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Der Date-Manager
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eBook325 Seiten4 Stunden

Der Date-Manager

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Über dieses E-Book

Joss Baker hat Eventmanagement studiert und nutzt seine Gabe, Menschen zusammenzubringen, zum Aufbau einer Dating Agentur. Er ist der Date-Manager und auf schwule Paare spezialisiert. Dion Collister, sein neuester Kunde, sieht zwar zum Niederknien aus, doch einen passenden Partner zu finden stellt eine echte Herausforderung dar. Joss muss sein ganzes Können aufbieten, um den unnahbar wirkenden Wirtschaftsprüfer an den Mann zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen, zumal Dion eine ungeheure Versuchung für Joss darstellt und plötzlich dessen eigenes Herz auf dem Spiel steht …
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum1. Nov. 2016
ISBN9783960890423
Der Date-Manager

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    Buchvorschau

    Der Date-Manager - Bianca Nias

    Der Date-Manager

    Ein Roman von Bianca Nias

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2016

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://daylinart.webnode.com

    Bildrechte

    © kiuikson – fotolia.com

    © sasinparaksa – fotolia.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-041-6

    ISBN 978-3-96089-042-3 (epub)

    Inhalt:

    Joss Baker hat Eventmanagement studiert und nutzt seine Gabe, Menschen zusammenzubringen, zum Aufbau einer Dating Agentur. Er ist der Date-Manager und auf schwule Paare spezialisiert. Dion Collister, sein neuester Kunde, sieht zwar zum Niederknien aus, doch einen passenden Partner zu finden stellt eine echte Herausforderung dar. Joss muss sein ganzes Können aufbieten, um den unnahbar wirkenden Wirtschaftsprüfer an den Mann zu bringen.

    Ein schwieriges Unterfangen, zumal Dion eine ungeheure Versuchung für Joss darstellt und plötzlich dessen eigenes Herz auf dem Spiel steht …

    Widmung

    Nichts Besseres kann der Künstler sich wünschen, als grobe Freunde und höfliche Feinde.

    -Marie von Ebner-Eschenbach-

    An der Entstehung dieses Buches haben einige sehr gute Freunde teilgehabt, mich mit Rat und Tat unterstützt oder mit ihrem Feedback motiviert, bei denen ich mich darauf verlassen kann, dass sie immer ehrlich zu mir sind.

    Ihr wisst gar nicht, wie dankbar ich dafür bin.

    Für Susanne, die immer aufpasst, dass ich nicht zu scharf schieße

    und für den Rest der Bande von Bruns Family & Friends.

    Kapitel 1

    »Kevin?«

    Ach, warum rief er ihn überhaupt. War wohl eher ein Reflex. Als ob ausgerechnet Kevin jetzt herbeieilen würde, um ihm zu helfen.

    Mit einem Fuß hangelte Joss nach der Wohnungstür und gab ihr einen leichten Schubs, damit sie hinter ihm wieder ins Schloss fiel. Die überquellenden Einkaufstüten in beiden Armen versperrten ihm die Sicht und er tastete sich vorsichtig zur Küche hinüber, immer darauf bedacht, nicht über den Kater zu stolpern. Der strich ihm auch sofort schnurrend um die Beine. Wie üblich war Nemo der Einzige, der ihn um diese Uhrzeit begrüßte.

    Zwölf Uhr mittags, wohlgemerkt. Joss hatte heute Morgen bereits eine Runde Joggen, ein leichtes Krafttraining im nahegelegenen Fitnessstudio und den Einkauf auf dem Wochenmarkt in der Stadt hinter sich gebracht, während sein Mitbewohner Kevin noch sabbernd in den Federn lag und selig schnarchte.

    Er seufzte ergeben und stellte seine Einkäufe vorsichtig auf dem Küchentresen ab, bevor er in die Hocke ging und Nemo standesgemäß begrüßte.

    »Hallo mein Süßer. Na, hast du schon wieder Hunger?«

    Ihr schwarzweißes Fellbündel schnurrte laut und rieb den Kopf an seiner Hand. Dabei blinzelte er Joss zu, als würde er sagen wollen: Pfft, welche Frage. Her mit dem Fraß! Aber dalli!

    Nemo hatte eigentlich immer Hunger. Dabei war der Kater mittlerweile eher ein wenig pummelig und Joss kontrollierte immer wieder besorgt sein Gewicht.

    Stolze sechs Kilo brachte er auf die Waage, aber Kevin meinte, er habe einfach schwere Knochen. Trotzdem überfiel der Stubentiger Joss jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen, als wäre er knapp vorm Verhungern. Dann lief er maunzend vor ihm her in die Küche, führte ihn zu seinem Napf und starrte entsetzt hinein, um ihn dann mit einem vorwurfsvollen Blick zu bedenken. Da, siehst du? Siehst du? Er ist LEER! Katastrophe! Mach was dagegen!

    Joss füllte den Napf mit Trockenfutter, obwohl er wusste, dass Nemo eher auf etwas Schmackhafteres aus der Tüte wartete. Dementsprechend angewidert schaute dieser seinen menschlichen Dosenöffner auch an, setzte sich neben seine Futterschalen und maunzte beleidigt.

    »Nein, mein Kleiner, das Frischfutter gibt es erst heute Abend wieder, solange musst du dich noch gedulden«, mahnte Joss ihn streng. »Friss das, das ist gut für deine Zähne!«

    Demonstrativ kehrte Nemo ihm den Rücken und verließ hocherhobenen Hauptes die Küche. Gleich darauf hörte Joss ihn wie wild in seinem Katzenklo scharren. Wahrscheinlich war dies seine Retourkutsche. Dabei verteilte er nämlich die Katzenstreu durch die halbe Wohnung und Joss durfte den Staubsauger hervorkramen und wieder hinter ihm her saugen.

    Sein zweiter Mitbewohner tauchte nun verpennt und noch völlig zerzaust in der Küchentür auf. Seine langen, straßenköterblonden Strähnen könnten auch mal wieder einen neuen Haarschnitt vertragen, bemerkte Joss am Rande, behielt den Gedanken aber gewohnheitsmäßig für sich. Grußlos schlurfte Kevin zum Kühlschrank hinüber, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Mit mechanisch wirkenden Bewegungen öffnete er die Tür, schaute mehrere Sekunden wie gebannt hinein und schloss sie dann wieder.

    »Ich komme gerade erst vom Einkaufen«, erklärte Joss ungehalten, bevor Kevin auf die Idee kam, sich darüber zu beschweren, warum nichts Essbares dort zu finden war. Jetzt erst schien ihn sein Kumpel wahrzunehmen und drehte sich zu ihm um.

    »Kaffee fertig?«, fragte Kevin schlicht und kratzte seinen wild wuchernden Bart. Mit der anderen Hand fuhr er ungeniert in seine schlabberige, karierte Boxershorts und rückte sein Teil zurecht. Das hellgrüne T-Shirt, das über seinem deutlichen Bauchansatz spannte, hatte mehrere rostrote Flecke im Brustbereich. Tomatensoße, vermutete Joss. Schließlich hatte er gestern Abend Spaghetti Napoli gekocht.

    »Ich mache uns einen, wenn ich die Einkäufe weggeräumt habe«, erwiderte Joss mürrisch und sah einfach über Kevins schmuddelige Aufmachung hinweg. Er kannte ihn nicht anders.

    Kevin Konradi, oder auch KeKo für seine Internetfreunde, war seit der Uni sein bester Freund. Eigentlich auch sein einziger Kumpel. Ein Computer-Nerd, wie er im Buche stand. Nein, Profi-Gamer und Youtuber, verbesserte Joss sich gedanklich. Seinen Lebensunterhalt verdiente Kevin als Webdesigner, aber mittlerweile folgten ihm auf Youtube fast 20.000 Leute, was wiederum eine ganz nette Geldquelle war.

    Während Joss Eventmanagement studierte, hatte Kevin Informatik belegt. Die beiden hatten sich damals am Schwarzen Brett der Uni kennengelernt, als sie gleichzeitig nach Wohnungsangeboten Ausschau hielten.

    Kurzentschlossen hatten sie sich zusammengetan, so war es einfacher, was Passendes in der Nähe der Fakultät zu finden. Joss mochte Kevins leicht verrückte und etwas weltfremde Art, obwohl sie beide vollkommen verschieden waren. Auch hatte es Kevin nie gestört, dass Joss schwul war. Diese Tatsache hatten sie gleich am ersten Tag geklärt: ich homo, du hetero. Klappte eigentlich hervorragend, zumal sie sich niemals ins Gehege kamen. Daher blieben sie auch nach ihrem Studium einfach WG-Kollegen, wobei sie nach dem Examen in ein größeres Appartement in Innenstadtnähe gezogen waren. Schließlich profitierte Joss von Kevins Computerwissen und ließ sich von ihm seine Webseite basteln und betreuen: der-datemanager.

    Ja, er hatte den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Joss hatte schon immer eine ganz gute Menschenkenntnis und ein Gespür dafür, was die Leute brauchten und suchten. Vor zwei Jahren hatte er dann seine Geschäftsidee verwirklicht, die bislang in ihrer Stadt einzigartig war: Er organisierte Dates für schwule Männer.

    Eine gelungene Mischung aus Event-Service, Escort und Partnervermittlung. Genau das, was schwule Männer wollten. Ganz nach dem Motto Alles kann – Nichts muss. Manche suchten einen Fick für eine Nacht, andere nach der Liebe ihres Lebens. Joss brachte einfach zwei Männer zusammen und bislang hatten sich tatsächlich einige feste Beziehungen aus einem One-Night-Stand entwickelt.

    Vielleicht waren Männer da recht einfach gestrickt. Zumindest hatten die meisten keine großen Bedenken, einfach mal auszuprobieren, ob die Chemie stimmte. Natürlich achtete Joss darauf, ein gewisses Niveau zu wahren, etwas anderes käme für ihn nicht in Frage. Er war ja kein Zuhälter. Er verkaufte lediglich Träume. Den Traum vom perfekten Partner, der irgendwo da draußen auf einen wartete und den man nur noch kennenlernen musste.

    Oh ja, Joss war ein hoffnungsloser Romantiker. Eigentlich hatte er gerne Kunstgeschichte studieren wollen, von Kindheit an galt seine Liebe der klassischen Malerei. Den Wunsch hatte er nie aufgegeben und wenn seine Dating-Agentur weiterhin so gut lief oder sich sogar ausbauen ließe, wollte er das Zweitstudium einfach aus Spaß noch dranhängen.

    Wenn er denn irgendwann Zeit dazu fand, hieß das.

    »Heute Mittag habe ich noch einen Termin mit einem wichtigen Kunden«, kündigte er Kevin an, der sich mittlerweile auf die Eckbank am Küchentisch verzogen hatte und in der Fernsehzeitung blätterte. Offenbar wartete sein Freund auf seine Kaffeelieferung.

    »Und was hast du heute noch vor?«, fragte Joss höflich, obwohl er die Antwort darauf zu kennen glaubte. Bis zum Nachmittag auf der Couch vor der Glotze chillen, um anschließend fit genug zu sein, die Nacht wieder durchzuzocken. Irgendein Online-Spiel, dessen Regeln er nie begreifen würde, auch wenn Kevin noch so oft versuchte, ihm diese zu erklären.

    »Aufstehen, Kaffeetrinken und niemanden umbringen«, antwortete Kevin und gähnte demonstrativ. Innerlich seufzte Joss frustriert auf. Kevin vor dem ersten Kaffee anzusprechen war zwar nicht gefährlich, aber total sinnlos. Da konnte er sich genauso gut mit dem Kater unterhalten.

    Wortlos befüllte er die Kaffeemaschine und schaltete sie an. Er kannte seinen Kumpel. Ein paar Schlucke von dem Muntermacher und er war wieder aufnahmefähig. Zwischendurch räumte Joss den Einkauf weg und stellte die dreckigen Gläser vom gestrigen Abend in die Spülmaschine.

    »Also, spuck’s schon aus«, forderte Kevin ihn auf, sobald Joss ihm eine Tasse starken Kaffee vor die Nase gestellt hatte.

    »Was denn?« Fahrig wischte sich Joss die Hände an der Jeans ab und setzte sich ebenfalls an den Küchentisch. Gleich darauf sprang er jedoch wieder auf, nahm sich selbst eine Tasse und putzte anschließend noch mit dem Lappen über die Anrichte.

    »Warum du so nervös bist, dass du hier wie ein Eichhörnchen auf Drogen durch die Küche tanzt«, brummte Kevin und schielte über den Tassenrand zu ihm hinüber.

    »Tue ich das?«, versuchte Joss automatisch, ihm auszuweichen.

    »Neiiiin.« Kevins Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. »Also entweder ist der Kunde wirklich wichtig oder du bist einfach chronisch untervögelt. Ich tippe ja auf beides.«

    »Lass den Scheiß.« Joss seufzte tief und setzte sich wieder zu ihm an den Küchentisch. »Der Kunde, mit dem ich mich heute Mittag treffe, ist wirklich total wichtig. Kann mich enorm vorwärtsbringen. Der Kerl heißt Dion Collister. Stinkreich, glaube ich. Ich habe ihn gegoogelt. Jedenfalls ist er einer der leitenden Wirtschaftsprüfer von W&S«, sprudelte er hervor. Lange hätte er die supertollen Neuigkeiten sowieso nicht mehr für sich behalten können. Da Kevin quasi der Mitarbeiter seiner Dating-Agentur war und jederzeit Zugriff auf seine Kundendaten hatte, brauchte er sich ihm gegenüber auch keine Gedanken um igrendwelchen Datenschutz machen. Den zweiten Teil von Kevins Vermutung ignorierte er einfach. Einzelheiten seines nicht vorhandenen Liebeslebens gingen seinen Kumpel nichts an. Aber hey, es war ja nicht so, dass ausgerechnet Kevin in dieser Beziehung in letzter Zeit etwas vorzuweisen hatte.

    »W&S? Sollte mir das etwas sagen?« Kevin glotzte ihn nur verständnislos an.

    »Na, Walther & Stevenson! Die Top-Adresse für Firmen! Eine der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften weltweit!« Entgeistert starrte Joss zurück. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Das Firmengebäude in der City war höher als sämtliche Bankentürme und ihr Logo war für jeden weithin sichtbar. Ihn wunderte es nicht, dass sogar die Straßenbahnhaltestelle vor dem Wolkenkratzer den Namen der Kanzlei trug.

    »Ach, die. Na klar.« Kevin schmunzelte unverhohlen in seinen Bart hinein und bestätigte Joss’ Vermutung, dass er schlicht keine Ahnung hatte. »Also sollst du ihm ein Date vermitteln?«

    »Ja, er hat mich gebucht. Seine Anfrage auf der Homepage kam vergangene Nacht, gegen vier Uhr morgens. Heute Morgen um sieben Uhr war er anscheinend auch noch oder vielleicht schon wieder online. Jedenfalls hat er sofort auf meinen vorgeschlagenen Gesprächstermin reagiert und zugesagt.«

    »Diese Typen kennen wohl keine geregelten Geschäftszeiten.« Kevin schnaubte abfällig. Sollte Joss ihn vielleicht daran erinnern, dass Kevin gegen vier Uhr ebenfalls noch vorm PC gesessen haben dürfte?

    »Und er hat das Business-Paket gebucht«, platzte es stolz aus Joss heraus. »Du weißt schon, die Nobelpackung.«

    Das beste Rundum-Sorglos-Service-Paket, das er zu bieten hatte.

    »Joseph Theodor Baker. Ich wusste, du würdest es weit bringen«, sinnierte Kevin ironisch und Joss knuffte ihm gegen die Schulter. Mann, Kevin wusste genau, wie sehr er es hasste, mit seinem vollständigen Namen angesprochen zu werden. Den hatte er seinen beiden Großvätern zu verdanken. Klar, er liebte seine aus England stammenden Opas, aber das hätten seine Eltern ihm nun wirklich nicht antun müssen. Ihren einzigen Sohn mit einem solchen Namen zu strafen. Seine Freunde nannten ihn eigentlich nur Joss oder auch J.T., während seine Mum und sein Dad ihn peinlicherweise noch immer Joey riefen. Aber das brauchte niemand zu wissen.

    »Ich treffe mich um 15 Uhr mit ihm im Perking’s«, informierte er Kevin. Gleichzeitig warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Okay, er hatte noch genug Zeit, um sich zu duschen und umzuziehen. Nachdenklich strich er sich über seinen Drei-Tage-Bart. Sollte er sich auch rasieren?

    »Lass den Bart dran«, riet ihm Kevin ungefragt, als habe er seine Gedanken lesen können. »Er lässt dich älter wirken.«

    Zweifelnd schaute Joss ihn an. »Meinst du?«

    »Damit wirkst du seriöser. Kann doch von Vorteil sein, um so einen alten Knacker zu beeindrucken. «

    »Er ist gar nicht so alt«, verteidigte Joss seinen Kunden spontan. »Auf der Firmenseite war ein Bild von ihm. Jedenfalls sieht er darauf aus, als wäre er so Mitte oder Ende Dreißig.«

    »Sag ich ja. Alt.« Kevin nickte selbstgefällig.

    Joss unterbrach ihre sinnlose Debatte, indem er aufstand und seine leere Kaffeetasse wegräumte. Außerdem verkniff er es sich, Kevin darauf hinzuweisen, dass sie selbst im Herbst neunundzwanzig Jahre alt wurden. So lange würde es also gar nicht mehr dauern, bis auch sie die Dreißig überschritten hatten. Und damit, zumindest aus Teenie-Sicht, zu tattrigen Greisen mutierten.

    Noch immer aufgeregt über das bevorstehende Meeting eilte Joss in sein Zimmer. Nachdenklich inspizierte er seinen Kleiderschrank. Was sollte er bloß anziehen? Der erste Eindruck auf den Kunden war immens wichtig, also kam eigentlich nur ein Anzug infrage. Oder doch eher lässig mit Jeans und Jackett? Angesichts der Tatsache, dass er sich mit Mr. Collister im Perking’s treffen würde, entschied er sich dann doch für den dunkelgrauen Anzug, kombiniert mit einem weißen Hemd und einer violetten Krawatte. Vorsichtig, damit nichts zerknitterte, legte er die Klamotten aufs Bett und wischte mit dem Handrücken noch einen Fussel weg.

    Das Restaurant war eine der Topadressen in der Stadt, ein sündhaft teurer Schickimicki-Laden im obersten Stockwerk einer noblen Einkaufspassage. Joss war schon einmal dort gewesen und eigentlich nicht sehr angetan von der steifen Atmosphäre, die das Lokal ausstrahlte. Alles war dort perfekt inszeniert, von den edel eingedeckten, runden Tischen, die die Gäste erwarteten, über die indirekte Beleuchtung bis hin zu den etwas blasiert wirkenden Kellnern mit ihren gestärkten Hemden, schwarzen Fliegen und Westen. Wenn er mit Kevin um die Häuser zog, bevorzugten sie eher eine ganz gewöhnliche Kneipe oder ein Pub, in dem es wesentlich legerer zuging und man sich einfach entspannen konnte.

    Joss ließ sich viel Zeit unter der Dusche, auch wenn er vermutete, dass Kevin ebenfalls ins Bad wollte. Aber ein gepflegtes Äußeres war ihm enorm wichtig, daher griff er anschließend noch zum Langhaarschneider, stutzte seinen Drei-Tage-Bart auf eine gleichmäßige Länge und rasierte überschüssige Haare sorgsam ab.

    Prüfend betrachte er sein Spiegelbild. Okay, er war nicht unzufrieden mit sich, schließlich achtete er sehr auf sein Aussehen. Seine mittelbraunen Haare trug er an den Seiten und im Nacken kurz, oben etwas länger. Sorgsam kämmte er sie auf eine Seite und zupfte ein paar Haarsträhnen zurück in die Stirn. Fertig.

    »Du rockst das schon«, murmelte er seinem Spiegelbild zu, um sich selbst Mut zu machen. Dabei hatte er keine Ahnung, warum er so schrecklich nervös war. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er sich mit einem Kunden traf. Vielleicht würde er dies irgendwann mal von einem schicken Büro aus machen, aber bislang verabredete er sich für ein erstes Beratungsgespräch immer an einem neutralen, angemessenen Ort. Ihre WG-Wohnung kam dafür nicht in Betracht, auch wenn Joss hier immer auf Sauberkeit und Ordnung bedacht war. Selbst Kevin hielt sich mittlerweile, zumindest in den Gemeinschaftsräumen, an den aufgestellten Putzplan. Was Kevins Zimmer anging – nun, da hielt Joss sich raus. Das war seine Sache, wenn er mal Damenbesuch empfangen und seine Eroberung kreischend davonrennen würde. Das einzige weibliche Wesen, das sie regelmäßig mit ihrer Anwesenheit beehrte, war sowieso nur Filiz. Ihre Nachbarin von gegenüber.

    Wie aufs Stichwort klopfte es an der Wohnungstür. Das konnte eigentlich nur sie sein.

    »Kevin! Mach Filiz mal auf!«, brüllte Joss gegen die geschlossene Badezimmertür. Keine Reaktion, dafür ein erneutes Klopfen, dieses Mal klang es bereits äußerst ungeduldig. Er fluchte verärgert und begab sich, nur mit Boxershorts bekleidet, zur Tür, um sie einzulassen.

    »Na endlich!«, begrüßte ihn ihre Freundin ungehalten. »Wird ja auch Zeit! Ich habe mir fast die Finger wundgeklopft!«

    Theatralisch warf sie ihr langes, schwarzes Haar in den Nacken und stolzierte hoch erhobenen Hauptes an Joss vorbei, als wäre sie die Königin von Saba persönlich, die ihre Untergebenen aufsuchte. Durch ihre türkischen Wurzeln war sie mit einem enormen Temperament gesegnet, das sich auf nüchternen Magen nur schwer ertragen ließ. Hoffentlich hatte Kevin mittlerweile etwas gefrühstückt. Bevor er, wie üblich, mit ihr aneinandergeriet. Die beiden kabbelten sich für ihr Leben gerne, wobei es dann in aller Regel Joss überlassen war, die Wogen wieder zu glätten. Was Filiz trotz ihrer anstrengenden Art zu einem gern gesehenen Gast in ihren vier Wänden machte, waren unbestreitbar ihre Kochkünste. Nicht selten verwöhnte sie die Freunde mit ihrer türkischen Küche, und über Börek, Baklava und anderen Köstlichkeiten vergaß selbst Kevin, dass Filiz ihn ständig mit ihren Sprüchen nervte.

    »Hallo Filiz, komm nur rein«, begrüßte Joss sie, ohne sich die Mühe zu machen, seinen Sarkasmus zu verbergen. Wie üblich hatte ihre Freundin darauf verzichtet, überhaupt zu fragen, ob sie reinkommen könnte, und stand bereits mitten in der Wohnung.

    Wohlwollend musterte sie Joss von Kopf bis Fuß. »Was für eine Verschwendung!«, flötete sie und seufzte gespielt kummervoll auf. Sie trat an ihn heran, reckte sich zu ihm hoch und drückte ihm einen fetten Schmatzer auf die Wange.

    »Hey, lass das, ich kann jetzt keinen Lippenstift im Gesicht brauchen«, wehrte er sie ab, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. Diese Begrüßung hatte sich zwischen ihnen zu einem Ritual entwickelt. Dabei hatte Filiz keinerlei Probleme damit, dass er schwul war. Im Gegenteil, anscheinend betrachtete sie ihn als so etwas wie ihren schwulen besten Freund. Als einen, mit dem sie sich gefahrlos über Männer unterhalten konnte, ohne befürchten zu müssen, dass er ihr den Lover ausspannte. Gott bewahre, das würde niemals der Fall sein.

    »Gut schaust du aus«, lobte Filiz ihn überschwänglich und tippte spielerisch mit einem Fingernagel gegen seine Brust. »Hast du noch etwas vor?«

    »Ich muss gleich weg. Hab noch einen Kunden«, erklärte Joss und warf unwillkürlich einen Blick auf sein Handgelenk, nur um festzustellen, dass er seine Uhr noch nicht wieder angelegt hatte. Zögernd schaute er zur Küchentür, die Klinke der Eingangstür noch immer in der Hand. Konnte er die beiden gefahrlos alleine lassen, ohne dass sie sich an die Gurgel gingen?

    In diesem Moment schlurfte Kevin jedoch aus der Küche, würdigte Filiz keines Blickes und steuerte das gegenüberliegende Badezimmer an.

    »Ich wünsche dir auch einen schönen guten Tag, Kevin«, maulte Filiz auch sofort brüskiert.

    Kevins einzige Antwort bestand aus seinem erhobenen rechten Mittelfinger, mit dem er sich anschließend ungeniert über den Arsch kratzte, während er demonstrativ im Bad verschwand.

    »Oh Mann. Ihr zwei seid echt wie …« Ungehalten rang Filiz ihre Hände.

    »Wie Ernie und Bert? Wie Dick und Doof?«, versuchte Joss, ihr zu helfen, und musste über ihren angewiderten Gesichtsausdruck lachen.

    »Du bist nicht doof«, entgegnete Filiz jedoch vollkommen ernst und setzte ihren Weg in die Küche fort. Joss folgte ihr und zermarterte sich gleichzeitig sein Hirn, wie er die Gute möglichst höflich wieder zum Gehen bewegen konnte, ohne sie vor den Kopf zu stoßen.

    »Ähm, ich muss wirklich gleich weg. Also, wenn du auf einen Kaffee vorbeikommen wolltest, müssen wir das auf später verschieben«, setzte er vorsichtig an und wedelte mit einer Hand auffordernd in Richtung Wohnungstür. Ohne Erfolg. Filiz ließ sich einfach am Küchentisch nieder und blätterte ungerührt in der Fernsehzeitung. Das war der Nachteil, dass sie sich bei ihnen wie zuhause fühlte.

    »Hallo, Erde an Filiz!«, versuchte er es daher erneut. »Ich muss gleich weg!«

    »Das habe ich schon verstanden, Süßer, du redest ja schließlich kein chinesisch«, murmelte Filiz abgelenkt.

    »Anscheinend doch«, brummte er ungehalten. Ein erneuter Blick auf die Uhr mahnte ihn jedoch zur Eile. »Verdammt, so spät schon? Ich muss gleich los!«

    Umgehend eilte er in sein Zimmer hinüber, zog sich fertig an und schnappte sich seine Mappe, in der sich die Unterlagen für das Kundengespräch befanden.

    Gerade wollte er die Wohnung verlassen, als ihn Filiz´ Ruf zurückhielt.

    »Halt! Stopp! Herkommen! Ausgangskontrolle!«

    »Bitte was?« Verblüfft trabte Joss zur Küche zurück und schalt sich gleichzeitig, dass er dem blödsinnigen Befehl überhaupt Folge leistete.

    Filiz schaute von der Zeitung hoch und winkte ihn mit einem ihrer grellrot lackierten Fingernägel näher. »Lass dich mal ansehen …«

    Kritisch betrachtete sie ihn von Kopf bis Fuß. »Doch, ja. So kannst du gehen. Siehst aus, wie ein erfolgreicher Jungunternehmer. Du wirst ihn umhauen, J.T.. Sehr sexy«, lautete ihr Urteil.

    Genervt verdrehte Joss die Augen gen Zimmerdecke. »Mensch, Filiz, das ist nicht sehr hilfreich. Ich will ihn schließlich nicht in die Kiste bekommen, sondern als Kunden gewinnen.«

    »Wobei die eine Option so gut ist wie die andere. Oder wann hast du dich zuletzt …«

    »Filiz!«, unterbrach Joss sie sofort. Jetzt fing sie auch noch damit an! Gut, seine letzte Beziehung lag schon eine Weile zurück, aber er hatte derzeit mit dem Aufbau seiner Firma genug zu tun. Außerdem hielt er diese beiden Bereiche strikt getrennt. Job und Liebesleben, das war nicht kompatibel. Das war auch etwas, das er seinen Kunden sofort verklickerte: Er selbst war tabu. Finger weg. Etwas anderes ließ sich mit der Seriosität seines Unternehmens nicht vereinbaren.

    Seine türkische Heimsuchung verzog schmollend den Mund. »Stimmt doch! Du bist in letzter Zeit immer so gereizt. Sagt auch Kevin. Dagegen hilft eigentlich nur, sich mal wieder richtig ordentlich durchvö …«

    »Filiz!«, flehte Joss angespannt. »Jetzt muss ich aber echt los«, brach er ihr unsinniges Gespräch einfach ab und hetzte aus der Wohnung. Schnell weg. Sollte sich dieses Mal Kevin mit Filiz herumschlagen.

    Kaum hatte er das Haus verlassen, wurde er ruhiger und setzte seinen Weg gemessenen Schrittes fort. Bis zum Perking’s brauchte er zu Fuß nur fünf Minuten, also würde er pünktlich dort eintreffen. Außerdem machte es keinen professionellen Eindruck, wenn er schweratmend, durchgeschwitzt und zerzaust in dem Restaurant ankommen würde.

    Die Gehwege waren vollgestellt mit Tischen und Stühlen, angesichts des herrlich warmen Frühsommerwetters hatten sämtliche Cafés und Bistros des Stadtviertels die Außenbewirtschaftung aufgenommen. Es war Freitag Mittag, etliche Leute genossen das beginnende Wochenende oder erholten sich bei einer Tasse Kaffee von ihrem Einkaufsbummel.

    In Gedanken versunken schlängelte sich Joss durch die Passanten. Klar, wenn er Collister als Kunden gewinnen könnte, würde das einen Haufen Kohle bedeuten. Aber viel wichtiger war es ihm, dass dieser mit ihm und seinem Service zufrieden war. Wenn er es schaffte, für den Typ eine denkwürdige Nacht zu organisieren, würde sich das vielleicht in dessen Kreisen herumsprechen, was wiederum neue Kundschaft bedeuten könnte. Aber zunächst musste er herausfinden, auf was Collister überhaupt aus war. Auf ein unverbindliches Date? Vielleicht einfach nur auf eine heiße Nacht? Oder war er eher auf der Suche nach dem Mann fürs Leben?

    Eine Gestalt tauchte vor ihm auf und Joss wäre fast in sie hineingerannt, wenn er nicht ruckartig abgebremst hätte und stehengeblieben wäre. Gerade wollte er sich mit einer gemurmelten Entschuldigung an dem massigen und mit dicken Goldketten behängten Mann vorbeidrücken, als er ihn erkannte.

    Martin Sievers. Sein persönlicher Albtraum.

    In diesem Jahr hatte er dem dicken Barbesitzer bereits einige Dates vermittelt, aber selbst seine hartgesottensten Escorts, die er für spezielle Aufgaben an der Hand hatte, beschwerten sich nach dem ersten Treffen. Nicht nur Martins Äußeres, auch sein Charakter ließ einiges zu wünschen übrig. So tuntig, wie er manchmal tat, so ordinär konnte er sein und den Kerlen unverblümt an die Wäsche gehen, wobei er selbst ein deutliches Nein nicht gleich akzeptierte. Zum Glück waren seine Escorts durchweg gestandene Männer, die

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