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DSA: Das Blut der Castesier 3 - Stadt der Hundert Türme: Das Schwarze Auge Roman Nr. 167
DSA: Das Blut der Castesier 3 - Stadt der Hundert Türme: Das Schwarze Auge Roman Nr. 167
DSA: Das Blut der Castesier 3 - Stadt der Hundert Türme: Das Schwarze Auge Roman Nr. 167
eBook479 Seiten5 Stunden

DSA: Das Blut der Castesier 3 - Stadt der Hundert Türme: Das Schwarze Auge Roman Nr. 167

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Über dieses E-Book

Lucia ist tief gefallen und ihrer Familie droht die Verdammnis. Verraten von den Menschen, denen sie einst vertraute, findet sich Lucia nun in Ketten auf dem Sklavenmarkt wieder.
Sabella wendet sich nach Bosparan, der Stadt der hundert Türme, wo sie an der bedeutendsten Magierakademie des Reiches vorstellig wird. Doch in der Hauptstadt des Bosparanischen Reiches hat alles einen hohen Preis.
Valerius ist ebenfalls in Bosparan eingetroffen, angetrieben von seinem Wunsch nach Rache. Schon bald stellt er fest, dass in der Stadt der hundert Türme andere Spielregeln gelten und er unweigerlich in sein Verderben zu laufen droht.

Stadt der hundert Türme ist der dritte Teil der sechsteiligen Reihe Das Blut der Castesier, eine epische Geschichte in den Dunklen Zeiten Aventuriens.
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum29. Aug. 2019
ISBN9783963313400
DSA: Das Blut der Castesier 3 - Stadt der Hundert Türme: Das Schwarze Auge Roman Nr. 167

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    Buchvorschau

    DSA - Daniel Jödemann

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band US25720

    Titelbild: Dagmara Matuszak

    Aventurien-Karte: Daniel Jödemann

    Redaktion: Nikolai Hoch

    Lektorat: Frauke Forster

    Korrektorat: Claudia Waller

    Umschlaggestaltung und Illustrationen:

    Nadine Schäkel, Patrick Soeder

    Layout und Satz: Nadine Hoffmann, Michael Mingers

    DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN, UTHURIA und THE DARK EYE sind eingetragene Warenzeichen der Ulisses Spiele GmbH, Waldems. Copyright © 2019 by Ulisses Spiele GmbH.

    Alle Rechte vorbehalten.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Print-ISBN 978-3-96331-184-0

    Ebook-ISBN 978-3-96331-340-0

    Daniel Jödemann

    Stadt der

    hundert Türme

    Das Blut der Castesier III

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Mit Dank an

    Mareike Aurora und Thomas Ritzinger

    Was bisher geschah

    »Natürlich war es notwendig, den Mussadin bisweilen einen Hinweis zu geben, damit sie auch mal einen der Diebe stellen konnten, die ich angeheuert hatte. Damit sie auch weiterhin auf meine Dienste zurückgriffen. Ein schwieriges Unterfangen, denn zur gleichen Zeit mussten die Rückschläge der Tulamiden so gravierend ausfallen, dass Abu’Keshal irgendwann selbst nach dem Rechten sehen würde. Natürlich war er nie bereit, mich zu treffen. Einen jungen, ambitionierten und feqzgläubigen Dieb dagegen, das war etwas anderes. Selbstverständlich dachte ich zunächst an Sylvius. Der tragische Tod seiner Schwester durch die Hand der Mussadin hätte ihn bestimmt dazu getrieben, Rache zu nehmen. Dann hast du dich aber so beeindruckend in den Vordergrund gedrängt. Ich beschloss daraufhin, dich zu motivieren und zu testen, ob du womöglich der bessere Kandidat bist. Nachdem du Sylvius dann auf dem Altar deiner Rache geopfert hast, wusste ich, dass der Richtige vor mir sitzt.«

    »Dann gab es also niemals einen Procurator? Es handelt sich lediglich um ein Märchen?«

    »Natürlich existiert er. In der Stadt der hundert Türme kontrolliert er alles. Mein kleines Unterfangen hier ist gegen den Procurator und die Fünf Banden Bosparans eine Lappalie.«

    — Tacitus Puninius und Valerius Castesius, am 24. Tag der Travina im Jahre XVII Yarum

    »Ich bin schon lange kein Kind mehr. Dafür hast du gesorgt, als du vor meinen Augen die Sonnenlegionäre gemordet hast! Du hast ein Kind von drei Jahren aus ihrem Blut gehoben. Blut, das du vergossen hast, um meiner habhaft zu werden!«

    »Ich fand dich so auf, im Blut dreier Legionäre. Drei Menschen, die du selbst gemordet hattest! Was glaubst du, wie ich damals, in jener Nacht, das außerordentliche Potential erkannte, das in dir schlummert? Warum ich deine Kräfte eindämmen wollte, verhindern wollte, dass sie jemals zur Gänze hervorbrechen und dich verschlingen? Warum die Dämonin immer nur dich wollte? Warum Quintus deiner habhaft werden wollte und warum sie dich immer jagen werden? Ich vermag dich nun nicht mehr vor all dem zu bewahren«, fuhr er hastig fort, »du bist nun auf dich allein gestellt. Hüte dich vor der Finsternis, Sabella, oder sie wird dich verschlingen!«

    — Sabella Castesia und Andronicus Bosparanius, am 25. Tag der Travina im Jahre XVII Yarum

    Band I: Blutnacht

    Nur kurze Zeit nachdem Yarum-Horas den Thron des Bosparanischen Reiches errungen hat, ordnet er den Tod mehrerer einflussreicher Comites an, dem auch die Familie der Castesier zum Opfer fällt. Drei Kinder entkommen dem Massaker: Livia, die unter dem Namen Lucia Arponia von einer Comes als ihre Erbin großgezogen wird, Valerius, der auf der Straße aufwächst, und seine Zwillingsschwester Sabella, die von dem Magier und Nekromanten Andronicus aufgefunden und ausgebildet wird.

    Vierzehn Jahre später tritt Lucia Arponia in die Legion ein und schließt sich dem Feldzug von Cassus Bosparanius an, einem Sohn des Horas, der seine Truppen nach Süden führt, um sich mit Eroberungen als Erbe für den Adlerthron zu empfehlen. Dank Cassus steigt Lucia zur Centuria auf und lässt sich zudem auf eine Affäre mit Tribun Flavius Aedinius ein. Sie ernennt den Veteranen Rufus Pulcher zu ihrem Stellvertreter.

    Valerius schlägt sich in Puninum mit Diebstählen und Einbrüchen durch und arbeitet für den Nandurios-Priester Tacitus, der ihm bisweilen Aufträge vermittelt. Zwei Banden strecken in dieser Zeit ihre Hand nach Puninum aus: Die tulamidischen Mussadin unter ihrem Anführer Abu’Keshal, und die Fünf Banden Bosparans, die von dem rätselhaften Procurator kontrolliert werden. Valerius beginnt zu dieser Zeit eine Liebschaft mit der abenteuerlustigen Patrizierstochter Ariana Lusia.

    Sabella folgt nach Jahren in der Provinz ihrem Meister Andronicus an die Akademie von Puninum. Obwohl sie das nötige Alter erreicht hat, weigert sich ihr Lehrmeister, sie zur Prüfung zuzulassen und aus seinen Diensten zu entlassen. Eines Nachts führt Andronicus eine Beschwörung durch, bei der eine mysteriöse körperlose Dämonin – der Geflügelte Schatten – auf Sabella aufmerksam wird.

    Band II: Schwarze Schwingen

    Eines Nachts wird Cassus von Wudu aus dem Feldlager entführt. Flavius setzt Lucia daraufhin das Messer auf die Brust: Er offenbart ihr, dass er das Geheimnis ihrer Herkunft kennt, und weist sie an, Cassus zu retten. Andernfalls wird er den Verrat der Arponier öffentlich machen, was das Ende für die Familie und für Lucias Sohn Lucius bedeuten würde.

    Gemeinsam mit Rufus und einigen anderen Legionären verfolgt Lucia die Entführer durch die Dschungel Meridianas bis zum Dorf der Wudu. Die Wudu planen, Cassus ihrem finsteren Todesgott zu opfern und zu einem Untoten zu erheben. Lucia kann nicht verhindern, dass der Wudu-Schamane Taohate mit dem Ritual beginnt, Cassus’ Leibmagierin vermag den Strategus allerdings zu retten. Dabei erscheint die Dämonin mit den Schwarzen Schwingen, der Geflügelte Schatten, den Andronicus in diese Welt rief.

    Lucia, Rufus und Cassus gelingt mit dem Schamanen als Gefangenen die Flucht, und sie schaffen es zurück bis ins Feldlager. Unterwegs ist Lucia gezwungen, dem verletzten Rufus einen Arm zu amputieren.

    Im Lager lässt Flavius sie verhaften und gibt vor, dass der Strategus von Lucia entführt wurde, um zu vertuschen, was Cassus bei den Wudu durchleben musste. Lucia bemerkt Veränderungen an Cassus: Sie ahnt, dass das Wudu-Ritual Spuren an ihm hinterließ und die Dämonin ihn immer noch beeinflusst.

    Flavius will Lucia und Rufus aus dem Weg schaffen, um alle Zeugen zu beseitigen. Den beiden gelingt die Flucht, dabei opfert sich Rufus für Lucia. Kurz darauf wird die dem Tode nahe Lucia von Sklavenjägern aufgefunden.

    Valerius findet eines Nachts Ariana und ihre Familie von den Mussadin ermordet auf – als Rache dafür, dass sich Arianas Vater mit den Fünf Banden Bosparans einließ. Valerius brennt auf Vergeltung. Da Abu’Keshal neue Bandenmitglieder rekrutiert und Tacitus plant, ihm entweder Sylvius oder Valerius zu empfehlen, übernimmt Valerius weitere Aufträge. Dann kommt Sylvius ums Leben und lässt Valerius als einzigen Kandidaten zurück.

    Tatsächlich wird er nun zu Abu’Keshal vorgelassen. Valerius tötet die Anführerin der Mussadin und entkommt. Dabei erkennt Valerius, dass sein einstiger Hauslehrer, der Sklave Umbra, vor vierzehn Jahren bei der Flucht aus Bosparan ums Leben kam und seitdem nur noch in seiner Vorstellung existiert. Valerius kommt ebenfalls dahinter, dass Tacitus von Beginn an für den Procurator gearbeitet und Valerius manipuliert hat, um Abu’Keshal auszuschalten. Dazu ordnete Tacitus den Mord an Ariana an und gab den Mussadin die Schuld.

    Bei dem Versuch, Tacitus zu stellen, wird Valerius gefangen genommen und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Er folgt Tacitus nach Bosparan. Unterwegs wird ihm bewusst, dass ihm nicht nur Umbra erscheint: Er sieht auch die verstorbene Ariana und ein kleines Mädchen mit dunklen Haaren.

    Sabellas Hoffnung, von Quintus als Schülerin übernommen zu werden, wird zerstört, als Andronicus ihrem Plan auf die Schliche kommt und Quintus im magischen Duell tötet.

    Schließlich erkennt Sabella, dass Andronicus den Geflügelten Schatten, die geheimnisvolle Dämonin, wiederholt beschworen hat. Im Austausch für dämonisches Wissen stellte er der körperlosen Dämonin dabei Sabellas Körper zur Verfügung und nahm Sabella die Erinnerungen an diese Vorfälle. Sie kann einige dieser Erinnerungen wiederherstellen und entsinnt sich so auch wieder, dass sie einst einen Zwillingsbruder hatte.

    Sabella entschließt sich, ihren Lehrmeister zu töten, ehe Andronicus’ Beschwörungen ihr Leben fordern. Sie stellt ihn des Nachts auf einem Friedhof, läuft jedoch in eine Falle. Andronicus beschwört erneut die Dämonin, die Sabella auffordert, sich gegen ihren Lehrmeister zu stellen. Und tatsächlich kann sie ihn nun bezwingen.

    Andronicus offenbart ihr mit seinem letzten Atemzug, dass Sabella schon als Kind eine dunkle Seite in sich trug, was sie für Menschen wie Quintus zu einem lohnenden Ziel macht. Er hat diese um ihrer selbst willen stets eingedämmt und sie vor ihren Häschern beschützt. Sabella reist nun nach Bosparan, um dort endlich ihre Prüfung zur Magierin abzulegen und damit wirklich frei zu sein.

    Kapitel 1

    Lucia starrte die Ketten zwischen ihren Handgelenken an. »Bidarius, lass es ein schlechter Traum sein«, murmelte sie. Ein weiteres Mal lagen ihre Hände in Eisen, nachdem sie sich doch schon ihre Freiheit erkämpft hatte. Die Götter zürnten ihr wahrhaftig. War das die Strafe für ihre Verfehlungen? Für das Blut, das an ihren Händen klebte? Für Marcellus und Rufus, für Lucius und Lucia – die richtige Lucia –, für Anthea, Genadius, Falco und all die anderen Legionäre unter ihrem Kommando, die sie in ihr Verderben geführt hatte?

    »Es ist kein Traum«, raunte Lucias Nebenmann ihr zu. »Je eher du das begreifst, desto besser.«

    Sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Die nur oberflächlich versorgte Wunde an ihrem Bauch pochte und brannte. Sie konnte sich nur noch verschwommener Bilder aus den vergangenen Tagen entsinnen: die Flucht entlang der Ufer des Lacus Harotrus, Rufus’ Opfer, der Armbrustbolzen, ihre Gefangennahme und die Reise nach Belenas.

    Besser war ihr die beruhigende Kälte und die tröstende Dunkelheit in Erinnerung geblieben, dieses Gefühl der Geborgenheit und des Schwebens. Jetzt, in der schwülwarmen Hitze, sehnte sie sich danach.

    Gestern hatten ihre ›Retter‹ sie gemeinsam mit einigen Waldmenschen an den Sklavenhändler Ucurianus verkauft. Ucurianus hatte sie in Augenschein genommen und sich lautstark über ihren Zustand beschwert. Lucia bemühte sich, ihm zu erklären, dass sie keine Sklavin sei, was ihn nur noch mehr aufbrachte. Am Ende zahlte er dann doch für sie. Nach einer Nacht in einem nach Exkrementen stinkenden Verlies zerrten Ucurianus’ Helfer sie hervor, legten sie und die übrigen Gefangenen in Ketten und trieben sie quer durch die Stadt zur Sklaveninsel.

    Die Insel beherbergte den Sklavenmarkt von Belenas. In Lucias Augen hatte sie den Vorhof zu den Niederhöllen betreten: Verdammte Seelen, in Ketten gelegt, schmutzig und nackt, oder nur mit Fetzen am Leib, reihten sich vor den Ständen der Menschenhändler aneinander. Das Angebot bestand zum größten Teil aus dunkelhäutigen Waldmenschen, vorwiegend muskulösen jungen Frauen und Männern, begehrt aufgrund ihrer Kraft. Es fanden sich auch weniger kräftig gebaute darunter, die aber ebenmäßige, exotische Zügen besaßen. Diese waren aus anderen Gründen für die Einkäufer interessant.

    Ketten an den Füßen verbanden Lucia mit ihren beiden Nachbarn und den übrigen Sklaven. Ein Entkommen war unmöglich. Selbst wenn sie alle gemeinsam die Flucht anträten, würden Ucurianus’ Wachen sie mühelos einholen.

    Lucia schüttelte den Kopf. Sie war von den besten cyclopäischen Hauslehrern, erfahrensten Fechtlehrern und angesehensten Rhetorikern des Horasiats unterrichtet worden. Dazu kamen die zwei Jahre in der Offiziersschule in Arivor und mehrere Monate Legionsdienst. Ihre Mutter hatte ihre Laufbahn exakt geplant. Lucia sollte selbst Sklaven besitzen und nicht verramscht werden wie ein Pferd.

    »Ist es dein erstes Mal?«, erkundigte sich ihr Nebenmann, ein junger Tulamide. »Dass du verkauft wirst, meine ich?«

    Der Tulamide schaute zu ihr auf, er maß einen halben Kopf weniger als Lucia. Er war etwa fünfundzwanzig Sommer alt und drahtig gebaut, die eine oder andere längst verheilte Narbe schmückte seinen bloßen, sonnenverbrannten Oberkörper. Sein dunkles Haar war ungekämmt und dreckig, sein scharf geschnittenes Gesicht zierte ein struppiger Bart. Er hatte schon einige Zeit der Gefangenschaft hinter sich. Er sprach Bosparano mit deutlichem Akzent und trug lediglich einen Lendenschurz am Leib.

    »Erstes Mal«, presste sie hervor und rang eine weitere Welle des Schmerzes nieder, die sich von ihrem Unterleib aus ausbreitete. Zu allem Überfluss fand sie sich nun neben Tulamiden und Wilden wieder. Sie wich seinem Blick aus. »War noch nie auf einem Sklavenmarkt.«

    Das war gelogen. Fastidia hatte sie schon früh mit auf die Bosparaner Sklavenmärkte genommen. Mit den Jahren waren Einfluss und Reichtum der Arponier gewachsen, sodass sie sich mehr Sklaven zu leisten vermochten.

    Lucia hatte niemals ernsthaft darüber nachgedacht, was Sklaven bis zu dem Moment durchmachten, in dem sie einen Käufer fanden. Im Haus der Arponier fehlte es ihnen an nichts: Man wusch sie, kleidete sie und gab ihnen Essen. Sie wurden gut behandelt und konnten sich glücklich schätzen, in einem so guten Haus untergekommen zu sein.

    Lucia hatte nie ihre Hand gegen einen Sklaven erhoben. Selbst ihre strenge Mutter griff nur hart gegen die durch, die sich ungehorsam zeigten und aufbegehrten. So war nun einmal der Lauf der Dinge: Brajanos hatte Comites und Patrizier zu Herren bestimmt und andere zu Dienern. Nun stand alles kopf.

    »Für mich auch«, seufzte der Tulamide. »Eine bosparanische Galeere brachte unser Schiff auf, Feqz war uns nicht gewogen.« Er lächelte verschmitzt. Weiße Zähne blitzten in seinem struppigen Bart auf. »Mein Name ist Alef, Alef ibn Khalid.«

    Ihr stand nicht der Sinn nach Konversation, vor allem nicht mit einem Tulamiden. Er machte aber nicht den Eindruck, sie in Frieden lassen zu wollen. »Lucia«, antwortete sie knapp. Was spielte es für eine Rolle, wenn der Tulamide ihren Namen erfuhr. Sicherlich lief er nicht sogleich los, um sie an die Legion zu verraten.

    Die Legion. Lucia schaute sich um. Soldaten der Fulminata waren in der hiesigen Garnison stationiert und bewachten sicher auch die Straßen und Plätze von Belenas.

    »Fleht besser die Götter an, dass die Richtigen auf euch aufmerksam werden«, raunte der Mann zu ihrer Linken ihnen beiden zu. Es handelte sich bei ihm um einen Bosparaner, aber die leicht dunkle Haut wies darauf hin, dass es auch Südländer unter seinen Vorfahren gab. Er mochte vielleicht vierzig Sommer zählen, lange Jahre der Entbehrungen hatten ihn aber schneller altern lassen.

    Alef musterte ihn aufmerksam. »Dein Name ist Gustafo, habe ich recht? Wer sind denn diese richtigen Käufer, wenn du einem unwissenden Sohn Tulams diese bescheidene Frage gestattest?«

    Gustafo trug den Ausdruck eines Mannes in den Augen, der bereits mit seinem Schicksal abgeschlossen hatte. »Nicht Einkäufer aus Duyar oder gar Laisor. Du willst sicher nicht nach Laisor.«

    »Was ist in Laisor?«, hakte Lucia nach.

    »Bist wohl nicht von hier?« Gustafo musterte sie. »Hofft darauf, dass ihr einen guten Eindruck macht und euch ein Einkäufer für die Purpurfärbereien nimmt. Das ist schmutzige Arbeit, aber immer noch besser als Laisor. Du siehst kräftig aus. Vielleicht endest du auch auf einer Plantage.«

    »Eine Plantage«, wiederholte Lucia leise. Das klang wie ein Ort, von dem eine Flucht nicht vollkommen aussichtslos war.

    Ucurianus wanderte die Reihe hinab. Einer seiner Helfer, ein tulamidischer Sklave mit nacktem Oberkörper, folgte ihm auf den Fuß. Der Sklavenhändler fächerte sich mit einem Wedel Luft zu. Sein weites seidenes Gewand hing an seinem dürren Leib wie an einem Kleiderständer.

    »Es geht viel zu langsam voran«, verkündete Ucurianus laut, »ihr Jammergestalten macht mir nicht den Eindruck, als ob ihr ernsthaft darauf aus seid, einen guten Dominus zu finden.«

    Lucia griff nach ihm. »Ich bin keine Sklavin!«, beteuerte sie hastig. »Es handelt sich um ein Missverständnis. Ich sagte es dir bereits, ich bin eine freie Frau!«

    Ucurianus gab seinem Helfer einen kaum merklichen Wink. Der holte ohne zu Zögern aus. Sein Schlag ließ Lucia zusammensinken. Nur die Ketten, die sie mit Alef und Gustafo verbanden, hielten sie auf den Beinen.

    Der Sklavenhändler schüttelte den Kopf. »Du vermagst kaum aus eigener Kraft aufrecht zu stehen. Reiß dich zusammen, zumindest noch für einige Stunden!« Er wies mit dem Wedel auf ihren Bauch und den groben Verband unter ihrer Tunika. Seine Helfer hatten ihn am Morgen erneuert. »Immerhin blutest du nicht mehr wie eine angestochene Sau. Du fühlst dich besser, nicht wahr? Du bist mir dankbar? Für meine Fürsorge?«

    Sie zwang sich zu einem Nicken und rang ihre Wut nieder. Warte, bis du deine Freiheit errungen hast, ermahnte sie sich selbst. Dann würde er für seine Anmaßung zahlen. Wahre die Kontrolle.

    Ucurianus starrte ihr prüfend in die Augen. »Gut so.« Er schaute die Reihe hinauf und hinab. »Ich werde keine von euch Elendsgestalten auch nur einen weiteren Tag lang durchfüttern! Lieber verschachere ich euch an Scaro, als dass ihr mir noch länger auf der Tasche liegt. Wer bei Sonnenuntergang nicht aus eigener Kraft gehen kann, kehrt auch nicht mehr mit uns zurück.«

    Prüfend musterte er Alef, dann riss er ihm den Lendenschurz hinunter. Er nickte anerkennend. »So ist es besser! Jeder soll sehen, was zwischen deinen Beinen hängt. Vielleicht findet Silius Interesse an dir. Oder eine Patrizierin, die auf der Suche nach was Ordinärem ist.« Er wandte sich ab.

    Alef schaute an sich hinunter und warf Lucia ein Lächeln zu. »Vielleicht ist heute doch noch mein Glückstag. Lasst die Damen von Belenas sehen, was ich ihnen zu bieten habe! Soll Raia ihre Herzen und ihren Schoß entflammen.«

    Lucia nickte. »Meinen Glückwunsch. Ebenso könnte die Liebesgöttin aber die Lenden eines Patriziers entflammen. Und wenn ich mich recht erinnere, betreibt Silius ein Lupanar. Sicherlich vermietet er seine Sklaven an einen zahlenden Gast nach dem anderen. Frauen und Männer gleichermaßen.«

    »Männer?« Alefs Lächeln schwand, dann wandte er sich hastig an Gustafo. »Wer ist dieser Scaro, von dem du erzählst? Ist er wirklich so unerfreulich?«

    »Einkäufer für die Minen von Laisor.« Die Farbe wich aus Gustafos Gesicht. »Laisor hat großen Bedarf an neuen Sklaven.«

    »Warum das?«, hakte Lucia nach. »Was geschieht dort?«

    Der Sklave warf ihr einen ungläubigen Blick zu und schwieg.

    In den folgenden Stunden wanderten immer wieder Interessenten an ihnen vorbei, meist Patrizier in Begleitung ihrer Leibsklaven oder Einkäufer für die Plantagen und Färbereien von Belenas, die kritisch die Muskeln und Zähne der Gefangenen prüften. Auch junge Söhne und Töchter aus gutem Hause, gerade erst dem Kindesalter entwachsen, machten sich einen Spaß daraus, die angeketteten nackten Sklaven genau in Augenschein zu nehmen. Ucurianus hatte Mühe, seine Geduld und ein freundliches Lächeln zu wahren.

    Lucias Kräfte schwanden mit jeder verstreichenden Stunde. Ihre Kehle war ausgedörrt und die Schwüle setzte ihr zu. Wenn sie sich doch nur einen Augenblick lang hinlegen oder zumindest setzen könnte! Wann immer ihr die Kräfte schwanden, holte Alef sie in die Wirklichkeit zurück, indem er an Lucias Ketten riss oder sie anstieß. Es fiel ihr mit jeder weiteren Stunde schwerer, nicht vor der Erschöpfung zu kapitulieren.

    Gegen Abend erschien tatsächlich der besagte Silius, um das Angebot in Augenschein zu nehmen. Sein Name war Lucia nicht unbekannt: Damals, als die Coverna vor Belenas lagerte, hatte sie ihn oft von ihren Legionären gehört.

    Der Bordellbesitzer erwies sich als beleibter, dunkelhäutiger Tulamide, der seine Augen mit Kohlestiften betonte und sich von einer leicht bekleideten Sklavin einen Sonnenschirm halten ließ. Silius wählte nach reiflicher Überlegung zwei Waldmenschenfrauen aus und nahm auch Alef in Augenschein. Am Ende lehnte er es aber ab, Gold für den Tulamiden hinzulegen, auch wenn Ucurianus Alefs vermeintliche Fähigkeiten als Liebhaber so ausgiebig schilderte, dass selbst Leuthanios vor Scham errötet wäre. Am Ende verwies Silius auf Alefs zu viele und zu unansehnliche Narben und lehnte dankend ab.

    Kaum, dass der Lupanarbetreiber mit seinen beiden Neuerwerbungen um die Ecke gebogen war, hieb Ucurianus mit dem Griff seines Wedels auf seinen Helfer ein. »Dieser arrogante tulamidische Bastard! Erst stiehlt er mir meine Zeit und dann? Zwei! Zwei Sklavinnen! Tasfarilor muss mir zürnen. Welch eine Schmach!«

    Die Sonne neigte sich nun dem Horizont zu und die Schatten wurden allmählich länger. Inzwischen kümmerte es Lucia nicht mehr, ob sie Ucurianus’ Missfallen erregte, oder welches Schicksal ihr drohte – wenn ihr Körper aufgab, dann würde sie ihn nicht mehr zurückhalten.

    Es mussten dreißig Tage verstrichen sein, seitdem Flavius eine Depesche nach Bosparan entsandt hatte, vielleicht auch mehr. Wie schnell ritt ein Bote auf einem guten Pferd wohl bis in die Capitale?

    Sicherlich wusste bei Hofe schon jeder Bescheid. Sicherlich hatte der Horas schon längst die Sonnenlegion zum Anwesen der Arponier entsandt – wie damals in der Blutnacht, als das Massaker an ihrer eigentlichen, ihrer ersten Familie begann. Lucius ereilte nun dasselbe Schicksal wie ihre Geschwister, wie die Zwillinge. Sogar wenn ihr bereits am ersten Tag auf einer Plantage die Flucht gelang, war der Weg nach Bosparan lang, insbesondere für eine entflohene Sklavin.

    Alef zog an der Kette. Lucia schaute auf. »Ein neuer Käufer«, raunte er ihr zu.

    Ucurianus führte zwei neue Interessenten die Reihe entlang. Lucia zwang sich, tief einzuatmen, und löste damit sofort weitere Schmerzen aus.

    Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, die von zwei Bewaffneten mit Lederpanzer, Helm und Gladius eskortiert wurden. Der Mann trug einen Malacar, eine leichte graue Weste, über seiner Tunika. Mehrere Beutel und ein verzierter Dolch, der in der Sonne glänzte, baumelten an seinem Gürtel. Er hatte sicher schon fünfzig Sommer gesehen, sein braunes Haar war schütter und Falten zierten sein Gesicht. Er musterte die Gefangenen aus dunklen Augen unter buschigen Augenbrauen eingehend und mit kundigem Blick.

    Ucurianus wies auf Alef. »Nehmt den Tulamiden einmal genauer in Augenschein, werter Darius.« Er brachte dem Mann trotz seiner eher einfachen Gewandung den Respekt entgegen, der einem Patrizier zustand. »Er ist sehr erfahren mit dem Schwert und wie du zweifelsfrei sehen kannst, strotzt er nur so vor Manneskraft. Braziraku selbst bestieg einst seine Mutter, davon bin ich fest überzeugt!«

    »Braziraku, sagst du?« Darius kratzte sich skeptisch das Kinn und gab dann der Frau in seiner Begleitung einen Wink. »Ursina.«

    Bei der Angesprochenen mit dem ungewöhnlichen Namen handelte es sich um eine tulamidische Sklavin. Die Initialen DM zierten ihre Handrücken. Neben einer einfachen braunen Leinentunika trug sie noch abgeschabte lederne Armschienen mit darin eingravierten Bären. Sie war muskulös, ihre Haut dunkel und wettergegerbt. Viele helle, lange verheilte Narben zierten ihre Arme und Beine, ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Haare hatte sie mit Lederbändern zurückgebunden. Ein bitterer Zug lag um ihre dünnen Lippen.

    Ursina packte Alef grob am Kinn, zwang seinen Mund auf und musterte sein Gebiss. »Gesund.« Sie prüfte seine Oberarme und schlug ihm schließlich mit der flachen Hand auf den Bauch. Wenig beeindruckt verzog sie das Gesicht. »Sprichst du die Sprache Bosparans?«, herrschte sie ihn an.

    Alef nickte hastig.

    »Dann krieg auch die Zähne auseinander! Welchen Beruf hast du gelernt, Tulamide?«

    »Ich bin … war Seemann«, antwortete Alef nach kurzem Zögern.

    Seine Landsfrau wandte sich wieder an Darius. »Pirat, Dominus. Nicht das, was wir suchen. Tulamiden sind faul und ungehorsam, wenn sie nicht als Sklaven geboren wurden. Dass er Pirat war, macht’s nur noch schlimmer.«

    »Aber schau nur, wie ergeben er ist!«, wandte Ucurianus sofort ein. »Er wagt es nicht einmal, die Stimme in deiner Anwesenheit zu erheben, werter Darius! Er ist Entbehrungen gewohnt und seine Hände sind kräftig, wie du unzweifelhaft siehst. Eine Investition, die niemand bereuen würde!«

    Darius seufzte. »Ich könnte schon jemanden wie ihn gebrauchen, aber ich möchte auch nicht eines Tages aufwachen und feststellen, dass er mir davongelaufen ist.« Sein Blick fiel auf Lucia, die nächste in der Reihe.

    Sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten und nicht den Kopf zu senken. Dies war vielleicht ihre letzte Gelegenheit.

    Ursina trat vor sie hin. »Wo kommt sie her?« Der durchdringende Blick aus ihren kleinen, fast schwarzen Augen bohrte sich tief in Lucias Kopf.

    »Sie wurde in Drôl zur Sklaverei verurteilt«, erklärte der Sklavenhändler rasch. »Ich erwarb sie, da ich dir etwas Robusteres bieten wollte, Darius. Ich hoffe, sie sagt dir zu.«

    »Ich bin nicht …«, setzte Lucia an, aber Ucurianus versetzte ihr sofort einen Hieb mit dem Griff seines Wedels. »Sei still!«

    Ursina musterte den Sklavenhändler skeptisch. Der lächelte sofort wieder. »Es ist Feuer in ihr, das weißt du sicher zu schätzen, werter Darius! Ein heißes Eisen, das nach deinen Wünschen geschmiedet werden kann. Betonst du das nicht stets?«

    Die Tulamidin verzog das Gesicht. Sie nahm Lucias Hände. »Sie weiß mit Waffen umzugehen, aber ich sehe kaum Verletzungen an ihr.« Sie schüttelte den Kopf. »Deserteurin. Sicher sucht die Legion sie.«

    Darius presste nachdenklich die Lippen aufeinander, dann wandte er sich an den Sklavenhändler. »Wie viel für die Deserteurin und den Piraten?«

    Ucurianus deutete eine Verneigung an. »Ich sehe, du hast ein Auge für wahre Qualität. Da du es bist, überlasse ich dir beide zusammen für gerade einmal fünfhundert Aureal.«

    Darius schmunzelte. »Fünfhundert Goldstücke? Dafür bekomme ich bei Vernus gleich drei Deserteure und einen Piraten noch kostenlos als Zugabe obendrauf!«

    Ursina musterte Lucia immer noch eindringlich. Schweiß trat Lucia auf die Stirn. Nur einen Schluck zu trinken, nur etwas Ruhe und sie wäre wieder bei Kräften.

    Abrupt holte die Tulamidin aus und schlug ihr mit der flachen Hand gegen die Seite. Lucia stöhnte auf und konnte nicht vermeiden, dass sie sich zusammenkrümmte. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen.

    Ursina trat zurück. »Sie vermag sich kaum auf den Beinen zu halten. Sicher verendet sie in der kommenden Nacht. Das ist kein Feuer, das ist Fieber, das du da in ihren Augen siehst, Dominus.«

    Darius wandte sich an Ucurianus. »Wolltest du mir das etwa verschweigen? Gibst du etwa minderwertige Ware als makellos aus? Was sagt wohl der Marktrichter dazu?«

    Der Sklavenhändler hob die Hände. »Eine oberflächliche Wunde, die kaum der Rede wert ist!«, wehrte er hastig ab. »Sie wurde von meinem besten Medicus versorgt. Die Verletzung ist nahezu verheilt. Gib ihr noch einen Tag und sie ist so gut wie neu!«

    Darius musterte Lucia noch einmal eindringlich. Dann wies er auf Alef. »Der Tulamide. Zweihundert Aureal. Dafür vergesse ich, dass du mich hintergehen wolltest, und nehme auch nicht den Umweg zum Marktrichter auf mich. Es ist ein heißer Tag.«

    Ucurianus hob die Hand. »Zweihundertdreißig. Weiter herunter kann ich nicht gehen. Ich hatte Ausgaben.«

    »Zweihundertzehn Aureal, oder aber ich gehe zu Vernus und zum Marktrichter.«

    Der Sklavenhändler lächelte. »Ich zahle zwar beinahe schon drauf bei diesem Handel, aber ich hoffe, dich auch in Zukunft als zufriedenen Kunden zu begrüßen. In Tasfarilors Namen, er gehört dir!« Er gab den Helfern einen Wink. Diese befreiten Alef rasch von seinen Fußfesseln. Der Tulamide warf Lucia einen bedauernden Blick zu, dann zogen ihn Darius’ Wachen aus der Reihe heraus.

    Ucurianus legte einen Arm um Darius’ Schulter und führte ihn weiter. »Hast du denn schon meine Wilden gesehen? Sei zumindest so freundlich, sie in Augenschein zu nehmen, da ich dir doch einen so guten Preis gemacht habe. Vielleicht findest du auch Gefallen an einer hübschen Jungfrau, die des Nachts dein Bett wärmt.«

    Lucia sank zusammen, kaum dass sich Darius und Ursina abwandten. Das Blut rauschte durch ihren Kopf, Sterne tanzten vor ihren Augen.

    »Da ist er«, raunte Gustafo neben ihr.

    Sie schaute auf. Zwei Stände weiter stand ein korpulenter Mann in einer dreckigen Tunika, an dessen Gürtel eine Peitsche und eine eisenbeschlagene Keule baumelten. Auch er wurde von Bewaffneten begleitet. »Wer?«, krächzte sie.

    »Scaro.« Blanke Angst lag in Gustafos Augen. Seine Unterlippe zitterte. »Kauft billig auf, was niemand sonst haben will.«

    »Ist jemals ein Sklave aus Laisor entkommen?«

    »Entkommen?« Gustafo schüttelte den Kopf. »Wer einmal in den Gruben verschwindet, kehrt nie mehr zurück. Es heißt, jeder Stein dort ist rot, getränkt mit dem Blut von Dutzenden von Sklaven.« Er schlug sich mit der Hand gegen die Wangen, atmete tief durch und schüttelte den Kopf, so als wollte er sich selbst wachrütteln.

    Lucia tastete nach der Wunde an ihrer Seite. Sicherlich fütterte Ucurianus sie nicht noch eine weitere Nacht durch. Sie schloss die Augen und sog Luft in ihre Lungen. Es konnte nicht zu Ende sein. Nicht hier, nicht an diesem von allen Göttern verlassenen Ort. Sie war eine Comes, in Brajanos’ Namen! Sie musste entkommen! Für Lucius. Sie durfte ihn nicht kampflos aufgeben, sie durfte sich nicht selbst aufgeben.

    Sie öffnete wieder die Augen. Ucurianus und Darius standen einige Schritt entfernt. Der Sklavenhändler wies mit seinem Wedel auf die körperlichen Vorzüge eines nackten Waldmenschenmädchens hin, das den Kopf senkte und es nicht wagte, Ucurianus anzublicken. Darius machte den Eindruck eines Mannes, der sich weit weg wünschte.

    Lucia richtete sich auf und atmete tief durch. Sie begrüßte nun den Schmerz, ließ sich von ihm aufrütteln. Feuer. Es ist Feuer in ihr. Sie wandte sich an Gustafo. »Verzeih mir.«

    Er schaute sie fragend an. »Was …«

    Lucia hieb ihm die aneinandergeketteten Fäuste ins Gesicht. »Meine Mutter war was?«, stieß sie dabei hervor, so laut sie nur konnte. »Deine Mutter war eine Hure, du Bastard!« Sie schlug erneut zu.

    Gustafo taumelte, Blut rann aus seiner Nase. »Was tust du …«

    Lucia riss ihn herum und legte ihm den Arm um den Hals. »Nimm es zurück!« Sie suchte nach Darius.

    Ucurianus rief wütend nach seinen Helfern. Diese setzten sich in Bewegung und zogen die Knüppel von ihren Gürteln.

    Lucia biss die Zähne zusammen. Sie behielt Gustafo fest im Griff, achtete dabei darauf, dass sie ihm nicht die Luft abschnürte. Darius musterte sie. Erneut rieb er sich das Kinn.

    Zwei, drei Hiebe prasselten auf Lucia nieder. Selbst einen vierten ertrug sie noch, dann ließ sie von dem Sklaven ab. Ucurianus’ Helfer ließen jedoch nicht von ihr ab. Ein heftiger Schlag traf sie an der Seite, eine Welle aus Schmerz raste durch ihren Leib. Sie taumelte. Bleib stehen!

    Drohend hob sich erneut eine Keule.

    »Wartet«, unterbrach Darius ihre Bestrafung.

    Lucia rang nach Luft. Blut rann von ihrer Stirn. Sie biss die Zähne zusammen, schwankte. Bleib stehen, bleib auf den Beinen!

    »Ich gebe dir noch einmal sechzig Goldstücke für die Deserteurin.« Ucurianus setzte bereits zu einem Protest an, Darius winkte aber umgehend ab. »Wenn du wahrhaftig der Meinung bist, dass irgendjemand anderes als ein Einkäufer aus Laisor sie dir abnehmen wird, dann schlag mein Angebot aus. Ich habe dir gerade vier Mal so viel geboten als das, was Scaro dir geben wird.« Ursina starrte ihren Dominus entsetzt an, widersprach aber nicht.

    Ucurianus rang mit sich. Lucia schwankte. »Einverstanden!«, rief der Händler dann rasch aus. »Sechzig für die Frau! Tasfarilor hat dich gehört, werter Darius. Der Handel ist beschlossen!«

    Lucias Blick fiel auf den roten Fleck, der sich an ihrer Tunika bildete und rasch größer wurde. Schwärze umfing sie. Bleib stehen! Es war vergebens. Sie sank zu Boden.

    »Dominus, bitte, schau sie dir nur an!« Ursinas Stimme drang aus weiter Ferne zu ihr durch. »Sie schafft es nicht einmal mehr bis in die Minen.«

    Nun war Lucia dankbar dafür, dass ihr endlich die Sinne schwanden.

    Kapitel 2

    Sabella folgte einem schmalen gepflasterten Weg den Lameal hinauf, einen der sechs Hügel Bosparans. Bisweilen wechselte sich der Weg mit einigen Stufen ab, auf denen sie kurz verharrte, um sicherzugehen, dass Derosus und Flaccus

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