiben.
Das Wasser, das er aus einem Tonkrug in die Waschschüssel goß, war so warm und schal wie die Luft, und Hasard hatte das Gefühl, daß es nicht mal den Schweiß von der Haut nahm.
Der Seewolf ließ sich Zeit. Als vier Doppelschläge der Schiffsglocke den Beginn der Morgenwache verkündeten, kippte er gerade erst den Inhalt der Schüssel außenbords.
Wenig später betrat er das Achterdeck.
Philip Hasard Killigrew, hochgewachsen und breitschultrig, war eine imposante Erscheinung. Wind und Wetter hatten sein Gesicht gegerbt und markante Falten entstehen lassen. Er war ein ausgezeichneter Kämpfer, jedoch nicht so kompromißlos hart wie viele Piraten. Die eisblauen Augen, die einen deutlichen Kontrast zu seinem schwarzen Haar bildeten, verrieten nicht nur einen unbeugsamen Willen, sondern zugleich Güte und Nachsicht Schwächeren gegenüber. Aufgewachsen in der Feste Arwenack über dem Hafen von Falmouth in der englischen Grafschaft Cornwall, hatte er das Seeräuberleben mit allen Höhen und Tiefen frühzeitig kennengelernt.
Hasard und seine Männer waren indes keine plündernden und mordenden Piraten, sondern Korsaren, denen der Kaperbrief Ihrer Majestät Elisabeth I. eine gewisse Legalität verlieh.
Die königliche Lissy war es auch gewesen, die den Seewolf und seine Crew mit dem Auftrag nach Indien geschickt hatte, den Boden für englische Handelsniederlassungen zu bereiten. Seit einigen Wochen segelte die Schebecke aber wieder auf Ostkurs. Die Männer wollten zurück in die Karibik, zu ihrem Stützpunkt und den Freunden vom Bund der Korsaren.
Dazu beigetragen hatte vor allem Old Donegals Behauptung, daß auf Great Abaco längst nicht mehr alles zum besten stünde. Obwohl er mitunter den Anschein eines harmlosen Spinners erweckte, war Donegal Daniel O’Flynn ernst zu nehmen. Sein Zweites Gesicht wurde zwar oft belächelt, doch daß sich seine „Vorahnungen" häufig genug erfüllten, stand außer Zweifel.
Auf ihrem Törn zurück in die Karibik hatten die Arwenacks in der Bandasee ein treibendes Floß mit einem halbtoten Spanier aufgefischt. Bevor er starb, hatte der Mann noch von der berühmten Manila-Galeone erzählt, die vollbeladen und auf geheimem Kurs von Manila nach Acapulco unterwegs war. Die Schätze in den Laderäumen des schwer armierten Dreideckers, überwiegend Gold, Silber und edle Gewürze, mußten von schier unermeßlichem Wert sein.
Don Juan de Alcazar, ehemals spanischer Generalkapitän, aber seit langen Jahren Verbündeter des Seewolfs, und Blacky, seinerzeit gemeinsam mit Hasard, Dan O’Flynn und dem Kutscher auf die „Marygold zwangsrekrutiert und ein ausgezeichneter Seemann mit harten Fäusten, hatten es schließlich geschafft, als angeblich Schiffbrüchige an Bord der „Mar adentro
, so der richtige Name der Manila-Galeone, zu gelangen. Dummerweise war Don Juan von einem der Spanier erkannt worden, hatte aber später, wie schon vor ihm Blacky, wieder fliehen können.
Inzwischen folgten die Seewölfe der Galeone seit rund einem Monat. Den Männern um Philip Hasard Killigrew war es zwar gelungen, die spanischen Begleitschiffe zu den Fischen zu schicken, doch die „Mar adentro" selbst hatte immer wieder entwischen können. In der Inselwelt östlich von Neuguinea verlor sich ihre Spur.
Die Nao de China segelte jedes Jahr schwerbeladen von den Philippinen nach Osten durch den Pazifik. Die Bezeichnung Manila-Galeone rührte daher, daß sie stets in dieser Handelsmetropole ihre Fracht an Bord nahm. Chinesische Dschunken verbanden Manila mit Japan, China und Indien und schafften alles herbei, was das Herz der Spanier begehrte. Die Rückfahrt nach Acapulco erfolgte auf den unterschiedlichsten Kursen, jedoch zumeist innerhalb von nur zehn Wochen. In Acapulco wurde die Fracht auf Maultiere verladen und auf dem Landweg nach Vera Cruz geschafft.
Don Juan de Alcazar und Blacky hatten die „Mar adentro, was soviel bedeutete wie „Seewärts
, während ihres kurzen Aufenthalts an Bord immerhin einigermaßen kennengelernt. Das Schiff war 700 tons groß und mit 32 Culverinen bestückt, verfügte also über eine beachtliche Feuerkraft. Darüber hinaus sollten acht Baumstämme, als überlange Geschütze getarnt, möglichen Gegnern Furcht einflößen. Aber auf einen derart miesen Trick fielen die Seewölfe nicht herein.
An Backbord voraus zog die Morgendämmerung auf. Noch war nicht mehr als ein Streifen fahler Helligkeit dicht über der Kimm zu sehen, doch in tropischen Breiten währte der Übergang von der Nacht zum Tag nicht lange.
Hasard ließ seinen Blick über die Decks schweifen. Gary Andrews, der Vormann am Fockmast, und Luke Morgan hatten auf der Back Segelwache, der Takelmeister Roger Brighton und Dan O’Flynn auf der Kuhl, und auf dem Achterdeck standen Mac O’Higgins und Piet Straaten.
An Backbord querab zeichnete sich Gischt ab. Sie war wohl der Grund für die überraschende Kursänderung. Korallenbänke erstreckten sich dicht unter der Wasseroberfläche. Die Schebecke, obwohl nur mit geringem Tiefgang, wäre hoffnungslos aufgebrummt.
Gut zwei Meilen dahinter, in der Dunkelheit gerade noch vage in ihren Umrissen zu erkennen, erhob sich eine kleine Insel.
Mac O’Higgins trat auf den Seewolf zu.
„Keine ungewöhnlichen Vorkommnisse, Sir!" meldete er.
Hasard nickte knapp. Mehr war unnötig. Die Schebecke war schließlich kein Kriegsschiff, auf dem militärischer Umgangston herrschte.
„Keine Spur von der Galeone, fuhr Higgy fort. „Die Dons haben sich verkrochen. Jede Wette, Sir, die Kerle haben gehörig Schiß gekriegt.
„Das Gebiet ist für eine Hetzjagd denkbar ungeeignet, erwiderte der Seewolf ungerührt. „Es gibt tausend verschiedene Verstecke. Sogar für ein Schiff von den Abmessungen der ‚Mar adentro‘.
„Früher oder später kriegen wir sie aber doch!"
Mac O’Higgins’ Ausspruch war bezeichnend für die Stimmung unter den Arwenacks. Ein derart fettes Huhn wie die Manila-Galeone mußten sie einfach rupfen, koste es,