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Mein Zebra und ich: ... das hat auch nicht jeder!
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Mein Zebra und ich: ... das hat auch nicht jeder!
eBook223 Seiten2 Stunden

Mein Zebra und ich: ... das hat auch nicht jeder!

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Über dieses E-Book

Hand aufs Herz – wer von uns hadert nicht ab und zu mit seinem Schicksal? Minimal-Anlass genügt: Zwei Kilo zugenommen, Streit mit der besten Freundin oder ungerechte Kritik vom Chef, und wir versinken in Selbstmitleid. Nina scheint genau umgekehrt gestrickt zu sein. Ihre positive Lebenseinstellung ist unverwüstlich, das Glas ist immer halb voll. Das ändert sich auch nicht, als bei ihr das Ehlers-Danlos-Syndrom diagnostiziert wird – ein seltener Gendefekt, für den es keine Heilung gibt. Der Moment ist äußerst unpassend: Mit Ende 30 ist sie frisch geschieden, genießt das Single-Dasein mit ihren Freunden in München und hat einen aufregenden Job in einer Werbe- und Event-Agentur. Das alles soll sie sich von dieser Krankheit kaputt machen lassen? Niemals! Da setzt sie doch lieber auf ihre exzellenten Verdrängungskünste, gönnt sich selbst kleine "Belohnungen" für unangenehme Untersuchungen oder gesundheitliche Tiefschläge und lässt sich sogar darauf ein, als sie ungefragt auf einem Dating-Portal angemeldet wird … "Mein Zebra und ich" ist eine Geschichte voll Lebensmut, nicht nur für chronisch Kranke!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum5. Dez. 2022
ISBN9783347589131
Mein Zebra und ich: ... das hat auch nicht jeder!

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    Buchvorschau

    Mein Zebra und ich - Simone Sabel

    1

    „Sind Sie sich sicher?"

    Wie aus dem Nebenraum drangen die Worte an mein Ohr. Ganz entfernt nahm ich sie wahr, aber sie ergaben keinen Sinn. In jedem Wort ein „i", dachte ich. Mehr fiel mir dazu nicht ein. Durch einen dichten Tränenschleier erkannte ich drei erwartungsvolle Augenpaare, allesamt auf mich gerichtet. Eins davon gehörte meinem Mann. Michael … Gerade eben hatte ich mich daran erinnert, wie er vor einer gefühlten Ewigkeit im Münchner Sternelokal Tantris vor mir niedergekniet war und vor unseren knapp zweihundert Gästen inbrünstig einen eigens für mich komponierten Song gesungen hatte, bevor er – noch in der Hochzeitsnacht – zum Flughafen fuhr, um gegen 22:30 Uhr in einen Flieger nach Asien zu steigen. In Seoul stand damals die Weltpremiere von Michael Jackson & Friends bevor, bei der Michael als Projektleiter und Pressechef von Mama Concerts natürlich unentbehrlich war. Ja, mit Terminen war es schon immer schwierig gewesen bei ihm. Da wurde so ein Event wie eine Hochzeit schon mal zwischen zwei Langstreckenflüge gequetscht. Dass es die eigene war, die darüber hinaus ein Vermögen gekostet hatte, spielte dabei höchstens eine untergeordnete Rolle. Aber damit konnte ich leben. Während Michaels Abreise bei der Mehrheit der Hochzeitsgäste auf Unverständnis stieß, hatte ich mich längst auf ein Leben an der Seite eines Mannes eingestellt, dessen Beruf eben einen Großteil seiner Zeit bestimmte. Da erschien mir dieser ungewöhnliche Start in die gemeinsame Zukunft nur passend, nicht mehr und nicht weniger. Es war alles nur eine Frage der Organisation, gemeinsame Zeitfenster würden sich immer finden lassen. Nein, die Probleme lagen ganz woanders. Genau genommen in jedem denkbaren Bereich des Alltags. Aber das konnte ich damals natürlich noch nicht wissen.

    „Sind Sie sich sicher, dass Sie geschieden werden möchten?", wiederholte die Richterin ihre Frage, diesmal mit etwas mehr Nachdruck.

    „Nina?", hörte ich Michael fragen.

    Endlich gelang es meinem Gehirn, die Information nicht nur aufzunehmen, sondern auch sinnvoll weiterzuverarbeiten.

    „Ja, ganz sicher!, erwiderte ich hastig. „Es ist nur … Es ist einfach so traurig.

    Beim letzten Satz war es endgültig aus mit meiner Beherrschung, ich schluchzte hemmungslos. Betretenes Schweigen füllte den Raum. Auch mein Noch-Ehemann hatte schon ganz rote Augen, und unsere gemeinsame Anwältin und Freundin Vera schnäuzte unauffällig in ihr Taschentuch. Na, bravo! So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es war doch alles so wunderbar klar gewesen. Keine offenen Fragen, keine Zweifel, kein Rosenkrieg. Und trotzdem brach ich einfach in Tränen aus, als es dann zur Sache ging.

    „Es ist wirklich alles gut, durchbrach ich die Stille. „Wir sind uns vollkommen einig. Bringen wir das hier hinter uns!

    Und dann war es vorbei. Ratzfatz. Zehn Jahre Ehe, einfach so beendet. Völlig unspektakulär, innerhalb von Minuten. Im Nachhinein ist es mir unbegreiflich, wie überhaupt irgendjemand einen solchen Moment emotionslos betrachten kann. Immerhin hat man sich einmal ewige Liebe und Treue geschworen. Man wollte zusammenbleiben bis ans Lebensende, in guten wie in schlechten Zeiten, so heißt es. Sich dann eingestehen zu müssen, dass man sich geirrt hat, dass der Traum zerplatzt ist wie eine Seifenblase, die auf ihrem Schwebeflug nach oben den nächstbesten Birkenzweig rammt, ist nun mal ein unglaublich schwerer Schritt.

    Umso erleichterter war ich – nein, waren wir beide –, ihn geschafft zu haben. Gemeinsam, sozusagen. Auch wenn wir sonst nicht mehr viel gemeinsam hatten. Als Michael und ich danach zum Frühstück im Café „Kreutzkamm" im Innenhof des Amtsgerichts saßen, fragte ich mich unweigerlich, wie viele frisch geschiedene Paare hier wohl im Laufe der Jahre schon ein und aus gegangen waren. Mit einem Prosecco stießen wir auf unsere Scheidung an. Es war skurril, anders konnte man die Situation nicht beschreiben.

    Gegen elf Uhr vormittags trat ich alleine aus dem Café heraus, ein laues Lüftchen empfing mich. Es war ein warmer Augusttag, die Wettervorhersage hatte sich eins zu eins bewahrheitet: heiter bis wolkig – passend zum Anlass. Es roch nach Sommer. Die Autos blitzten in der Sonne, die Straßencafés waren voll bis auf den letzten Platz mit fröhlich schwatzenden Menschen. Ein Junge mit einem gigantischen Schokoladeneis kam auf mich zu gerannt und verfehlte mein neues hellblaues Sommerkleid mit dem tropfenden Waffelhörnchen nur um wenige Millimeter.

    „Hoppla! ‘Tschuldigung!" nuschelte er, als er mich am Ellbogen streifte.

    „Nichts passiert", erwiderte ich und lächelte ihm gedankenverloren nach. Ich verspürte eine angenehme Leichtigkeit. Der Prosecco war daran wohl nicht so ganz unschuldig, aber in erster Linie war einfach eine unglaubliche Last von mir abgefallen. Beschwingt spazierte ich über den Promenadeplatz in Richtung Innenstadt und ertappte mich dabei, wie ich leise vor mich hin summte. Mein neues Leben hatte soeben begonnen.

    2

    Ich stand gerade bei Zara in der Umkleidekabine und schälte mich aus einer etwas unvorteilhaften Jeans heraus – es war das siebte von acht Kleidungsstücken, die ich mit reingenommen hatte, vor der Kabine hatte sich inzwischen eine kleine Schlange gebildet – als mein Handy klingelte. Leise fluchend wühlte ich, ein Bein noch immer in dieser dämlichen Hose gefangen, in meiner viel zu großen Handtasche und wünschte mir für einen kurzen Moment mein erstes Telefon aus den neunziger Jahren zurück. Es war ungefähr so groß wie eine Banane und damit praktisch immer und überall sofort auffindbar. Warum mussten diese Mistdinger auch immer kleiner werden?! Ich hätte doch auf Michael hören und mir endlich eins dieser Smartphones zulegen sollen, die schon seit ein paar Jahren auf dem Markt waren. Wie um das zu unterstreichen, tönte es weiter lautstark aus den Untiefen meiner Tasche. Ich wünschte, ich hätte wenigstens den Klingelton leiser gestellt. Wahrscheinlich hatte inzwischen auch wirklich der Letzte in der Schlange mitbekommen, dass ich hier drin telefonierte, statt zügig die Kabine zu räumen. Endlich wurde ich fündig!

    „Hallo?", fragte ich mit gedämpfter Stimme und bildete mir ein, draußen ein paar genervte Seufzer zu hören.

    „Ich bin’s. Wo bist du, und was machst du?", lautete Franzis Gegenfrage. Wie immer wurden gleich in den ersten Sekunden die wichtigsten Eckpunkte abgecheckt, man hatte schließlich keine Zeit zu verlieren. Franzi war der einzige Mensch, den ich kannte – abgesehen von Michael natürlich –, dessen Tag eigentlich mindestens 30 Stunden haben müsste. Allein der Gedanke an einen ähnlich vollgestopften Terminkalender wie den ihren hätte mich täglich in Panik versetzt. Muss man mögen. Franzi liebte es.

    „In der Stadt. Heute war doch mein Scheidungstermin, und jetzt gönne ich mir einen freien Nachmittag."

    „Oh, stimmt! Das hatte ich ja ganz vergessen. Wie geht es dir?"

    „Na ja … ganz gut eigentlich."

    Das war fürs Erste genug Information für Franzi – Aha. Alles OK, kein akuter Handlungsbedarf! – Sofort wich die Betroffenheit aus ihrer Stimme.

    „Weißt du was, Nina? Erzähl doch heut Abend weiter, dann stör ich dich jetzt nicht länger beim Shoppen. Wir wollen bei mir was kochen. Kommst du? Halb acht?"

    Das hörte sich gut an – jedenfalls besser, als zu Hause alleine vor dem Fernseher zu sitzen. Nicht, dass mich an einem solchen Tag dann doch noch die Sentimentalität übermannte. Spontan sagte ich zu.

    Ich sah auf die Uhr: Kurz nach drei. Genug Zeit, um mich noch ein bisschen auszuruhen, vom Shoppen hatte ich so langsam eh genug. Zudem schmerzte mein Rücken, was er leider zurzeit fast täglich tat – mal mehr, mal weniger. Auch die Bandscheibenoperation vor ein paar Monaten hatte nicht die erhoffte Verbesserung gebracht. Heute früh war es mir körperlich noch gut gegangen, aber jetzt, nach mehreren Stunden auf den Beinen, fing es wieder an. Ganz langsam, aber praktisch minütlich zunehmend, das kannte ich schon. Und leider hatte ich die Schmerztabletten mal wieder zu Hause liegen lassen. Manchmal hätte ich mich selbst ohrfeigen können für meine Schusseligkeit! Vom Marienplatz aus nahm ich die U-Bahn bis zum Goetheplatz und ging den Rest zu Fuß. Endlich vor der Haustür angekommen, war ich doppelt froh über meinen Entschluss, die Schmerzen in meinem Rücken waren inzwischen die Hölle. Einem Junkie gleich ließ ich, kaum hatte ich die Wohnungstür hinter mir zugezogen, Schlüssel, Tasche und Tüten fallen und schleppte mich direkt in die Küche, wo neben der Spüle die Tramadol-Schachtel lag. Ein starkes Schmerzmittel mit einem Beipackzettel, der problemlos ausgereicht hätte, um ein ausgewachsenes Hausschwein darin einzuwickeln. Aber hatte ich eine Wahl? Nein – jedenfalls nicht bevor irgendjemand eine Lösung, sprich: Therapie für diese abartigen Rückenschmerzen gefunden hatte. Bis dahin würde ich eben täglich Tabletten nehmen, was sonst. Kein Optimalzustand, zugegeben, aber meine einzige Möglichkeit, den Alltag zu bewältigen. Mit einem Glas Wasser spülte ich gleich zwei Kapseln hinunter und legte mich dann aufs Sofa. Bestimmt würde der Schmerz gleich nachlassen, ganz bestimmt. Nur kurz die Augen schließen …

    Drei Stunden später erwachte ich aus einem komatösen und zugleich unendlich erholsamen Schlaf. Es war wohl doch alles ein bisschen viel gewesen heute, sowohl emotional als auch körperlich, das wurde mir erst jetzt bewusst. Hätte ich nicht geistesgegenwärtig noch die Weckfunktion meines Handys aktiviert, das nun in voller Lautstärke vor sich hin dudelte, wäre ich vermutlich erst am nächsten Morgen wieder aufgewacht. Ich ging ins Bad, um mich für den Abend fertig zu machen. Nach einer ausgiebigen Dusche fühlte ich mich vollständig erholt und frisch, die Schmerzen waren wie weggeblasen. Jetzt schnell anziehen und dann nichts wie los. Franzi hatte wenig Verständnis für Unpünktlichkeit, besonders bei privaten Terminen. Sowas passte einfach nicht in ihren straffen Tagesablauf. Ich dachte also nicht lange nach, zog meine Lieblingsjeans aus dem Schrank und schlüpfte in eines der drei Oberteile, die ich heute ergattert hatte: wie ich fand das schönste von allen, schwarz mit dezenter Stickerei am Halsausschnitt und an den Ärmeln. Dazu die silbernen Flip-Flops, fertig. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel. Dann schnappte ich die Flasche Rioja, die ich am Nachmittag noch bei Feinkost Dallmayr gekauft hatte, und eilte die Treppe hinunter. Wie schön, wenn man sich wieder bewegen kann! stellte ich dankbar fest. Das Taxi wartete bereits.

    3

    „Hi! Schön, dass du da bist! Komm rein!" Franzi begrüßte mich mit einer festen Umarmung.

    „Ui, du hast dich extra für uns in Schale geworfen, stellte ich bewundernd fest, „und meinen Frisur-Tipp hast Du auch endlich beherzigt. Sieht super aus – ich WUSSTE es! Ein breites Grinsen machte sich unter Franzis wachen Augen breit. Sie liebte Komplimente, und dieses hier war zudem vollkommen ernst gemeint. Zum knallengen Etuikleid im Pepitamuster gesellte sich verwegen roter Lippenstift, das freche Gesicht war eingerahmt von einem kurzen Bob, der perfekt zu Franzis Temperament passte. Sie zog mich hinter sich her in die Küche, aus der es bereits unsagbar lecker nach italienischen Kräutern duftete. Knoblauch und Zwiebeln brutzelten in Olivenöl, auf dem Küchentisch lagen Ciabatta und Parmesan. Schlagartig wurde mir bewusst, wie entsetzlich hungrig ich war – kein Wunder, seit dem Croissant zum Frühstück hatte ich nichts gegessen –, und gleichzeitig fiel mir auf, dass ich noch nicht einmal gefragt hatte, ob ich beim Kochen helfen kann.

    „Au weia … bin ich zu spät? Ihr seid ja schon fast fertig. Kann ich denn noch irgendwas tun?", fragte ich schuldbewusst.

    Franzi winkte ab.

    „Ach Quatsch! Du bist pünktlich, Konrad war nur etwas früher da, dann haben wir halt schon mal angefangen. Entspann dich. Es gibt heut sowieso nur Penne all‘Arrabbiata."

    „Nur ist gut, ist ja auch nur mein Lieblingsessen", strahlte ich. Mein Blick fiel auf Konrad, der hingebungsvoll Tomaten schnippelte. Ehrlich gesagt, manchmal beneidete ich solche Leute ein bisschen, die Kochen als eine Form der Entspannung betrachteten und so ganz nebenbei Gerichte zauberten, die aussahen wie eigens vom Food-Fotografen drapiert – und auch so schmeckten. Konrad war definitiv einer dieser Leute. Wenn er kochte, war es nie langweilig, nie vorhersehbar, die Gerichte hatten immer das gewisse Etwas – egal, ob es sich um Zwiebelrostbraten, ein thailändisches Curry oder eben Penne all‘Arrabbiata handelte. Ohne ihn bei seiner wichtigen Aufgabe zu stören, drückte ich Konrad einen Begrüßungsschmatz auf die Wange. Im selben Moment klingelte es auch schon wieder, und kurz darauf standen Johanna, Jan und Anne vor der Tür. Jan sportlich-schick in Sakko, Jeans und Sneakers, Johanna trug eine weiße Bluse zur schwarzen Lederhose und selbst Jans Freundin Anne, grundsätzlich eher der ungeschminkt-natürliche Typ, wirkte in ihrem schlichten grauen Seidenkleid äußerst adrett. Die Mischung aus ihren Parfums hüllte die drei in eine angenehme, androgyne Duftwolke. Irgendwie sahen heute alle aus, als hätten sie was zu feiern. Als könnte sie meine Gedanken lesen, überreichte mir Johanna grinsend eine kleine Schachtel.

    „Hier, für dich!"

    Auf dem Deckel stand in geschwungener Schrift Champagnertrüffel, an einer goldenen Schleife baumelte ein Geschenkanhänger mit der Aufschrift „Herzlichen Glückwunsch zur Scheidung!"

    „Gut gemacht!, sagte sie anerkennend, als hätte ich eine besonders schwierige Prüfung bestanden (in gewisser Weise hatte ich das ja auch), und umarmte mich. „Gleich musst du mal berichten, wie es war.

    Auf eine solche Idee konnte auch nur Johanna kommen. Bestimmt eckte sie mit ihrer Art von Humor ab und zu an, aber bei mir lag sie damit genau richtig. Besonders heute. Was hätte ich auch mit Sentimentalität anfangen sollen? Meine Ehe war nun mal vorbei, und das war auch gut so, das wusste jeder, der mich etwas näher kannte.

    Gemeinsam wurde der Tisch gedeckt, ich öffnete den Rioja. Franzi zündete ein paar Kerzen an.

    „Es ist angerichtet!", ließ Konrad aus der Küche verlauten und schwebte im selben Moment auch schon mit einer großen Schüssel voller Nudeln in den Raum, ein weißes Geschirrtuch wie zufällig über den linken Unterarm geworfen. Johanna folgte ihm auf dem Fuße, einen Topf voll herrlich duftender Sauce in den Händen.

    „Was für ein schlechter Service, frotzelte Jan, „nicht mal eine Vorspeise!

    „Hättest ja eine mitbringen können, du fauler Sack, gab Konrad zurück. „Außerdem ist das für dich eh besser so – mir scheint, du hast um die Hüften ein wenig Speck angesetzt. Franzi, haben wir einen Salat für den dicken Herrn am Tischende?

    Eine Serviette flog über den Tisch und traf Konrad am Kopf, um ein Haar wäre sie direkt in der Sauce gelandet. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, auch wenn es nicht zu übersehen war, dass Jan sich von diesem Seitenhieb durchaus ein wenig getroffen fühlte. Wahrscheinlich hatte Konrad mit seiner flapsigen Bemerkung zufällig ins Schwarze getroffen und Jan hatte tatsächlich ein paar Gramm zugenommen, wer weiß. Wenn ich so darüber nachdachte, fiel mir in meinem gesamten Bekannten- und Freundeskreis kein Mann ein, der eitler war als Jan. Ein echter Schöngeist zudem, der es wegen zu viel ererbten Geldes nicht nötig hatte, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Vielmehr fühlte er sich der Kunst verpflichtet, bildete sich durch die tägliche Lektüre mehrerer renommierter Tageszeitungen und liebte die Literatur und gute Weine. Anne als kunstbewanderte Fotografin an seiner Seite, die ihn jedoch mehr glänzen ließ als sich selbst zu profilieren, stand ihm dabei hervorragend zu Gesicht. Überhaupt war Jan derjenige, der den ganzen Freundeskreis am intensivsten pflegte, belebte und zusammenhielt. Kein Wunder, er hatte ja auch die meiste Freizeit von uns allen.

    Jan und Konrad kannten sich noch aus Studienzeiten, und ich hatte das große Glück, Konrad kennenzulernen, als ich nach meiner Bandscheibenoperation einen vierwöchigen Reha-Aufenthalt am Tegernsee verbrachte. Mit nur wenigen Tagen Unterschied war Konrad gleichzeitig mit mir dort, weil er sich beim Skilaufen einen Wirbel gebrochen hatte und in der Folge ebenfalls operiert worden war. Wir saßen jeden Tag zusammen am Essenstisch, und ich muss

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