Aus Marie und Anton werden Freunde: Sophienlust - Die nächste Generation 30 – Familienroman
Von Julia Sommerland
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Dominik von Wellentin-Schoenecker saß in seinem Büro und sah versonnen in den Park hinaus. In der untergehenden Sonne schimmerten die Blätter der Bäume in verschiedenen Braunrot- und Goldtönen. Die Kastanienbäume waren dabei, ihre grünen stacheligen Schalenfrüchte abzuwerfen, die sich beim Aufprall auf dem Boden meist sofort öffneten, damit die rotbraunen Kastanien herausspringen konnten. Die Kinder in Sophienlust sammelten sie mit Begeisterung auf und nutzten sie zu Bastelzwecken. Es ist fast über Nacht Herbst geworden. Dabei kommt es mir so vor, als hätten wir erst gestern bei sommerlich heißen Temperaturen unser Grillfest gefeiert, dachte der junge Mann und öffnete die Schublade seines Schreibtisches. Er nahm einen Dominostein aus der offenen Verpackung, die er dort deponiert hatte. Während er die Süßigkeit mit leicht schlechtem Gewissen in den Mund steckte, sah er sich vorsichtig um, als könnte ihn hinter der geschlossenen Tür jemand beim Naschen beobachten. Es war ihm tatsächlich peinlich, dass er gestern in Maibach im Supermarkt der Versuchung nicht hatte widerstehen können. Dabei hatte er noch einen Tag vorher in einem Gespräch mit seiner Mutter Denise dagegen gewettert, dass Weihnachtsnaschereien im September noch nichts in den Regalen der Kaufhäuser zu suchen hätten und sie jedes Jahr früher dort lägen. In Erinnerung daran musste er grinsen. Irgendwie bleibt man wohl auch mit achtzehn Jahren noch immer Kind, ging es ihm dabei einsichtig durch den Kopf. Und er nahm sich erneut vor, niemals bei einem seiner Schutzbefohlenen zu strenge Maßstäbe anzulegen. Obwohl so etwas in Sophienlust eigentlich sowieso nicht üblich war. Ja, wir sind doch alle ab und zu arme kleine Sünderlein, dachte Nick amüsiert. Jetzt schob er schnell die Schublade zu, um nicht noch einmal in Versuchung zu geraten. Schon als kleiner Junge hatte er eine Schwäche für Dominosteine und Marzipan gehabt, die es aber damals bei ihnen zu Hause erst zu Nikolaus und später zu Weihnachten gab. Außerdem hatte seine Mutter ihm immer gepredigt, dass man kurz vor dem Mittagessen nicht naschte, um sich nicht den Appetit zu verderben. Er sah unwillkürlich auf die Uhr. Diese Regel war auch allen Kindern hier in Sophienlust bekannt, und sie hielten sich meist daran.
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Buchvorschau
Aus Marie und Anton werden Freunde - Julia Sommerland
Sophienlust - Die nächste Generation
– 30 –
Aus Marie und Anton werden Freunde
Ein ungleiches Paar rauft sich zusammen
Julia Sommerland
Dominik von Wellentin-Schoenecker saß in seinem Büro und sah versonnen in den Park hinaus. In der untergehenden Sonne schimmerten die Blätter der Bäume in verschiedenen Braunrot- und Goldtönen. Die Kastanienbäume waren dabei, ihre grünen stacheligen Schalenfrüchte abzuwerfen, die sich beim Aufprall auf dem Boden meist sofort öffneten, damit die rotbraunen Kastanien herausspringen konnten. Die Kinder in Sophienlust sammelten sie mit Begeisterung auf und nutzten sie zu Bastelzwecken.
Es ist fast über Nacht Herbst geworden. Dabei kommt es mir so vor, als hätten wir erst gestern bei sommerlich heißen Temperaturen unser Grillfest gefeiert, dachte der junge Mann und öffnete die Schublade seines Schreibtisches. Er nahm einen Dominostein aus der offenen Verpackung, die er dort deponiert hatte. Während er die Süßigkeit mit leicht schlechtem Gewissen in den Mund steckte, sah er sich vorsichtig um, als könnte ihn hinter der geschlossenen Tür jemand beim Naschen beobachten. Es war ihm tatsächlich peinlich, dass er gestern in Maibach im Supermarkt der Versuchung nicht hatte widerstehen können. Dabei hatte er noch einen Tag vorher in einem Gespräch mit seiner Mutter Denise dagegen gewettert, dass Weihnachtsnaschereien im September noch nichts in den Regalen der Kaufhäuser zu suchen hätten und sie jedes Jahr früher dort lägen. In Erinnerung daran musste er grinsen.
Irgendwie bleibt man wohl auch mit achtzehn Jahren noch immer Kind, ging es ihm dabei einsichtig durch den Kopf. Und er nahm sich erneut vor, niemals bei einem seiner Schutzbefohlenen zu strenge Maßstäbe anzulegen. Obwohl so etwas in Sophienlust eigentlich sowieso nicht üblich war.
Ja, wir sind doch alle ab und zu arme kleine Sünderlein, dachte Nick amüsiert.
Jetzt schob er schnell die Schublade zu, um nicht noch einmal in Versuchung zu geraten. Schon als kleiner Junge hatte er eine Schwäche für Dominosteine und Marzipan gehabt, die es aber damals bei ihnen zu Hause erst zu Nikolaus und später zu Weihnachten gab. Außerdem hatte seine Mutter ihm immer gepredigt, dass man kurz vor dem Mittagessen nicht naschte, um sich nicht den Appetit zu verderben. Er sah unwillkürlich auf die Uhr. Diese Regel war auch allen Kindern hier in Sophienlust bekannt, und sie hielten sich meist daran. Seine Mutter Denise, die das Heim bis zu seinem achtzehnten Geburtstag allein geleitet hatte, hielt wie er eine gesunde und ausgewogene Mittagsmahlzeit für äußerst wichtig. Und die Köchin Magda setzte dies auch grandios um. Immer gab es frisches Gemüse, oft aus dem eigenen Garten oder vom Biobauern in der Nachbarschaft, und viel Obst als Nachspeise.
Während er den fruchtig süßen Geschmack des Dominosteins noch auf der Zunge spürte, klingelte das Telefon.
»Hallo, Nick«, meldete sich eine forsche männliche Stimme, die der Angeredete am Schreibtisch sofort erkannte.
»Mark, schön, dich wieder einmal zu hören. Wie geht es dir, was macht dein Studium?«
»Es könnte nicht besser sein«, erwiderte der Anrufer im Brustton der Überzeugung. »Ich muss schon sagen, die Maximilians-Universität ist wirklich eine erstklassige Adresse, um Medizin zu studieren. Auch über mein Appartement im Studentenwohnheim kann ich nicht meckern.« Der Freund macht eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Einen kleinen Haken gibt es allerdings doch: Du fehlst mir! Kann ich dich nicht doch noch überreden, zusammen mit mir hier in München zu studieren? Kinderpsychologie gibt’s hier auch. Ein Fernstudium neben der Arbeit, wie du es machst, ist doch reine Knechterei. Deine Mutter würde sicher Verständnis dafür haben. Sie hat doch bisher auch das Erbe deiner Urgroßmutter für dich verwaltet.«
Nick atmete langsam ein und aus, ehe er darauf antwortete, denn da war sie wieder, die Verlockung.
»Ach, Mark, darüber haben wir doch schon lang und breit diskutiert. Nein, meine Entscheidung steht fest. Ich mag Sophienlust nicht für längere Zeit verlassen, das kann ich den Kindern nicht antun, sie zählen auf mich. Und außerdem kann ich auf die Dauer auch meiner Mutter den Spagat zwischen eigener und der Großfamilie hier in Sophienlust nicht allein zumuten, zumal sie mich ja immer noch hier unterstützt.«
»Tja, da laufe ich wohl vergebens gegen verschlossene Türen an«, erwiderte Mark mit einem leicht resignierten Unterton in der Stimme.
Mark von Basten war ein alter Schulfreund, mit dem Nick all die Jahre bis zum Abitur zusammen aufs Gymnasium gegangen war. Er hatte früher zusammen mit seinen Eltern und einer Schwester in Wildmoos gewohnt. Inzwischen studierte er in München und wollte Mediziner werden, wie sein Vater, um später einmal dessen Praxis zu übernehmen. Natürlich vermisste auch Nick den Freund, aber oft musste man im Leben eben Prioritäten setzen. Und er hatte sich aus voller Überzeugung für Sophienlust entschieden.
»Du warst schon immer ein Idealist«, sagte Mark jetzt.
»Ist das nun ein Kompliment, oder …?«
»Natürlich, alter Junge! Eigentlich wollte ich immer so werden wie du: Einer, der weiß, was er will. Es hat damals eine Menge Überredungskunst vonseiten meiner Eltern gekostet, dass ich Medizin studiere anstatt Architektur, wie ich es zunächst vorhatte«, berichtete Mark, und dieses Mal klang seine Stimme ein wenig nachdenklich.
»Wolltest Du nicht auch schon einmal Tennisprofi oder Rennfahrer werden?«, foppte Nick den Freund.
»Hör auf, mich an den Pranger zu stellen! Du weißt genau wie ich, wie schlecht meine Aufschläge immer ins Feld des Gegners kamen. Deine waren schon immer härter und viel präziser. Mich hätte bestimmt kein Profi-Trainingscamp aufgenommen. Und ob ich jemals auch nur ein einziges Autorennen ohne Blechschäden überstanden hätte, ist äußerst fraglich.«
»Nun hast du ja doch noch die Kurve gekriegt, und aus dir wird etwas Gescheites«, bemerkte Nick lachend.
»Sieht ganz so aus«, tönte es amüsiert aus der Leitung. »Aber wechseln wir lieber das Thema. Wie geht es deiner Mutter? Du weißt doch, ich habe sie schon als Kind geliebt, weil sie nicht so streng war wie meine. Arbeitest du gut mit ihr zusammen?«
»Mutter geht es gut. Sie ist mir eine große Stütze, ohne mich zu dominieren. Wir können über alles reden, entscheiden die meisten Dinge gemeinsam und ergänzen uns bestens bei der Arbeit«, berichtete Nick. »Ganz selten sind wir auch mal anderer Meinung, aber wir finden am Ende immer wieder einen gemeinsamen Nenner.«
»Sei froh, dass du sie noch hast!« Jetzt spürte man auf einmal einen Hauch Melancholie in Marks sonst so forscher Stimme.
»Bin ich auch. Mir geht der Tod deiner Mutter im vergangenen Jahr auch immer noch sehr nahe. Dieser unselige Verkehrsunfall … Wäre sie ein paar Minuten später von zu Hause abgefahren … Man darf gar nicht darüber nachdenken«, sagte Nick.
»Ja, dasselbe habe ich auch schon oft gedacht. Ich muss zugeben, sie fehlt mir sehr. Vater ist seitdem auch längst nicht mehr der Alte. Ich denke, er kommt sich zeitweise ganz schön einsam vor in dem großen Haus, seitdem ich meine Zelte dort abgebrochen habe und Ilona auch. Zum Essen geht er ins Gasthaus, aber ich möchte wetten, er vermisst Mutters Küche doch sehr. Kochen war wirklich eine Stärke von ihr.«
»Da kann ich dir nur beipflichten. Und Backen konnte sie auch hervorragend. Ich erinnere mich noch besonders gut an ihren Zwetschgenkuchen und das Weihnachtsgebäck«, warf Nick ein.
»Ja. Anderes Thema, sonst werde ich noch melancholisch. Wann kommst du mich mal in München besuchen? Im Tennis habe ich mich hier in letzter Zeit enorm verbessert. Du hättest garantiert nicht mehr so einen leichten Stand, das Match zu gewinnen. Außerdem sind wir schon lange nicht mehr zusammen um die Häuser gezogen. Übrigens, ich habe hier vor kurzem eine nette Studentin kennengelernt. Edda, sie ist gebürtige Münchnerin und studiert ebenfalls Humanmedizin. Wir saßen eines Tages rein zufällig nebeneinander im Hörsaal bei Professor Kreiner. Sie ist bildschön und gescheit, ernsthafter als ich, aber ich glaube, sie mag mich und weiß inzwischen, dass ich gar kein so schlechter Kerl bin. Kürzlich habe ich ihre Freundin kennengelernt, die ebenfalls Medizin studiert und Kinderärztin werden will, und …«
»Mark, gib es auf, mich verkuppeln zu wollen«, unterbrach Nick den Freund energisch, er ahnte, was jetzt