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Survival Quest: Die Phantomburg: Roman (Survival Quest-Serie 4)
Survival Quest: Die Phantomburg: Roman (Survival Quest-Serie 4)
Survival Quest: Die Phantomburg: Roman (Survival Quest-Serie 4)
eBook632 Seiten9 Stunden

Survival Quest: Die Phantomburg: Roman (Survival Quest-Serie 4)

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Über dieses E-Book

Was ist ein Klan in einem Computerspiel ohne eigene Burg? Die Antwort liegt auf der Hand: gar nichts. Deshalb ist es eines der Hauptziele jedes Klananführers in der Welt eines Spiels, eine solche Basis für alle Aktivitäten in die Finger zu bekommen. In genau dieser Position befindet sich auch Hochschamane Mahan, Anführer des Klans der „Legenden von Barliona“. Deshalb nimmt er den Auftrag des Imperators von Malabar und des Dunklen Lords von Kartoss an, die Armee der Phantome zu besiegen, die Altameda bevölkern, die Phantomburg.

Diese scheinbar ganz gewöhnliche Quest setzt jedoch eine solche Kette von Ereignissen in Gang, dass dem Schamanen am Ende nichts anderes übrigbleibt, als seiner Intuition und seinem Instinkt zu folgen. Was sonst sollte schließlich ein Spieler auch tun, der von den drei größten Klans auf dem gesamten Kontinent gleichzeitig gejagt wird?
SpracheDeutsch
HerausgeberMagic Dome Books
Erscheinungsdatum24. Mai 2020
ISBN9788076191310
Survival Quest: Die Phantomburg: Roman (Survival Quest-Serie 4)

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    Buchvorschau

    Survival Quest - Vasily Mahanenko

    Altameda

    Kapitel 1: Die blutigen Tränen von Tavia

    „HAST DU EIGENTLICH

    vor, noch lange hier herumzuliegen?" Anastarias spöttische Stimme durchdrang den Nebel in meinem Kopf und zwang mich zurück in die Realität. Mehrere Augenblicke lang weigerte sich mein Gehirn, zu funktionieren, als ob es seinen eigenen Sinnen nicht traute, doch endlich gab der Damm des Misstrauens nach, und meine Gedanken strömten zurück in mein Bewusstsein. Ich lag auf dem Boden, also musste mein letzter Versuch, zu fliegen, fehlgeschlagen sein. Und mir tat alles weh, also war meine letzte Landung eher ein unglücklicher Aufprall gewesen. Es gab nur eine gute Nachricht: Laut Systemzeit waren seit meinem Absturz erst zehn Minuten vergangen. Also würde ich nicht zum Respawn geschickt werden.

    „Sollen wir ihn mal mit einem Stock anstoßen?, schloss Plintos Stimme sich Anastarias an. „Er sollte sich wirklich langsam mal wieder aufrappeln. Was machte Plinto denn hier? Er kannte sich mit seinen eigenen Fähigkeiten überhaupt noch nicht aus – aber was mich betraf, musste er unbedingt seinen Senf dazugeben? Ich war ein Drache – also musste ich irgendwie das Fliegen lernen, richtig?

    „Ja, irgendjemanden sollte man hier wirklich mal anstoßen!, knurrte ich, nahm alle Kraft zusammen und setzte mich auf. Dabei lehnte ich mich gegen den Baum, in den ich – falls meine Erinnerung mich nicht täuschte – gerade eben hineingekracht war. „Wie geht es Clutzer?

    „Anscheinend noch am Leben – wie immer", hörte ich Clutzers heisere Stimme von der anderen Seite des Baums. Offensichtlich hatte er nicht weniger Schaden erlitten als ich. Dennoch war ich erleichtert – mein Ungeschick hatte meinen Reiter wenigstens nicht in die Grauen Lande befördert.

    „Wie lange willst du denn noch hier herumsitzen?, beschwerte sich Anastaria. Meine Gesundheit war ihr offensichtlich völlig egal. „Dir stehen noch weitere 40 Minuten Training bevor. Also reiß dich gefälligst zusammen! Mir ging es nicht gut, ich war schlechtgelaunt und verstimmt – und sie dachte nur daran, wie sie die Zeit mit unserem Folterer möglichst effektiv ausnutzen konnte. Das Mädchen war wirklich herzlos! Welcher Trottel hatte eigentlich beschlossen, dass sie so gut wie perfekt war?

    Der erste Monat unseres Aufenthalts beim Patriarchen der Vampire neigte sich langsam dem Ende zu, und ich konnte nur aus voller Überzeugung bestätigen, dass es die schlimmste Zeit meiner Karriere als Spieler gewesen war – ob als Jäger oder als Schamane!

    Die ersten zwei Tage waren sehr angenehm verlaufen. Der Patriarch hatte sich als guter Unterhalter entpuppt und ergötzte uns mit hochinteressanten Geschichten. Außerdem zeigte er uns, begleitet vom Einhorn Ishni, die Wunder des Dunklen Waldes. Allein schon der Grüne Wasserfall war jede Anstrengung wert gewesen! Dank Ishni war alles von hohen, lebenden, grünen Bäumen umgeben, und von einem immensen Felsen stürzte das Wasser 50 Meter in die Tiefe, bevor es seine epische Reise fortsetzte. 300 Kilometer weiter wurde es zu einem der vielen Nebenflüsse des Nelda-Flusses, des zweitgrößten Stroms in Malabar. Doch selbst an dieser Stelle, an der der zukünftige Fluss genaugenommen nichts als ein Rinnsal war, begeisterte er uns mit seiner faszinierenden Schönheit. Das Wasser war vollkommen klar, schmeckte köstlich und füllte Energie und Trefferpunkte sofort wieder auf.

    Natürlich stellte sich die Frage, wie dieser riesige Felsen, von dem das Wasser hinabströmte, hierhergelangt war. In solchen Dingen zeigte sich die Liebe der Designer des Spiels zum Detail, was etliche Spieler dazu brachte, ihr Leben lang einfach nur in Barliona herumzuwandern. Für sie war es nur ein geringer Preis, tagelang auf einem Greifen zu sitzen, und sie bezahlten diesen Preis gern dafür, die Wunder dieser Welt zu besichtigen. Der Grüne Wasserfall, der perfekt runde See, in dem er endete und um den herum Reihen von grünen, weißen und roten Blumen blühten … Die ganz neu erblühte Lichtung des Wächters … Wir bekamen in diesen zwei Tagen so viele atemberaubende Dinge zu sehen, dass wir nicht darauf vorbereitet waren, was dieser Besichtigungstour folgte.

    Bei unserer Rückkehr in die Burg des Patriarchen wurden wir alle von widerstreitenden Gefühlen überwältigt. Im Gesicht des Patriarchen zeigte sich Stolz darauf, wie tadellos seine Krieger ihre Pflicht erfüllt hatten. Die Vampire waren glücklich, ihren Anführer zufriedengestellt zu haben. Und ich und die anderen Spieler gewöhnten uns langsam an die melancholische Realisierung dessen, was uns erwartete. Die mächtige Zitadelle, die 20 Jahre lang dem Ansturm der Gefallenen widerstanden hatte, war in ein gigantisches Trainingslager verwandelt worden. Hindernisstrecken, schwingende Pendel, Trainingspuppen, Imitationen von Dungeon-Bossen, weitere Pendel, weitere Hindernisstrecken … Die meisten der Geräte hätte ich nicht einmal bei ihrem korrekten Namen nennen können, doch der zufriedene Gesichtsausdruck des obersten Blutsaugers verriet mir, dass das Training in kürzester Zeit Erfolge zeigen würde. Nur eine Sache erfreute mich – als Schamane hatte ich mit den Lauf- und Hindernisstrecken nichts zu tun. Sollten die Schurken und Krieger damit ihren Spaß haben – Anastaria, Barsina und ich würden unsere Zeit mit dem Studium unserer magischen Fähigkeiten verbringen.

    Oh, wie sehr ich mich da irrte …

    Zuerst wurde uns allen eine einfache Quest mit dem Titel „Training" zugewiesen. Es war eine seltene, nahezu einzigartige Quest, die aus vier Wochen Training nach Grundsätzen bestand, die irgendwelche obskuren Mönche entwickelt hatten. Der größte Bonus bei der ganzen Sache war der, dass unser Bewusstsein dadurch in die Lage versetzt werden würde, einen Teil der im Spiel gewonnenen Fertigkeiten in die Realität zu übertragen.

    Während der Dauer dieser Quest durften die Spieler das Spiel dreimal täglich für die Dauer von jeweils zwei Stunden verlassen. Eine Abwesenheit von öfter als dreimal täglich oder mehr als zwei Stunden führte unweigerlich zum Scheitern der Quest. Und nachdem diese eine einmalige Steigerung aller Haupteigenschaften um 15 Punkte versprach, wollte das niemand riskieren. Daher kamen unsere drei freien Spieler immer ganz schnell zurück, beim ersten Mal sogar nach nur einer Stunde, wie eine Bande edler Guerillas, die glaubte, sich die versprochene Belohnung leicht und mühelos verdienen zu können. Oh, welch kindliche Naivität …

    Die 28 Tage unter der Leitung des Patriarchen verschmolzen zu einem einzigen mörderischen Tag gefüllt mit Erschöpfung, Leiden, Schmerz und weiterer Erschöpfung. Dem morgendlichen Training folgte ein weiteres Training, nach einer kurzen Unterbrechung gefolgt vom Mittagessen in Form von Training. Erst dann begann das eigentliche Training, bevor wir eine wohlverdiente Ruhe in Form von Training genießen durften, kurz vor dem abendlichen Training. Unmittelbar vor dem Schlafengehen kam noch ein Cool-Down-Training, und während der Nacht weckte man uns dreimal für weitere, kurze Trainingseinheiten, die jeweils eine Stunde lang waren. Selbst der erste Monat in der Pryke-Mine war nicht so anstrengend gewesen wie das, was die Handlanger des Patriarchen uns antaten.

    Ein paar Tage nach Beginn des Trainings konnte ich endlich wieder Draco herbeirufen. Ab diesem Zeitpunkt tauchte er öfter auf, hielt jedoch immer vorsichtig Ausschau nach seinen „Folterern, um sie zu vermeiden. Der Patriarch hatte mir gleich erklärt, es wäre absolut entscheidend, dass sich die Fähigkeiten meines Totems verbesserten. Deshalb würde er persönlich zweieinhalb Stunden pro Tag mit dem Drachen üben. Er ging mit Draco alles durch, was der beherrschen musste – einschließlich des Atmens von Feuer und der Beschleunigung auf 4 –, entwickelte seine Koordination und Treffergenauigkeit und brachte ihm bei, in geringer Höhe zu fliegen. Nach zwei Wochen dieses Wahnsinns hatte mein Totem bereits Level 48 erreicht - und den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Als er eines Tages wieder einmal auftauchte, weigerte er sich standhaft, sich noch einmal dem „verdammten, blutsaugenden, geistzermürbenden Reißzahngesicht auszusetzen. Als ich dem Patriarchen diese Botschaft übermittelte, summte er zu meinem großen Erstaunen nur höchst zufrieden und informierte mich, das Trainings des Drachens wäre nun abgeschlossen.

    „Andererseits, fügte er nach einer kurzen, nachdenklichen Pause hinzu, „können wir jetzt mit dem Training des anderen Drachens beginnen. Ich erwarte dich in zwei Stunden bei den Pendeln – in deiner Drachengestalt! Bis dahin kannst du noch einen kleinen Dauerlauf machen. Hopp, hopp!

    Den Rest des Tages verbrachte ich damit, das Fliegen zu lernen. Mit anderen Worten – zusätzlich zu meinem normalen Training stand nun auch noch das Flugtraining an. Es sollte vielleicht erwähnt werden, dass der „Segen" eines ergänzenden Trainings nicht nur mich ereilte. Der Patriarch fand auch für die Sirene Anastaria und den Vampir Plinto Zeit. Während er einen von uns unterrichtete, mussten die anderen sich auf dem Hindernisparcours abschwitzen oder mühsam unsere Haupteigenschaft verbessern, für Barsina, Anastaria und mich Intelligenz, für die anderen Zorn und Beweglichkeit.

    „Mahan, setz das Diadem auf, befahl der Patriarch mir in einer weiteren Trainingssitzung nonchalant. „Clutzer, stell das Joggen ein und komm her! Du wirst unser Versuchskaninchen sein.

    Nach zwei Wochen Übung konnte ich mich selbst ganz gut in der Luft halten, zumindest für die Dauer von 25 Minuten. Mehr erlaubte mein fünfter Drachenrang mir momentan ohnehin noch nicht. Laut Auskunft des Patriarchen musste ich mit Renox sprechen, wenn ich die Meilensteine für den Rang (Rang 5, Rang 10 und immer so weiter, in Abständen von 5) überschreiten wollte. Nur der oberste Drache konnte entscheiden, ob jemand für diese Beförderung bereit oder ob es noch zu früh dafür war. Allerdings weigerte sich der Patriarch beharrlich, uns beizubringen, wie man ein Portal in die Welt der Drachen öffnete. Wie er mir erklärte, würde ich den Weg schon selbst finden, wenn es so weit wäre.

    „Ist dir klar, welchen Fehler du gemacht hast?", fragte der Patriarch mich.

    „Ich habe keinen Fehler gemacht, widersprach ich und rieb mir mit meinen schmerzenden Händen die schmerzenden Füße. „Was kann ich denn dafür, dass Clutzer zu fett ist und ständig herunterzufallen droht? Ich hatte noch nicht einmal richtig vom Boden abgehoben, als er schon panisch auf mir herumgerutscht ist und mich gebeten hat, ihn wieder herunterzulassen. Obwohl, halt – ich weiß es! Mein Fehler war, überhaupt einem Freien Bürger zu gestatten, auf mir zu reiten! Dafür sind doch schließlich die Schoßtiere da, nicht ich!

    „Stärke, Mahan! Der Patriarch ignorierte, was ich gesagt hatte. „Dir fehlt Stärke! Dagegen müssen wir unbedingt etwas unternehmen. Du bist nicht einfach nur ein Schamane – du bist auch ein Drache, und ein Drache muss stark sein. Uns bleiben zwar nur noch ein oder zwei Tage, aber du und ich, wir werden diese Zeit so intensiv wie möglich nutzen. Er rief einen seiner Helfer herbei. „Reandr! Mahan darf sich zwei Minuten lang ausruhen, und dann beginnt er das intensive Stärketraining. Wir werden diesen kleinen Gecko in einen richtigen Drachen verwandeln!"

    Nach einer dramatischen Pause betrachtete der Vampir die lächelnden Gesichter der anderen Spieler und ergänzte: „Anastaria, dich erwarte ich in zwei Minuten in deiner Sirenengestalt. Alle anderen – begebt euch zum Hindernisparcours Nummer 2. Clutzer, hör auf, dich hinter dem Baum zu verstecken! Du bist schließlich nicht Mahans Totem. Und hör auf, so zu tun, als wärst du schwach und krank! Mach dich auf die Socken – die Hindernisstrecke erwartet dich!"

    Quest abgeschlossen: „Training". Belohnung: + 15 für alle Hauptstatistiken, + 10 für Energie.

    Nie hätte ich gedacht, dass es mich so glücklich machen könnte, eine Quest in einem Computerspiel abzuschließen! Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd, ließ mich bewusst vom Pendel zu Boden werfen, schloss die Augen und dachte nicht einmal daran, wieder aufzustehen.

    „Mach Platz!", keuchte Anastaria und ließ sich neben mich fallen. Ich hatte nicht genug Kraft, zu protestieren. Wieso musste sie sich ausgerechnet hier niederlassen, obwohl ihr doch der gesamte Dunkle Wald zur Verfügung stand? Aber nein – sie musste unbedingt genau dort liegen, wo ich den Boden bevölkerte.

    „Mahan! Wenn ich mich nicht irrte, war auch Plinto irgendwo in der Nähe erschöpft zusammengebrochen. „Hast du nicht noch ein paar mehr Quests wie diese? Ich habe mir während der zwölf Jahre, die ich jetzt schon spiele, eine ganze Reihe Feinde gemacht. Die könntest du auf die nächste ähnliche Quest einladen – die dürfen ruhig auch ein bisschen schwitzen!

    Wahrscheinlich erwartete er eine Antwort von mir, doch mir fehlte die Energie, meine Zunge zu bewegen. Und vor allem hatte ich nicht die geringste Lust dazu. Mit einem Stöhnen rollte ich mich auf den Rücken und starrte durch die Kronen der nahen Bäume in den blauen Himmel über uns. Dann öffnete ich meine Statistik und sah mir die Ergebnisse all des harten Trainings an. War es all die Qualen wert gewesen?

    Tja, und das war es, was ich zu sehen bekam:

    So, so!

    Vielleicht sollten wir den Patriarchen um eine weitere vierwöchige Trainingsrunde bitten? Doch kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, als sich auch schon mein gesamter Körper verkrampfte. Er weigerte sich, noch einmal ein solches Martyrium zu durchleiden. Ich drehte den Kopf. Neben mir lag Anastaria als Sirene – ihr hatte sogar die Kraft gefehlt, nach dem Ende des Trainings ihre Gestalt zu verlassen.

    „Stacey, was sollen wir denn jetzt wegen der Barbaren unternehmen? Wir müssen in wenigen Tagen einen Herold für das Portal herbeirufen, aber wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, was wir beim Zwergenkönig tun müssen. Und wie wir an die Burg kommen, die der Imperator uns versprochen hat."

    „Da müssen wir überhaupt nicht viel machen, schockierte sie mich mit ihrer Antwort. „Der Imperator konnte dir die Burg nicht einfach geben – dazu ist es ein zu bedeutendes Geschenk. Deshalb hat er es in eine Quest verpackt. Andererseits musste er dir irgendeine Gegenleistung für all das zukommen lassen, das wir für Barliona getan haben. Geranika ist jetzt schließlich kein Gott mehr, sondern ein normaler Sterblicher. Ich bin sogar sicher, demnächst wird es für das Spiel ein Update geben, in dem auf einmal ein drittes Imperium auftauchen wird – seines. Jedenfalls ist doch ziemlich unwahrscheinlich, dass die Zwerge nicht in der Lage sein sollten, allein und ohne unsere Hilfe mit ein paar Raids fertig zu werden. Mit anderen Worten: Wir müssen uns nur auf den Kriegspfad begeben, ein wenig kämpfen, und schon gehört die Burg uns. Oder glaubst du etwa, ich würde meinen neuen Titel als Baronin ablehnen, der damit verbunden ist? Mir ist schon lange klar, was es mit dieser Quest auf sich hat, nur hatte ich bisher noch keine Gelegenheit, dir alles zu erklären, wegen des Trainings und so weiter. So erschöpft war ich schon ewig nicht mehr. Wusstest du eigentlich, dass man unsere Sinnesfilter komplett abgeschaltet hat? Wir fühlen alles zu 100 %. Das war der einzige Weg, um eine Übertragung der Fähigkeiten in die Realität möglich zu machen.

    „In der Realität kümmern mich diese Fertigkeiten einen feuchten Kehricht!, schnaubte Plinto. „Ich bin ein alter, kranker Mann mit Übergewicht. Was also bitte soll ich mit der Fähigkeit anfangen, auf Bäume klettern zu können? Soll ich etwa auf der Straße nichtsahnende Passanten erschrecken?

    „Da hast du nicht ganz unrecht. Stacey kicherte. „Ich wette, selbst Tarzan würde es sich dreimal überlegen, ob er auf einen Baum klettert, wenn er über deine Leibesfülle verfügen würde. Dieses Training …

    „… war für reine Anfänger gedacht, führte der Patriarch ihren Satz zu Ende. „Jetzt können sich alle ein wenig ausruhen, bevor wir weitermachen. Ich denke, ein oder zwei Monate sollten ausreichen, damit ihr für den nächsten Schritt bereit seid. Der übrigens sehr viel interessanter ausfallen wird.

    Quest verfügbar: „Training: Level 2"

    Plötzlich herrschte absolutes Schweigen im Trainingsbereich. Noch immer im Liegen öffnete und schloss ich meine Augen einige Male, als ob ich die Meldung, die mir weiteren Schmerz und Schrecken ankündigte, dadurch zum Verschwinden bringen könnte. Das Training von Level 2 würde sechs Wochen dauern und meine Eigenschaften um 60 Punkte verbessern. Der Startschuss fiel in zwei Monaten, vom heutigen Tag an gerechnet. Die Quest verfügte sogar über Kleingedrucktes. Darin wurde erklärt, dass der Patriarch zu uns allen persönlich und einzeln kommen würde, ganz gleich, wo in Barliona wir uns am entsprechenden Tag aufhielten. Selbst wenn wir uns auf einem anderen Kontinent befanden.

    „Ich freue mich schon darauf, euch alle in zwei Monaten wiederzusehen. Der Vampir grinste zufrieden. So sehr uns allen die Aussicht auf eine weitere, noch schlimmere Schinderei auch den Magen umdrehte – niemand wagte es, die Quest abzulehnen. „Und jetzt muss ich euch verlassen. Wir müssen mit unseren Vorbereitungen für das zweite Stadium des Trainings sofort beginnen, wenn alles rechtzeitig fertig sein soll.

    Neben meinem Ohr hörte ich ein Knuspern. Meine Projektion, an die ich mich in den letzten vier Wochen so sehr gewöhnt hatte, dass ich sie kaum noch bemerkte, war auf meine Schulter gekletterte und biss in einen spektralen Apfel. Wir hatten mittlerweile herausgefunden, dass ich der Einzige war, der dieses Knuspern hören konnte. Alle Projektionen blieben für die jeweils anderen Spieler stummgeschaltet. Das war einerseits eine gute Sache. Andererseits verpassten wir dadurch jedoch auch die Gesänge von Anastarias winziger Sirene, wenn sie sich vor dem Spiegel drehte und wendete, um ihre Haare zu richten. Oder die Flüche von Plintos Vampir, der mit zwei giftgrünen Dolchen herumfuchtelte und ein so bedrohliches Gesicht machte, dass man einfach lachen musste.

    „Das gibt’s ja nicht!", rief Anastaria aus.

    Ich sah die neue Mitteilung ebenfalls:

    Lieber Spieler!

    Wir möchten dich um deine Erlaubnis bitten, dein Abbild in einem Film über die Ereignisse verwenden zu dürfen, die in Dochtheim und im Dunklen Wald stattgefunden haben. Als Entschädigung für die Verwendung deines Bildes bieten wir dir 0,5 % der Einnahmen aus jedem Film als Lizenzgebühr an. Die Entschädigung wird vom Imperator an dich ausgezahlt und der entsprechende Betrag automatisch deinem Konto bei der Bank von Barliona gutgeschrieben.

    „Ein Film also …, meinte ich nachdenklich. „Wer will denn schon ein Filmstar werden?

    „Ich bin dabei, meldeten sich Anastaria und Barsina nahezu gleichzeitig zu Wort. „Das Unternehmen dreht viel zu selten Filme, als dass man ein solches Angebot ausschlagen könnte, ergänzte Stacey.

    „Ich habe ebenfalls zugestimmt, erklärte Plinto. „Es ist eine Sache, einfach nur zu spielen, weil es Spaß macht. Aber Teil der Überlieferungen des Spiels zu sein, ist noch einmal eine ganz andere!

    Leite, Eric und Clutzer waren nicht zu sehen, und ich hatte keine Lust, den Clan-Chat zu öffnen, also drückte ich ebenfalls auf „Annehmen". Mich reizte allein schon die Tatsache, dass man überhaupt einen Film drehen wollte. Kaum war diese Systemmeldung verschwunden, erschien auch schon die nächste:

    Lieber Spieler!

    Wir freuen uns sehr, heute bekanntgeben zu können, dass eine neue Kampagne abgeschlossen wurde, in der es um ein neues, feindliches Imperium geht. Malabar und Kartoss haben soeben einen Waffenstillstand geschlossen. Dieser wird solange in Kraft bleiben, bis Geranika endgültig besiegt wurde. Bitte verinnerliche die Richtlinien für Interaktionen zwischen Spielern von verschiedenen Imperien.

    Bitte nutze diese Gelegenheit auch, dir die Einführungsvideos anzusehen, die sich mit den beiden gerade abgeschlossenen Szenarien befassen: „Der Dunkle Schamane und „Das Geheimnis des Dunklen Waldes. Viel Spaß beim Schauen der Filme! (Preis pro Film: 50 Goldstücke.)

    „Genau wie ich es vorausgesehen habe. Anastaria nickte. „Wir haben bei der Erschaffung des dritten Imperiums mitgeholfen. Also werden die Barbaren uns mit Sicherheit keinen Ärger machen. Die geben uns die Burg und den neuen Adelstitel bestimmt praktisch umsonst. Baronin Anastaria … Klingt doch gut, oder? Was meinst du – sollen wir uns die Videos anschauen? Wow! Die sind ja jeweils zwei Stunden lang!

    Nie hätte ich gedacht, dass ich mir einmal meine eigenen Abenteuer ansehen würde, mit vor Staunen weit geöffnetem Mund. Da waren Dochtheim, die Rettung des Wolfs, die Lockfalle für die Dunkelgoblins, die Suche nach dem Sklic, die kartossianische Burg, die Einladung Anastarias, der Streit mit Elizabeth, die Schlacht, die Expedition in den Dunklen Wald, die Lichtung des Wächters, die Burg der Gefallenen, Geranikas Prüfungen, das Urteil der Göttin … Das Unternehmen hatte ein wahres Meisterwerk produziert! Die vier Stunden vergingen wie im Flug und hinterließen das angenehme Gefühl, dass wir unsere Arbeit gut gemacht hatten. Zu schade, dass diese Szenarien nun ihr Ende gefunden hatten. Ich hätte nur zu gern bei einem weiteren Film mitgespielt!

    Ping! Du hast 1.439.288 neue Nachrichten erhalten. Möchtest du sie lesen?

    „Aha – es geht los, stellte Anastaria grinsend fest und zog ihre Mailbox aus dem Beutel. „Zwei Millionen Nachrichten in nur einer halben Stunde! Noch ein paar mehr, und ich kann meinen eigenen persönlichen Rekord brechen.

    „Ich habe auch anderthalb Millionen erhalten", bemerkte ich verwirrt und öffnete die ersten E-Mails. Ich war eine solche Popularität nicht gewohnt. Und wie bitte sollte ich auf Nachrichten reagieren wie:

    „Hi! Klasse gemacht! Lass mich wissen, wenn du einen Magier brauchst!"

    Oder:

    „Mahan, lass mich deinem Clan beitreten und uns gemeinsam Abenteuer erleben! Aber du musst mich auf jeden Fall Anastaria vorstellen!"

    Anscheinend waren alle völlig durchgedreht und hatten die letzte halbe Stunde damit verbracht, uns E-Mails zu schreiben.

    „So beliebt, wie du momentan bist, solltest du in diesem Jahr unbedingt wieder am Wettbewerb für die Miss Malabar teilnehmen, spottete Plinto und erhob sich. „Du gewinnst den Titel im Handumdrehen. So, gehen wir jetzt erst mal nach Anhurs zurück, oder rufen wir gleich einen Herold für ein Portal?

    „Wir haben noch zwei Tage Zeit. Also begeben wir uns erst mal nach Anhurs, um ein paar Dinge zu erledigen, und kümmern uns später um die Barbaren. Ich muss zum Beispiel vorher unbedingt noch Rang 2 im Juwelierhandwerk erwerben." Von der Schattenlegion hatte ich inzwischen zum Glück nichts mehr zu befürchten – die Zeit, für die ich auf deren schwarzer Liste gestanden hatte, war abgelaufen, und nun war nicht mehr jedes Mitglied verpflichtet, mich sofort anzugreifen, wenn man mich erblickte.

    „Ich bin ganz deiner Meinung. Anastaria nickte. „Lass uns zuerst nach Anhurs zurückkehren. Ich spendiere das Portal dafür.

    „Okay, alle mal herhören – wir treffen uns heute Abend um acht im Goldenen Hufeisen. Dann entscheiden wir, wie wir als Clan weiter vorgehen. Stacey, du hast am meisten Erfahrung, also wirst du dich zuerst dazu äußern, und dann diskutieren wir das. Und wenn jemand anderes ebenfalls Ideen hat – immer her damit! Aber lasst uns jetzt unsere Sachen packen und zur Hauptstadt aufbrechen."

    * * *

    „Wie kann ich Ihnen dienlich sein?, murmelte der Juwelier-Trainer, ohne von seiner Werkbank aufzuschauen, auf der er gerade einen Opal polierte. Sorgfältig schliff er Mikron um Mikron ab. Offensichtlich sollte der Stein am Ende die Form eines Herzens haben. Wenn ich die Menge unbearbeiteter Steine und die halb fertige Tiara mit ihren leeren Halterungen betrachtete, die daneben lagen, hatte der Gnom noch einiges an Arbeit vor sich. „Ich muss Sie gleich um Vergebung bitten – ich habe überhaupt keine Zeit. Die Herzogin will die Tiara für ihre Tochter noch heute abholen. Dabei hat sie mir die Materialien erst gestern gebracht! Wie auch immer – ich bin höchst beschäftigt.

    „Ich kann Ihnen helfen", sagte ich automatisch, zumal ich die Chance auf eine Quest erahnte. Es würde mich nichts kosten, ein paar Herzen zu schleifen, und wer weiß – vielleicht brachte es mir ja einen Bonus ein, oder auch zwei.

    „Wirklich? Endlich sah der Gnom auf – und strahlte mich an wie die Morgensonne. „Mahan!, rief er und sprang auf. „Ich habe Sie ja schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen! Ich habe gehört, jemand hätte die Zwergenkrieger vom Karmadont-Schachspiel hergestellt, und ich vermute doch sehr stark … Halt, streichen Sie das wieder – ich bin mir ganz sicher, dass Sie das waren! Möchten Sie nicht einen alten Mann glücklich machen?"

    Ich holte die Figuren hervor und gab sie dem Gnom, der sie drehte und wendete und auf Fehler hin untersuchte. Als ob es da welche zu finden gäbe!

    „Sehr schöne Arbeit, stellte der Meister-Juwelier fest und gab mir die Zwerge zurück. „Makellos, möchte ich behaupten. Was bringt Sie hierher?

    „Ich muss meinen Rang im Juwelierhandwerk verbessern. Ich habe bereits Level 105 erreicht, habe aber immer noch nur Rang 1. Außerdem wollte ich wissen, wie sich das Rezept für die Steinrose verkauft hat."

    „Sehr gut – ich habe es für 73.000 Goldstücke losschlagen können. Hier ist Ihr Anteil." Der Gnom übergab mir einen klingelnden Sack mit Goldstücken, der sofort verschwand, als ich ihn entgegengenommen hatte. 30 % davon flossen an das Imperium, als Strafgebühr und Erinnerung daran, dass ich noch immer nur ein Bürger mit eingeschränkten Rechten war.

    „Was den zweiten Rang betrifft – keine Sorge, ich werde Sie unterrichten. Aber das kostet Sie entweder 10.000 Goldstücke, oder ich trainiere Sie kostenlos, aber dafür helfen Sie mir mit diesen Opalen. Nun, was sagen Sie?"

    „Wie haben Sie sich denn meine Hilfe vorgestellt?", fragte ich. Zu einer Quest, die meinen Beruf betraf, wollte ich ganz gewiss nicht nein sagen, und ich war bereit, einige Zeit mit den Steinen zu verbringen.

    „Ich werde bestimmt bis heute Abend nicht genug Zeit haben, alle vier Steine zurechtzuschleifen, die Tiara fertigzustellen und die Opale einzufügen. Wenn Sie mir helfen, bringe ich Sie auf Rang 2. Wenn Sie zustimmen, es aber am Ende doch nicht schaffen, müssen Sie mich für das Training bezahlen, nur hat der Preis sich dann verdoppelt. Einverstanden?"

    Quest verfügbar: „Eine Opal-Tiara für eine Opal-Braut"

    Beschreibung: …

    Questart: Selten

    Einschränkung: nur für Juweliere

    „Ich mache es!"

    „Sehr gut! Zufrieden rieb der Gnom sich die Hände und beförderte meine Spezialisierung im Edelsteinschleifen auf Rang 2. „Der nächste Rang steht bei Level 150 an, erklärte er. „Solange Sie weiter über das Handwerk verfügen, werden Sie dann in der Lage sein, Gegenstände herzustellen, die den Eigenschaften bis zu 1.000 Punkte hinzufügen. Momentan liegt, falls Sie das vergessen haben sollten, die Grenze für den Eigenschaftsbonus bei 180 Punkten. Und jetzt setzen Sie sich. Hier ist das Muster. In vier Stunden will ich vier Herzen sehen, die ebenso aussehen. Ich arbeite währenddessen weiter an der Tiara …"

    „Sieh doch – das ist Mahan! Schalte deine Kamera ein!" Das unterdrückte Flüstern direkt vor dem offenen Fenster ließ mich zusammenzucken. Sprachen die etwa über mich? Ich schaute auf – und ließ beinahe meine Werkzeuge fallen: Auf dem kleinen Platz vor dem Haus des Meister-Juweliers hatten sich um die 40 Leute versammelt, um mir bei der Arbeit zuzusehen. Zwei Magier warfen bereits Live-Streams von mir gegen eine Wand, damit alle mich in meiner ganzen Schönheit bewundern konnten. Meine Hände begannen zu zittern. Bisher hatte ich mich noch nicht daran gewöhnen können, meine Arbeit unter den Adleraugen möglicher Kritiker zu erledigen, die später herumlaufen und lauthals verkünden würden, sie hätten alles so viel besser machen können als ich. Tja, auch Ruhm hatte seinen Preis. Ach, egal! Wenn die mir unbedingt zuschauen wollten – sollten sie ruhig. Solange sie mir dabei nicht in die Quere kamen, wurde ich damit schon fertig.

    Ich bemühte mich, die Schar der Zuschauer zu vergessen, und studierte die Vorlage für das Opalherz. Ein weiteres Mal las ich die Beschreibung. „Eine Opal-Braut …" Die Formulierung ließ mich vermuten, dass hier etwas nicht stimmte. Seit wann gab es denn Opal-NPCs in Barliona? Ganz zu schweigen von Bräuten?

    Ich wandte mich an den Meister. „Mir ist bewusst, dass die Zeit drängt – aber sagen Sie mir doch bitte, was ist eine Opal-Braut? Womit hat sie sich diesen Zusatz verdient? Und warum müssen es unbedingt Herzen sein, die an der Tiara befestigt werden?"

    „Nun, was könnte man denn sonst aus einem feurigen Opal herstellen? Ich finde, ein Herz ist genau das Richtige. Ich habe den Prototyp hier. Wenn Sie wollen, können Sie natürlich auch etwas anderes herstellen. Die Hauptsache ist, dass die Steine korrekt eingefügt werden, wie im Prototypen. Und was die Braut betrifft … Nun, zwischen Malabar und Kartoss herrscht das erste Mal überhaupt in der Geschichte von Barliona Frieden, auch wenn es nur ein sehr zaghafter Frieden ist. Deshalb hat die Herzogin von Caltanor einem der Herzöge von Kartoss – sein Name ist Urvalix, glaube ich – eine Allianz angeboten. Ihre Tochter Tavia soll seinen Sohn Trediol heiraten. Das Mädchen ist erst 18 Jahre alt. Sie hat diesen Kartossianer nie zuvor gesehen. Deshalb hatte sie einen Tobsuchtsanfall, als ihre Mutter ihr von der geplanten Heirat berichtet hat. Sie brüllte, sie würde diesen Kerl auf keinen Fall heiraten. Später hat sie dann doch nachgegeben, oder wurde vielleicht zum Nachgeben bewogen. Sie hat allerdings eine Bedingung aufgestellt – sie wird Trediol nur heiraten, wenn sie dabei eine Opal-Tiara tragen kann. Dieser kleine Schlingel weiß ganz genau, dass es davon in Anhurs, oder selbst in Malabar, nicht allzu viele gibt. Die Kartossianer werden noch heute eintreffen, und die Diener der Herzogin kommen in drei Stunden vorbei, um die Tiara abzuholen. Ich dachte mir, Herzen sehen am besten aus. Ich meine, schließlich ist sie eine Braut! Aber jetzt haben wir genug geplaudert – ich muss weiterarbeiten. Die Tiara wird nicht von allein fertig. Bitte geben Sie Ihr Bestes, Mahan!"

    „Müssen es unbedingt vier Steine sein?", fragte ich im letzten Augenblick, bevor ich zum ersten Schliff ansetzte.

    „Schauen Sie sich einfach mein Design an", erwiderte der Gnom und deutete auf den Prototypen der Tiara. Ebenso gut hätte es eine Krone sein können: silberne Blätter, eine Einfassung mit Diamanten, und vier Halterungen in einer Reihe. Es kostete mich eine wertvolle Minute, bis mir endlich klar wurde, was mir am Entwurf des Gnoms nicht gefiel: die Herzen! Auf der prächtigen Tiara würden die vier feurigen, roten Herzen, hintereinander aufgereiht, schrecklich aussehen. Wenn Tavia das zu sehen bekam, stand bestimmt gleich der nächste Tobsuchtsanfall an, und Trediol musste ohne seine Braut nach Hause zurückkehren. Aber Moment mal – was machte ich mir denn überhaupt Gedanken über die ganze Sache? Wir sprachen hier doch über nichts anderes als NPCs, die ein vorher festgelegtes Szenario abspulten, das sich mit der Versöhnung zweier ehemaliger Feinde befasste. NPCs konnten gar nicht wirklich heiraten. Dennoch – Herzen würden in den Fassungen schrecklich aussehen, da war ich mir ganz sicher.

    Ich betrachtete das Herzmuster und den Haufen blutroter Opale und schloss dann die Augen. Was hier gefragt war, war ganz bestimmt kein gedankenloses Kopieren! Die junge Dame sollte gegen ihren Willen verheiratet werden. Unter solchen Umständen war eine Tragödie alles andere als ausgeschlossen. Warum sollte sie überhaupt unbedingt diesen Kartossianer zum Mann nehmen? Nur, weil ihre Mutter, die Herzogin, das beschlossen hatte? Na und? Das Mädchen konnte sich jederzeit an den Imperator wenden und darum bitten, dass der die Wünsche ihrer Mutter vom Tisch fegte. Es sei denn … Natürlich, dieser Zusammenschluss war genau das, was der Imperator und der Dunkle Lord wollten. Ein erster Schritt, eine symbolische Friedenstaube, ein Opfer, das die beiden Imperien im Kampf gegen Geranika vereinte … Nun ja, warum auch nicht? In Barliona herrschten recht fortschrittliche soziale Mechanismen. Und das Opfer von zwei NPCs für die Ziele der beiden Imperien war die Grundlage für ein recht lebhaftes Szenario. Ich war mir sicher, dass man die Heirat überall bekanntmachen würde, und schon waren zwei Helden geboren, die beiden jungen Leute, die zugunsten ihres Landes zum Märtyrer wurden … Halt! Genau das war es!

    Meine Augen richteten sich auf den ersten Opal. Ich hatte auf der erhöhten Seite bereits mit dem Schleifen begonnen, doch ich zögerte, bevor ich den entscheidenden Schnitt für das setzte, was mir vorschwebte. Der Gnom wollte also Herzen? Von wegen!

    Vier Steine, in einer Reihe angeordnet. Vier blutige Symbole des Opfers, das die Braut für ihr Land erbrachte …

    Gegenstände geschaffen: Tavias Blutige Tränen.

    Beschreibung: Der Schmerz und die Verzweiflung des Mädchens vereinten sich in ihren Tränen. Diese Tränen fielen auf Opale, die sie in sich absorbierten und ihre Form annahmen. Zum Abschluss der Quest benötigt.

    + 4 Juwelierhandwerk. Insgesamt: 109

    + 1 Handwerk. Insgesamt: 8

    „Fertig!, bemerkte ich befriedigt, sobald das Licht, das von meinen Händen ausstrahlte, verblasst war und die Freude über den Fortschritt in meinem Hauptberuf meinen gequälten Körper wieder verlassen hatte. So nett sich das auch anfühlte – ich musste mich beeilen. Schließlich stand mir noch ein Clan-Meeting bevor! Ich reichte die Steine dem Gnom und sagte: „Wenn Sie die auf der Tiara anbringen …

    „Dafür ist keine Zeit, Mahan, fiel der Gnom mir ins Wort und blickte bedauernd auf die Steine, die ich bearbeitet hatte. „Die Hochzeit wird in zwei Stunden beginnen. Die Diener der Herzogin kamen gestern, um die Tiara zu holen. Da wurde mir klar, dass Sie es nicht geschafft hatten, die Herzen herzustellen. Also musste ich auf die Schnelle vier andere Steine herbeizaubern und hatte nicht einmal genug Zeit, sie ordentlich in den Fassungen anzubringen. Die Tränen, Sie hergestellt haben, sind wunderschön, und sie wären für die Tiara perfekt gewesen, aber … Verzeihen Sie mir, mein junger Kollege, ich muss jetzt allein sein. Sie schulden mir 20.000 Goldstücke, wie vereinbart – Sie haben die Quest nicht erfüllt.

    Quest fehlgeschlagen: „Eine Opal-Tiara für eine Opal-Braut"

    „Was meinen Sie damit, dass die Diener der Herzogin gestern vorbeigekommen sind?, fragte ich, als diese Worte endlich in mein Bewusstsein gedrungen waren. „Habe … habe ich etwa einen ganzen Tag lang daran gearbeitet?

    „22 Stunden, um genau zu sein, antwortete der Meister-Juwelier. „Die Mitglieder Ihres Clans sind vorbeigekommen und haben versucht, Sie aus Ihrer Trance zu holen, aber nichts half. Und ich hatte ebenso wenig Glück wie sie.

    Mir brach der kalte Schweiß aus, und unwillkürlich ballten sich meine Hände zu Fäusten – ich hatte doch ein Clan-Meeting für den gestrigen Tag anberaumt!

    „Meister, ich …"

    „Es bleibt nichts mehr zu sagen! Sie sind in der Tat ein einzigartiger Handwerker, aber unzuverlässig, wenn es um feste Termine geht. Und jetzt verabschiede ich mich – ich möchte auf keinen Fall hier sein, wenn die Herzogin eintrifft, um sich über meine Arbeit zu beschweren."

    Kopfschüttelnd verließ der Gnom den Raum und schloss seine Werkstatt nicht einmal ab. Nicht, dass es hier viel gegeben hätte, das sich zu stehlen lohnte – nur eine Handvoll geringwertiger Edelsteine, und die hätte auch nur jemand an sich nehmen können, der über die Eigenschaften Gemeinheit oder Diebstahl verfügte. Bevor ich ebenfalls aufbrach, rief ich Anastaria über ihr Kommunikationsamulett an.

    „Stacey, hi – ich bin’s, Mahan."

    „Der Schläfer ist erwacht!, rief sie aus. In ihrer Stimme schwangen Spott und Erleichterung zu gleichen Teilen mit. „Tut mir leid, momentan kann ich nicht lange reden. Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend treffen? Aber du musst mir versprechen, dass du nicht wieder in einer Trance versinkst.

    „Wo bist du?", fragte ich reflexartig, obwohl ich das eigentlich hatte vermeiden wollen. Schließlich war es nicht sehr höflich von mir, Stacey auszuhorchen. Aber ich war neugierig.

    „Auf der Hochzeit von zwei NPCs. Im Palast findet gerade ein großer Empfang statt. Der Imperator und der Dunkle Lord gemeinsam sind die Gastgeber. Es ist alles wunderschön hergerichtet. Zu schade, dass du nicht hier sein kannst – ich hatte eine weitere Einladung, aber die werde ich nun wohl wegwerfen müssen."

    „Aber die Hochzeit ist doch erst in zwei Stunden!, protestierte ich. „Ich kann es immer noch schaffen – der Palast ist nur zehn Minuten entfernt, wenn ich schnell laufe.

    „Das wäre natürlich klasse – aber hier herrscht eine strenge Kleidervorschrift. Hast du einen Anzug?"

    „Nein – aber warte … Reanders Shop ist doch gleich um die Ecke. Wir treffen uns in 20 Minuten am Tor des Palastes!"

    Reander, der Schneider, war einer der NPC-Ladenbesitzer, den die Programmierer zu einem einzigen Zweck eingeführt hatten: Der Erstellung von Meisterwerken, die den Spielern Goldstücke aus der Tasche zogen. Es gab nun einmal Meisterwerke der unterschiedlichsten Art – manche Leute malten Gemälde, andere erschufen Skulpturen, und Reander nähte Kleidung. Barliona verfügte, neben zahlreichen anderen Handwerkern, auch über eine große Anzahl von Schneidern, sowohl Spieler als auch NPCs. Alle Charaktere wollten nun einmal gut aussehen. Allerdings konnte sich nicht jeder teure Kleidung leisten. Daher besaß Reander keineswegs ein Monopol, was die normale Kleidung der Spieler betraf – sehr wohl aber eines für elegante Outfits. Abendkleider, Smokings, Hüte, Stiefel … Das alles gab es bei Reander, und zwar in einer solch guten Qualität, dass sogar der Imperator selbst bei ihm einkaufte.

    „Wie kann ich dir helfen?, fragte der Gnom mich und rückte seine Brille zurecht. Bei der Erschaffung von Reander hatten die Programmierer sich nach Kräften bemüht, alles einzubauen, das sie sich unter einem Meister-Schneider vorstellten, der genau wusste, wie gut er war, ohne damit prahlerisch anzugeben. Gekleidet war er in einen karierten Anzug, den er selbst genäht hatte, und sein Anblick war überaus angenehm für das Auge. „Möchtest du einen Anzug bestellen?

    „Vergib mir, Meister – dafür habe ich keine Zeit, erwiderte ich. Dabei war mir klar, der Preis würde sich nun verdoppeln oder gar verdreifachen, nachdem ich hatte durchblicken lassen, wie eilig ich es hatte, und zwar ganz automatisch! „Ich brauche einen Abendanzug für den Empfang beim Imperator, und ich brauche ihn sofort.

    „Ich bitte um Vergebung, mein Herr. Bedauernd schüttelte der Gnom den Kopf – das gab seinem Imitator die Zeit, sich eine Antwort zu überlegen. „All meine Anzüge sind maßgeschneidert, und …

    „Ehrenwerter Reander, unterbrach ich ihn – und verteuerte den Preis damit noch einmal. Es war der totale Wahnsinn, was ich vorhatte, eine absolute Geldverschwendung. Aber ich wollte nun einmal die Hochachtung meines Lehrers im Juwelierhandwerk auf keinen Fall verlieren, oder vielmehr, sie wiederherstellen. Vielleicht hatte ich auch nur eine Vorahnung, aber ich war auf jeden Fall bereit, eine Menge Geld auszugeben. „Bitte verzeih mir, aber ich habe nur zehn Minuten. Mir ist durchaus bewusst, dass deine Anzüge maßgeschneidert sind und du über keine von der Stange verfügst, aber ich muss es einfach versuchen. Sieh mal, ich muss unbedingt bei der Feier dabei sein, die jetzt gerade im Palast stattfindet, um den guten Ruf eines Meister-Juweliers wiederherzustellen, den ich selbst gefährdet habe.

    „Für einen Aufpreis von 40.000 Goldstücken kann ich die Sache beschleunigen, erklärte der Gnom, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. „Der Smoking wird dich 200.000 Goldstücke kosten, die Schuhe weitere 40.000 und der Gehstock 10.000. Zusammen macht das 300.000 Goldstücke. Wenn es um den guten Ruf eines Handwerkskollegen geht, bin ich gern bereit, dir zu helfen.

    Ich rechnete. „Verzeih mir, aber die Preise, die du mir genannt hast, ergeben zusammen nur 290.000."

    „Aber da ist doch noch die Fliege – wie hatte ich die nur vergessen können!, rief der Gnom lächelnd aus. „Was ist denn schon ein Anzug ohne Fliege? Und ganz zufällig kostet die genau 10.000 Goldstücke.

    „Wie lange wird es dauern, den Anzug herzustellen?", fragte ich und versuchte, mein Entsetzen nicht allzu deutlich zu zeigen. 300.000 Goldstücke, und das alles nur für ein paar Zeilen Software-Code, die mir als hübsche Kleidung erschienen. Das waren 300.000 Goldstücke, die ich meiner Vorahnung opferte. Falls ich mich irrte und bei der Sache nichts herauskam, musste ich meine Beziehung zu meinen Vorahnungen einmal gründlich überdenken.

    „Zwei Minuten. Bist du einverstanden? Ein Dialogfeld forderte mich auf, die Transaktion zu genehmigen. Ich zögerte einen kurzen Moment und klickte dann auf „Ja.

    „Gut. Der Gnom nickte. „Nimm Platz. Ich bin gleich zurück.

    * * *

    „Mahan, du schaffst es immer wieder, mich zu überraschen, stellte Anastaria fest, als ich den Palast erreichte. Eines musste ich Reander lassen – er hatte nicht nur meinen Smoking im Handumdrehen gefertigt, sondern mir auch eine Kutsche kommen lassen, die mich zum Ziel brachte. Wenigstens dafür schuldete ich ihm eine gewisse Dankbarkeit. „Ich werde dich nicht einmal fragen, wie viel Geld du ausgegeben hast. Immerhin habe ich eine gewisse Ahnung, was Reanders Preise betrifft. Sollen wir hineingehen?

    „Okay. Ich entließ den Kutscher. „Stacey, ich muss unbedingt mit Tavia sprechen.

    „Mit wem?"

    „Mit der Braut – und zwar bevor die Trauung beginnt."

    „Das ist unmöglich. Es kann sogar sein, dass sie noch gar nicht im Palast ist."

    „Stacey, es ist unglaublich wichtig! Bitte, hilf mir!"

    Sie holte tief Luft und atmete hörbar aus. Mit geschlossenen Augen dachte sie eine Weile nach und fragte dann: „Wie wichtig ist es?"

    Es hatte keinen Sinn, ihr die Wahrheit zu verschweigen, also berichtete ich ihr von der Quest des Juweliers, von den Opalen und von meinem Versagen. Stacey betrachtete die vier Opaltränen, deren Schönheit ihr einen erstaunten Ausruf entlockte, und murmelte etwas, das ich nicht ganz verstand. Es konnte etwas sein von wegen: „Für mich hat noch nie jemand etwas so Schönes hergestellt", oder so ähnlich.

    „Warum musst du dich bloß immer in Situationen stürzen, die vernünftige Leute um jeden Preis vermeiden?, fügte sie laut hinzu. „Okay, ich schlage dir einen Handel vor. Ich helfe dir, aber dafür gibst du mir alle Eigenschaften deines Charakters frei, alle Quests, alle Gegenstände in deinem Beutel – kurz, alles, was ich sehen will! Ich habe es satt, immer nur raten zu müssen, wer du bist und was du besitzt und wer und was nicht. Ich möchte es endlich genau wissen.

    „Einverstanden. Meine einzige Bedingung dafür ist nur, dass du mir umgekehrt den gleichen Gefallen tust. Ich will ebenfalls genau wissen, mit wem ich es zu tun habe."

    „Du Geizhals! Lächelnd bot sie mir die Hand. „Schlag ein!

    Wir gaben einander die Hand.

    Du hast Anastaria die Erlaubnis gewährt, die Eigenschaften deines Charakters zu sehen.

    Anastaria hat dir die Erlaubnis gewährt, die Eigenschaften ihres Charakters zu sehen.

    „Was sind denn diese Marker auf deiner Karte?, wollte sie kurz darauf wissen. „Einer stammt von Ishni, das weiß ich ja. Aber was ist mit den beiden anderen?

    „Darüber sprechen wir später – du hast versprochen, mir zu helfen, erinnerte ich Anastaria, die ganz in die Betrachtung meiner virtuellen Innereien vertieft war. „Die Zeremonie beginnt in einer Stunde!

    „Was für ein Langweiler du bist, beschwerte sie sich. „Mir ein solches Vergnügen gleich wieder zu entziehen. Aber gut … Ich rufe einen Herold! Ich brauche Hilfe!

    Neben uns öffnete sich ein Portal, aus dem ein Bote des Imperators stieg, der sofort sein Sprüchlein aufsagte: „Du hast mich gerufen, und ich bin gekommen. Wenn es an einem guten Grund für diese Ladung fehlt, wirst du bestraft werden."

    „Ich kenne die Regeln, Herold. Bei dem mir vom Imperator gewährten Recht verlange ich eine sofortige Audienz bei ihm für mich selbst und für Mahan. Die Ehre des Imperiums steht auf dem Spiel!"

    „Bitte betretet das Portal, erwiderte der Herold, ohne auch nur zu fragen, worum es im Einzelnen ging. Ich musste Stacey unbedingt fragen, wie sie zu diesem Privileg gekommen war – das war wirklich äußerst nützlich. „Der Imperator ist bereit, euch zu empfangen.

    „Lass uns gehen, verkündete Anastaria. „Nur, dass du es weißt – ich tue dir einen großen Gefallen. Dass du mir die Sache bloß nicht vermasselst!

    „Du bist also der Juwelier, der diese Scheußlichkeit hergestellt hat", stellte die junge Frau böse fest. Der Imperator war von meiner Bitte, mit Tavia zu sprechen, höchst überrascht gewesen. Nachdem ich ihm alles geschildert hatte, war er jedoch bereit gewesen, mir die Chance zu geben, die Sache mit der Tiara wieder in Ordnung zu bringen – und nur die Tiara, denn bei Tavia war seiner Meinung nach nichts mehr auszurichten. Eine Wache von Herolden hatte sie gewaltsam zum Palast bringen müssen, da sie sich schlichtweg weigerte, die Braut zu spielen. Sie würde eher von einer Klippe in den Tod springen, als diese Monstrosität zu tragen, die ihre Mutter ihr besorgt hatte. Die Tiara hatte sie in einer Ecke des Zimmers unter einem Haufen Kleidung begraben, informierte einer der Herolde mich.

    „Geehrte Herzogin, Ihr betrachtet dieses unfertige Schmuckstück zu Recht als hässlich, erklärte ich mit einer Verbeugung. „Aber wenn Ihr mir die Gelegenheit dazu gebt, beweise ich Euch …

    „Was willst du mir beweisen?, fiel das Mädchen mir ins Wort. „Dass mir nichts anderes übrigbleibt, als zu einer Sklavin zu werden? Dass ich mich damit abfinden muss, geopfert zu werden, so wie meine Mutter und der Imperator es beschlossen haben?

    „Eine Sklavin?", fragte ich überrascht. Mein Erstaunen war so offensichtlich, dass sie sich dazu herabließ, mir eine Antwort zu geben.

    „Ja, eine Sklavin! Ich werde behandelt wie ein Gegenstand! Niemand hat mich je gefragt, ob ich überhaupt heiraten möchte – oder muss! Ich weiß nicht einmal, wie dieser Trediol aussieht! Die Gesetze von Kartoss verbieten es, dass Braut und Bräutigam sich vor der Trauung zu Gesicht bekommen. Was ist, wenn er ein verrunzeltes, altes Monster ist, mit dem ich dann den Rest meines Lebens verbringen muss? Ist das etwa keine Sklaverei? Das ist nicht das Schicksal, das ich mir vorgestellt habe! Ich habe von einem Prinzen auf einem weißen Ross geträumt. Doch stattdessen entscheidet man für mich. Aber nicht mit mir – es wird keine Hochzeit geben! Ich habe mir den Vorwand mit der Tiara ausgedacht, um die Zeremonie hinauszuzögern, bis ich mir etwas anderes überlegen konnte. Leider ist mir jedoch nichts eingefallen. Die Herolde folgen mir auf Schritt und Tritt. Ich hatte nicht einmal die Chance zu fliehen! Ich hasse sie alle!"

    „Vergebt mir, aber …", begann ich und brach wieder ab. Was sollte ich Tavia angesichts ihrer Situation schon sagen? Worte der Unterstützung? Die brauchte sie momentan so dringend wie ein Hund ein fünftes Bein. Worte des Mitgefühls? Nun, sollte ich ihr etwa erklären, dass sie ihre Gefühle zum Wohl des Imperiums schlichtweg unterdrücken musste? Ja, genau … Und am besten sagte ich ihr noch, dass sie ohnehin nichts anderes als ein Programmiercode war und sie gar nichts dagegen machen konnte, wenn dieser Code ihre Hochzeit vorsah. Was sollte sie denn auch schon tun? Wenn sie ihrer Funktion nicht entsprach, würde man sie höchstens wieder löschen.

    Ja, das käme bestimmt außerordentlich gut bei ihr an.

    „Lass mich jetzt in Ruhe, forderte sie. „Die Zeremonie beginnt in wenigen Minuten. Wenn ich schon eine Sklavin werden muss, will ich wenigstens meine letzten freien Augenblicke in Einsamkeit verbringen.

    Na, wenn das mal keine Szene mit einem sozialen Einschlag war …

    „Tavia, ich …" Obwohl sie es von mir verlangte, wollte ich die Herzogin auf keinen Fall allein lassen. Ich brachte es schlichtweg nicht fertig. Die Programmierer hatten ein Szenario aufgestellt, in dem die beiden Imperien sich vereinten, und diese beiden jungen Leute mussten als Symbol dafür herhalten und geopfert werden. Oder vielmehr, diese beiden jungen Programme. Wenn ich die Dinge so betrachtete, machte es alles einfacher. Später würde Tavia natürlich erkennen, welches maßlose Glück die Heirat ihr bescherte, und ein

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