Florians Verzweiflungstat: Sophienlust - Die nächste Generation 6 – Familienroman
Von Ursula Hellwig
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe, komme ich wieder zu dir«, versprach der elf Jahre alte Junge dem rotbraunen Wallach und klopfte dem Pferd mit einer Hand freundschaftlich den Hals, während er ihm mit der anderen ein trockenes Brötchen zusteckte. Jeden Tag besuchte Florian nach der Schule seinen Sancho, der in einem Reitstall untergebracht war. Dieser Reitstall lag auf seinem Heimweg, nur wenige hundert Meter von dem kleinen Einfamilienhaus entfernt, in dem der Junge mit seiner Mutter wohnte. Vor fast zwei Jahren war Florians Vater, Sören Beermann, bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wenige Tage vor dessen Tod hatte der Frühling Einzug gehalten. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Winter noch einmal zurückkehren könnte. Trotzdem war das geschehen, nicht mit Schneefall, sondern mit tiefen Nachttemperaturen, bei denen sich in ungünstigen Lagen Glatteis gebildet hatte. Der Architekt Sören Beermann hatte sich am frühen Morgen auf den Weg zu einem Kunden gemacht. Es war bei seiner Abfahrt noch dunkel gewesen. Auf einer Brücke, die über einen Bachlauf führte, war das Auto auf eine spiegelglatte Fläche und direkt anschließend ins Schleudern geraten. Sören hatte offensichtlich die Gewalt über das Fahrzeug verloren und war gegen einen Baum am Ende der Brücke gefahren. Den massiven Aufprall hatte Florians Vater nicht überlebt. Anfangs war es für Florian und seine Mutter schwer gewesen, den Verlust zu verkraften. Das Leben der beiden schien völlig aus den Angeln gehoben zu sein. Inzwischen hatten Mutter und Sohn gelernt, sich auf die neue Situation einzustellen und wieder einen normalen Tagesablauf zu finden. Sören Beermann war ein begeisterter Reiter gewesen und hatte sich vor sechs Jahren den damals dreijährigen Sancho gekauft. Es war ihm gelungen, auch seinen Sohn für diesen Sport zu begeistern. Mit viel Geduld hatte er Florian unterrichtet, und der Junge hatte sehr schnell viel gelernt. Nachdem sein Vater gestorben war, hatte Florian den Wallach gewissermaßen geerbt.
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Rezensionen für Florians Verzweiflungstat
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Buchvorschau
Florians Verzweiflungstat - Ursula Hellwig
Sophienlust - Die nächste Generation
– 6 –
Florians Verzweiflungstat
Wird er wieder glücklich werden?
Ursula Hellwig
»Wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe, komme ich wieder zu dir«, versprach der elf Jahre alte Junge dem rotbraunen Wallach und klopfte dem Pferd mit einer Hand freundschaftlich den Hals, während er ihm mit der anderen ein trockenes Brötchen zusteckte. Jeden Tag besuchte Florian nach der Schule seinen Sancho, der in einem Reitstall untergebracht war. Dieser Reitstall lag auf seinem Heimweg, nur wenige hundert Meter von dem kleinen Einfamilienhaus entfernt, in dem der Junge mit seiner Mutter wohnte.
Vor fast zwei Jahren war Florians Vater, Sören Beermann, bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wenige Tage vor dessen Tod hatte der Frühling Einzug gehalten. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Winter noch einmal zurückkehren könnte. Trotzdem war das geschehen, nicht mit Schneefall, sondern mit tiefen Nachttemperaturen, bei denen sich in ungünstigen Lagen Glatteis gebildet hatte. Der Architekt Sören Beermann hatte sich am frühen Morgen auf den Weg zu einem Kunden gemacht. Es war bei seiner Abfahrt noch dunkel gewesen. Auf einer Brücke, die über einen Bachlauf führte, war das Auto auf eine spiegelglatte Fläche und direkt anschließend ins Schleudern geraten. Sören hatte offensichtlich die Gewalt über das Fahrzeug verloren und war gegen einen Baum am Ende der Brücke gefahren. Den massiven Aufprall hatte Florians Vater nicht überlebt.
Anfangs war es für Florian und seine Mutter schwer gewesen, den Verlust zu verkraften. Das Leben der beiden schien völlig aus den Angeln gehoben zu sein. Inzwischen hatten Mutter und Sohn gelernt, sich auf die neue Situation einzustellen und wieder einen normalen Tagesablauf zu finden.
Sören Beermann war ein begeisterter Reiter gewesen und hatte sich vor sechs Jahren den damals dreijährigen Sancho gekauft. Es war ihm gelungen, auch seinen Sohn für diesen Sport zu begeistern. Mit viel Geduld hatte er Florian unterrichtet, und der Junge hatte sehr schnell viel gelernt. Nachdem sein Vater gestorben war, hatte Florian den Wallach gewissermaßen geerbt. Henrike Beermann, die Mutter des Jungen, hatte Sancho ebenfalls sehr gern und fand sich recht häufig im Reitstall ein. Aber sie war keine Reiterin und besuchte das Pferd nur, um ihm ein paar Leckerbissen zu bringen oder einfach ein bisschen mit ihm zu schmusen. Noch nie in ihrem Leben hatte Henrike auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, und es war auch nicht ihre Absicht, in Zukunft etwas daran zu ändern. Sie freute sich allerdings sehr darüber, dass ihr Sohn so große Freude am Reitsport hatte und diesem Hobby fast seine gesamte Freizeit widmete.
Als Florian den Stall verließ, stieß er auf Hubertus Meurer, einen etwa fünfzig Jahre alten Mann, dem der Reitstall gehörte, in dem nicht nur dessen eigene Turnierpferde, sondern auch noch achtzehn Pensionspferde untergebracht waren.
»Hallo Florian«, grüßte Herr Meurer freundlich. »Wenn du willst, kannst du Sancho auf die Weide drüben am Bach bringen. Dann kann er sich noch etwas auslaufen, bis du nachher kommst und ihn reitest. Seinen Freund Valesco habe ich vorhin schon auf diese Weide gebracht.«
»Dann lasse ich Sancho auch nach draußen«, entgegnete Florian und griff auch schon nach dem Führstrick, um ihn an Sanchos Halfter zu befestigen. Zwischen Valesco, einem Grauschimmel, der ebenfalls in diesem Reitstall untergestellt war, und Sancho war in den letzten Monaten eine nette Freundschaft entstanden. Die beiden freuten sich immer, wenn sie gemeinsam auf eine der umliegenden Weiden gebracht wurden. Dann galoppierten sie manchmal um die Wette oder kraulten sich mit den Zähnen gegenseitig vorsichtig die Mähnen.
Als Valesco den Jungen mit Sancho kommen sah, wieherte er freudig, und kaum hatte Florian sein Pferd auf die Weide gelassen, ging die wilde Jagd auch schon los. Eine über zwanzig Jahre alte Stute, die auf diesem Anwesen ihren Lebensabend in Ruhe verbringen durfte und sich gerade ebenfalls auf dieser Weide befand, schaute auf. Ein Grasbüschel hing seitlich aus ihrem Maul, als sie aufhörte zu kauen. Es hatte beinahe den Anschein, als würde die alte erfahrene Stute über die übermütig galoppierenden Wallache den Kopf schütteln. Sie selbst dachte gar nicht daran, sich an dem wilden Spiel zu beteiligen. Sie ließ es viel lieber ruhiger angehen. Florian fiel der verständnislose Blick der betagten Stute auf, die ganz in der Nähe des Weidetores stand.
»Für dich ist das nichts mehr, Alissa. Aber du musst deswegen nicht so erstaunt gucken. Lass die beiden ruhig ein bisschen toben. Sie sind noch jung, und es macht ihnen Spaß, sich nach Herzenslust zu bewegen. Wenn sie erst einmal so alt sind wie du, dann wollen sie das auch nicht mehr.«
Alissa schnaubte, blickte noch einmal auf die beiden Wallache, die jetzt etwas ruhiger wurden und nur noch nebeneinander hertrabten, und beugte ihren Hals wieder zu dem schmackhaften, saftigen Gras hinunter. Florian wandte sich ab, griff nach seiner Schultasche, die er auf einer Bank vor dem Stallgebäude abgestellt hatte, und machte sich auf den Heimweg. Seine Mutter wusste zwar genau, dass er regelmäßig nach dem Schulunterricht noch rasch einen Abstecher zu Sancho machte, und sie nahm es nicht krumm, wenn er deshalb ein paar Minuten später nach Hause kam. Zu lange wollte sie mit dem vorbereiteten Mittagessen dann aber doch nicht warten müssen.
Als er das Gelände verlassen und das Wohnhaus des Reitstallbesitzers hinter sich gelassen hatte, wurde die Weide wieder sichtbar. Florian stellte fest, dass Sancho und Valesco sich inzwischen offensichtlich ausgetobt hatten und jetzt friedlich Kopf an Kopf grasten. Der Junge freute sich schon darauf, in wenigen Stunden im Sattel seines geliebten Pferdes sitzen zu können. Wieder einmal stellte er insgeheim fest, dass er eigentlich ein glückliches Leben führte. Seine Mutter war die beste Mutter der Welt. Das konnten nicht alle Kinder von ihren Müttern behaupten. Zugegeben, die meisten Freunde und Klassenkameraden hatten nicht nur Mütter, sondern auch Väter. Einen Vater konnte Florian nicht mehr aufweisen, aber er besaß dafür einen großen vierbeinigen Freund, Sancho, und er kannte in seinem Umfeld kein anderes Kind, das ein Pferd sein Eigentum nennen konnte. In dieser Tatsache sah der Junge einen Ausgleich.
*
Schon seit einigen Wochen gab es ein ernsthaftes Problem, von dem Henrike Beermann belastet wurde. Die Witwenrente, die sie seit dem Tod ihres Mannes erhielt, war nicht besonders hoch. Davon hätte sie ihren Lebensstandard nicht halten können. Das kleine Haus, das sie sich zusammen mit Sören vor zehn Jahren gekauft hatte, war noch mit einer Hypothek belastet. Auch wenn diese Hypothek nicht sehr hoch war und in wenigen Jahren getilgt sein würde, musste Monat für Monat der Ratenbetrag aufgebracht werden. Auch die Stallmiete für Sancho war regelmäßig zu begleichen, und für Hufschmied und Tierarzt fielen ebenfalls Kosten an. Bisher waren diese finanziellen Belastungen kein nennenswertes Problem gewesen. Henrike hatte eine gut bezahlte Arbeitsstelle in einer privaten Sprachenschule, in der sie als Englischlehrerin angestellt war. Nun aber hatte diese Schule vor einigen Wochen angekündigt, dass sie ihre Pforten schließen würde. Die Betreiber hatten die siebzig Jahre längst überschritten und wollten sich zur Ruhe setzen. Nachfolger, die die Sprachenschule übernehmen wollten, hatten sich leider nicht gefunden. Henrike wurde somit arbeitslos. Das Arbeitslosengeld, das sie beziehen würde, reichte jedoch hinten und vorne nicht. Die Überstunden, die Henrike geleistet und mit denen sie eine Menge Geld verdient hatte, wurden bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt. Mit spitzem Bleistift hatte Henrike in der letzten Zeit immer wieder nachgerechnet, wie und wo sie etwas einsparen konnte. Dabei war sie stets zum selben Ergebnis gekommen. Es hatte keinen Sinn, an Kleinigkeiten sparen zu wollen. Das führte im Endeffekt zu nichts. Wirklich hilfreich würde es nur sein, große Posten von der Liste der finanziellen Verpflichtungen streichen zu können. Dazu gehörten die Kosten, die Sancho verursachte. Es widerstrebte