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Nachrichten vom Ironman
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eBook294 Seiten3 Stunden

Nachrichten vom Ironman

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Über dieses E-Book

Einmal eine Langdistanz finishen – fast jeder Triathlet hat diesen Traum. Die sportlichen Jahreshöhepunkte von 'Tagesschau'-Sprecher Thorsten Schröder waren dagegen bisher immer die erfolgreiche Teilnahme am Hamburg-Triathlon und an den Cyclassics gewesen, bevor die Schwimmsachen und das Rennrad bis zum nächsten Frühjahr wieder im Keller verschwanden. Doch als sein Nachbar Fabian ihm von seinem erfolgreichen Langdistanzfinish erzählt, träumt auch Thorsten Schröder plötzlich davon, zum Ironman zu werden. Und als dann noch ein Kollege seine Beziehungen spielen lässt, kann das Abenteuer Ironman Frankfurt beginnen.
In seinem Buch 'Nachrichten vom Ironman' erzählt Thorsten Schröder, wie er es schaffte, seine zeitaufwendigen Jobs als 'Tagesschau'-Sprecher und Fernsehmoderator mit dem intensiven Trainingsprogramm unter einen Hut zu bekommen, wie er Krisen, Verletzungen und Panikattacken im Wasser bewältigte und was das alles für die Beziehung zu seiner Freundin Wiebke bedeutete.
SpracheDeutsch
Herausgeberspomedis
Erscheinungsdatum5. Mai 2014
ISBN9783955900304
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    Buchvorschau

    Nachrichten vom Ironman - Thorsten Schröder

    IRONMAN FRANKFURT  Das große Rennen

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    Das große Rennen

    Ich umarme Wiebke fest zum Abschied, aber mit den Gedanken bin ich schon woanders. Ich konzentriere mich auf das, was mir jetzt bevorsteht. Eingepackt in einen Neoprenanzug, mit Badekappe und Schwimmbrille auf dem Kopf, schaue ich hinunter auf den Langener Waldsee. Dort unten beginnt gleich mein größtes sportliches Abenteuer, mein erster Ironman. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und anschließend ein Marathon: 42,195 Kilometer Laufen. Ich muss wahnsinnig sein, denn ich kann mir gerade überhaupt nicht vorstellen, dass ich eine solche Ausdauerleistung vollbringen kann. Ich habe Bammel.

    »Du schaffst es!«, ruft mir meine Freundin hinterher, und ich hoffe ganz stark, dass sie recht hat. Wiebke steht inmitten der Zuschauer, die sich zu Tausenden hinter der Absperrung drängen, um uns alle anzufeuern. Schon jetzt im fahlen Morgenlicht um kurz nach sechs wuseln am Strand so viele Menschen hin und her wie sonst nur bei sommerlicher Hitze an einem Sonntagnachmittag.

    Die seelische Unterstützung kann ich gut gebrauchen, denn ich bin mindestens so nervös wie vor meiner allerersten »Tagesschau«. Mein Herz schlägt schon vor dem Start wie bei einem Sprint und ich gehe unruhig auf und ab. Dabei habe ich mich noch nie so lange und so akribisch auf etwas vorbereitet wie auf den heutigen Tag. Warum beruhigt mich das denn nicht?

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    Vielleicht, weil es viel zu viele Unwägbarkeiten auf einer so langen Strecke gibt. Macht mein Körper die Anstrengung mit? Halten der Rücken, das Knie und die Achillessehne der Belastung stand? Spielt die Psyche mit? Schaffe ich es, richtig zu essen und zu trinken? Es kann so viel passieren. O Mann, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?

    Ich drehe mich noch einmal um zu Wiebke und versuche zu lächeln. Von nun an kann sie mir leider auch nicht mehr helfen. Ich muss die 226 Kilometer ganz allein schaffen. Auf geht’s, runter zum See.

    Schon seit ein paar Minuten wühlen die Profis mit ihren Kraulzügen das Wasser auf und gleich sind wir dran: die sogenannten Agegrouper, die Freizeittriathleten in ihren Uniformen aus schwarzem Neopren und roten Badekappen. Zweitausend Frauen und Männer gehen mit Storchenschritten oder das Wasser wegkickend in den See.

    Wenn ich mir meine Mitschwimmer so anschaue, dann wirken die alle wild entschlossen. Bin ich etwa der Einzige, der die Hosen voll hat, weil er nicht weiß, was auf ihn zukommt?

    Fast alle sind schon im Startbereich und stehen bis zu den Knien oder zur Hüfte im Wasser, bevor auch ich etwas zögerlich hinterherstapfe. Das Wasser ist recht sauber und hat mit 21 Grad eine angenehme Temperatur. Die Lufttemperatur liegt etwas darunter, der Himmel ist leicht bedeckt. Was bin ich froh: Der See ist nicht so warm, dass ein Neoprenanzug verboten wäre. Ich habe mir extra einen neuen Neo besorgt, der mich beim Schwimmen hoffentlich nicht so einengt wie mein alter Anzug und außerdem für genug Auftrieb sorgt. Mir ist trotzdem mulmig zumute. Wie immer vor dem Schwimmen im Freiwasser, seit mir beim Hamburger Triathlon vor ein paar Jahren ein Missgeschick passiert ist.

    Damals zog und zerrte ich unmittelbar vor dem Start an meinem Neo, weil er nicht gut saß, er zwickte noch hier und da. Das Material war im Laufe der Jahre offenbar spröde geworden, denn ich hörte plötzlich ein böses Geräusch – rrrrrrrrtsch –, und schon zog sich auf Höhe des Bauchnabels ein großer Riss quer durch den Anzug, etwa 30 Zentimeter breit. Dass dieser Riss böse Folgen haben könnte, daran dachte ich in dem Moment noch nicht.

    Erst als ich ins Alsterwasser gesprungen war, wurde mir klar, dass ein kaputter Neo nicht nur keine Hilfe ist, sondern mindestens hinderlich. Es wurde kalt und nass im Anzug, denn er füllte sich langsam mit Wasser, und ich kam nur noch schleppend voran. Es wurde immer anstrengender und ich fühlte mich zunehmend unwohler in meiner Haut. Nach etwa 100 Metern war der Neo so aufgebläht, dass ich kaum noch von der Stelle kam. Jetzt wurde es brenzlig: Ich kraulte wie wild, doch der Sog wollte mich hinunter in die Tiefen der kühlen Alster ziehen. Plötzlich breitete sich in mir ein schreckliches Gefühl aus. In Armen und Brust hatte sich ein heftiges Gewitter gebildet, das hinaufzog in meinen Kopf. Angst! Panik! Ich verlor die Kontrolle über mich und fuchtelte hektisch mit Armen und Beinen, um nicht unterzugehen. Ich keuchte wie wahnsinnig und unterdrückte den Impuls, nach Hilfe zu schreien. Verzweifelt suchte ich nach Rettung. Der Steg, von dem aus wir in die Alster gesprungen waren, war zu weit weg. Aber ein Kanufahrer der DLRG war bereits auf mich aufmerksam geworden und kam mir entgegen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich endlich den Bug des Kanus zu fassen bekam und mich daran festhalten konnte, erleichtert und schwer atmend. Ich holte tief Luft und beruhigte mich langsam. Das Gewitter verzog sich. Jetzt konnte nicht mehr viel passieren, ich würde nicht auf den Boden der Alster sinken und elendig ertrinken. Gerettet!

    Ich weiß noch genau, dass mir damals der Gedanke durch den Kopf schoss, mich vom Kanu einfach ans rettende Ufer schleppen zu lassen und das Rennen zu beenden. In Sekundenschnelle war mir aber klar, dass ich unbedingt weitermachen wollte. Ich musste nur den Neo loswerden. Also versuchte ich, den eng anliegenden Anzug mit einer Hand von meinem Körper abzustreifen, während ich mich mit der anderen am Kanu festhielt – ein schwieriger Kampf mit dem widerspenstigen Neo, dem Kanu und dem Wasser. Ein Kanu ist eine wackelige Angelegenheit, auch wenn dessen Fahrer wild paddelte, um das kleine Boot stabil zu halten, während ich an ihm zog und zerrte. Es dauerte fast zehn Minuten, dann hatte ich den Neo abgepellt. Endlich frei! Nur mit Badehose bekleidet, schwamm ich noch leicht geschockt, aber in aller Ruhe die restlichen etwa 1.400 Meter ins Ziel.

    Als ich aus dem Wasser stieg, entdeckte ich Wiebke sofort hinter der Absperrung. Sie schien mich nicht recht zu erkennen, sondern starrte mich an, als wäre gerade ein Gespenst aus dem Wasser gestiegen. Sie war offenbar vollkommen verdutzt, dass ich dermaßen leicht bekleidet war. 40 Minuten zuvor war ich schließlich in voller Montur in die Alster gesprungen.

    Dieses Erlebnis hat tiefe Spuren hinterlassen. Seitdem schlummert das bedrohliche Gefühl in mir – allzeit bereit, sich zu einem Gewitter zusammenzubrauen, wenn ich im See schwimme. Zuletzt ereilte mich die Panik beim Vorbereitungstriathlon in Darmstadt vor einem Monat. Erst nach quälend langen Minuten mit schwerem Atem und einem platzen wollenden Schädel konnte ich die Angst besiegen. Die große Sorge vor der Panik ist aber bei jedem Wettkampf präsent.

    Jetzt auch, unmittelbar vor dem Ironman-Start. Was, wenn das Kopfgewitter wieder auftaucht und ich das Rennen abbrechen muss? Dann wäre all das Training für die Katz gewesen. Hoffentlich habe ich die mentale Stärke, aufkommende Panikattacken abzuwehren.

    Gleich ist es so weit. Nur noch eine Minute, sagt gerade der Sprecher. Schnell eintauchen, schnell ein paar kurze Sprints, dann suche ich mir ganz hinten im Feld ein ruhiges Plätzchen. Die anderen können nach dem Startschuss gern losrasen, ich komme später hinterher. Ich will meinen eigenen Rhythmus finden. Umso ruhiger werde ich.

    Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Plötzlich fühle ich weder Zurückhaltung noch Angst. Forsch stapfe ich in großen Schritten an den anderen vorbei. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist – aber ich will beim Start nicht hinten stehen, sondern mittendrin sein.

    Moment mal, geht es jetzt nicht vor allem darum, sicher ins Ziel zu kommen? Was mache ich da? Ist das nicht gefährlich? Ich wundere mich über mich selbst. Offenbar bin ich bei dem Gemisch aus Vorfreude, Spannung und vor allem Adrenalin größenwahnsinnig geworden. Bevor ich auf die Idee komme, dass ich zu viel riskiere, höre ich den Sprecher schon den Countdown starten. Hier komme ich jetzt nicht mehr weg. Aber aus unerfindlichen Gründen will ich das auch gar nicht. In wenigen Sekunden fällt der Startschuss. Dann muss sich erweisen, ob ich soeben einen großen Fehler gemacht habe. Und ob ich in den vergangenen Monaten tatsächlich so fit geworden bin, dass ich diesen langen und anstrengenden Wettkampftag durchstehe. Noch vor zehn Monaten hatte ich nicht daran zu denken gewagt, tatsächlich einen Ironman in Angriff zu nehmen. Damals war ich noch ein ganz normaler Freizeitsportler.

    Panik, wie sie Thorsten beschreibt, habe ich zum Glück so noch nie erlebt. Aber ein beklemmendes Gefühl beim Schwimmstart ist ganz normal. Zu meinen Weltcup-Zeiten war die erste Boje für mich immer der Horror, da ging es drunter und drüber – Schläge und Tritte inklusive. Sie sollten sich schon beim Start entsprechend Ihrer Leistungsfähigkeit positionieren. Wer weiß, dass er nicht der allerbeste Schwimmer ist, sollte sich lieber außen und etwas weiter hinten aufstellen und den kleinen Umweg auf den ersten Metern ruhig in Kauf nehmen. Das ist besser, als überschwommen zu werden und gar keinen Schwimmrhythmus zu finden. Suchen Sie sich ein Umfeld, dessen zu erwartende Leistung zu Ihrer passt. Das kann man vor dem Start durch kurzes Fragen abklären. Eine kleine Angstbremse: Überlegen Sie sich mal, wie oft Triathleten schon mit 2.500 oder mehr Gleichgesinnten gleichzeitig ins Wasser gesprungen sind. Und wie wenig Unfälle es daran gemessen in den letzten 15 bis 20 Jahren gab. Es gab zwar einige tragische Todesfälle durch Herzinfarkte. Aber die werden nicht in erster Linie durch die schiere Masse an Athleten ausgelöst worden sein. Im Triathlon wird grundsätzlich Rücksicht aufeinander genommen, wir sind alle keine Monster!

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    Andreas Raelert

    * 11. August 1976

    Andreas Raelert nahm 2000 in Sydney und 2004 in Athen an den Olympischen Spielen teil. Nachdem der Rostocker die Qualifikation für Peking knapp verpasste, wechselte er auf die Langdistanz und landete bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii mehrfach auf dem Podium.

    In Roth stellte er 2011 die Weltbestzeit auf der Langdistanz auf.

    AUGUST  Noch elf Monate

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    Noch elf Monate

    Der Schweiß klebt mir im Gesicht, meine Haare sind nach vier Stunden unterm Fahrradhelm nicht fernsehtauglich, meine Startnummer habe ich in einen Mülleimer geworfen und mein Rücken verlangt nach dem Sofa. Meine Waden und Oberschenkel sowieso. Ich schalte drei Gänge runter und kurble auf meinem Rennrad erschöpft, aber zufrieden Richtung Apfelsaftschorle, Kaffee und Kuchen. Wiebke wartet auf mich, um mich nach den Cyclassics erstzuversorgen. Die drei Kilometer aus der Hamburger Innenstadt nach Hause sind das perfekte Ausrollen nach einem langen Rennen über 155 Kilometer durch die Straßen von Hamburg und Umgebung. Ich war zum 15. Mal am Start und bin zum 15. Mal heil ins Ziel gekommen. Fast wäre es diesmal allerdings schiefgegangen.

    Vor meinem inneren Auge läuft die Szene ab, die mir mindestens Schürfwunden, blutige Knie und ein zerdelltes Rad hätte bescheren können: Es geschah kurz vor dem idyllischen Örtchen Buchholz. In einem Pulk von zig anderen Radlern ließ ich meine Beine gleichmäßig treten, als plötzlich ein gelbes Trikot von links heranschoss und ungeduldig versuchte, sich zwischen meinen beiden Windschattenspendern hindurchzumogeln. Das sieht gefährlich aus, dachte ich und nahm die Finger an die Bremsen, bereit zum sofortigen Handeln. Genau die richtige Entscheidung, denn der Drängler kam einem der beiden etwas zu nah. Ein Scheppern, Schreie und der Ungestüme krachte zusammen mit seinem Opfer vor mir auf den Asphalt. Ich sah noch, wie sich beide verknäulten. Den Rest hörte ich nur. Denn mit einer ruckartigen Bewegung hatte ich es gerade noch geschafft, mein Rad um den Crash herumzulenken und nicht zu einem der Dominosteine zu werden, die sich jetzt mit Getöse ebenso langlegten wie das gelbe Trikot. Hinter mir endete gerade so mancher Traum von einer erfolgreichen Cyclassics-Teilnahme, begleitet von hässlichen Geräuschen, die entstehen, wenn Mensch, Rad und Asphalt hart aufeinandertreffen. Ich strampelte gleichmäßig weiter, wenn auch mit einem riesigen Schrecken in den Gliedern. Das Einzige, was raste, war mein Puls.

    Zum Glück bin ich verschont geblieben und verkrafte es deshalb locker, wieder nicht die magische Grenze von vier Stunden geknackt zu haben. Ganz knapp verpasst, um vier Minuten. Ich konnte zum Ende des Rennens einfach nicht mehr zulegen. Riesige Berge türmten sich plötzlich vor mir auf. Wie kamen denn die Alpen hierher in die norddeutsche Tiefebene? Oder waren es die Pyrenäen? Bei nüchterner Betrachtung könnte man auch von kleinen Hügeln sprechen. Aber sie waren mir nach rasanten 120 Kilometern eindeutig zu steil. Schwer keuchend kämpfte ich mich über die Gebirgskette und rollte im Tal durchs Ziel. Immerhin dürfte ich unter den gut 2.000 Teilnehmern einen Platz im vorderen Drittel geschafft haben, und über einen Schnitt von fast 39 Kilometern pro Stunde kann ich auch nicht klagen.

    Ich biege in die zweite Zielgerade des Tages ein, in meine Straße. Mit den Cyclassics endet meine Saison und das Rennrad verschwindet gleich bis zum nächsten Frühjahr im Keller.

    »Hallo, Thorsten«, höre ich plötzlich eine Stimme, als ich vom Rad steige. »Wie lief das Rennen?«

    Fabian steht auf dem Balkon im zweiten Stock des Mietshauses nebenan und ruft herunter. Wieso sieht der so frisch und erholt aus und lächelt fröhlich? Er kann unmöglich bei den Cyclassics mitgemacht haben. Ich erzähle, dass ich froh bin, heil angekommen zu sein, und will wissen, warum er nicht dabei war.

    »Ich habe gerade meinen ersten Langdistanztriathlon geschafft, in Glücksburg beim Ostseeman.«

    Fabian ist Drehbuchautor und kann sich als Freiberufler die Zeit fürs Training ganz gut einteilen. Er hat mir mal erzählt, dass er sich trotzdem an den Langdistanzen in Frankfurt und in Embrun in den Alpen die Zähne ausgebissen hatte. Zwei Versuche, zweimal ist er nicht ins Ziel gekommen. Und jetzt?

    »Nach 12 Stunden 26 war ich durch.«

    »Wahnsinn! Herzlichen Glückwunsch!« Dabei wirkt Fabian auf mich gar nicht so drahtig und dürr, wie ich mir einen Langdistanzler immer vorstelle. Er muss aber super trainiert sein, denn jetzt ist er Finisher.

    »Es war zwar sehr windig und der Wellengang war heftig, aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Viele Zuschauer, eine tolle Stimmung – einfach ein grandioses Erlebnis!«

    Wir waren uns lange nicht über den Weg gelaufen, deshalb hatte ich nicht mitbekommen, dass er diese Tortur noch einmal in Angriff genommen und auch noch gemeistert hat. Ich bin beeindruckt! Und der Hobby-Triathlet in mir wird sehnsüchtig. Ach ja, einmal eine Langdistanz absolvieren oder sogar den Mythos Hawaii erleben, das hätte schon was. Dieser Traum schlummert schon seit Jahren als winzig kleine Idee in der hintersten Ecke meines Hirns. Immer nur kurz auf sich aufmerksam machend, wenn ich im Oktober Bilder vom Ironman auf Hawaii sehe und ganz große Augen bekomme. Durchtrainierte Menschen kämpfen sich durch Wasser und Wüste, bis sie sich mit letzter Kraft, aber unglaublich glücklich ins Ziel schleppen. Wie muss man dafür trainieren? Worauf kommt es im Rennen an? Wie fühlt es sich an, so viele Stunden in Bewegung zu sein, eine solche Distanz zu bewältigen? Das würde ich gern einmal im Selbstversuch in Erfahrung bringen. Wenn nur dieser riesige Trainingsaufwand nicht wäre.

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    Ich hatte Fabian mal auf seiner Rennmaschine getroffen, aber viel Zeit für ein Schwätzchen unter Nachbarn hatte er damals nicht. Nach 150 Kilometern auf dem Rad wollte er sofort die Schuhe schnüren und zehn Kilometer Laufen dranhängen. »Koppeltraining« nannte er das. Dabei klingelte bei mir der Wecker, der mich aus meinem Traum riss: Wer bei einem Ironman an den Start gehen will, der muss sehr, sehr viel dafür tun. Neue sportliche Ziele sind schön und gut, aber sie sollten realistisch sein. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ein Ironman für mich so weit weg ist, wie »Wetten, dass..?« zu moderieren.

    Ich bin und bleibe wohl ein Genusssportler, der es liebt, sich an der frischen Luft zu bewegen, die Natur zu genießen, seinen Körper zu spüren und etwas für seine Fitness zu machen. Ein bisschen Herausforderung und Anstrengung kann ich gebrauchen, aber nicht so viel, dass es zur Qual wird. Bei den Cyclassics muss es immer die lange Strecke sein, die 155 Kilometer. Und schon vor vielen Jahren habe ich mein Rennradhobby ausgeweitet auf Triathlon. Vom Sprint habe ich mich zur olympischen Distanz vorgearbeitet. Statt 500 Meter Schwimmen sind das 1.500 Meter im Wasser, statt 20 Kilometer auf dem Rad sind es 40 und statt 5 Kilometer laufe ich 10. Damit falle ich höchstens in die Kategorie »ambitionierter Freizeitsportler«. Mehr aber auch nicht. Der Schritt zum Ironman ist viel zu groß.

    Mein Reich sind die Triathlons über die olympische Distanz. Vor ein paar Wochen war ich zum elften Mal hintereinander beim Hamburg-Triathlon am Start und lief nach 2 Stunden und 38 Minuten über die Linie. Dafür muss ich zwar gezielt trainieren, aber außergewöhnlich große Opfer fordert das nicht. Mein nächstes sportliches Ziel ist eine Zeit unter 2:30 Stunden, ich werde es ab dem nächsten Frühjahr versuchen. Vielleicht auch erst im Jahr danach.

    Ich verabschiede mich vom Ironman Fabian, hebe mein Rad auf die Schulter und steige die Kellerstufen hinab. Ganz vorsichtig, nur nicht mit den Klickschuhen abrutschen! Ich habe die Cyclassics unverletzt überstanden, jetzt sollte ich nicht an der Treppe scheitern.

    Der Gedanke an den Ironman lässt mich nicht los. Mal überlegen: Eine Langdistanz beginnt mit 3,8 Kilometern im Wasser. So viel bin ich noch nie in meinem Leben am Stück geschwommen. Schon gar nicht gekrault. Ungefähr eine Stunde und 15 Minuten bräuchte ich wohl mindestens dafür. Wie sollte ich das denn durchhalten? Die 1,5 Kilometer bei der olympischen Distanz schaffe ich. Aber spätestens nach zwei Kilometern würde ich elendig ersaufen. Wenn nicht wegen Erschöpfung, dann nach einer Panikattacke. Im Wasser bin ich überhaupt nicht in meinem Element. Fast alle Triathleten hassen das Schwimmen, oder? Ich wäre also in guter Gesellschaft, aber ein Trost ist das nicht. Mein Ironman-Schwimmcheck ergibt: die reinste Qual.

    Außerdem fährt man 180 Kilometer auf dem Rad. Bei den Cyclassics bin ich 155 Kilometer unterwegs, früher waren es sogar mal 170. Viel fehlt also nicht mehr. Resultat des Radfahrchecks: verdammt lang, aber

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