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eBook546 Seiten8 Stunden
Jenseits des Tales: Roman
Von Reinard Knoppka
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Über dieses E-Book
Leseprobe:
Natürlich fällt es ihm leichter, nicht an sie zu denken, wenn er wieder weg ist. Schon auf der Heimreise nach Köln, die fast zu einem Ritual geworden ist, versucht er sie zu verdrängen, wenigstens erst mal Abstand von ihr zu gewinnen. Nachdem er sich im Wienerwald mit Dosenbier eingedeckt hat, zischt er vor der Abfahrt seines Zuges in der Bahnhofspinte noch ein kühles Blondes - ah, noch eins, und er wischt sich den Schaum vom Mund, spürt die Wirkung des Alkohols, der sich bereits nach dem ersten Glas wohlig in ihm ausbreitet: eine euphorische Welle scheint sein Bewußtsein zu überschwemmen, es aufzuhellen, für einen Moment sogar zu vergolden, aber das hält ohne Nachschub nicht lange an, verkehrt sich sogar ins Gegenteil, weshalb er auch zu trinken nicht aufhören kann, nein, er hat Angst, die angenehme Heiterkeit, die ihn jetzt warm durchrieselt und alles verklärt, könnte verblassen und ihn, eben noch schwebend, abstürzen lassen in diese furchtbare Depression, die das eh schon Trostlose im nüchternen Zustand noch schrecklicher macht, ihm etwas Monströses verleiht, das er einfach nicht aushält, und so trinkt er während der Zugfahrt eine Dose nach der anderen, geht zwischendurch pinkeln, kichert, wenn sein Strahl im Geschuckel danebentrifft, taumelt zurück in sein Abteil, das bis Düsseldorf meistens leer ist, sich dort aber schlagartig füllt: Typen mit Aktenkoffer und Schlips, junge gepflegte Frauen, die etwas Einschüchterndes für ihn haben, ja, er fühlt sich plötzlich ganz schäbig, hat Angst, sie könnten seine Fahne riechen, und schon rümpft eine die Nase, während sie in ihr Handy spricht und ihn anstarrt, und er senkt schnell die Augen, holt die nächste Dose, die letzte, aus seiner Tasche, trinkt und denkt: blöde Tussi, denkt es gleichsam mit bösem Blick, mit dem er sie nun seinerseits anstarrt, und sie, eben noch arrogant, senkt plötzlich selber die Augen, tut so, als müßte sie ihr Handy verstauen, aber er hat sie durchschaut, spürt ihre Angst, und er grinst vor sich hin, wiederholt im Geiste blöde Tussi und trinkt, sieht hinaus in die Abenddämmerung - blöde Tussi, und er meint damit jetzt seine Mutter, von der er sich, nicht nur räumlich, immer weiter entfernt, froh, nein, eher erleichtert, und auch das stimmt nicht ganz, denn die Erleichterung ist geliehen von der Wirkung des Alkohols, der ihn aufputscht mit fragwürdigem Behagen, das wie durch ein Leck aus ihm rausrinnt, so daß er immerzu nachkippen muß, und der Pißdruck nimmt schon wieder zu.
Köln Hauptbahnhof, und er läßt sich mit dem Menschenstrom hinausdrücken auf den Bahnsteig, die Treppe hinab, durch die Gänge, viel zu eng, weil hier überall Absperrungen sind, denn der Bahnhof ist eine einzige Baustelle, wird von Grund auf entkernt und erneuert, in ein modernes Einkaufszentrum umfunktioniert, mit zahllosen Futterstellen, die schon jetzt, im Bauschutt und Lärm, aufblitzen mit ihren poppig bunten Neonreklamen:
überall Trauben von essenden, würsteverschlingenden Menschen, den Koffer bei Fuß und das Gesicht in Papierservietten getaucht, aus denen sie Brocken reißen mit ihren gebleckten Zähnen, und er geht verekelt an Senf-, Fleisch- und Biergerüchen vorbei, in die Eingangshalle, die nicht mehr wiederzuerkennen ist, will schon runter zur U-Bahn, stoppt aber, verursacht einen kleinen Menschenauflauf, bekommt die Kante eines Koffers in die Kniekehle, knickt ein und setzt zu einem Fluch an - aber da ist keiner mehr, den er anschnauzen könnte, und er dreht sich um die eigene Achse, um sich erst mal zu orientieren.
Überall Wachpersonal, Männer mit violetten Käppis, Schlagstöcken, Handschellen und Walkie-talkies am Gürtel, Schäferhunden oder Dobermännern mit Maulkorb kurzgehalten an der Leine, auch grüne Männchen vom Bundesgrenzschutz , und er spürt wieder den Riesenhaß auf diese Schlägertruppenpräsenz, die den Staat und die Bahn-AG ein Vermögen kostet, scheinbar nur dazu da, Penner draußen zu halten oder Typen wie ihn einzuschüchtern: wehe, er macht eine falsche Bewegu
Natürlich fällt es ihm leichter, nicht an sie zu denken, wenn er wieder weg ist. Schon auf der Heimreise nach Köln, die fast zu einem Ritual geworden ist, versucht er sie zu verdrängen, wenigstens erst mal Abstand von ihr zu gewinnen. Nachdem er sich im Wienerwald mit Dosenbier eingedeckt hat, zischt er vor der Abfahrt seines Zuges in der Bahnhofspinte noch ein kühles Blondes - ah, noch eins, und er wischt sich den Schaum vom Mund, spürt die Wirkung des Alkohols, der sich bereits nach dem ersten Glas wohlig in ihm ausbreitet: eine euphorische Welle scheint sein Bewußtsein zu überschwemmen, es aufzuhellen, für einen Moment sogar zu vergolden, aber das hält ohne Nachschub nicht lange an, verkehrt sich sogar ins Gegenteil, weshalb er auch zu trinken nicht aufhören kann, nein, er hat Angst, die angenehme Heiterkeit, die ihn jetzt warm durchrieselt und alles verklärt, könnte verblassen und ihn, eben noch schwebend, abstürzen lassen in diese furchtbare Depression, die das eh schon Trostlose im nüchternen Zustand noch schrecklicher macht, ihm etwas Monströses verleiht, das er einfach nicht aushält, und so trinkt er während der Zugfahrt eine Dose nach der anderen, geht zwischendurch pinkeln, kichert, wenn sein Strahl im Geschuckel danebentrifft, taumelt zurück in sein Abteil, das bis Düsseldorf meistens leer ist, sich dort aber schlagartig füllt: Typen mit Aktenkoffer und Schlips, junge gepflegte Frauen, die etwas Einschüchterndes für ihn haben, ja, er fühlt sich plötzlich ganz schäbig, hat Angst, sie könnten seine Fahne riechen, und schon rümpft eine die Nase, während sie in ihr Handy spricht und ihn anstarrt, und er senkt schnell die Augen, holt die nächste Dose, die letzte, aus seiner Tasche, trinkt und denkt: blöde Tussi, denkt es gleichsam mit bösem Blick, mit dem er sie nun seinerseits anstarrt, und sie, eben noch arrogant, senkt plötzlich selber die Augen, tut so, als müßte sie ihr Handy verstauen, aber er hat sie durchschaut, spürt ihre Angst, und er grinst vor sich hin, wiederholt im Geiste blöde Tussi und trinkt, sieht hinaus in die Abenddämmerung - blöde Tussi, und er meint damit jetzt seine Mutter, von der er sich, nicht nur räumlich, immer weiter entfernt, froh, nein, eher erleichtert, und auch das stimmt nicht ganz, denn die Erleichterung ist geliehen von der Wirkung des Alkohols, der ihn aufputscht mit fragwürdigem Behagen, das wie durch ein Leck aus ihm rausrinnt, so daß er immerzu nachkippen muß, und der Pißdruck nimmt schon wieder zu.
Köln Hauptbahnhof, und er läßt sich mit dem Menschenstrom hinausdrücken auf den Bahnsteig, die Treppe hinab, durch die Gänge, viel zu eng, weil hier überall Absperrungen sind, denn der Bahnhof ist eine einzige Baustelle, wird von Grund auf entkernt und erneuert, in ein modernes Einkaufszentrum umfunktioniert, mit zahllosen Futterstellen, die schon jetzt, im Bauschutt und Lärm, aufblitzen mit ihren poppig bunten Neonreklamen:
überall Trauben von essenden, würsteverschlingenden Menschen, den Koffer bei Fuß und das Gesicht in Papierservietten getaucht, aus denen sie Brocken reißen mit ihren gebleckten Zähnen, und er geht verekelt an Senf-, Fleisch- und Biergerüchen vorbei, in die Eingangshalle, die nicht mehr wiederzuerkennen ist, will schon runter zur U-Bahn, stoppt aber, verursacht einen kleinen Menschenauflauf, bekommt die Kante eines Koffers in die Kniekehle, knickt ein und setzt zu einem Fluch an - aber da ist keiner mehr, den er anschnauzen könnte, und er dreht sich um die eigene Achse, um sich erst mal zu orientieren.
Überall Wachpersonal, Männer mit violetten Käppis, Schlagstöcken, Handschellen und Walkie-talkies am Gürtel, Schäferhunden oder Dobermännern mit Maulkorb kurzgehalten an der Leine, auch grüne Männchen vom Bundesgrenzschutz , und er spürt wieder den Riesenhaß auf diese Schlägertruppenpräsenz, die den Staat und die Bahn-AG ein Vermögen kostet, scheinbar nur dazu da, Penner draußen zu halten oder Typen wie ihn einzuschüchtern: wehe, er macht eine falsche Bewegu
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