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Süßer - Himmel auf Erden
Süßer - Himmel auf Erden
Süßer - Himmel auf Erden
eBook312 Seiten4 Stunden

Süßer - Himmel auf Erden

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Über dieses E-Book

Der Chirurg Calvin Cox geht völlig in seiner Arbeit auf. Neben seinem beruflichen Engagement investiert er viel Zeit, Geld und Mühe in den Ausbau einer alten Textilfabrik, aus der die Kommune 8, ein Ort für alternative Lebensentwürfe, entsteht.
Calvin glaubt, dass ihm zum Glücklichsein nichts fehlt. Doch dann tritt Leander in sein Leben und verdeutlicht ihm mit seiner unkonventionellen Denkweise, wie fad sein bisheriges Leben war. Mit Leander ist auf einmal alles bunter und süßer.
Doch werden sie es schaffen, die Steine der Vergangenheit aus dem Weg zu räumen, um sich gegenseitig eine Heimat bieten zu können?
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum8. Juni 2019
ISBN9783960893134
Süßer - Himmel auf Erden

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    Buchvorschau

    Süßer - Himmel auf Erden - Neo Lichtenberg

    Süßer –

    Himmel auf Erden

    Ein Roman von

    Neo Lichtenberg

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2019

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Unique Vision – shutterstock.com

    © Tetiana Lukerievas – shutterstock.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-312-7

    ISBN 978-3-96089-313-3 (epub)

    Inhalt:

    Der Chirurg Calvin geht völlig in seiner Arbeit auf. Neben seinem beruflichen Engagement investiert er viel Zeit, Geld und Mühe in den Ausbau einer alten Textilfabrik, aus der – ganz im Sinne seiner früh verstorbenen Eltern – die Kommune 8, ein Ort für alternative Lebensentwürfe, entsteht.

    Calvin glaubt, dass ihm zum Glücklichsein nichts fehlt. Doch dann tritt Leander in sein Leben und verdeutlicht ihm mit seiner unkonventionellen Denkweise, wie fad sein bisheriges Leben war. Mit Leander ist auf einmal alles bunter und süßer.

    Jedoch sind sowohl Calvin als auch Leander durch Erlebnisse in der Vergangenheit nicht unbelastet. Schaffen sie es, diese Steine aus dem Weg zu räumen und Klarheit zu schaffen, damit sie sich gegenseitig eine Heimat geben können? Calvin gibt sich einen Ruck und setzt ein Zeichen in der Hoffnung, dass es dafür noch nicht zu spät ist.

    Wie bereits beim Debüt „Härter handelt Lichtenbergs Erzählung von Menschen in der Kommune 8 und setzt damit die Reihe „Himmel auf Erden fort. Dabei können die Geschichten unabhängig voneinander gelesen werden, da jede für sich mit lebendigen und authentischen Charakteren und einer eigenständigen Handlung aufwartet.

    Die Figuren in meinen Geschichten entspringen meiner Fantasie und können folgenlos ungeschützten Sex haben. Bitte denk aber im wahren Leben an Safer Sex.

    Eins

    Der Blick in den Spiegel lässt mich innehalten. Nachdenklich betrachte ich mich. Ich bin frisch geduscht, rasiert und mit dem Anblick zufrieden. Warum ziehe ich dennoch die Augenbrauen verspannt zusammen? Das sieht ziemlich mürrisch aus, fällt mir auf. Dabei entspricht dies überhaupt nicht meinem Gemütszustand. Allerdings ist ebenso offensichtlich, dass ich von Entspannung weit entfernt bin.

    Die Tatsache, dass ich mich heute Abend auf den Weg in den Club mache in der Hoffnung, dort einen bestimmten Typen zu treffen, behagt mir nicht. Mein eigenes Verhalten verunsichert mich, da es untypisch ist.

    Mit meinem Leben bin ich insgesamt zufrieden und glücklich. Ich bin jung, gesund und habe einen Beruf, den ich mit Leidenschaft ausübe. Meine Familie ist überschaubar, dafür habe ich Freunde und Bekannte, die mir ein Gefühl von Zugehörigkeit schenken. Einen festen Partner suche ich nicht explizit, wofür ich einfach keinen Anlass sehe. Eher glaube ich, dass ich für dieses Partnerschaftszeug nicht geschaffen bin. Trotzdem bin ich in meinem tiefsten Inneren ein Romantiker, welcher es nicht besonders anziehend findet, einen Mann in einem Club aufzuspüren. Und warum auch, wenn ich eben noch getönt habe, keinen Partner zu suchen? Was will ich denn von dem Kerl?

    Da mir bewusst ist, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Antwort von mir erwarten kann, breche ich das Forschen danach ab. Das bringt gerade nichts. Stattdessen klatsche ich mir ein paar Tropfen Rasierwasser ins Gesicht. Wie immer bereue ich es für eine Sekunde, nicht doch auf einen hautfreundlicheren Balsam umgestiegen zu sein. Aber dann ist das unangenehme Gefühl bereits vorbei und ich genieße das Kribbeln auf der Haut.

    Mit einer Hand fühle ich nach, ob auf meinem Kopf wirklich alles trocken ist, bevor ich kreuz und quer mit der Bürste durch mein Haar fahre. Anschließend wuschele ich mit den Fingern alles wieder durcheinander, damit ich nicht zu artig aussehe. Meine Haare machen sowieso, was sie wollen, daher wäre weitere Mühe Perlen vor die Säue geworfen.

    Nachdem ich das Bad verlassen habe, ziehe ich mich an, stecke in die Jackentasche, was ich glaube, für den heutigen Abend zu brauchen, und greife nach den Schlüsseln.

    Auf dem Hof vor meiner Wohnung, der im vorderen Bereich von gelblichem Licht erhellt wird, ist es ruhig. Einige Mitbewohner haben ihr Auto unter dem Carport geparkt. Ein paar Wagen stehen daneben. An der Seite stehen ein paar Fahrräder und ein Bollerwagen unter dem überdachten Ständer. Menschen sind nicht zu sehen, was mich nicht weiter verwundert. Um diese Jahreszeit ist es zu kalt, um abends lange draußen zu sitzen. In einigen anderen Wohnungen sehe ich zwar noch Licht, aber Geräusche dringen nicht mehr an mein Ohr. Na gut, es ist Mitternacht. Was habe ich anderes erwartet?

    Als ich in meinen Wagen eingestiegen bin, schließe ich leise die Tür und greife nach der Automatik für das Hoftor. Nachdem ich den Knopf betätigt habe und das große Portal den Weg freigibt, verlasse ich mein Zuhause und mache mich auf den Weg.

    Etwa eine halbe Stunde später stehe ich am Rand der Tanzfläche des ManPit, so, wie ich es mir beim Fertigmachen schon ausgemalt habe.

    Suchend wandert mein Blick über die sich bewegende Menge. Das Geschehen ist geradezu klischeehaft für einen Club dieser Art. Tanzende Männer so weit das Auge reicht, viele davon nur leicht bekleidet. Das müsste eigentlich ein Traum sein, ein Traum, der wahr geworden ist. Eigentlich, müsste … Wenn ich nur gerade nicht auf der Suche nach diesem bestimmten Typen wäre! Unter diesen Voraussetzungen kann ich die Fülle des Lebens vor mir und um mich herum nicht genießen.

    Die Gäste abseits der Tanzfläche suche ich ebenfalls ab, bleibe aber weiterhin ohne Erfolg. Sonst habe ich ihn meist unter der glitzernden Discokugel, die das auf sie treffende Licht in alle Richtungen verstreut, gefunden. In dem Schimmer hat er stets wie verzaubert gewirkt. Wie er in den Strahlen gebadet und sich zur Musik bewegt hat, raubte mir jedes Mal den Atem. Dazu der freie Oberkörper, der nur von einer schwarzen Lederweste mit langen Fransen umspielt wurde. Was für ein Anblick! Innerlich sabbere ich allein bei dem Gedanken daran. Dieser schlanke Brustkorb und dieses schmale Gesicht, von dem ich allerdings bisher kaum etwas genauer gesehen habe, haben es mir angetan.

    Seit ein paar Wochen komme ich gelegentlich am Wochenende ins ManPit, einem Club für Männer, wie der Name bereits vermuten lässt. Ich bin nicht regelmäßig hier, aber wenn ich erträgliche Musik und hübsche Kerle suche, dann ist der Laden meine bevorzugte Adresse. Hier mache ich das, was die meisten Männer an solch einem Ort machen. Tanzen, trinken, Jungs gucken, flirten, ficken. Na, das mit dem Flirten stimmt nicht ganz. Das wird auch gerne ausgelassen, aber der Rest der Aufzählung trifft es ziemlich genau.

    Mit dem Typen, den ich gerade hier vermisse, habe ich noch nie ein Gespräch geführt und erst recht nicht geflirtet. Unsere Abfolge sieht normalerweise folgendermaßen aus: Ich beobachte ihn auf der Tanzfläche. Wenn er schließlich durch den Vorhang aus schmalen Lederstreifen in den Darkroom verschwindet, seltsamerweise immer alleine, dann folge ich ihm zügig dahin und greife ihn ab. Wir haben Sex miteinander, heftig und gut. Stets dreht er mir den Rücken zu und streckt mir seinen Arsch entgegen. Es scheint ihm so zu gefallen, denn auf diese Weise bietet er sich mir jedes Mal an. Also nehme ich ihn immer von hinten, wogegen ich nichts habe. Anschließend verschwindet er – und ich ebenso. Außerhalb der dunklen Höhle nimmt er keinen Kontakt zu mir auf und ich genauso wenig zu ihm. Meistens sehe ich ihn danach überhaupt nicht mehr. Auf genau diese Art läuft das bisher mit uns.

    Seit drei Wochen machen wir das jeden Samstagabend. Anscheinend ist er heute aber nicht da, was mich in eine schlechte Stimmung versetzt. Mein Körper schreit nach Befriedigung und pocht auf sein Gewohnheitsrecht. Hauptsächlich pocht es dabei allerdings in meiner Körpermitte.

    Ich beschließe, in einer halben Stunde heimzufahren, sollte er bis dahin nicht aufgetaucht sein. Einen anderen Kerl aufreißen, das will ich irgendwie nicht. Mir ist nicht danach. Auch wenn ich es ungern zugebe, ich hatte mich auf ihn gefreut, auf ihn, diesen einen Kerl, nicht auf einen beliebigen Fick. Ich möchte wirklich nicht darüber nachdenken, wieso ich keinen anderen Mann will. Würde es irgendein anderer Arsch nicht genauso tun? Nein, nicht darüber nachdenken …

    »Cal!«

    »Vin!«

    Alleine schon, wie sie die einzelnen Fragmente meines Namens gemeinsam rufen, lässt mich seufzen. Das hat mir gerade noch gefehlt! Mein Kumpel Christian und sein Mann kommen auf mich zu. Freudestrahlend umarmen sie mich wie einen lange vermissten Freund und ziehen mich zur Theke. Ehe ich überhaupt etwas sagen kann, habe ich ein Bier in der Hand und stoße mit den beiden an.

    »Was machst du denn hier?«, fragt Christian und klingt dabei weder anklagend noch überrascht, eher schlicht neugierig. »Wusste ich gar nicht, dass du schon mal in der Szene unterwegs bist. Und dann hier im ManPit … hättest ja mal was sagen können …«

    »Was ich hier mache? Das sollte ich wohl eher dich fragen oder Ben. Ihr seid verheiratet! Solltet ihr da nicht in eurem schönen kleinen Haus in eurem schönen kleinen Bett liegen? Es ist schon nach eins, also wirklich!«

    Chris und Ben lachen nur. Mir ist klar, dass mein Sarkasmus wahrscheinlich nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird, denn dazu kennt mich Chris zu genau. Von meinen Bekannten gehört er eindeutig in den engeren Kreis und sein Mann Ben ebenfalls. Natürlich wissen die beiden, dass ich genau wie sie auf Männer stehe, aber in der Regel treffen wir in der Szene eher selten aufeinander.

    Christian ist ein toller Mann. Er sieht gut aus, hat einen liebenswerten Charakter und ist ein umgänglicher Mensch. Das Beste ist, dass er dabei nicht langweilig ist. Immer hat er Ideen und irgendwelche Projekte am Start. Seinen Mann Ben mag ich sehr. Die beiden sind unbeschreiblich glücklich miteinander, was mich einerseits ein wenig neidisch macht, mir andererseits deutlich vor Augen hält, dass ich selbst mich bisher für dieses Paar- und Beziehungsding kaum als geeignet erwiesen habe. Da ich dieser Meinung schon länger bin, weiß ich, dass Chris mir die spitzen Bemerkungen nicht übelnehmen wird. Er kennt mich und weiß, dass es in meinem Leben bisher keine nennenswerte Liebesbeziehung gegeben hat, nur ein paar befriedigende Affären, mehr nicht. Etwas Vergleichbares zu dem, was ihn mit Ben verbindet, gab es bei mir noch nie.

    »Ach, was wir hier machen? Nichts Besonderes«, wiegelt Chris ab und wedelt dabei übertrieben mit der Hand herum, was überhaupt nicht zu ihm passt und mich daher zum Lachen bringt. »Wir haben nur gerade überlegt, ob wir eventuell geeignetes Material für einen Dreier finden. Ben hat mir da einen Floh ins Ohr gesetzt. Vielleicht wäre das was für uns. Wer weiß?«

    Bitte was? Bitte was! Sowohl die gelassene Miene meines Freundes als auch seines Partners lässt nicht eindeutig erahnen, ob sie das mit dem dritten Mann im Team ernst meinen. Wollen die mich nur verarschen? Ich traue es ihnen zu. Andererseits traue ich ihnen ebenfalls zu, dass sie auf der Suche nach einem Spielgefährten sind. Warum nicht?

    »Chris, das will Calvin bestimmt alles gar nicht wissen. Oder etwa doch?« Herausfordernd hebt Ben leicht sein Kinn. Er grinst mich frech an, wobei seine Augen aufblitzen. Er hat eindeutig Spaß an der Situation.

    »Da ich mir ziemlich sicher bin, dass ich nicht die dritte Person in eurem Bett oder wo auch immer bin, reicht es mir an dieser Stelle wirklich.«

    Betont lässig drehe ich mich zum Tresen und trinke von meinem Bier. Puh, da bin ich noch einmal glimpflich davongekommen. Meinen Freund Chris möchte ich mir generell nicht beim Sex vorstellen, auch wenn wir in unserem bisherigen Leben schon den ein oder anderen Blick in das Intimleben des anderen geworfen haben. Wir sind Freunde. Wir stehen beide auf Männer. Wir haben viele Jahre in direkter Nachbarschaft gewohnt. Damals war mir bezüglich meiner Sexualität und Neigung noch nicht alles ganz klar, aber trotzdem bekommt man einige Dinge mit, die man vielleicht gar nicht wissen wollte.

    Jetzt sind wir erwachsen. Wir sind immer noch Freunde, die sich nahestehen. Trotzdem achten wir darauf, dem jeweils anderen sein eigenes Leben zu lassen. Wir hängen nicht ständig aneinander und mischen uns nicht überall ein.

    »Also, was verschlägt dich hierher?«, fragt Chris erneut und stupst mich dabei leicht mit der Schulter an, eine freundschaftliche Geste.

    »Da ich ein gesunder Mann bin, gehe ich am Wochenende schon mal aus. Das ist doch nicht verwunderlich. Hä!« Ich klinge patzig und merke es auch gleich. »Das ist ganz toll! Und überhaupt nicht verwunderlich«, kontert Chris. Er zwinkert mir zu und geht nicht weiter auf meinen Tonfall ein. Das ist genau richtig, denn mir tut es schon leid, dass ich so ruppig war. »Da du erst vor kurzem wieder hierhergezogen bist, wusste ich einfach nicht, wo du rumhängst. Das ist alles.«

    »Schon gut! Heute Abend ergibt sich hier für mich offensichtlich nichts. Dann fahre ich gleich nach Hause.«

    Vermeintlich unbekümmert zucke ich mit den Schultern und lasse meinen Blick noch einmal über die anwesenden Männer fließen. Ich bemühe mich, nicht zu konkret, sondern nur oberflächlich interessiert zu wirken.

    Chris und Ben erzähle ich sicherlich nicht, dass ich nach einem bestimmten Kerl Ausschau gehalten habe. Das wäre es noch! Die beiden in diesem Club zu treffen, finde ich überhaupt nicht schlimm. Unsere sexuelle Ausrichtung ist schließlich kein Geheimnis. Dass man da mal in einen Men-Only-Club geht, ist ebenfalls kein Wunder. Hätte ich einen festen Partner, würde ich ihn vor meinen Freunden bestimmt nicht verstecken. Vor Christian könnte ich einen Freund sowieso nicht lange verheimlichen, da er meine emotionalen Befindlichkeiten schnell erkennt. Aber im Moment bin ich auf der Suche. Diesem Kerl bin ich dreimal begegnet. Ich würde gerne mehr über ihn wissen, ihn häufiger treffen. Das ist noch nichts Greifbares zwischen uns, nichts zum Vorstellen.

    Für mich fühlt es sich an, als würde ich blind nach einem Schatz tauchen. Wie eine alte Schatztruhe mit schweren eisernen Beschlägen sah mein Three-Night-Stand zwar nicht gerade aus, aber trotzdem passt das Bild für mich. Bekomme ich die Gelegenheit, den Deckel zu heben? Erwartet mich eine Beute, wertvoller als Gold? Oder finde ich nur ein modriges Skelett? Entdecke ich überhaupt etwas?

    Ich finde diese Vorstellung äußerst inspirierend und nehme mir vor, mich über dieses Thema morgen in meinem Atelier an der Leinwand auszutoben. Aber jetzt in diesem Moment, beschallt von der lauten Musik und benebelt von Ausdünstungen anderer Männer, von denen einige offenbar mehr Glück bei der Jagd haben, kehrt schlagartige Ernüchterung ein. Was auch immer sich unter dem Deckel befindet, erst einmal muss ich die Schatztruhe finden. Danach sieht es gerade nicht aus!

    Zwei

    Von meinem Büro im Krankenhaus aus schaue ich in den Park. So früh am Morgen sind noch keine Patienten zum Spaziergang unterwegs in dieser kleinen Grünfläche. Außerdem ist es noch nebelig. Die Feuchtigkeit hockt glitzernd auf den Büschen und auf dem Gras.

    Besonders schön ist der Garten nicht gestaltet. Altmodisch befindet sich mittig eine ovale Rasenfläche, die von einem Weg umgeben ist, der mich von oben an eine Rennbahn erinnert. Diesen festen Schotterstreifen gehen die Patienten, die einigermaßen fit sind, immer wieder ab. Alle schön in eine Richtung! Mir ist klar, dass es wichtig ist, dass die Patienten zu Fuß, mit dem Rollator oder Rollstuhl den Weg sicher benutzen können. Aber hätte man die Parkanlage nicht etwas schöner arrangieren können? Rings um den Rasen, der eine Farbe hat, als hätte ein Wiederkäuer ihn schon einmal verdaut, befinden sich dunkelbraune Holzbänke und Büsche, immer schön abwechselnd. Also, wer hier nicht gesund wird …

    Aber ich will mal nicht so viel meckern, denn immerhin gibt die Klinik das Geld an anderen Stellen für sinnvolle Dinge aus. Gerade erst wurden ein neuer Inkubator für die Kinderklinik und ein Transportinkubator angeschafft. Häufig müssen extrem frühgeborene Kinder in die benachbarte Klinik, um dort an den Augen operiert zu werden. Eine Laserkoagulation zum Beispiel kann nicht warten, bis die Kinder anderweitig transportfähig sind, dann ist die Netzhaut nämlich längst ab und die kleinen Patienten sind blind. Bei immer mehr überlebenden Frühgeborenen ist ein moderner Transportinku wirklich ein Segen.

    Habe ich eigentlich bisher erwähnt, dass ich Arzt bin? An meinen Schilderungen lässt sich wahrscheinlich erahnen, dass ich in diesem Etablissement nicht im Personalbüro oder der Buchhaltung sitze.

    Ich bin Chirurg und seit ein paar Monaten Oberarzt in dieser Klinik. Im Speziellen bin ich zuständig für die Kinderchirurgie. Zurzeit arbeite ich morgens in der Notaufnahme, unter anderem als Durchgangsarzt, und bin in der Sprechstunde tätig. Diese Aufgabe teile ich mir quartalsweise mit den drei weiteren Oberärzten. Jeder von uns ist froh, wenn er es hinter sich hat, denn echte Freude macht das nicht. Außerdem fehlt einem die Zeit, die man in der Ambulanz arbeitet, für die Betreuung der eigenen Station. Ärgerlich, aber eben notwendig!

    Chirurgie ist genau mein Ding, auch Unfallchirurgie liegt mir. Wenn zum Beispiel ein Patient mit einem Arbeitsunfall ankommt, die blutende Hand in ein schmuddeliges Grubenhandtuch gewickelt, dann geht mir das Herz auf.

    In vielen Fällen besteht kein Tetanusschutz, da die meisten Erwachsenen ordinäre Dinge wie Impfungen schlicht vergessen oder sich einbilden, dass nur Kinder in rostige Nägel treten können. Das ist super für mich, denn an der Stelle kann ich direkt schimpfen.

    Aber wenn ich angesägte Finger wieder flicken darf, macht die Arbeit richtig Spaß. Toll finde ich auch, wenn ich die Fäden extrahieren kann bei Wunden, die ich selber genäht habe. Dann kann ich mit eigenen Augen nachschauen, wie wunderbar alles verheilt ist, wie exakt die Wundränder anliegen. Supergeil! Zumindest, wenn ich sauber gearbeitet habe, was ich natürlich immer mache. Wenn sich nicht ein Schenkel der Fäden in der Haut verkriecht …

    Was ich nicht gerne mache, sind Untersuchungen an Knien oder Rücken, die operiert werden müssen, aber nicht von mir. Da erledige ich langweilige Voruntersuchungen für Operationen, die ich selber gar nicht durchführe. Ich arbeite und erkläre, um dann an die Orthopädie zu verweisen. Wie unbefriedigend ist das denn?

    Wie auch immer ich die Arbeit in der Ambulanz finde, sie muss getan werden. Nach dem Morgen bin ich allerdings froh, wenn ich wenigstens am Nachmittag Zeit für den Dienst auf meiner Kinderchirurgie habe. Meistens zieht sich dies bis in den Abend, aber langes Arbeiten finde ich nicht schlimm, wenn viel zu tun ist und man mit Freude dabei ist. Sehr wichtig ist dabei natürlich mein Team auf der Station. Die meisten Mitarbeiter sind sehr engagiert. Dem Rest muss noch auf die Sprünge geholfen werden, aber da helfe ich gerne. Leidenschaftslose Mitarbeiter ohne Motivation sind mir ein Gräuel.

    Besonders bei Kindern verstehe ich bei der Versorgung und Betreuung keinen Spaß. Oft begreifen meine kleinen Patienten nicht vollständig, was genau los ist. Sie haben Heimweh und Angst. Erwachsene Kranke und Verletzte können ebenfalls anstrengend sein, aber das ist meistens anders als bei Kindern. Erwachsene verstehen häufig – nicht immer! – die Notwendigkeit des stationären Aufenthaltes. Bei Kindern muss man sehr feinfühlig vorgehen, damit sich eine Compliance zeigt.

    Die Eltern meiner Patienten sind dabei nicht zu vernachlässigen. Sie machen sich natürlich Sorgen. Den meisten Müttern und Vätern glaube ich aufs Wort, wenn sie sagen, dass sie sich lieber selber operieren lassen würden, als dass ich ihr Kind aufschneide. Leider würde das dem Kind nicht helfen. Natürlich verstehe ich die Besorgnis der Eltern, aber ich bin der Profi und muss deshalb trotz meines Mitgefühls ruhig und kompetent sein. Eltern schenken mir ihr Vertrauen nur, wenn sie den Eindruck haben, dass ich meine Arbeit beherrsche.

    Der Eingriff kann noch so klein sein, Eltern fürchten um das Leben ihres Kindes. Blöde Witze wie ›Ich habe den Eingriff schon oft vorgenommen, irgendwann muss er ja mal klappen!‹ kann ich unter Freunden und Kollegen reißen. Vor Eltern in einer akuten Ausnahme- und Stresssituation wäre dies ein eklatanter Fehler. Da lacht am Ende keiner mehr. Und ich könnte wahrscheinlich beim Chef antanzen.

    Ich habe mich im Krankenhaus und in meiner neuen Position gut eingearbeitet. Die neuen Kollegen sind in Ordnung. Außerdem gefällt mir meine Station außerordentlich gut. Die ist nämlich durch große Fenster erfreulich hell. Was nicht Glas ist, ist bunt ausgemalt. An den Wänden streifen wilde Tiere durch den Dschungel, Affen schwingen sich von Ast zu Ast. An den wenigen freien Flächen hängen selbst gemalte Bilder der Patienten. Einige gerahmte Dankesbriefe quetschen sich dazwischen. Auf manchen davon steht in krakeliger Schrift DOKTOR CALVIN geschrieben. Einige Kinder machen auch KEVIN aus meinem Namen, aber ich schaue großzügig darüber hinweg. Ich bin immer wieder gerührt von diesen Bildern, Briefen und kleinen Geschenken, die meistens an das Pflegepersonal gerichtet sind.

    Diese Komposition von professioneller Malerarbeit und Kuddelmuddel von Kinderzeichnungen erinnert mich stets an die Küche einer guten Freundin. Diese hatte sich vor Jahren voller Begeisterung einen monströsen amerikanischen Kühlschrank gekauft. Ein tolles Gerät! Allerdings ist davon inzwischen wenig zu erkennen, denn ihre Kinder klatschen alle ihre Bilder und Elternbriefe aus dem Kindergarten und der Grundschule mit Magneten daran. Wer es nicht weiß, käme nicht auf die Idee, dass sich dahinter noch ein Elektrogerät befindet. In den Gängen meiner Station ist an vielen Stellen kaum noch Wand zu entdecken.

    Jetzt bin ich mit meinen Gedanken so weit abgedriftet, dass ich aufschrecke, als eine Person durch den Garten der Klinik huscht. Immer wieder schaut sie sich verstohlen um, als würde sie verfolgt. Auf meinem Gesicht macht sich ein Grinsen breit. Mir ist klar, woher der Kollege von der Inneren gerade kommt. Hinter dem kleinen Park befindet sich nämlich das Schwesternwohnheim. Ich weiß, dass der Beruf schon lange Kranken- und Gesundheitspfleger/in heißt, aber das sagt doch keiner in Bezug auf das Personalwohnheim. Das sagt im Alltag überhaupt keiner. Das heißt meistens Schwesternwohnheim, obwohl ein paar Jungs da wohnen.

    Allerdings ziehen die männlichen Bewohner häufig schnell wieder aus und suchen sich eine andere Bleibe. Meistens beschweren sie sich darüber, dass der Zeitplan für die Bäder nicht eingehalten wird von den Mädchen. Vor ein paar Tagen habe ich selber gesehen, dass sich eine ganze Horde Pfleger Richtung Reha-Abteilung aufgemacht hat, um dort die Duschen zu benutzen. Das Schwesternwohnheim ist ziemlich altmodisch und hat noch Duschen und Toiletten auf dem Flur. Auf den Zimmern gibt es höchstens ein kleines Waschbecken. Das ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Da ziehen einige Mitarbeiter die modernen Sanitärbereiche der Fachabteilungen vor.

    Morgens in aller Frühe sehe ich auf jeden Fall öfter Ärzte, die ›Hausbesuche‹ bei den Schwestern gemacht haben, aus dem Wohnheim kommen. Hier arbeiten Menschen, viele Menschen, die sich begegnen und gelegentlich anziehend finden. Manchmal entwickeln sich Beziehungen daraus, die über eine körperliche Kollision hinausgehen. Oft bleibt es jedoch bei oberflächlichen Affären, die schnell das Verfallsdatum erreicht haben. Nicht

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