Vielfalt des Lebens
Von Anne Moog
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Über dieses E-Book
Anne Moog
Dr. Anne Moog, Jahrgang 1968, lebt in Bendorf am Rhein.
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Buchvorschau
Vielfalt des Lebens - Anne Moog
Buchbeschreibung:
15 Erzählungen, so vielfältig wie das Leben. Sie handeln von Liebe und Freundschaft, Krankheit und Tod, Verantwortung und Gerechtigkeit. Eines haben sie alle gemeinsam. Sie sind kurz, intensiv und bleiben in Erinnerung.
Über den Autor:
Dr. Anne Moog, Jahrgang 1968, lebt in Bendorf am Rhein.
Inhaltsverzeichnis
Herzenswunsch
Die Regeln
Als das Licht ausging
Blutrot
Die Erinnerung lässt uns lächeln
Wie Brüder
Du bist, was du liest
Alleinerbe
Nomen est omen
Gute Versuchsperson
Alter Fuchs
Nur ein Wimpernschlag
Alltagsheld
Himmlische Kräfte
Vielfalt des Lebens
Herzenswunsch
Ich blickte auf die einzelne Kerze, die vor mir auf dem Erdbeerkuchen flackerte.
»Wünsch dir was«, sagte Lars und lächelte mich an.
Ich dachte gut nach. Es gab einiges, was in meinem Leben nicht rund lief und was ich mir wünschte, dass es anders, besser würde. Aber ich hatte nur EINEN Herzenswunsch. Ich schloss die Augen und blies die Kerze aus.
Das war am 15. Juni gewesen, an meinem Geburtstag, einem herrlichen Sommertag, den ich mit Lars am See verbrachte. Wir lagen auf der Wiese und hingen unseren Gedanken nach.
»Elli, verrätst du mir, was du dir gewünscht hast?«, fragte Lars nach einer Weile.
»Du kannst es dir doch denken«, erwiderte ich zögerlich.
»Ja. Ich finde aber, indem du es aussprichst, machst du den Wunsch ein bisschen realer. Vielleicht hilft es sogar, ihn am Ende zu verwirklichen.«
»Ach Lars …«
»Überlege dir, was du willst, wünsche es dir und dann sorge dafür, dass es wahr wird.«
Ich musste lachen, trotz allem. »Das hört sich ja voll nach einem Ratgeberbuch an. Aber gut, du lässt mich ja ansonsten sowieso nicht in Ruhe.« Ich holte tief Luft und sagte mit fester Stimme: »Ich wünsche mir, dass Felix sich bei mir meldet und mich kennenlernen möchte. Punkt, nein Ausrufezeichen.«
Lars nickte zufrieden. Kurze Zeit später fing er wieder an. »Sag mal, hat Felix eigentlich eine Chance, dich zu finden?«
»He? Wieso nicht?« Ich schüttelte irritiert den Kopf.
»Na ja, wenn ich das richtig verstanden habe, hast du damals nur deinen Namen bei der Adoptionsvermittlungsstelle hinterlassen und bist dann fast 700 Kilometer vom Geburtsort weggezogen.«
»Ja, und?«
»Na ja. Es wird wohl ganz schön viele Elisabeth Schmidt in Deutschland geben oder?« Ich stutzte. »Darüber habe ich, ehrlich gesagt, noch nie nachgedacht.« Ich merkte, wie ich unruhig wurde. Sollte das der Grund sein, warum sich Felix nie bei mir gemeldet hatte? »Meinst du wirklich?« Plötzlich war ich total aufgeregt. »Was kann ich machen?«
»Das weiß ich auch nicht so genau. Ich würde sagen, am besten rufst du da mal an und fragst, wie du eine Nachricht für Felix hinterlegen kannst.«
Von einem Geräusch geweckt schreckte ich hoch. Als ich auf den Radiowecker neben meinem Bett sah, wurde mir klar, dass ich über 9 Stunden geschlafen hatte. Wow, das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Seit ich die Schlaftabletten nur noch in besonders kritischen Phasen nahm, wirkten sie besser, stärker und länger. 9.23 Uhr, ich hatte also bereits 9 Stunden und 23 Minuten von Felix’ Geburtstag hinter mir. Halleluja!
Obwohl ich so lange geschlafen hatte, fühlte ich mich erschöpft. Außerdem spürte ich, wie vom Hinterkopf hoch eine Migräne in Anflug war. Trotzdem schaltete ich das Radio ein, um die Ruhe um mich herum nicht ertragen zu müssen. Ich kämpfte mit den Tränen. Laufenlassen, hatte der Therapeut gesagt, vor allem heute. Also weinte ich, bis mein Kopfkissen klatschnass war und gab mich vollends meiner Trauer, meinem Schmerz und meinen allgewärtigen Schuldgefühlen hin. Als ich die Augen schloss, waren meine Erinnerungen an die zwei Stunden nach der Geburt von Felix sofort wieder da. Es war ein so gutes Gefühl, ihn in meinen Armen zu halten, ihn zu betrachten, ihn zu streicheln und vor allem, ihn zu riechen. Pures Glück machte sich für einen kurzen Moment in mir breit. Dann dachte ich an den Abschied, an den Augenblick, in dem die Krankenschwester Felix abgeholt hatte. Noch jetzt spürte ich die Erleichterung, für die ich mich heute so sehr schämte. Ich hatte Felix zur Adoption freigegeben in der festen Überzeugung, dass ich es mit Kind nicht schaffen und er es in einer Adoptivfamilie besser haben würde. Damals, als ich dachte, es gäbe keine andere Lösung. Auch danach, als ich versucht hatte, alles zu verdrängen.
Ich hatte mir immer nur Männer ausgesucht, bei denen ich kostenlos wohnen konnte, damit ich noch genügend Geld für meinen Alkohol hatte. Tja und dafür musste ich so einiges in Kauf nehmen. Ich schüttelte mich vor den Gedanken an diese Typen, deren Reihenfolge ich schon nicht mehr hinbekam. Und ich schüttelte mich vor mir selbst. Heute sah ich vieles so anders … Ach Felix!