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Zehn Stücke schrecklicher Prosa
Zehn Stücke schrecklicher Prosa
Zehn Stücke schrecklicher Prosa
eBook173 Seiten2 Stunden

Zehn Stücke schrecklicher Prosa

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Über dieses E-Book

Irgendwo zwischen Fantasy und Horror sind die zehn Kurzgeschichten angesiedelt, die Cora Bullinger in diesem Ebook zusammengestellt hat. Sie nennt sie ganz einfach „Zehn Stücke schrecklicher Prosa“. Macht sie das, weil diese Kurzgeschichten schrecklich im Sinne von gruselig sind, oder schrecklich im Sinne von mißlungen? Tja, diese Frage beantwortet sich beim lesen. Womit diese Inhaltsangabe wohl das elfte Stück schrecklicher Prosa sein dürfte.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum16. Aug. 2023
ISBN9783989116528
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    Buchvorschau

    Zehn Stücke schrecklicher Prosa - Cora Bullinger

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    Cora Bullinger

    Zehn Stücke schrecklicher Prosa

    Inhalt

    Die Tiefkühltruhe

    Hangover

    Pizza

    Unter dem Gefrierpunkt

    Baby

    Das Tier

    Das Skelett

    Hornets

    Im Licht der Wüstensonne

    Marienberg

    Impressum

    Die Tiefkühltruhe

    Die Luft ist kalt und trocken. Der Himmel verschmiert von einem undurchdringlich monotonen Grau. Unerbitterlich wie eine Decke aus Beton verdeckt es was sonst blau und strahlend ist. Die Fassaden der Häuser wirken vor diesem Hintergrund blass und öde. Jeder Backstein gleicht dem anderen, jede Dachpfanne ist nur eine sterile Kopie derer die neben ihr liegt. Die Fenster sind nur dunkle Rahmen, hinter denen sich nichts abzuspielen scheint. Und alle starren sie mit leeren, versprechungslosen Blicken in die Peripherie.

    Mit ziellosen Schritten läuft er durch die Gasse der Starrenden. Zu beiden Seiten türmen sich die Häuser empor, blicken auf ihn hinab und doch durch ihn hindurch. Er hat den Kragen seiner Jacke hochgezogen, dennoch reicht sie ihm nur bis knapp über den Mund. Die Hände hat er in den Hosentaschen vergraben. Seine Schritte werden mal schneller, weil er sich in die heizungswarme Idylle sehnt, die hinter einer dieser vielen Türen auf ihn warten könnte. Dann werden sie wieder langsamer, weil die Sehnsucht ihm nicht genug Kraft geben kann um die müden Knochen noch weiter voran zu peitschen. Zu zweischneidig ist sie, diese Sehnsucht. Treibt ihn an und zerrt ihn aus. Genauso gnadenlos wie das Grau am Himmel.

    Der Wind schneidet mit gezielten Schnitten durch die Kälte, schiebt sie in gnadenlosen Stößen voran, die auf der dünnen Haut in seinem Gesicht brennen. Leise keucht er Flüche in den Kragen seiner Jacke, die warme Luft seiner Wut verfliegt und erfriert jedoch genauso schnell wie sie aus ihm herausgeprescht kommen. Im Gehen zieht er ein Handy aus seiner Hosentasche und wirft einen Blick auf die Uhrzeit.

    Dann bleibt er stehen. Nur einen Moment. Verwundert verharrt sein Blick auf einem Lichtspiel, dass in einem der Fensterrahmen steht. Hinter dem dicken Glas glimmen vier Lämpchen, aufgereiht stehen sie nebeneinander, brav und artig in Reih und Glied. Ihr Licht schimmert warm durch die graue Kälte.

    „Junger Mann?"

    Erschrocken wirbelt er herum. Die Stimme war krächzig und verbarg die Gebrechlichkeit der Kehle der sie entsprang nur höchst bedürftig. In einem Türrahmen steht eine alte Frau, drei Stufen unter ihr ein Kasten mit vollen Wasserflaschen.

    „Junger Mann, können Sie mir helfen?"

    „Ähm..." Unentschlossen steht er vor ihr, ihr wartender Blick bohrt sich in ihn hinein. Zu direkt, zu unentwegt, er kann gar nicht ausweichen.

    „Ich schaffe doch diese Stufen hier nicht mehr..." Die Alte stützt sich auf einen Stock, ihre Körperhaltung ist leicht gebeugt. Ihre Augen stechen erst durch zwei Brillengläser, dann durch die Luft und direkt in seinen Kopf.

    „Ähm ja, Ja natürlich." Mit drei großen Schritten steht er vor dem Wasserkasten. Die Alte nickt zufrieden und murmelt etwas vor sich hin, während sie sich umdreht und im Haus verschwindet. Ihre gekrümmte Gestalt wird von der Dunkelheit verschlungen, nur eine weitere Sekunde und sie ist eins mit ihr geworden. Unschlüssig steht er vor dem Kasten. Die Glasflaschen scheinen in der Kälte zu zittern. Luftbläschen sprudeln in der klaren Flüssigkeit. Er seufzt. Geht in die Knie, greift den Kasten mit beiden Händen, hievt ihn hoch, nimmt jede Stufe einzeln und macht einen Schritt hinein in die hungrige Dunkelheit.

    Im Flur ist es warm. Es riecht nach altem Mensch und Putzmitteln. Irritiert sieht er sich um. Er hatte gedacht, es würde nach alten Keksen und dem Parfüm alter Frauen duften, doch viel mehr liegt hier nur die Ahnung von abgestandenem Schweiß und die beißende Erinnerung an aggressive Putzmittel in der Luft.

    Abwartend bleibt er im Flur stehen. Hinter ihm dringt die Kälte in das Haus. Wie eine Horde Flüchtlinge dringt sie ein, überstürzt, stolpernd, viel zu hastig, in seinen Rücken polternd. Er ertappt sich dabei, wie er sich für einen Moment wünscht er könnte die Tür einfach zu schlagen und sich einen Moment in der Wärme des Hauses ausruhen. Das seine steifgefrorenen Finger wieder auftauen. Das dieses Prickeln in der Haut zurückkehrt und ihn daran erinnert, dass er noch nicht erfroren ist.

    „Ich stelle den Kasten..."

    „Machen Sie die Tür ruhig zu. Sie unterbricht ihn, als hätte sie nicht gehört, dass er etwas hatte sagen wollen. Er wundert sich, dreht sich zur Tür und wirft einen Blick hinaus in das Grau. Er streckt den Fuß aus, hebelt ihn hinter die Tür und gibt ihr einen sanften Schubs, so dass sie langsam zufällt. Mit einem hauchenden „Klick fällt sie ins Schloss. Und die Wärme umarmt ihn von allen Seiten.

    An den Wänden hängen keine Bilder. Auf dem Boden liegen keine Teppiche. Da ist ein Türrahmen und daneben steht ein kleiner Tisch. Und darauf: Kein Telefon. Unsicher macht er zwei Schritte voran, den Kasten immer noch in den Händen.

    „Oh vielen Dank." Die Alte erscheint plötzlich am Ende des Flures. Sie lächelt, so dass sich ihre faltigen, schlaffen Lippen ein wenig straffen. Doch Kontur bringt das nicht mehr in dieses alte, verfallene Gesicht. Es erschrickt ihn, wie sehr die Zeit an einem Menschenkörper nagt. Sie saugt ihn aus, Zelle für Zelle, bis all das Fleisch und die Haut nur noch schlaff und labberig an den porösen Knochen hängen. Die Haare; nur noch dünne, strohige Fäden. Nur ihre Augen funkeln noch mit einer Energie, die er ihr irgendwie nicht zuzutrauen vermag. Ihr Blick fixiert ihn, nagelt ihn an den Boden. Zentimeter für Zentimeter scheint sie ihn zu begutachten. Und sie steht einfach nur da, am Ende des Flures und sagt nichts mehr. Nur ihr Blick, ihr wandernder, suchender Blick.

    Es ist ihm unangenehm, er räuspert sich, pendelt einen Schritt vor und zwei zurück. Die Alte scheint wie aus einer Trance gerissen, sie zeigt die Zähne beim Auflächeln und breitet die Hand aus. Sie zeigt auf eine offen stehende Tür in der Mitte des Flures.

    „Wären Sie denn so nett und würden mir den Kasten in den Keller tragen?"

    „Ähm..." Er will sagen, dass er keine Zeit hat. Das er eigentlich schnell weiter muss. Das sie ihre Vorräte doch lieber in der Küche lagern sollte. Aber dann denkt er, dass es verdammt noch einmal Weihnachten ist. Und wenn schon das Grau der Welt und die Rastlosigkeit des Alltags ihm keine Besinnlichkeit schenken wollen, dann kann er doch wenigstens dieses alte, schwache Herz ein wenig erwärmen. Er hat nie verstanden, was diese Weihnachtszeit bedeuten soll. Man hat ihn mit Geschenken abgefertigt, Jahr für Jahr, hat ihn unter einen glitzernden und leuchtenden Weihnachtsbaum gesetzt, ihn mit Keksen vollgestopft und die Ohren mit Kinderchören bedröhnt. Aber nie hat er verstanden, wieso das alles. Und als er endlich geglaubt hatte zu verstehen, warum das ganze Theater und wozu die ganzen Lichter und Gedichte, da war er zu alt. Da hatte ihn die Welt schon so fest im Griff, dass er nicht einfach mal eben so einen Moment inne halten konnte. Denn die Welt dreht sich immer weiter und du dich mit ihr mit, wenn sie dich erst einmal gepackt hat. Also trägt er der alten Frau den Kasten mit Wasserflaschen in den Keller. Vielleicht weil ihr Haus so schön warm ist, vielleicht weil er glaubt, dass dies seine Sekunde ist um durchzuatmen.

    „Ich mach Ihnen Licht, einen Moment..." murmelt die tatterige Alte und humpelt ihm entgegen.

    „Nein nein , schon gut, ich habs schon...", sagt er und betätigt mit dem Ellbogen den Lichtschalter, um alles bemüht der alten Dame keine unnötigen Umstände zu bereiten. Sie lächelt nur, dass ihre schlaffen, faltigen Wangen sich für einen Moment zu verdorrten Apfelbäcken zusammenrunden. Er lächelt vage zurück.

    Die Stufen sind nicht gefliest. Der Abgang ist eng. Die Lampe an der Decke über ihm scheint gerade so bis zum Ende der Treppe.

    „Passen Sie auf, unten ist kein Teppich. Der Lichtschalter ist links.", sagt sie, während er schon auf der Hälfte der Treppe ist. Sie macht einen Knick. Zu seinen Füßen wogt die Dunkelheit, leckt an seinen Schuhspitzen und will immer mehr von ihm.

    „Stellen Sie den Kasten einfach in den Vorratsraum."

    „Ja...", ruft er gedankenverloren die Treppe hoch. Sein Fokus liegt darauf diesen elendigen Lichtschalter zu finden, damit er nicht in durch die schwarze Finsternis stolpern muss.

    „Sind Sie schon unten?"

    „Ja."

    Licht geht an. Verwundert schaut er nach oben an die Decke über ihm. Eine Neonröhre wirft ihr steriles, freudloses Licht in den Flur. Die Wände sind glatt und kahl. Er kann keinen Lichtschalter finden. An einem Ende des Flures eine Tür, auf halber Strecke eine weitere. Sie steht offen. Er sieht Regale. Mit großen Schritten betritt er den Raum, stellt den Kasten ab und will sich umdrehen und schnell wieder verschwinden. Er hat dieses Gefühl im Nacken, dass ihn zur Flucht antreibt. Wie ein Kaninchen, dass immer glaubt ein Fuchs wäre in der Nähe ohne auch nur ein Anzeichen dafür zu sehen. Es ist ein Instinkt. Und weil er sich sicher ist, dass er kein Kaninchen ist, lacht er lautlos darüber, schüttelt den Kopf über sein kindisches Verhalten. Aus dem Alter ist er jetzt raus. Er weiß, dass es...

    Als er sich aufrichtet sieht er eine Tiefkühltruhe am anderen Ende des Raumes, umringt von den leeren Regalen die sich an die Wände drücken. Und an dem weißen Plastikgriff der Truhe klebt etwas rotes. Die Farbe hat sich einmal vom Griff über die Seite verschmiert.

    Es ist totenstill. Er macht einen Schritt zurück. Ein Kieselstein knirscht unter seiner Schuhsohle. Er dreht sich hastig auf dem Absatz um, sieht noch eine weitere Tür am anderen Ende der Vorratskammer, dann hört er das laute Zuknallen der Kellertür. Und im selben Moment erlischt das Licht. Und er versinkt in Dunkelheit.

    Sofort ist sein Körper stocksteif. Sein Atem geht flach, sein Herz hämmert von ihnen gegen seine Rippen. Das Prickeln, dass er sich auf die Haut gewünscht hat, ist nun ein Brennen. Flächenbrand.

    Panisch tastet er mit den Händen seine Hosentaschen ab. Er fühlt seinen Schlüsselbund. Und das Handy. Hastig zerrt er es hervor, drückt auf den Tasten herum, bis ein Lichtkegel erscheint und sich durch die Schwärze fräst.

    Ein Rauschen dringt durch die Stille. Ein Knistern, ein Quietschen, wie als würde eine sehr alte Radioanlage in Betrieb genommen. Der Lichtkegel fährt die Wände auf und ab, panisch auf der Suche nach der Quelle des Geräusches. Entsetzt bleibt er auf einem Lautsprecher hängen, der in der oberen Ecke des Raumes hängt.

    „Lennart." Es ist die Stimme der Alten, die da durch den Lautsprecher dringt. Nur das diesmal das Gebrechliche fehlt und ersetzt wurde, durch eine eisige Kälte.

    „Lennart, es ist soweit."

    Er versteht nicht was geschieht. Fassungslos starrt er den Lautsprecher an.

    „Weihnachten ist da."

    Das Rauschen erstirbt. Im gleichen Moment hört er ein Türschloss aufschnappen. Seine Atmung erstickt. Das Herz bleibt stehen, schockgefroren. Ein Knarren. Es ist die Tür am anderen Ende des Raumes. Der Lichtkegel schwenkt durch die Dunkelheit. Und bleibt auf dem Holz der Tür hängen. Eine Hand schiebt sich durch den Türschlitz. Abgebissene Fingernägel, verschorfte Narben, fast unmenschlich spitze Finger.

    Das Entsetzen packt ihn mit eisigen Klauen. Sein Körper erbebt. Und doch reagiert er blitzschnell. Sofort drückt er das Licht an seinem Handy aus. Mit zwei geräuschlosen Schritten erreicht er die rechte Wand, lautlos sinkt er zu Boden. Seine Augen sind weit aufgerissen, auch wenn sie nur Dunkelheit in sich aufsaugen können. Das Knarren der Tür wird lauter. Sie wird mit Schwung aufgestoßen. Ein schwerer Schritt wird in den Raum gesetzt. Ihm wird schlecht vor Panik, sein Magen krampft sich zusammen, seine Glieder scheinen explodieren zu wollen. Ein weiterer Schritt, er spürt ein Zittern im Boden. Oder ist das nur sein Körper?

    Weitere Schritte. Dazu ein schleifendes Geräusch. Es schreit in seinen Ohren. Scharfes Metall, dass über den steinartigen Betonboden gezerrt wird. Er weiß nicht was geschieht, aber er weiß, dass er jetzt das Kaninchen ist. Durch seine Arterien schießt Adrenalin, pumpt ihn voll, füllt seine Gehirnwindungen. Es ist, als hätte jemand den Sender umgeschaltet. Auf Programm Sieben. Das Überlebensprogramm.

    Lautlos versucht er sich zu bewegen, an der Wand entlang, in die Richtung aus der die Schritte kamen. Wenn sie an ihm vorbeiziehen, kann er fliehen. Auf allen Vieren kriecht er voran. Seine Hände berühren den kühlen Boden, scheinen daran kleben zu bleiben. Die Schritte nähern sich, das schleifende Geräusch folgt. Er kann nicht weiter voran, er kann seinen Körper nicht

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