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W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades: Reunion
W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades: Reunion
W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades: Reunion
eBook317 Seiten4 Stunden

W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades: Reunion

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Über dieses E-Book

Ein traumatisierter Veteran, ein fluchender Spanier, ein versoffener Cowboy und ein dunkelhäutiger Riese, der mit Bibelversen um sich wirft ...
Was wie der Anfang eines Witzes klingt, ist alles, was einschließlich ihm selbst von Captain Sam Cromwells ehemaliger Einheit Desert Zero übriggeblieben ist, nachdem sie in Afghanistan in einen Hinterhalt gerieten und beschossen worden waren. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, in denen Sam keinen Kontakt zu seinen Kameraden hatte, nicht einmal zu Thiago Cruz, mit dem ihn eine leidenschaftliche Affäre verband.
Doch welche Kiste soll sich damals an Bord ihrer Fahrzeuge befunden haben, die nach dem Zwischenfall spurlos verschwunden ist? Die geheime Fracht muss ungeheuer wertvoll gewesen sein, denn Sams sechzehnjährige Tochter wird entführt und festgehalten, um ihn zu erpressen.
Die Überlebenden seines Teams stehen Sam zur Seite, trotzdem findet er sich plötzlich nicht nur zwischen den Fronten verschiedener Mächte wieder, die allesamt hinter der ominösen Kiste her sind, sondern auch im Konflikt mit seinen Gefühlen für Cruz, mit denen er erneut konfrontiert wird.

W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades - Start der neuen Serie von Bestseller-Autorin Bianca Nias.
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum27. Sept. 2018
ISBN9783960892489
W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades: Reunion

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    Buchvorschau

    W.A.R. - Worldwide Alliance of Renegades - Bianca Nias

    W.A.R.

    Worldwide Alliance of Renegades

    REUNION

    (Band 1)

    Ein Roman von Bianca Nias

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2018

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Aleksandr Doodko – 123rf.com

    © Tashatuvango – 123rf.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-247-2

    ISBN 978-3-96089-248-9 (epub)

    Klappentext:

    Ein traumatisierter Veteran, ein fluchender Spanier, ein versoffener Cowboy und ein dunkelhäutiger Riese, der mit Bibelversen um sich wirft …

    Was wie der Anfang eines Witzes klingt, ist alles, was einschließlich ihm selbst von Captain Sam Cromwells ehemaliger Einheit Desert Zero übriggeblieben ist, nachdem sie in Afghanistan in einen Hinterhalt gerieten und beschossen worden waren. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, in denen Sam keinen Kontakt zu seinen Kameraden hatte, nicht einmal zu Thiago Cruz, mit dem ihn eine leidenschaftliche Affäre verband.

    Doch welche Kiste soll sich damals an Bord ihrer Fahrzeuge befunden haben, die nach dem Zwischenfall spurlos verschwunden ist? Die geheime Fracht muss ungeheuer w ertvoll gewesen sein, denn Sams sechzehnjährige Tochter wird entführt und festgehalten, um ihn zu erpressen.

    Die Überlebenden seines Teams stehen Sam zur Seite, trotzdem findet er sich plötzlich nicht nur zwischen den Fronten verschiedener Mächte wieder, die allesamt hinter der ominösen Kiste her sind, sondern auch im Konflikt mit seinen Gefühlen für Cruz, mit denen er erneut konfrontiert wird.

    Kapitel 1

    »Josy, Frühstück!«

    Sam wendete die Pancakes in allerletzter Sekunde, bevor sie anbrannten. Zumindest, ehe sie richtig verkohlten. Die Ränder waren bereits schwarz, der Rest ging gerade noch als knusprig durch. Missmutig biss Sam die Zähne zusammen und unterdrückte einen derben Fluch. Heute Morgen ging aber auch alles schief. Angefangen mit seinem Wecker, der nicht pünktlich angesprungen war. Anscheinend hatte es mitten in der Nacht einen Stromausfall gegeben, aber dafür war Palmdale, ihre Heimatgemeinde in Kalifornien, bekannt. Gerade jetzt im Sommer, wenn alle Klimaanlagen der Stadt gleichzeitig auf Hochtouren liefen, war der Strom öfter mal weg. Warum aber sein zuverlässigster Wecker, ihr Kater Sir Lancelot, ihn dieses Mal in Ruhe gelassen und nicht um Punkt sechs Uhr morgens wie üblich laut schnurrend geweckt oder ihn so lange angestarrt hatte, bis er von selbst aufwachte – das wusste der Himmel. Wahrscheinlich war er noch unterwegs auf Mäusejagd.

    »Josephine!«

    Sein erneuter Ruf verhallte offenbar im Nirwana, jedenfalls vernahm er keine Reaktion seiner Tochter. Für was brauchte ein Teenager fast eine Stunde im Badezimmer? Sein Blick fiel automatisch auf die Uhr an der Wand. Verdammt, wenn sich Josy jetzt nicht beeilte, würde sie den Schulbus verpassen und er müsste sie selbst zur Highschool fahren. Was gleichzeitig bedeuten würde, dass er zu spät zu seinem Termin bei Doktor Sniders käme, der ungern auf seine Patienten wartete.

    »Ich will kein Frühstück«, ertönte die gereizte Stimme seiner Tochter hinter seinem Rücken.

    »Oh doch, kleines Fräulein«, knurrte Sam ungehalten und drehte sich zu Josy um, die zu seinem Leidwesen einen mürrischen Gesichtsausdruck auf ihrem hübschen Gesicht zur Schau trug. »Du wirst dich jetzt an den Tisch setzen und essen. Aber beeil dich, der Bus kommt in fünf Minuten.«

    Josy schnaubte lediglich genervt, strich sich eine Strähne ihrer langen, dunkelblonden Haare hinter das Ohr zurück und starrte ihn finster an. Na super, der Tag begann ja wieder einmal echt klasse. Mit einer übellaunigen und hormongesteuerten Sechzehnjährigen umzugehen, war zu keiner Tageszeit ein Zuckerschlecken, aber in letzter Zeit war dies morgens schlicht die Hölle. Im Vergleich zu seiner Dienstzeit bei der Army kam ihm der derzeitige Alltag fast gefährlicher vor als jedes Minenfeld in Bagdad.

    »Ich trinke bloß einen Kaffee«, verkündete sie gereizt, ohne Anstalten zu machen, sich an den gedeckten Frühstückstisch zu setzen.

    »Kaffee? Nein, kommt nicht infrage«, wehrte er sofort ab und schnaufte, um ein frustriertes Stöhnen zu kaschieren. Jeden Morgen dieselben Diskussionen. »Der ist schädlich für dich.«

    »Ach ja? Aber der Industriezucker soll besser sein? Weißt du denn nicht, was der in meinem Körper anrichtet? Oder der genmanipulierte Buchweizen, der in den Backmischungen verwendet wird?«, hielt Josy sofort dagegen und deutete auf die Pfanne mit seinen missglückten Pancakes.

    »Hinsetzen. Essen«, befahl er ungerührt und lud zwei Pfannkuchen auf den bereitstehenden Teller. Weder war ihm danach, jetzt eine Debatte über den Nährwert von Pancakes anzufangen noch hatten sie die Zeit dafür. Zum Glück hatte Josy ihren Versuch, vegetarisch zu leben, relativ schnell wieder abgebrochen, nachdem sie gemerkt hatte, dass sie damit beim Barbecue auf ein saftiges Steak hätte verzichten müssen. Während dieser drei Wochen war sie echt unausstehlich gewesen.

    Jetzt warf sie ihm noch einen bitterbösen Blick zu, setzte sich aber wenigstens an den Tisch und goss sich ein Glas Orangensaft ein. Machten denn alle Teenager diese nervtötenden Phasen durch oder war nur seine Tochter ständig auf Konfrontation mit ihm aus?

    Im Stillen verfluchte Sam zum sicherlich tausendsten Mal seine Exfrau, die ihn und Josy vor gut fünf Jahren sitzengelassen hatte und quasi über Nacht nach Europa abgehauen war. Die ihn und seine unzähligen Probleme, die er nach der Rückkehr aus Afghanistan mit sich herumschleppte, gegen einen zwanzig Jahre älteren, blassen und schmächtigen Mittfünfziger eingetauscht hatte. Okay, der Kerl war ein stinkreicher Schönheitschirurg und passte damit offenbar besser in Catherines Lebensplanung als ein depressiver Veteran, der genug mit sich selbst und seinen Verletzungen zu tun hatte. Dafür hatte er sogar Verständnis aufbringen können, zumal es auch schon vor seiner Verwundung in ihrer Ehe gekriselt hatte. Was er seiner Ex nicht verzeihen konnte, war die Tatsache, dass sie nach einiger Zeit auch den Kontakt zu Josy abbrach. Als hätte ihre Tochter keinen Platz in ihrem neuen Schickimicki-Leben. Josy hatte das unerwartet gut weggesteckt, aber in letzter Zeit fragte sich Sam immer öfter, ob ihr der Einfluss der Mutter nicht doch fehlte. Gerade jetzt, wo sie erwachsen wurde und eine Menge Fragen haben musste, mit denen sie jedoch nicht zu ihm kam. Wahrscheinlich, weil er sie sowieso nicht beantworten konnte.

    Sollte er vielleicht Hannah, die Mutter ihrer besten Freundin Sandy, bitten, mal ein Gespräch von Frau zu Frau mit ihr zu führen? Oh nein, besser nicht. Josy würde sofort den Braten riechen und an die Decke gehen, weil andere Leute sich in ihr Leben einmischten.

    Er warf erneut einen Blick auf die Uhr.

    »Beeil dich, der Bus kommt gleich«, mahnte er. »Du hast noch zwei Minuten.«

    Zu seiner Überraschung schüttelte Josy den Kopf.

    »Ich fahre nicht mit dem Bus. Ich werde abgeholt.«

    »Von wem?«, hakte Sam sofort alarmiert nach.

    »Ist doch egal.« Josy kaute ungerührt weiter.

    »Das kommt überhaupt nicht infrage! Du fährst mit dem Bus und nicht mit irgendwelchen Leuten, die ich nicht kenne!«, entgegnete er sofort.

    »Der Bus ist jetzt sowieso schon weg. Kyle nimmt mich mit«, erklärte Josy stur. »Den kennst du übrigens«, fügte sie triumphierend hinzu.

    »Ach ja?« Sam sah seine Argumentation den Bach runtergehen, gleichzeitig zermarterte er sich den Kopf, wer zur Hölle dieser Kyle sein mochte.

    »Klar kennst du ihn. Ist Glorias Bruder.«

    »Gloria Kolkowskis Bruder?« Endlich dämmerte Sam, wer gemeint war. Die Familie wohnte ein paar Straßen weiter. »Der Kerl ist neunzehn!«

    »Und?« Herausfordernd schaute sie zu ihm hoch.

    »Er ist neunzehn!«, wiederholte Sam nachdrücklich, um sie auf das Offensichtliche hinzuweisen. Ungehalten rang er die Hände. Mein Gott, nicht einmal in einem Feuergefecht während eines Einsatzes hatte er sich dermaßen hilflos gefühlt! Wusste sie denn nicht, auf was Jungs in dem Alter aus waren?

    »Was du nicht sagst«, erwiderte sie trocken und zog dabei eine Augenbraue in die Höhe. »Du wirst lachen, das weiß ich.«

    »Josy …«, mahnte er erneut, aber in diesem Augenblick hupte draußen ein Auto. Sofort sprang seine Tochter vom Frühstückstisch auf, griff nach ihrem Rucksack, stopfte das vorbereitete Lunchpaket hinein und war verschwunden, bevor er sie davon abhalten konnte.

    »Tschüss, Sam!«, rief sie noch, dann schlug die Eingangstür krachend ins Schloss.

    »Für dich immer noch Dad!«, brüllte er ihr wütend hinterher, obwohl er wusste, dass sie seinen Protest auch beim hundertsten Mal mit einem Schulterzucken abtun würde. Verhalten grummelte er einen Fluch vor sich hin. Seit einigen Wochen weigerte sie sich, Dad zu ihm zu sagen, weil es doch viel cooler wäre, ihn beim Vornamen zu nennen.

    Wo war nur sein kleines Mädchen, Daddys Liebling und sein ganzer Stolz, so plötzlich abgeblieben? Dieses langhaarige Wesen, das stundenlang das Bad blockierte oder mit der gleichen Ausdauer mit irgendwelchen Freundinnen telefonierte, schien nicht mehr viel mit dem Kind gemeinsam zu haben, für das er Räuberhöhlen unterm Esstisch gebaut oder dem er abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen hatte.

    Sam erlaubte sich einen tiefen Seufzer, dann räumte er den Frühstückstisch ab und ließ das Geschirr in der Spülmaschine verschwinden. Dabei fiel sein Blick auf Sir Lancelots Napf. Hm, merkwürdig, der Kater hatte auch das Trockenfutter, das er gestern Abend aufgefüllt hatte, nicht angerührt. Verdammt, er musste wohl oder übel bei der Fahrt zum Zentrum Ausschau halten, ob er den schwarz-weißen Kater durch einen der anderen Vorgärten stromern sah. Hoffentlich lag er nicht irgendwo überfahren im Straßengraben, das würde Josy das Herz brechen.

    Die fortgeschrittene Uhrzeit mahnte ihn zur Eile, daher griff er nach den Schlüsseln und verließ das Haus. Noch während er die Tür hinter sich zuzog, schaute er sich gewohnheitsmäßig um und scannte die Umgebung. In der nächsten Sekunde schalt er sich selbst für die übertriebene Wachsamkeit, die er einfach nicht ablegen konnte.

    Doktor Winfield, sein Psychiater, hatte ihm lang und breit erklärt, dass er diesen Kontrollzwang besiegen müsse, um endlich innere Ruhe finden zu können. Frustriert kniff Sam die Augen einen Moment zusammen, blinzelte und atmete tief durch, so wie es ihm geraten worden war. Dieser Reflex, die Umwelt nach Bedrohungen abzusuchen, war ein Überbleibsel aus seiner Zeit im Nahen Osten, wo jeder Müllsack am Straßenrand eine potenzielle Gefahr durch einen getarnten Sprengsatz bedeutete. Selbst mehr als fünf Jahre später hatte dieser ihn noch immer fest im Griff.

    Trotz der frühen Morgenstunde flimmerte bereits Hitze über dem Asphalt, das kurzgemähte Gras in den Vorgärten war gelb-braun, knochentrocken und von der Sonne verbrannt. Wegen der Wasserknappheit war es untersagt, die Rasenflächen zu sprengen, und die Stadtverwaltung achtete darauf, dass wirklich niemand mit einem einwandfrei grünen Rasen vor seinem Haus protzte. Nicht einmal den Wagen hatte er am Samstag waschen können. Die Siedlung wirkte ruhig und nahezu verlassen, die meisten Leute waren schon auf dem Weg zur Arbeit. Lediglich seine Nachbarin von gegenüber, die alte Mrs. Farmer, holte gerade die Tageszeitung ins Haus und er nickte ihr freundlich zu.

    Langsamer als ihm lieb war, stieg er in seinen Chrysler. Verdammt, sein Bein war wieder schlimmer geworden, die Schmerzen zogen sich von der Hüfte abwärts bis in die Fußspitzen. Jede unbedachte Bewegung erinnerte ihn daran, dass er nicht nur seelisch, sondern auch körperlich ein Krüppel war.

    Die Fahrt zum Veteranen-Zentrum war kurz und er parkte seinen Wagen direkt vor dem Gebäudeteil, in dem die Physiotherapie untergebracht war. Anfangs war er täglich hier gewesen, mittlerweile reichten zwei Behandlungen pro Woche. Das Bein würde nicht besser werden und vielleicht sollte er sich damit zufriedengeben, dass er wieder einigermaßen und vor allem ohne Krücken laufen konnte.

    »Immerhin haben Sie noch beide Beine, Captain«, hatte ihm irgendwann einmal einer der unzähligen Therapeuten, die ihn behandelt hatten, um die Ohren gehauen. Noch jetzt stieg Wut in Sam hoch, wenn er bloß an diesen blöden Spruch dachte. Der Typ konnte von Glück sagen, dass er in dem Moment zu perplex gewesen war, um zu reagieren, sonst hätte er jetzt wahrscheinlich ein paar Zähne in der Kauleiste weniger.

    Gut, ihm war bewusst, dass es Soldaten gab, die es wesentlich schlimmer getroffen hatte als ihn. Das Therapiezentrum war voll von Menschen, die Arme oder Beine verloren hatten und sich nun mit Prothesen herumquälen mussten. Trotzdem war die allgemein bestehende Ansicht, er hätte noch Glück im Unglück gehabt, nicht nur vollkommen daneben, sondern weit von der Wirklichkeit entfernt.

    Einige der Patienten nickten ihm freundlich zu, während er den langen Gang zu Doc Sniders Behandlungsräumen hinunter ging. Automatisch erwiderte er den Gruß auf dieselbe Weise. Die Gesichter der Soldaten waren ihm bekannt, aber weder wusste er ihre Namen noch suchte er irgendwelchen Kontakt zu ihnen. Zwar hatte ihm der Psycho-Doc empfohlen, sich mit Schicksalsgenossen, wie er es nannte, anzufreunden und auszutauschen – aber wozu sollte das gut sein? Jeder von ihnen hatte doch dieselbe Scheiße hinter sich und versuchte irgendwie zu vergessen. Da war es unter Garantie nicht sonderlich hilfreich, das Erlebte in Gesprächen permanent wieder aufzuwärmen.

    »Guten Morgen, Captain Cromwell!« Der grauhaarige Mediziner mit der Nickelbrille schaute von dem Schriftstück auf, das er gerade studiert hatte, und begrüßte ihn gutgelaunt, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

    Höflicherweise quetschte Sam ein »Hallo, Doc« zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, obwohl er sich unwillkürlich fragte, was an diesem Morgen überhaupt gut sein sollte. Auf dem Schreibtisch des Arztes lag seine dicke Krankenakte, wie er mit einem Blick feststellte. Von Digitalisierung schien diese Klinik noch meilenweit entfernt zu sein, wahrscheinlich reichten die knappen Haushaltsmittel nicht für ein modernes Computersystem.

    »Im kommenden Monat ist Ihre Rückkehr aus Afghanistan fünf Jahre her«, begann Sniders in einem Tonfall, der Sam sofort aufhorchen ließ. Mit einer einladenden Geste deutete der Arzt nun auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch, aber Sam zog es intuitiv vor, stehenzubleiben.

    »Korrekt«, bestätigte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum? Spielt das eine Rolle?«

    »Ihr Behandlungszeitraum im Veteranen-Zentrum läuft damit aus«, erklärte Sniders sachlich. »Ihre Verletzung ist zudem austherapiert. Hier können wir Ihnen nicht weiterhelfen.«

    »Und das bedeutet?«, fragte Sam kühl.

    »Das bedeutet, dass Sie sich innerhalb der nächsten beiden Wochen einen behandelnden Hausarzt und auch einen Physiotherapeuten suchen sollten. Von Mrs. Stewart am Empfang können Sie sich eine Liste mit Adressen der hier ansässigen Ärzte geben lassen.«

    »War’s das?« Sams Stimme klang selbst in seinen Ohren gepresst, da er Mühe hatte, nicht wütend hochzufahren, und stattdessen so flach wie möglich Luft holte, um sich einigermaßen zu beruhigen.

    Dieses beschissene System! Als Soldat wurde man in diesem Land als Held gefeiert, wenn man aus einem Krisengebiet am anderen Ende der Welt zurückkehrte. Wenn es jedoch um die Versorgung der Verwundeten ging, tat sich der Staat seit jeher schwer, die nötigen Gelder dafür bereitzustellen. Was machte es denn für einen Unterschied, ob er hier oder an anderer Stelle behandelt wurde? Das Veteranen-Zentrum bot schließlich viel mehr, als eine normale Arztpraxis oder ein Physiotherapeut leisten konnten.

    Sniders nickte nun lediglich, dann kritzelte er irgendetwas auf einen Rezeptblock, riss den Zettel ab und reichte ihm das Stück Papier.

    »Ihre Medikamente für die kommenden zwei Wochen«, erklärte er lapidar. Obwohl die Worte etwas anderes aussagten, klangen sie eher wie ein Rauswurf.

    Wortlos nahm Sam ihm das Rezept ab und verließ ohne Abschiedsgruß das Zimmer.

    Kurz überlegte er, ob er die Physio und auch die anschließende Sitzung beim Seelenklempner ausfallen lassen sollte, entschloss sich dann aber, diese wahrzunehmen. Nach Sniders Ankündigung hatte er zwar überhaupt keine Lust mehr dazu, aber er würde den Teufel tun, jetzt auch nur eine Anwendung zu versäumen, die ohnehin von der Army bezahlt wurde.

    Heather, die junge, blonde Physiotherapeutin, die sich in letzter Zeit aufopferungsvoll um ihn gekümmert hatte, empfing ihn gleich darauf in einem der Massageräume. Kritisch betrachtete sie das geschwollene und gerötete Narbengeflecht, das sich von seiner Hüfte abwärts über den linken Oberschenkel bis zu seinem Knie zog, nachdem er sich seiner Hose entledigt und auf der Liege Platz genommen hatte.

    »Sie haben wieder einmal die Ruhepausen nicht eingehalten, die ich Ihnen verordnet habe«, stellte sie auch sogleich ohne Umschweife fest.

    Sam brummte anstelle einer Antwort missmutig. Heather war höchstens Anfang zwanzig, sie hatte bestimmt keinen Teenager zuhause, um den sie sich kümmern musste und der bergeweise Dreckwäsche fabrizierte. Er vermied es, ihrem Blick zu folgen und an sich hinabzuschauen, schließlich wusste er genau, wie er aussah. Die Muskelstränge seines Oberschenkels waren derart zerfetzt worden, dass sie sich nicht komplett regeneriert hatten, auch das zuletzt intensiv betriebene Krafttraining hatte nicht geholfen. Zudem hatte die Wundheilung der Brandverletzung ewig gedauert, auch heute war die Haut an diesen Stellen noch papierdünn und empfindlich.

    Das war jedoch nichts im Vergleich zu seinem Knie, das nahezu vollständig zertrümmert worden war und künstlich wieder aufgebaut werden musste.

    »Macht das Knie wieder Probleme, hm?«, mutmaßte Heather nun auch folgerichtig.

    »Wie immer.« Sam unterdrückte ein frustriertes Schnauben. Das Gelenk machte ihm die meisten Schwierigkeiten, oft schwoll es an und sandte merkwürdig brennende Schmerzsignale durch seinen gesamten Körper.

    »Das kann jetzt wehtun«, warnte Heather ihn, tropfte etwas Massageöl auf ihre Handflächen und rieb sie aneinander, um sie anzuwärmen.

    Vertrauensvoll ließ sich Sam auf die Liege zurücksinken und schaltete gedanklich ab. Der sanfte Druck von Heathers Fingern nahm zu, als sie begann, die gestaute Lymphflüssigkeit mit gezielten, festen Handgriffen wieder zum Fließen zu bringen. Es ziepte, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ihn vor allem nachts plagte. Immer dann, wenn er versuchte, zur Ruhe zu kommen, marterten ihn Schmerzen, die ihn die halbe Nacht wachhielten. Als würden ihn diese Narben auf seinem Körper auf immer und ewig daran erinnern wollen, was geschehen war.

    Was damals genau passierte, interessierte Sam weitaus weniger als Doktor Winfield, seinen Psychiater, der ihn nun gleich im Anschluss an Heathers wohltuende Behandlung erwartete. Winfields Therapieräume lagen im selben Gebäudeteil wie die der Physiotherapie, aber das war auch das Einzige, was Sam daran gut fand. Die Annehmlichkeiten kurzer Wege lernte man erst dann zu schätzen, wenn man bei jedem Schritt Schmerzen verspürte. Das stumpfsinnige Gelaber würde er sich allerdings gerne ersparen, nur gehörte dieser Teil der Behandlung untrennbar zu den anderen dazu.

    Kaum hatte sich Sam jedoch auf dem breiten Sessel gegenüber von Doktor Winfield niedergelassen, fühlte er sich unwohl. Das mochte etwas mit dem prüfenden Blick des Psycho-Heinis zu tun haben, dem er sich jedes Mal bei diesen Sitzungen aussetzen musste. Auch jetzt schob Winfield die Brille auf seiner Nase hoch, hob eine Augenbraue und ließ effektvoll etliche Sekunden verstreichen, bevor er die Therapiesitzung begann.

    »Wo waren wir zuletzt stehengeblieben, Captain?«

    »Bei meiner Unfähigkeit?«, schoss Sam sarkastisch zurück. Dies wurde ihm jedenfalls von Winfield ständig vorgeworfen. Seine Unfähigkeit, sich zu öffnen. Die Dinge beim Namen zu nennen, die ihn beschäftigten und die eine Rückkehr in einen, wie auch immer gearteten, Alltag erschwerten.

    »Ich habe es nicht Unfähigkeit genannt, sondern Verschlossenheit«, mahnte Winfield sogleich. »Wenn Sie Ihr Trauma aufarbeiten wollen, können Sie das nur, indem Sie darüber sprechen, was Sie erlebt haben.«

    »Wenn Sie wissen wollen, was passiert ist, brauchen Sie lediglich in meine Akte zu schauen«, knurrte Sam angefressen. Verdammt, diese Therapie, zu der er verdonnert worden war, machte doch überhaupt keinen Sinn! Außer sie diente dazu, irgendwelche Details aus ihm herauszuquetschen, die ihn noch im Nachhinein belasten würden.

    Dabei hatte er das meiste des Vorfalls und auch der darauf folgenden behördlichen Untersuchung verpasst, weil er genau achtzehn Tage im künstlichen Koma gelegen hatte. Selbst nachdem er das Bewusstsein wiedererlangte, konnte er nicht viel zur Aufklärung beitragen.

    »Natürlich weiß ich, was in Ihrer Akte steht. Sie haben bei dem Zwischenfall nahe Kabul neun ihrer zwölf Kameraden verloren, Captain«, erinnerte Winfield ihn sanft. Als ob er diesbezüglich eine Erinnerung brauchen würde. »Wenn Sie nicht darüber sprechen, kann ich nicht den richtigen Ansatz für eine Therapie finden. Ich will Ihnen doch bloß helfen, das Erlebte zu verarbeiten, und das kann ich nur dann, wenn ich weiß, was geschehen und wie es überhaupt dazu gekommen ist!«

    Sam schwieg beharrlich. Er selbst und die anderen Überlebenden seines Teams Desert Zero waren anschließend ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil im Gefecht angeblich unschuldige Zivilisten umgekommen sein sollten. Wobei Sam der Einzige zu sein schien, der das bezweifelte. Unschuldige Zivilisten hatte er in Afghanistan selten angetroffen. Vor allem nicht solche, die mit Panzerwerfern auf ihren Konvoi feuerten.

    Winfield seufzte theatralisch auf und begann einen Monolog über irgendwelche seelischen Verletzungen, die ebenso therapierbar wären wie seine körperliche Verwundung. Er hörte jedoch nach wenigen Worten nicht mehr zu, sondern behielt die Wanduhr an seiner Seite im Auge. In derselben Sekunde, in der die digitalen Ziffern auf 10:45 Uhr sprangen, schnellte er trotz seines noch immer schmerzenden Beins aus dem Sessel hoch.

    »Danke und leben Sie wohl, Doktor«, rang er sich noch ab, bevor er fast fluchtartig den Raum verließ.

    Okay, jetzt reichte es ihm. Gleichgültig, ob die Army ihm eine weitere Therapiestunde bezahlte – dies war seine letzte gewesen, das würde er sich nicht nochmal antun.

    Schließlich brachte es nichts. Weder änderte das Psycho-Gelaber etwas an den damaligen Vorkommnissen, noch brauchte er jemanden, der ihm erzählte, wer er war und was er gefälligst zu fühlen hatte. Das wusste er selbst nur zu genau, er war ja nicht dumm.

    Schuld.

    Das, was ihn nachts wachhielt, waren seine Schuldgefühle gegenüber denjenigen, die er nicht hatte schützen können und die seinetwegen tot waren. Neun seiner zwölf Männer waren umgekommen, weil er die Gefahr nicht hatte kommen sehen.

    Sie waren tot, zerrissen von einer Granate, die wie aus dem Nichts auf sie zugeschossen gekommen war, deren Splitter ihn ebenfalls erwischt und ihm das Bein zerfetzt hatten. Der Anschlag hatte einer Reihe guter Männer das Leben gekostet. Auch das von Doug.

    Mitten auf dem Weg zum Ausgang hielt Sam inne und atmete tief durch. Der Gedanke an Douglas ließ seine Kehle eng werden und schnürte ihm die Luft ab. Der Schmerz, der daraufhin durch ihn tobte, war schlimmer als alle anderen, die er nach seiner Verletzung durchmachen musste.

    Bewusst verdrängte er die ungewollt aufkommende Erinnerung an seinen besten Freund und atmete dreimal tief durch, erst dann war er überhaupt dazu in der Lage, seinen Weg zum Auto fortzusetzen.

    Irgendwann würde diese Höllenqual, die er aufgrund des Verlustes fühlte, sicherlich nachlassen.

    Wenn auch nicht am heutigen Morgen.

    ***

    Auf dem Heimweg hielt Sam Ausschau nach ihrem schwarz-weiß gefleckten, treulosen Katzenvieh, das heute Morgen von seinen nächtlichen Streifzügen nicht zurückgekommen war. Von dem Kater war jedoch weit und breit nichts zu sehen, auch nicht, als er den Wagen vor dem geschlossenen Garagentor abstellte. Normalerweise erwartete Sir Lancelot ihn bereits, wenn er aus der Klinik zurückkam, um ihm laut schnurrend und maunzend um die Beine zu streichen. Sorgfältig sah sich Sam um, während er aus dem Wagen stieg.

    Nichts. Kein Kater.

    Nicht einmal einer seiner Nachbarn ließ sich blicken, die Siedlung wirkte wie ausgestorben.

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