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Memoiren einer Mistgabel: einundzwanzig Kurzgeschichten von Freiheit und Verwurzelung
Memoiren einer Mistgabel: einundzwanzig Kurzgeschichten von Freiheit und Verwurzelung
Memoiren einer Mistgabel: einundzwanzig Kurzgeschichten von Freiheit und Verwurzelung
eBook185 Seiten2 Stunden

Memoiren einer Mistgabel: einundzwanzig Kurzgeschichten von Freiheit und Verwurzelung

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Über dieses E-Book

Machen Sie es sich gemütlich mit den faszinierenden Kurzgeschichten aus dem Leben von Menschen, Tieren, Höfen und ihrem außergewöhnlichen Alltag. Ob für stürmische Herbstabende, verschneite Sonntagmorgen oder einfach für zwischendurch. Dieses Buch wird Sie mit seiner Vielfalt und Tiefe begeistern. Nicht nur Amüsantes und Bewegendes beschreiben die talentierten Jungautoren. Auch spannende, nachdenkliche, abenteuerliche und herzliche Begegnungen werden Sie hier finden. Ein Buch zum Schmökern und Genießen für die ganze Familie. Unbedingt lesenswert, voll witziger und tiefgründiger Geschichten über die Landwirtschaft und die mit ihr lebenden Menschen.
SpracheDeutsch
HerausgeberLV Buch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2013
ISBN9783784390154
Memoiren einer Mistgabel: einundzwanzig Kurzgeschichten von Freiheit und Verwurzelung

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    Buchvorschau

    Memoiren einer Mistgabel - LV Buch

    Impressum

    Vorwort

    Landwirtschaft und ländliche Räume prägen unser Land, sichern eine attraktive Kulturlandschaft. Sie wird von vielen Mitbürgern im Urlaub oder in der Freizeit gerne zur Erholung genutzt. Trotzdem herrscht in unserer Bevölkerung verbreitete Unkenntnis über das Leben auf dem Land, vor allem bei der jüngeren Generation. Dafür gibt es einen wesentlichen Grund: In den zurückliegenden 50 Jahren ist die Zahl der Beschäftigten und Betriebe in der Landwirtschaft um rd. 80 % zurückgegangen. Es gibt immer weniger Menschen, die praktische Landwirtschaft noch selbst erlebt haben und vermitteln können.

    Und mit Geschichten vom Land soll nun für das Land vor allem bei jungen Menschen geworben werden? Wenn dies am Ende ein Ergebnis ist, so dürfte dagegen nichts einzuwenden sein.

    Wichtiger aber ist, deutlich zu machen, dass es die Landwirtschaft nicht gibt, sondern dass sie sehr vielfältig ist.

    Bei der Auswahl aus über 200 Kurzgeschichten für dieses Buch, die im Rahmen des Literaturpreises der deutschen Landwirtschaft an die i.m.a-Geschäftsstelle eingesandt wurden, konnte es also nicht darum gehen, ein repräsentatives Bild der Wirklichkeit dazustellen. Dafür sind die Geschichten auch zu sehr aus einem ganz persönlichen Blickwinkel geschrieben.

    Wenn Sie sich beim Lesen aber freuen über ganz unterschiedliche Darstellungen und dabei Interesse entwickeln, sich mit den vielfältigen Aspekten „zwischen Ackerbau und Viehzucht" näher zu beschäftigen, wäre unser Ziel erreicht.

    In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen!

    Prof. Hermann Schlagheck

    Juryvorsitzender

    Ein Sommer auf der Alp – Landwirte auf Zeit

    Jana Eichenmüller

    Was haben wir uns eigentlich dabei gedacht? Eben war noch Dezember und wir in glückseliger Vorweihnachtsstimmung. Unser Leben verlief in geregelten Bahnen: lange schlafen, zur Uni gehen, ein bisschen Landwirtschaft studieren, Freunde treffen. Einer dieser Freunde war Borris. Ja, im Nachhinein glaube ich mich zu erinnern, dass Borris der Schuldige ist. Er erzählte irgendwas von sonnigen Alpen, friedlich grasenden Kühen, frischer Milch und ausgeglichenen Menschen. Und bei Tee und Keksen gemütlich hinterm Ofen sitzend beschlossen wir, im nächsten Sommer auf die Alp zu gehen.

    Wir, das sind Muh-Muh-Bo, Muh-Muh-Fa, Muh-Muh-Ja und Käs-Käs-Ma. Im normalen Leben heißen wir einfach Borris, Fabian, Jana und Marie. Aber Borris meinte, wenn wir schon auf eine Alp gehen, dann müssen wir auch kuhtaugliche Namen tragen. Borris und seine tollen Ideen!

    Im Gegensatz zu uns sind Schweizer Bauern klug. Ein aufstrebendes Bergvolk. Aufstrebend schon deshalb, weil sie zu allem „auf sagen. „Kann man hier CDs kaufen? – „Nein, da müssen Sie auf Landquart gehen, dort gibt es einen Supermarkt." Jetzt mag man die Schweizer für umständlich und zurückgeblieben halten, da man im Dorf nicht einmal CDs bekommt. Aber nein! Sie haben stattdessen die Alp erfunden. Und das heißt, sie schicken ihre Kühe mit ein paar einfältigen Berlinern auf den Berg und lassen sie die ganze Arbeit machen. Derweil bleiben sie selbst unten im Dorf, mähen ein bisschen Heu und vermitteln vorbeikommenden Touristen ein idyllisches Bild. Auf dass die nächsten Städter darauf reinfallen und auch mal auf die Alp gehen wollen. Sehr gewieft!

    Wir jedenfalls sind darauf hereingefallen. Und so kam es, dass wir uns eines schönen Morgens Anfang Juni zu Füßen eines 3000 m hohen Gletschers wiederfanden, umringt von 120 Kühen und ebenso vielen Kälbern. Anfangs hatte das Ganze noch den Charakter eines Volksfestes. Jeder Bauer hatte neben seinen fünf oder sechs Kühen seine gesamte Familie mit auf den Berg geschleift. Kinder spielten Gummitwist und ganze Familien picknickten auf unserem Dach. Und zwischen allem wuselten diese ganzen Kühe herum. Wir bekamen den Beköp ausgehändigt. Und hier endlich löste sich das Rätsel, was der „Beköp" war, von dem immer alle redeten: ein Pick-up! Und dann gingen alle wieder. Und ließen uns mit den ganzen Kühen allein! Was sollten wir denn jetzt machen?

    Am nächsten Morgen standen wir um drei Uhr auf. Drei Uhr! Waren wir noch zu retten? Mir war, als hätte Borris was von frühestens fünf Uhr und alles halb so schlimm gesagt! Es dauerte noch Stunden, bis es endlich hell wurde. Irgendwie fanden Fabian und Borris trotzdem im Dunkeln einen Großteil der Kühe, schafften es nach zweistündigem Rodeo, sie im Stall anzubinden und zu melken, und Marie und ich standen plötzlich vor einem riesigen Kessel Milch. 1800 Liter! An einem Tag! Kann sich jemand vorstellen, wie viel das ist? Man stelle sich einen randvollen mittelgroßen Whirlpool für sechs Personen im Spaßbad vor, dann hat man in etwa die richtige Größenordnung vor Augen. Nur waren wir leider nicht zur Entspannung und zum Baden hier, sondern sollten daraus irgendwie Käse machen. Also schütteten wir unter Aufsicht von Das kann-man-so-machen-Günther Milchsäurebakterien in die Milch, heizten das Ganze fleißig mit dem Ofen, der unsere Käserei in eine an allen Ecken und Enden zischende und dampfende Waschküche verwandelte, und taten dann das Lab, das die Milch in eine schnittfeste Masse verwandelt, ins Kessi. Und hatten anschließend 20 Minuten Zeit, während die Milch dick wurde. Schauten uns verwirrt um, grad wie in einem Traum, und stellten entsetzt fest, dass die Butter ja nun schon viel zu lange im Fass geschlagen wurde. Argh! „Günther, was sollen wir jetzt machen? – „Ja, so wie ihr kann man’s schon machen. – „Ja, aber was sollen wir denn wie machen? – „Doch, so wie ihr kann man’s schon machen. Wir waren dem Wahnsinn nahe. Günther, der die Alp die letzten zehn Jahre betrieben hatte und uns nun zeigen sollte, wo es langging, war in etwa so auskunftsfreudig wie das Butterfass. Während ich noch fassungslos vor einem 30-kg-Butterberg stand, den ich irgendwie mittels Holzbrettchen und Draufschlagen vom Wasser befreien und in formschöne 5-kg-Blöcke verwandeln sollte, ertönte aus dem Nebenraum Maries hysterisches Geschrei.

    Der schlimmste anzunehmende Unglücksfall ereilt uns natürlich prompt am ersten Tag. Die Harfe ist ausgefallen! Die Harfe ist in diesem Fall kein himmlisches Musikinstrument, sondern ein Metallrahmen mit aufgezogenen Drähten. Normalerweise soll das elektrische Rührwerk die Harfe drehen. Dadurch wird die nun eingedickte Milch in kleine Quadrate geschnitten. Aus diesen Klumpen, die Bruch genannt werden, tritt Molke aus, während der Bruch sich immer weiter zusammenzieht und am Ende das Kasein, das Milcheiweiß, zurückbleibt. Daraus wird dann der Käse. So weit die Theorie. Nur leider drehte sich unsere Harfe nicht. Sie hing da im Kessi und schaute uns genauso ratlos an wie wir sie. Günther war natürlich nirgendwo zu sehen.

    „Wenn die Harfe sich nicht drehen will, müssen wir eben den Bruch gegen die Harfe schieben." Das klang ganz einfach, aber schon nach wenigen Minuten hingen wir am Rande der Erschöpfung über dem Kesselrand, waren über und über mit Molke und Käsebruch bekleckert und fragten uns, wie lange wir wohl noch durchhalten könnten, bevor wir selber ins Kessi stürzen würden. 1800 Liter sind doch eine ganz schöne Menge, wenn man sie von Hand bewegen muss. Und als wir gerade glaubten, keine Sekunde länger durchhalten zu können, begann sich die Harfe wie durch ein Wunder zu drehen. Ratlos, aber überglücklich schauten wir uns an. Später erfuhren wir, dass die Harfe wohl irgendwo gegen gestoßen sein muss und sich daraufhin selbst ausgeschaltet hat. Und weil eine Zeitschaltuhr eingebaut ist, konnte man sie auch nicht wieder anstellen. Aha.

    Nachdem also der Bruch jetzt klein geschnitten war, wurde er gerührt und dabei erwärmt. So zieht sich das Eiweiß mehr und mehr zusammen, und noch mehr Molke wird herausgedrückt. Dadurch, dass die Flüssigkeit vom Eiweiß und vom Fett getrennt wird, ist der Käse am Ende haltbar. Das haben sich unsere Vorfahren eigentlich schlau ausgedacht. Aber haben sie auch überlegt, wie man so eine Masse Bruch aus dem Kessi bekommt? Wir konnten das ja schlecht rausschöpfen, und ich sah nirgends einen Ablauf!?

    Doch auch dafür gab es eine Lösung. Die beiden Schleier, die ich am Vortag nach dem Waschen zum Trocknen aufgehängt hatte, waren nämlich nicht für eventuelle Hochzeiten gedacht, sondern wurden auf riesige Metallrahmen gezogen. Während Marie das ganze Konstrukt am Kessiboden entlangführte, hielt ich die Enden an der anderen Seite fest. Wenn das klappt, befindet sich ein Großteil des Bruchs danach im Tuch. Dann wurde das Tuch vom Rahmen genommen, die 4 Ecken an einen Kran geknotet, und meine Aufgabe war es jetzt, diesen Kran mittels Seilzug übers Kessi zu hieven. Dann fuhren wir ihn an einer Schiene in die andere Ecke des Raumes, senkten den Kran in eine viereckige Wanne ab und beschwerten den Bruch mit Metallplatten und Gewichten. Kurz darauf wurde die mitt-lerweile feste Masse in Blöcke geschnitten, und die stopften wir dann in runde Formen, wo sie wieder mit Gewichten beschwert wurden. Dann mussten die Käse, die jetzt auch schon wie Käse aussahen, regelmäßig gewendet werden, damit sie nicht an den Formen festkleben würden und die Molke gleichmäßig ablaufen könnte. Irgendwann war es dann geschafft. Eine Stunde schrubbten wir noch die Käserei, dann war Mittag.

    Nach zehn Stunden lag der Vormittag hinter uns. Mittagessen fiel aus Mangel an Beteiligung aus. Fix und fertig steuerten wir unsere Betten an, bevor es zwei Stunden später wieder hieß: Kühe einsammeln, Rodeo, melken. So sollte das nun tagein, tagaus weitergehen. Ob auf unserer Alp die Sonne schien, konnten wir nicht feststellen. Wenn wir aufstanden, war es stockdunkel, wenn wir kästen, waren die Fenster so beschlagen, dass man gar nichts sah, danach waren wir so fertig, dass wir direkt die Betten ansteuerten. Unseren Hirten ging es nicht viel besser. Im Dustern stolperten sie durch die Berge und suchten Kühe (ohne Saskia, unseren Hund, hätten sie keine Chance gehabt), dann einstallen und melken, dann Zäune bauen und die Kälber versorgen ... sie waren auch gut beschäftigt. Und jeden Tag landeten mehr Käse in unserem Keller. Die mussten gepflegt werden. Täglich rieben wir sie mit einer Lösung aus Salz und speziellen Bakterien ein, damit sie eine schöne Rinde bekämen. Dazu standen Marie und ich am Tisch und schmierten die Käse, die Jungs trugen die Bretter zu uns und wieder zurück ins Regal. Damit uns die Zeit nicht lang wurde, fanden im Käsekeller tagtäglich Verhöre statt. Nur Borris, der uns die ganze Sache eingebrockt hatte, war auffallend selten im Folterkeller zu sehen. Als Oberhirte musste er angeblich ständig zäunen.

    Nach erstaunlich kurzer Zeit hatten wir uns eingewöhnt. Wir standen immer noch um drei Uhr auf, aber wir grübelten nicht mehr darüber nach, wie uns das eigentlich passieren konnte. Wir taten es einfach. Die Kühe lernten langsam, in welchem Stall sie wohnten, und veranstalteten kaum noch Rodeos. Aus der Milch wurden jeden Tag wieder Käse und Butter, auch wenn uns das die ersten Tage wie ein Wunder erschien. Und wir begannen, beim Käsen zu philosophieren. Stellten zum Beispiel fest, dass Pferde zu den Nagetieren gehören. Und das kam so: Marie fragte, was wir wohl tun sollten, wenn wir unser Auszugtuch, mit dem wir den Bruch aus dem Kessi hoben, aus Versehen zerschneiden würden. Es gab dafür nämlich keinen Ersatz. Da sagte ich: „Ganz einfach, wir halten einfach einen von den Jägern an, die hier regelmäßig aufkreuzen, und klauen ihnen ein Netz." Marie meinte, die hätten ja gar keine Netze. Aber wenn sie keine Netze hatten, wie sollten sie dann Murmeltiere fangen, die hier in Massen herumsprangen? Dazu legten sie bestimmt einfach ein Netz vor den Ausgang des Baus, dahinter ein paar Mohrrüben, und schon hatten sie ein Murmeltier. Das leuchtete Marie ein, denn alle Nager mögen Möhren: Meerschweinchen, Karnickel, Pferde … und seitdem gehören Pferde zur zoologischen Gattung der Nagetiere. Das ist doch logisch. Ob Murmeltiere tatsächlich auf diese Art und Weise erlegt werden, konnten wir leider nie beobachten. Manchmal geht es auch weniger friedlich zu. Die Zusennin, das bin ich, neigte nämlich nicht nur dazu, unsinnige Lieder zu erfinden, sondern wurde manchmal, wenn sie im Morgengrauen dem Käse die Schwänzchen schnitt und sie badete, regelrecht rebellisch. Wie, der interessierte Leser weiß nicht, dass Käse Schwänze haben, die man schneiden muss? Doch, ich schwöre, genau so ist es. Ich machte das jeden Morgen. In den Formen liegt der Käse auf Matten aus Plastik, die aussehen wie Fliegengitter. Das ist so, damit auch die restliche Molke noch ablaufen kann, während die Käse von Gewichten gepresst werden. Und weil die runden Matten nicht ganz so groß waren wie die Formen, blieb beim Käse ein Rand. Und in diesem Rand können sich Bakterien ansiedeln, die man da nicht haben will. Also schnitt man ihn mit einem eleganten Schwung mittels eines Kartoffelschälers ab, und übrig blieben die Schwänze. Die kriegten dann die Hühner. Eines Morgens stand ich also beim rituellen Schwänzeschneiden im Keller und ließ den Blick über die fertigen Käse schweifen. Auf jedem stand das Datum, damit man weiß, wie alt sie sind. Mal schrieb Marie es drauf, mal machte ich das. Und wie ich so gedankenverloren dastand und die Käse betrachtete, fiel mir auf, dass man am Datum die Herkunft des Schreibers erkennen konnte. Während meine Zweien gerade, aufrecht, schlicht und unverschnörkelt waren, wiesen die von Marie Schlenker und anderen kapitalistischen Zierat auf. Meine Zweien waren eindeutig sozialistisch, ich komme ja auch aus dem Osten und war Pionier, und die von Marie, die ja aus Bremen kommt, waren eindeutig kapitalistisch. Das wollte Marie nicht auf sich sitzen lassen, und wir diskutierten so lange, bis uns einfiel, dass es ja auch im Sozialismus Schnörkel gibt. In Kuba nämlich. So einigten wir

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