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Die Uhr meines Vaters: Erinnerungen eines alten Mannes
Die Uhr meines Vaters: Erinnerungen eines alten Mannes
Die Uhr meines Vaters: Erinnerungen eines alten Mannes
eBook103 Seiten1 Stunde

Die Uhr meines Vaters: Erinnerungen eines alten Mannes

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Über dieses E-Book

Stellen Sie sich einmal vor, Sie seien das letzte lebende Kind eines Mannes, der 1885 geboren wurde und eines Tages im Februar vor Ihren Augen gestorben ist. Wie fühlen Sie sich dann? Ich hatte bis zu diesem Tag immer wieder fürchterliche Albträume gehabt. Dabei ging es immer wieder um die gleiche Sache. Alle Träume hatten das gleiche Ende, mein Vater war tot. Ich hatte Angst vor diesen Träumen, da ich Angst davor hatte, dass Vater sterben könnte. Dass diese Furcht nicht so ganz unbegründet war, lag auf der Hand. Immerhin war mein Vater bereits 77 Jahre alt. Anders, als alle anderen Väter im Dorf war er hier nicht aufgewachsen. Meine Mutter übrigens auch nicht. Beide hatte es hierher aufgrund familiärer Unbilden verschlagen, die auch geprägt waren von der Nachkriegswirren. Vielleicht lag es daran, dass meine Eltern nicht Mama und Papa hießen, sondern Vater und Mutti. Aber jetzt war das nicht mehr so wichtig.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Sept. 2018
ISBN9783742723116
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    Buchvorschau

    Die Uhr meines Vaters - Ekkehard Wolf

    Anfang

    Die Uhr meines Vaters

    - Erinnerungen eines alten Mannes

    Von Ekkehard Wolf

    Inhalt:

    Anfang

    Armsen 38

    Klauen und Hauen und andere Sachen, die verboten waren

    Doktor und andere Spiele

    Dorferziehung

    Leben

    Sterben

    Abschied auf Raten

    Tapetenwechsel

    Gute Taten

    Neue Orientierungen

    Para Bellum

    Para pacem

    Familienglück

    Neue Ufer

    Wo gelebt wird, da wird auch gelitten

    Die Uhr meines Vaters liegt wie eigentlich an jedem Tag vor mir auf dem Schreibtisch. Und ich überlege wie immer, ob ich sie noch einmal zur Reparatur geben soll. So, wie ich das in den vergangenen Jahren schon mehrfach getan habe. Ein bisschen ist das so, als ob ich versuchen würde, das Rad des Lebens auf diese Weise ein wenig zu verlängern. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob ich dabei an das Leben meines Vaters denke, oder an mein eigenes. Erstmals vor dieses Problem gestellt worden bin ich an dem Tag, an dem ich im Grunde ziel- und weitgehend orientierungslos auf dieser Welt zurück geblieben bin. Der Ausdruck traumatisiert war damals noch nicht so gebräuchlich. Ja, was soll ich sagen? Das war natürlich ganz schrecklich. So richtig fertig bin ich damit immer noch nicht. An sich war das eigentlich ein ganz normaler Tag gewesen. So normal, wie Tage damals bei uns nun mal gewesen sind. Wir haben in einem kleinen Dorf gewohnt. Armsen heißt das. Für mich ist es das schönste Dorf der Welt. Ganz abgelegen und daher mit vielleicht eigenwilligen Traditionen wie dem germanischen Sportfest, bei dem sich die Teilnehmer sogar im Baumweitwurf messen. Falls es wirklich einen Menschen geben sollte, der nicht weiß, wo Armsen liegt: Das Dorf liegt in Niedersachsen und gehört inzwischen zu Kirchlinteln und das gehört zum Landkreis Verden und das liegt ungefähr 30 Kilometer östlich von Bremen. Hier habe ich die ersten 11 Jahre meines Lebens verbracht. Das erste, woran ich mich erinnere, ist das morgendliche Krähen eines Hahnes und der eigenartige Duft, der mich umgab, wenn ich das Fenster öffnete, um nach dem Hahn Ausschau zu halten. Damals wohnten wir im Dachgeschoss bei Familie Kappenberg. Das war insofern bemerkenswert, als Vater aufgrund seiner Kriegsverletzung aus dem 1. Weltkrieg mit nur einem Bein auskommen musste. Das tägliche Auf und Ab auf der schmalen Stiege dürfte für ihn kein Zuckerschlecken gewesen sein. Aber natürlich habe ich das damals nicht bemerkt, ich kannte es ja nicht anders. Wir hatten damals einen Hund, der Strupp hieß und eine Gartenlaube, in der ich zum ersten Mal mit der großen Politik in Berührung kam.

    In der Hütte stand ein Schrank, genannt Spielschrank. In einer der Schubladen fand ich eines Tages kleine Figuren, die früher einmal Pappsoldaten gewesen waren. Jetzt waren sie nicht mehr zu gebrauchen, da irgendjemand sie zerrissen hatte. Dieser Irgendjemand waren englische Soldaten gewesen, denen diese Figuren bei einer Hausdurchsuchung in die Hände gefallen waren, die mein Vater über sich hatte ergehen lassen müssen, nachdem er aus der amerikanischen Zone zugezogen war. Die Soldaten hatten es für richtig befunden, diese Relikte des deutschen Militarismus mit Stumpf und Stiel auszurotten. Das hat Vater mir erzählt. Ich hätte gern mit den Pappsoldaten gespielt. Das ging jetzt nicht mehr. Deshalb mochte ich die Engländer nicht. Da war ich vielleicht vier oder fünf Jahre alt.

    Abgesehen von dieser Prägung hat sich mir seltsamerweise vor allem der große Kachelofen eingeprägt, der hinten in der guten Stube von Kappenbergs stand und eine wohlige Wärme verbreitet hat. Diese Beobachtung hat dazu geführt, dass ich bis Mitte zwanzig ernsthaft davon überzeugt war, dass der ideale Standort für einen Heizkörper hinten im Raum sein müsse.

    Ein anderer Erinnerungsfetzen aus der Zeit bei Kappenbergs ist die Sache mit den Zöpfen meiner Schwester. An denen habe ich mich nach einem Besuch mit meinem Vater bei Frisör Hellwinkel in Verden erfolgreich im Umgang mit einer Schere versucht. Ich werde das Geschrei meiner Schwester nicht vergessen, als sie begriff, was ich da angerichtet hatte. Die darauf folgende Abreibung natürlich auch nicht. Mit uns Kindern gespielt haben damals zwei ältere Mädchen; soweit ich mich erinnere gehörten die zur Familie Störk, die neben den Kappenbergs gewohnt haben.

    Armsen 38

    Später sind wir dann in das Haus mit der Hausnummer 38 umgezogen, in dessen überheiztem Wohnzimmer Vater und ich an diesem Tag saßen. Wir, das waren Vater, Mutti, meine kleine Schwester Erdmute (Mute) und ich. Das Haus liegt direkt neben dem Gebäude, das damals als Erholungsheim für Kinder genutzt wurde. Es hatte fünf Zimmer, glaube ich. In zwei Zimmern wohnten die Heinzes. Nachdem wir nach Verden gezogen sind, sind die dann in den Anbau an der Scheune gezogen, in dem zuvor die Schnells gewohnt haben. Herr Heinze ist dann an Krebs erkrankt. Ich kann mich erinnern, dass mich der Eindruck des körperlichen Verfalls in der Endphase der Krankheit ziemlich getroffen hat. Seither versuche sich solchen Begegnungen aus dem Weg zu gehen. In den anderen drei Zimmern wohnten wir. Wir hatten auch noch eine Küche und ein richtiges Badezimmer mit einem richtigen Klo und einer richtigen Badewanne, die mit heißem Wasser befüllt werden konnte, das aus einem Boiler kam, der mit Propangas befeuert wurde, und – wir haben Klopapier benutzt. Was es damals noch nicht gab, war ein Kühlschrank. Wenn Lebensmittel wie etwa Obst haltbar gemacht werden sollten, mussten sie entweder getrocknet oder eingemacht werden. Die Einweckgläser wurden anschließend in einem halb hohen, kleinen Keller verstaut, der über eine kleine Stiege von der Küche aus erreicht werden konnte. Dieser Keller hatte ein kleines Fenster und daran muss ich immer denken, wenn ich an die Fabel von dem Fuchs und dem Wolf denke. Die Küche selbst war der Ort, an dem gekocht und gegessen wurde. Für das Kochen war Mutti zuständig und für das Essen wir alle und zwar gemeinsam.

    Mute, meine Schwester und ich haben in demselben Zimmer geschlafen, wie die Eltern. Das war das Schlafzimmer. Im Winter haben sich da immer Eisblumen an den Fensterscheiben gebildet. Dazu gab es auch eine Geschichte, also dazu, wie die da hingekommen sind. So eine Art Märchen. Aber ich erinnere mich nicht mehr so genau daran, nur das die Eisfee dahinter steckte, die versucht hat, den Kindern damit eine Freude zu machen. Tatsächlich lag das mit den Eisblumen natürlich daran, dass der Raum auch im Winter nicht beheizt wurde und die Luftfeuchtigkeit in Frostnächten an den gefrorenen Scheiben haften geblieben ist. Aber mit solchen Banalitäten wurden wir damals nicht behelligt. Ähnliches galt für die Sache mit dem Storch, der bekanntlich die Kinder bringt. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir den immer versucht mit Zuckerwasser anzulocken, wenn wir mal wieder ein Geschwisterchen haben wollten. Die Methode braucht übrigens niemand versuchen nachzuahmen. Sie funktioniert definitiv nicht. Aber in unserem aufgeklärten Zeitalter ist das ja vermutlich ohnehin jedem klar. Neben dem Schlafzimmer gab es das Wohnzimmer. In dem standen neben dem Schreibtisch auch die alten Bücherschränke, die Vater irgendwie aus seinem ersten Leben in unsere damalige Gegenwart gerettet hatte. Erstaunlicherweise hatten wir sogar einen Fernseher, der jeden Tag pünktlich um acht Uhr abends zur Tagesschau eingeschaltet wurde. Direkt daneben befand sich das Weihnachtszimmer. Das haben wir praktisch nicht benutzt,

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