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Das hässliche Entlein: Leni Behrendt Bestseller 6 – Liebesroman
Das hässliche Entlein: Leni Behrendt Bestseller 6 – Liebesroman
Das hässliche Entlein: Leni Behrendt Bestseller 6 – Liebesroman
eBook189 Seiten2 Stunden

Das hässliche Entlein: Leni Behrendt Bestseller 6 – Liebesroman

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Über dieses E-Book

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.

Doch das nur scheinbar – denn in Wirklichkeit schielte er zu seinem Feind hin, dem er den Fußtritt, den er vor Wochen von ihm erhalten, immer noch nicht vergessen konnte. Darum ließ er keine Gelegenheit vorübergehen, sich für diese ihm angetane Schmach zu rächen. Und nun war eine wundervolle Gelegenheit dazu. Herrchen war bei ihm, und der schlaue Dackel wußte genau, daß niemand es wagen durfte, ihm etwas zuleide zu tun, wenn er auch noch so frech war. Außerdem konnte der Stallbursche auf seine Angriffe nicht so achten: unter den Augen des Herrn mußte seine Aufmerksamkeit der Arbeit gelten, die nicht eben leicht war. Denn tagelang hatte es ununterbrochen geschneit. Türme, Erker und Simse des feudalen, ehrwürdigen Schlosses Hohenwerth hatten blendend weiße Käppchen auf. Doch auf dem breiten Weg, der vom Schloß zu dem kunstvoll ge­arbeiteten schmiedeeisernen Tor führte, durch das man auf die schnurgerade Allee zu sehen vermochte, konnte der Schnee nicht geduldet werden, und es war Arbeit der Stallburschen, ihm zu Leibe zu gehen. Graf Hellmarck wandte sich wieder dem Förster zu, der genauso wie sein Herr über den gerissenen Schalk, der wegen seiner Streiche bekannt war, herzlich gelacht hatte. Der Förster setzte seinen Bericht fort, dem der Gebieter interessiert lauschte. Ruhig, lässig, stand der Graf vor dem Förster, der immer erregter wurde, je länger er sprach. »Ja, mein lieber Förster«, entgegnete er mit seiner dunklen, herrischen Stimme, als der Förster seinen Bericht beendet hatte, »da nützt uns alle Empörung nichts. Herr Kose hat es leicht, unverschämt zu sein, er nützt eben meine Zwangslage aus. Jedenfalls bleibt keine andere Wahl – wir müssen das Holz für den Preis abgeben, so leid es mir tut.« Es zuckte in dem wetterharten Gesicht des Försters, und sein Herr legte ihm die Hand auf die Schulter. »Lieber Förster, ich weiß, es tut Ihnen weh – genau wie mir –, doch die Verhältnisse sind stärker als wir. Wir müssen unsere lieben alten Baumriesen fällen. Vielleicht ist es Ihnen ein Trost, wenn ich es Ihnen überlasse, den Wald an den Stellen zu holzen, die es vertragen können. Die Bäume stehen stellenweise wirklich sehr dicht.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum27. Apr. 2021
ISBN9783740979706
Das hässliche Entlein: Leni Behrendt Bestseller 6 – Liebesroman

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    Buchvorschau

    Das hässliche Entlein - Leni Behrendt

    Leni Behrendt Bestseller

    – 6 –

    Das hässliche Entlein

    Leni Behrendt

    Doch das nur scheinbar – denn in Wirklichkeit schielte er zu seinem Feind hin, dem er den Fußtritt, den er vor Wochen von ihm erhalten, immer noch nicht vergessen konnte. Darum ließ er keine Gelegenheit vorübergehen, sich für diese ihm angetane Schmach zu rächen.

    Und nun war eine wundervolle Gelegenheit dazu. Herrchen war bei ihm, und der schlaue Dackel wußte genau, daß niemand es wagen durfte, ihm etwas zuleide zu tun, wenn er auch noch so frech war. Außerdem konnte der Stallbursche auf seine Angriffe nicht so achten: unter den Augen des Herrn mußte seine Aufmerksamkeit der Arbeit gelten, die nicht eben leicht war.

    Denn tagelang hatte es ununterbrochen geschneit. Türme, Erker und Simse des feudalen, ehrwürdigen Schlosses Hohenwerth hatten blendend weiße Käppchen auf.

    Doch auf dem breiten Weg, der vom Schloß zu dem kunstvoll ge­arbeiteten schmiedeeisernen Tor führte, durch das man auf die schnurgerade Allee zu sehen vermochte, konnte der Schnee nicht geduldet werden, und es war Arbeit der Stallburschen, ihm zu Leibe zu gehen.

    Graf Hellmarck wandte sich wieder dem Förster zu, der genauso wie sein Herr über den gerissenen Schalk, der wegen seiner Streiche bekannt war, herzlich gelacht hatte.

    Der Förster setzte seinen Bericht fort, dem der Gebieter interessiert lauschte.

    Ruhig, lässig, stand der Graf vor dem Förster, der immer erregter wurde, je länger er sprach.

    »Ja, mein lieber Förster«, entgegnete er mit seiner dunklen, herrischen Stimme, als der Förster seinen Bericht beendet hatte, »da nützt uns alle Empörung nichts. Herr Kose hat es leicht, unverschämt zu sein, er nützt eben meine Zwangslage aus. Jedenfalls bleibt keine andere Wahl – wir müssen das Holz für den Preis abgeben, so leid es mir tut.«

    Es zuckte in dem wetterharten Gesicht des Försters, und sein Herr legte ihm die Hand auf die Schulter.

    »Lieber Förster, ich weiß, es tut Ihnen weh – genau wie mir –, doch die Verhältnisse sind stärker als wir. Wir müssen unsere lieben alten Baumriesen fällen. Vielleicht ist es Ihnen ein Trost, wenn ich es Ihnen überlasse, den Wald an den Stellen zu holzen, die es vertragen können. Die Bäume stehen stellenweise wirklich sehr dicht. Und dann können Sie ja wieder neu anpflanzen.«

    »Ach ja, das ist noch ein Trost in all dem Jammer! Dieser Kerl, dieser Kose!« ergrimmte sich der Förster.

    »Schelten Sie mir diesen patenten Mann nicht!« lachte der Graf. »Wenn der nicht wäre und uns immer wieder Geld gäbe, dann könnten wir schon heute einpacken, dann wüßte ich nicht, wovon ich im Januar die Wechsel bezahlen sollte.«

    »Wird schon wissen, weshalb er es tut«, knirschte der Förster immer ingrimmiger.

    »Na ja, aus lauter Menschenfreundlichkeit gewiß nicht, mein Getreuer. Doch er oder ein anderer – das ist schließlich egal…«

    Er wandte sich um und sah einem Auto entgegen, das soeben durch das schmiedeeiserne Tor fuhr und sich einen Weg durch den Schnee bahnte. Vor dem Portal des Schlosses hielt es, und eine Dame entstieg ihm.

    Die Hüte der beiden Herren flogen hoch. Sie dankte und zögerte einen Augenblick, ob sie sie begrüßen sollte. Doch dann bemerkte sie den Blick des Försters, der sie mit unverhohlener Abneigung musterte, stieg die Freitreppe empor und verschwand im Schloß.

    Die Blicke des Försters waren dem Grafen nicht entgangen, und ein amüsiertes Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann sprachen sie wieder über geschäftliche Dinge, die äußerst schwierig zu erörtern waren. Denn das stolze, prächtige Hohenwerth, das schon seit Jahrhunderten im Besitz der Grafen Hellmarck war, entglitt langsam, aber unaufhaltsam den Händen dieses letzten Hellmarck. Und so mußte man zu retten suchen, was noch zu retten war, um wenigstens den Termin, an dem dieser letzte Sproß eines alten stolzen Rittergeschlechts von dem Erbe seiner Väter weichen mußte, hinauszuschieben.

    Während der Graf und sein Förster hin und her berieten, wie sie am zweckmäßigsten die Holzung des Waldes vornehmen sollten, ließ sich die Dame, die soeben das Auto verlassen hatte, in der Halle des Schlosses von dem Diener den Pelz abnehmen und eilte zu den Gemächern ihrer Tochter, der jungen Herrin von Hohenwerth.

    Diese lag in ihrem Boudoir auf dem Diwan und las in einem Buch. Sie war ein allerliebstes, puppenhaftes Geschöpf mit einem niedlichen Kindergesicht, blauen Augen und winzigen Händen und Füßen.

    Sehr elegant, sehr verwöhnt, eigenwillig, launenhaft, oberflächlich, verschwenderisch – so ein echtes, rechtes Luxusweibchen.

    Beim Eintritt Frau von Barnims, ihrer Mutter, sah sie von ihrem Buch auf und gähnte laut und ungeniert. Die Erregung der Mutter entging ihr nicht, und sie musterte sie neugierig.

    »Was hast du denn, Ma?« fragte sie, in der Hoffnung, eine Neuigkeit zu erfahren, nach der sie geradezu lechzte. Es passierte so wenig, so absolut gar nichts in dem öden, langweiligen Hohenwerth.

    Die Mutter ließ sich in einen der zierlichen Sessel sinken und schaute so kläglich drein, daß die Tochter unangenehm berührt wurde. Eine Neuigkeit brachte die Mutter zweifellos – doch war sie unangenehmer Art?

    »Püppchen – o, mein armes Püppchen – wir sind verloren!« sagte die Mutter in tragischem Tonfall, der lächerlich wirkte. »Denk dir, die Testamentseröffnung hat soeben stattgefunden. Ich wurde überhaupt nicht zugelassen, was mir gleich sehr sonderbar erschien. Ich ging also zu Rönner – ich dachte, mich rührte der Schlag bei der Mitteilung, die er mir machte! Hermine ist gar nicht reich gewesen; sie hat eben nur so viel besessen, um von den Zinsen notdürftig leben zu können. Und dann noch die Niedertracht dieser scheinheiligen Person! Denk dir nur, den einen Teil dieses Vermögens hat sie dem Diener und der Dienerin vererbt, ihr Haus mit allem Mobiliar der Stadt für wohltätige Zwecke geschenkt. Gudrun ist also so gut wie enterbt, hat gerade nur soviel, um ihr Studium zu Ende führen zu können. Und dazu habe ich dieser Person mein Kind überlassen, mein kleines häßliches Entlein! Hermine galt doch immer für reich – und nun dies.«

    Die junge Gräfin hatte sich aus ihrer bequemen Stellung aufgerichtet und sah die Mutter entsetzt an.

    »Und was nun, Ma?« fragte sie ratlos.

    »Ja, Püppchen, das weiß ich auch nicht. Bernulf darf auf keinen Fall etwas von deinen Schulden erfahren, und wir müssen Gudrun dazu bringen, dir die Summe vorzustrecken, die du benötigst. Wir können ihr das Geld ja allmählich wieder zurückgeben. Bernulf muß eben dein Nadelgeld erhöhen, das sowieso schäbig genug ist; sonst hättest du es doch nicht nötig, Schulden zu machen, nur um dich einigermaßen standesgemäß kleiden zu können.«

    Die Gräfin wollte etwas darauf erwidern, doch die Mutter legte den Finger an die Lippen. Denn im Nebenzimmer wurde die Tür geschlossen, und gleich darauf betrat der Schloßherr das Zimmer der Gattin.

    »Guten Tag, Mama«, sagte er und machte eine knappe Verbeugung zu der Schwiegermutter hin. Dann suchte sein Blick die Gattin, wurde hart und streng.

    »Du bist noch nicht angekleidet, Fee – um zwölf Uhr?«

    »Aber Bernulf, das Kind…«

    Der unwillige Blick des Grafen ließ Frau von Barnim verstummen. Diese elegante, für ihr Alter noch überraschend gut aussehende Frau fürchtete niemand sonst als ihren Schwiegersohn. Und dabei war er doch immer höflich zu ihr, von einer farblosen, korrekten Höflichkeit, die ihr auf die Nerven ging und bei der sie nie wußte, woran sie war.

    »Warum bist du noch nicht angekleidet, Fee?« wiederholte der Graf seine Frage. »Warum liegst du um die Mittagszeit in diesem ungewaschenen, ungepflegten Zustand in diesem entsetzlich unordentlichen Zimmer herum und schlägst deine Zeit mit der Lektüre zweifelhafter Romane tot?«

    »Ich fühle mich immer noch nicht wohl«, schmollte die kleine Frau, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

    »Das ist keine Entschuldigung«, herrschte der Gatte sie an. »So schwach kannst du nicht sein, daß du dich nicht einmal waschen, dir die Haare nicht kämmen kannst. Brauchst es nicht einmal allein zu tun, hast die Zofe zu deiner Bedienung. Und hast einen ganzen Dienertroß, der wohl dazu imstande sein dürfte, deine Gemächer in Ordnung zu halten. Du weißt doch, wie verhaßt mir dies alles ist.« Dabei deutete er mit einer kreisenden Handbewegung auf die beispiellose Unordnung, die in dem Zimmer herrschte. »Mich packte jedesmal ein Grauen, wenn ich deine Räume betreten muß.«

    »Aber Bernulf, dafür darfst du Püppchen doch nicht verantwortlich machen«, wagte Frau von Barnim einzuwenden. »Die Dienerschaft ist so minderwertig, daß man wirklich nichts mit ihr anfangen kann. Und Püppchen kann sich doch nicht mit den Leuten herumärgern, darf sich doch nicht aufregen. Hast du denn ganz vergessen, was sie vor einigen Wochen gelitten hat?«

    »Na ja, gewiß, ich verlange doch keine Kraftanstrengung von Fee«, sagte der Graf, immer unwilliger werdend. »Außerdem ist das Kind vier Wochen alt. In der Zeit haben andere Frauen sich soweit erholt, daß sie nicht zerzaust den ganzen Tag auf dem Diwan herumliegen müssen.«

    »Du kannst andere Frauen doch auch nicht mit meinem zarten, süßen Püppchen vergleichen«, entgegnete die Mutter gereizt, erschrak jedoch sofort über ihre Kühnheit. Sie atmete erleichtert auf, als der Graf die Achseln zuckte und das Zimmer verließ, eilte zu der Tochter hin und strich ihr zärtlich über das Wuschelköpfchen.

    »An welchen Barbaren das Schicksal dich gekettet hat!« klagte sie. »Du hättest doch lieber den reichen Grolle heiraten sollen. Er ist nicht so schön und vornehm wie dein Mann, doch er hätte dich besser zu würdigen verstanden.«

    Die kleine Frau, die sich selbst sehr bedauernswert vorkam, weinte einige Minuten herzzerbrechend an der Mutter Brust. Doch dann richtete sie sich plötzlich auf.

    »Ma – wenn Bernulf von den Schulden erfährt, dann läßt er mich bestimmt nicht nach St. Moritz fahren!«

    »Fertig bekommt er es schon«, bestätigte die Mutter, »darum darf er auf keinen Fall etwas erfahren. Wir werden Gudrun schon herumkriegen, daß sie uns das Geld gibt. Überhaupt – diese Geheimniskrämerei wegen der lumpigen paar tausend Mark! Und Bernulf ist schuld; warum hält er dich so knapp? Er hat sich in letzter Zeit sehr verändert; in der ersten Zeit eurer Ehe war er viel großzügiger. Ich glaube, er steht kurz vor dem Bankrott.«

    »Meinst du wirklich, Ma?« fragte die kleine Frau, und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Aber was dann? Ein Leben in Armut kann ich nicht ertragen!«

    »Ich weiß das ja, mein Püppchen«, tröstete die Mutter. »Deswegen mache dir nur keine Kopfschmerzen, wir werden schon einen Ausweg finden. Meine größte Sorge ist jetzt Gudrun. Wenn sie womöglich auf die Idee kommen sollte, bei mir leben zu wollen – dieses häßliche Entlein! Für die kriege ich nie einen Mann und habe sie dann mein Leben lang auf dem Hals!«

    »Ach das wollen wir ihr schon ausreden«, meinte Fee zuversichtlich. »Ob sie immer noch so häßlich ist? Ich habe sie jahrelang nicht gesehen.«

    »Püppchen, ich sage dir, unmöglich sieht sie aus. Und angezogen – eine Vogelscheuche ist gar nichts dagegen – ganz nach Hermines ­Muster. Der reinste Studentenschreck!«

    »Weißt du, Ma, du machst mich direkt neugierig auf meine Schwester.«

    Und nun bekam Fee plötzlich Lust, sich anzukleiden. So erhob sie sich und gab der Mutter zu verstehen, daß sie ihren Besuch nicht länger ausdehnen möchte. Bat sie noch, dafür zu sorgen, daß Gudrun nach Hohenwerth käme.«

    »Wo hält sie sich überhaupt auf?«

    »Bei dieser unausstehlichen Röstel«, entgegnete Frau von Barnim nervös. »Die Person wird sie kaum allein nach Hohenwerth lassen, wird sicherlich mit ihr kommen, so daß man kein Wort ungestört mit Gudrun sprechen kann. Kannst du denn nicht auf Bernulf einwirken, daß das Theater, das er mit dieser scheinheiligen alten Jungfer macht, aufhört?«

    »Na, versuch du es doch«, riet ihr die Tochter wütend. Der Name Röstel wirkte auf die kleine Frau ungefähr so wie ein rotes Tuch auf einen Stier. Die Mutter hatte ihr wirklich die Laune verdorben. Diese kannte ihr verhätscheltes Töchterlein nur zu gut und hielt es daher für ratsam, sich schleunigst aus dem Staub zu machen.

    *

    Frau von Barnim gelang es wirklich, Gudrun am nächsten Tag nach Hohenwerth zu bringen. Sie traf die Tochter auf der Straße des Städtchens, in dem auch sie wohnte, und erzählte ihr, wie große Sehnsucht Fee nach ihr hätte; daß sie jedoch nicht zu ihr kommen könne, da sie sich immer noch nicht von der Geburt des Kindes erholt habe.

    »Entlein, wie nett, daß du kommst! Willkommen auf Hohenwerth!« rief sie mit ihrer hellen Stimme.

    Gudrun war wie betäubt. Sie hatte noch nie Gelegenheit gehabt, etwas so Herrliches zu schauen wie in den letzten Minuten. Ihr Blick ging im Zimmer der Schwester umher, und das war eigentlich die erste Enttäuschung, die sie erlebte, seitdem ihr Fuß Hohenwerth betreten. Dieser Raum paßte nicht zu der feudalen Pracht des Schlosses. Er war wohl auch luxuriös, gewiß – doch er paßte nicht. Graf Hellmarck war für dieses Gemach nicht verantwortlich zu machen, denn Fee hatte die Einrichtung mit in die Ehe gebracht. Die Mutter hatte sich Geld dazu geliehen, um die Tochter ausstatten zu können – das der Graf später zurückzahlen mußte, weil Frau von Barnim dazu nicht in der Lage war.

    Gudrun konnte die Herzlichkeit der Schwester nicht erwidern, sie blieb stumm und steif. Etwas Hoch­mütiges lag in ihrem Gebaren, was Fee unglaublich ärgerte. Was dieses häßliche Entlein dachte! Leider mußte sie ja jetzt Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit vortäuschen.

    Doch nachher, wenn sie erst das Geld hatte, wollte sie ihr diesen Hochmut schon austreiben.

    Eigenhändig holte Fee Erfrischungen herbei, was bei ihrem sonstigen Phlegma anerkennenswert war, und nötigte die Schwester immer wieder, etwas zu genießen. Doch Gudrun konnte es beim besten Willen nicht, die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und

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