Das Gesicht der Liebe
Von Sigrid Lenz
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Doch er hat nicht damit gerechnet, dass er Kristjof damit in Gefahr bringt.
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Buchvorschau
Das Gesicht der Liebe - Sigrid Lenz
Sigrid Lenz
Das Gesicht der Liebe
Impressum
© dead soft verlag, Mettingen 2017
http://www.deadsoft.de
© the author
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
© Volodymyr Tverdokhlib – shutterstock.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-171-0
ISBN 978-3-96089-172-7 (epub)
Inhalt:
Gegen seinen Willen verliebt sich der Künstler und Freigeist Kristjof in den geheimnisvollen Anwalt Mino. Minos kalte, berechnende Fassade bekommt erste Risse, während Kristjof ihm regelrecht verfällt. Doch auch Kristjofs Einfluss verändert Mino und er wagt es erstmals, sich gegen seinen Vater zu stellen.
Doch er hat nicht damit gerechnet, dass er Kristjof damit in Gefahr bringt.
Kapitel 1
Die Kaltmanns ließen niemals Zweifel an ihren Absichten. Mino kam diese Haltung entgegen. Warum leugnen, worauf es doch hinauslief? Vor allem, wenn sie unter sich waren.
Obwohl die Kaltmanns allein ihrer Tätigkeit wegen von nicht geringer Paranoia geplagt wurden, öffneten sie sich ihm gegenüber. Das lag nicht nur an seinem Beruf. Oft genug hatten ihm sein Vater und ebenso dessen Geschäftspartner versichert, dass es in seinem Falle nicht nötig war, am Vertrauen seiner Klienten zu zweifeln. Ein Ruf eilte ihm voraus, die Historie seiner kurzen Laufbahn sprach für sich.
Bestätigung benötigte er nicht und ließ sich nichts anmerken, als der trotz des fehlenden Sonnenscheins mit Sonnenbrille ausgestattete Bodyguard ihn abtastete, bevor er ihm Zutritt gewährte.
Nichtsdestotrotz wirkte Alexander Kaltmann wenig erfreut, ihn alleine vor sich zu sehen.
„Ich kenne Ihre Qualitäten, bemerkte er mit säuerlichem Gesichtsausdruck. „Allerdings wäre es mir durchaus lieb, wenn sich einer der Senior-Partner ebenfalls bei mir blicken ließe.
Mino zwang sich zu einem Lächeln. „Seien Sie versichert, dass es sich bei Ihnen um unseren wertvollsten Klienten handelt, erwiderte er. „Gerade aus diesem Grund sind unsere erfahrensten Köpfe dabei, Ihren Fall so sorgfältig wie nur möglich zu bearbeiten.
Alexander grinste, schlug ihm überraschend auf die Schulter. Seine Stimme dröhnte. „Ich weiß, mein Junge. So bin ich nun einmal. Geradeheraus. Nichts für ungut. Sie gehören zur Familie, da werde ich nicht so sein. Aber richten Sie Ihrem Vater aus, dass ich für gewöhnlich keinem Handlanger Einlass gewähre, geschweige denn, ihm meine Unterlagen anvertraue."
Mino nickte höflich, erlaubte seinem Mundwinkel in Erwiderung ein kurzes Zucken, bevor er seine Lider niederschlug.
Er wusste, wie mit dieser Art von Kunden umzugehen war. Nicht zuletzt aus diesem Grund schickte ihn sein Vater zunehmend auf notwendige, diplomatische Missionen, für die ihm selbst das Feingefühl fehlte.
Auch in diesem Fall erkannte Mino Alexanders Schwäche auf den ersten Blick und reagierte mit Zurückhaltung. So nahm er dem eher lauten Mann den Wind umgehend aus den Segeln, bis dieser ihm ohne weitere Diskussionen Zugang zu seinen Dateien gewährte.
„Wir haben das Problem im Griff. Mino reichte ihm zum Abschied die Hand, nachdem er seine schwarzen Lederhandschuhe übergestreift hatte. „Sie können sich auf uns verlassen.
„Dafür bezahle ich auch genug", merkte Alexander an und verabschiedete ihn mit einem nachlässigen Winken, bevor er sich seiner Hausbar zuwandte.
Mino verließ das Anwesen. Gleichmäßige Schritte und eine gerade Haltung signalisierten Selbstbewusstsein und Ruhe. Das war notwendig, solange er sich noch im Bereich der Außenkameras befand.
Die Bücher zu frisieren, sämtliche Spuren illegaler Einkünfte und Transaktionen zu beseitigen, war die leichteste aller Übungen, dafür brauchte sein Vater ihn für gewöhnlich nicht. Doch im Umgang mit der schwierigeren, zahlungskräftigen Klientel, die sich vorwiegend in einer moralischen und rechtlichen Grauzone aufhielt, kam ihm Mino immer öfter gelegen. Ebenso wie sein scharfer Blick und die Fähigkeit, rasch zu kombinieren und zu handeln.
Dennoch, und obwohl er es sich nicht anmerken ließ, blieb ein unangenehmes Gefühl bestehen. Jenes, das ihn jedes Mal wieder beschlich, wenn er es mit der Familie Kaltmann zu tun bekam.
An diesem Tag jedoch gelang es ihm nicht wirklich, das Unwohlsein abzuschütteln. Wie eine dunkle Vorahnung legte es sich über sein Gemüt, beschwerte seine Schritte.
Vielleicht lag es an dem früh hereinbrechenden Abend, der zunehmenden Kälte der Jahreszeit, dass er die trübe Stimmung auch nicht loswurde, nachdem er seine Aufzeichnungen gespeichert und die Kanzlei verlassen hatte.
Als er in seinem schwarzen Wagen durch die Straßen glitt, erlaubte Mino sich für einen Augenblick die Maske fallen zu lassen. Er atmete aus und wusste von der Dunkelheit, die seine Augen beherrschte, von den Falten, die sie umrahmten und die im Licht des Wageninneren stärker hervortraten. Andere, tiefere Falten zogen seine Mundwinkel herab, zerfurchten seine Stirn und den Bereich zwischen seinen Augenbrauen.
Mit nicht einmal dreißig Jahren fühlte er sich wie ein alter Mann, geradewegs als hätte er sich bereits in seiner Jugend weit jenseits seiner Jahre befunden.
Er presste die Lippen zusammen, bog aus einer spontanen Eingebung heraus in eine Einfahrt ab und hielt den Wagen vor einem Etablissement, das am ehesten an eine Bar erinnerte.
Für einen Moment blieb er sitzen. Das war nicht seine Art, er trank selten und verspürte seltener noch das Bedürfnis dazu. Schon gar nicht, wenn er mit dem Auto unterwegs war.
Doch an diesem Tag war etwas anders, rief ihn das Schild mit der Neonschrift, ohne dass er sich erklären konnte warum.
Trotzdem zögerte er, obwohl das eigentlich nicht infrage kam. Ein einmal gefasster Entschluss sollte auch durchgeführt werden. Deshalb verließ Mino den Wagen, überquerte mit gleichmäßigen, ruhigen Schritten den Parkplatz, bis er den Eingang erreichte.
Die Luft schlug ihm warm und stickig entgegen und beinahe drehte er auf dem Absatz wieder um. Seine Welt sah anders aus als dieser Ort, der sich kaum Bar nennen durfte. Es war voll und laut und er blieb stehen, suchte mit dem Blick einen Grund zu bleiben.
Schräg dem Eingang gegenüber hatte sich eine bunte Gruppe niedergelassen. Die Stimmen der Mitglieder übertönten den Lärm. Eine junge Frau kreischte und schlug im Scherz nach einem großen, bärtigen Mann, der sich lachend vor ihrem Angriff duckte. Andere sprangen wahlweise ihm oder ihr bei. Die Gesichter der übrigen Besucher wandten sich dem Spektakel zu.
Nur eine Person blieb still und für einen Moment starrte Mino auf die Mähne braunen Haares. Der Mann saß über den Tisch gebeugt. Sein Haar fiel ihm ins Gesicht, während er emsig auf einer Serviette kritzelte und plötzlich innehielt. Mino konnte den Blick nicht abwenden, beobachtete gebannt, wie der Mann den Kopf hob und ihn mit seinen dunklen Augen durchbohrte. Er sah ihn mit dem Ausdruck vollster Konzentration an, absolut reglos. Ebenso wie er zuvor seiner Serviette zugewandt gewesen war, richtete er nun seine Aufmerksamkeit auf Mino.
Für einen Augenblick war es ihm, als bekäme er keine Luft, als erstickte ihn die Enge der Umgebung, als verbrennte ihn die Hitze, als bedrohte ihn dieser Blick.
Minos Hände suchten seinen Kragen, vermochten den Mantel nicht zu öffnen. Er spürte die verbrauchte Luft der Menge auf seinen Lippen, doch war unfähig, sie in seine Lunge zu zwingen. In diesem Moment rempelte ihn ein Körper von hinten an, Lachen und Proteste ertönten, als neue Gäste an ihm vorbei in den Raum drängten.
Mino schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen, drehte dann sich um und floh. Er lief, bis er die kalte Luft auf seinen Wangen spürte, bis es ihm wieder möglich war, diese einzusaugen. Schließlich stolperte er, kam zu sich und blieb stehen. Peinlich berührt atmete er tief durch und wartete, bis sein Herzschlag sich beruhigte.
Das war verrückt, das war nicht er. Vermutlich hatte sich ein Erkältungsvirus in ihm festgesetzt, beeinträchtigte sein ansonsten kontrolliertes Verhalten. Vielleicht kam es ihm gerade aus diesem Grund immer noch so vor, als verfolgten ihn die Augen des Mannes, als haftete dessen Blick in seinem Nacken.
Mino hatte sich dessen Gesicht eingeprägt, wie er sich jedes Gesicht einprägte, wie er es gewohnt war, jeden Ausdruck, jede Bewegung zu deuten. Nur in diesem Fall blieb er ratlos. Denn letztendlich wollte er nichts über den Fremden wissen, wollte nicht über ihn nachdenken, ihn nicht analysieren und konnte es doch nicht verhindern.
Die Haut hatte blass gewirkt, bläulich trotz des warmen Lichtes. Schatten unter den Augen, Schatten, die das schulterlange Haar geworfen hatte. Die Lippen waren schmal und geschwungen gewesen, die Schultern breit, das Hemd aufgeknöpft. Niemand, der sich seines Körpers schämte. Oder seines Verhaltens, seiner Blicke. Ganz gleich, wie unverhohlen oder schamlos diese auch sein mochten.
Mino las täglich in Menschen und er hatte auch hier das Interesse erkannt. Eine rohe, offen demonstrierte Anziehung, simpel und körperlich, das war es, was er gespürt hatte. Unnötig, sich selbst einzugestehen, dass das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. Der Mann war anders gewesen. Nicht auf die Art anders wie die übrigen Besucher der Bar, die Mino nur am Rande wahrgenommen hatte. Der geheimnisvolle Fremde vibrierte vor zurückgehaltener Energie und wirkte gleichzeitig entspannt in seiner Haut. Das eine wie das andere war Mino fremd und vielleicht übte es auch aus diesem Grund eine solch unweigerliche Faszination auf ihn aus.
Trotzdem zog er es nicht einmal in Erwägung zurückzugehen. Ungewohnt, verrückt genug sogar, dass er sich hatte hinreißen lassen, die Bar zu betreten. Hatte er doch bereits zuvor gewusst, wie fern sie seiner Welt, seiner Lebensart war. Er biss die Zähne zusammen. Alkohol konnte er sich jederzeit liefern lassen, nichts sprach dagegen. Und mit Sicherheit bekäme er es dann mit besserer Qualität zu tun.
Er hob das Kinn, strich seinen Mantel glatt und achtete auf den Gleichtakt seiner Schritte. Die Fassade stand und er begriff nicht wirklich, was sie zum Bröckeln gebracht hatte.
Gewohnt sicher näherte er sich seinem Wagen, stieg ein und schüttelte das unpassende Umfeld endgültig ab, während er wieder auf die Straße zurücklenkte.
Kapitel 2
Unbemerkt stand der Mann aus der Bar im Schatten des Einganges und notierte Minos Kennzeichen. Er lächelte und hielt die Serviette hoch über die Menge, als er sich seinen Weg zurück zu seinen Freunden bahnte.
„Ich hab sie", verkündete er und neigte sich zu dem Bärtigen, der seine Arme nun demonstrativ vor der Brust verschränkte.
„Ich denke gar nicht daran, dir zu helfen, Kristjof", erklärte er, doch das Zucken um seine Mundwinkel verriet seinen Wankelmut.
„Nun lass dich nicht lange bitten, Xander." Er schob die Unterlippe vor und Xander rückte ein Stück zur Seite. Kristjof nahm so nahe neben ihm Platz, dass ihre Beine gegeneinanderdrängten.
„Er ist wunderschön. Hast du seine Augen gesehen? So groß wie Seen, nein wie Ozeane."
„Hör auf! Xander presste seine Hände gegen die Ohren. „Du bist kein Poet, Kristjof, versuch es nicht einmal.
„Ich höre auf, wenn du mir den Gefallen tust. Kristjof legte seine Hand auf Xanders Oberschenkel. „Eine kleine Wanderung in die Welten des Internets, ich weiß, dass du das hinkriegst.
„Ich nicht, brummte Xander. „Aber ich kenne jemanden, der jemanden kennt und das weißt du genau.
Kristjof wedelte mit der Serviette. „Und deshalb habe ich hier die Nummer. Finde ihn für mich und ich lasse dich in Ruhe.
Xander seufzte. „Du lässt nicht locker, oder?"
„Niemals." Kristjof nickte ernst, zwinkerte ihm dann zu.
„Manche Menschen wollen nicht gefunden werden", gab Xander zu bedenken.
„Und manche Menschen kleiden sich gut und fahren elegante Autos. Das spricht für einen Namen, der sich nicht so ohne Weiteres verstecken lässt."
Kristjof lächelte versonnen und Xander stöhnte. „Gerade solche Menschen wollen nichts mit uns zu tun haben."
„Du vergisst das Schicksal. Es befindet sich häufig auf meiner Seite." Kristjof griff nach einer anderen Serviette, nachdem Xander schließlich doch die mit dem Kennzeichen eingesteckt hatte.
„Das Schicksal", brummte Xander in sich hinein und wusste doch, dass Kristjof ihm bereits nicht mehr zuhörte.
Anstelle einer Nummer entstand eine Zeichnung auf der neuen Serviette, fügten sich flink gezeichnete Linien zu einer schlanken Gestalt, umwoben von einem schwarzen, eng geschnittenen Mantel.
Xander stöhnte und wandte seine Aufmerksamkeit den anderen und dankbareren Gesprächspartnern zu.
Kapitel 3
Auch wenn Mino es vor sich nicht zugab, das Gesicht des Fremden verfolgte ihn noch Tage später und das war ein Novum.
Zwar fand er sich gelegentlich für einen Abend mit einem Glas und einer Flasche Hochprozentigem wieder und verbrachte auch von Zeit zu Zeit mit jemandem die Nacht, aber er dachte nie darüber nach, ob er es tat, weil es von ihm erwartet wurde, oder weil er selbst es von sich erwartete. Keines der Gesichter begleitete ihn über den Morgen hinaus.
Vielleicht war es zu leicht, vielleicht folgten sie ihm zu widerstandslos, als dass er das Interesse behielt. Es reichte, sich selbst und anderen gegenüber den Anschein von Normalität, von Pflichterfüllung zu wahren, auch wenn eine derartige Pflicht nirgendwo wahrhaftig notiert war.
Doch eigentlich wusste er genau, dass Interesse von seiner Seite aus nie wirklich bestanden hatte.
Zumindest nicht auf die Art, auf die sich ihm die Züge des Mannes aus der Bar eingeprägt hatten. Wenn er die Augen schloss, glaubte Mino ihn vor sich zu sehen. Dann juckte es ihm in den Fingern, die blassen Wangen zu berühren und seine Finger durch das Haar gleiten zu lassen.
Er atmete aus, öffnete die Augen, starrte auf die Akten, die seinen Schreibtisch überhäuften. Der Bildschirm flimmerte. Die Kunden waren ungeduldig. Sein Vater ungeduldiger.
Mino biss sich auf die Lippen und begann mit der Arbeit. Seine Finger flogen über die Tastatur. Zwischendurch blätterte er in den Papieren, als sich die Tür zu seinem Büro öffnete. Mino sah nicht auf. „Was gibt es?", fragte er, den Blick auf den Bildschirm geheftet.
Erst als keine Antwort erklang, hob er den Kopf, seine Finger hielten still und das Klackern der Tastatur verstummte.
Da stand er, im Türrahmen, trat von einem Fuß auf den anderen, während sein Blick über die Einrichtung wanderte. Er sah so aus, wie Mino ihn in Erinnerung hatte. Bleich mit weichem Haar, das ihm unordentlich auf die Schultern fiel. Ein wenig gesünder vielleicht als wenige Tage zuvor. Die Schatten unter den Augen waren weniger geworden. Helle Jeans saßen ihm tief auf den Hüften und die Kapuzensweatjacke schien zu dünn für die ungemütlichen Herbsttemperaturen.
Mino lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Hände in den Schoß. Er würde nicht zugeben, dass er ihn erkannte und damit sich und ihm eingestehen, dass sich seine Züge in seine Erinnerung gebrannt hatten.
„Was kann ich für Sie tun?" Seine Stimme klang kontrolliert, leise, wie es seine Gewohnheit war. Seine Haltung verriet nichts.
Der Fremde grinste, als er seinen Blick schließlich auf ihn richtete. Während sich ihre Augen erneut begegneten, setzte Minos Herz aus. Nur für einen Augenblick, dann hatte er sich wieder gefangen.
„Wir sind uns einmal begegnet", antwortete sein Gegenüber und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich dachte