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Big Skies: 1111 Abenteuer im Wilden Westen
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Big Skies: 1111 Abenteuer im Wilden Westen
eBook392 Seiten4 Stunden

Big Skies: 1111 Abenteuer im Wilden Westen

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Über dieses E-Book

Was passiert, wenn eine 5-köpfige Familie aus Norddeutschland für drei Jahre in den Wilden Westen der USA zieht? Wie lebt, arbeitet und amüsiert man sich dort? Wie und was wird an amerikanischen Schulen gelehrt? Und was bekommt man einfach so auf der Straße mit? Welche Freiheiten bietet das Land der unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich, und wie geht man damit um?
Vom flachen Land zwischen den Meeren, kurz hinter Dithmarschens Nordseedeich, geht es für 1111 Tage in die Mitte des nordamerikanischen Kontinents nach Denver im Bundesstaat Colorado. Am Fuß der Rocky Mountains befindet sich das neue Zuhause, und nachdem der Start in den fremden Alltag gelingt, werden unbekannte Horizonte erkundet.
Während die segelflugbegeisterten Eltern sich schon nach kurzer Eingewöhnung zum Kauf ihres Traumseglers entscheiden, probieren ihre drei Kinder andere neue Möglichkeiten aus. Und während Dad fleißig Geld verdient, hängt Mom die Hausarbeit an den Nagel…
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum20. Nov. 2015
ISBN9783739282008
Big Skies: 1111 Abenteuer im Wilden Westen
Autor

Elke F.-Petersen

Eigentlich gehört Elke F.-Petersen als treue Staatsdienerin wohl eher in ein Büro hinter große Aktenberge gesperrt? Als Mitglied der geburtenstarken Jahrgänge entschied sie sich nach der Schulzeit zunächst für einen soliden verwaltungsinternen Ausbildungsgang. In ihrer Freizeit ging es hingegen auf den Segelflugplatz. Dort findet sie seit mehr als zwei Jahrzehnten den Ausgleich zum Alltäglichen. Mit drei Kindern und einem Ehemann, der ebenfalls passionierter Segelflieger ist, kennt Elke F.-Petersen eigentlich keine Langeweile. Dennoch lässt sie sich gern auf neue, spannende Abenteuer ein. Davon zu erzählen ist ihr zu einer weiteren Leidenschaft geworden.

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    Buchvorschau

    Big Skies - Elke F.-Petersen

    Übersicht

    1 Fünf Außerdithmarscher

    Da waren wir also nun in Amerika angekommen, und das Meiste hatte so ähnlich funktioniert, wie wir es uns vorgestellt hatten.

    Aber zunächst zurück an den Abendbrotstisch in Norddeutschland: Nachdem die Kinder sich vom ersten Schock erholt hatten, gab es eine kleine virtuelle Rundtour durch Denver. Sofort trockneten die Tränen, und alle waren sich einig: Das wird eine spannende Sache! Einziger Haken, der Vertrag war noch immer nicht unterschrieben… Ein paar Tage sollten die drei Kleinen bitte, bitte noch dichthalten. Anschließend sind sie fast geplatzt, und dann ging plötzlich alles furchtbar schnell.

    Potenzielle Mieter wurden durchs Haus geschleust, während wir damit begannen, unser Umfeld zu informieren. Auch die engste Familie hatten wir bis dahin nicht beunruhigen wollen. Oma und Opa waren dennoch sofort bereit, zwei Tage bei uns einzuhüten, denn wir mussten in die US-Botschaft nach Berlin und dort ein „Interview" hinter uns bringen. Eine seltsame Prozedur, durch die übrigens auch jeder Austauschschüler, sofern er über 14 Jahre alt ist, durch muss. Man stellt sich trotz eines Termins bereits am frühen Morgen vor dem Botschaftsgebäude in einer langen Schlange an und wird ganz allmählich, nach und nach hineingelassen.

    Die Sonne schien an dem Morgen, aber ich fragte mich, wie der Ablauf wohl bei Regenwetter sein würde? Die Ausweis- und Taschenkontrolle in der Botschaft ähnelt der am Flughafen.

    Einen Memory-Stick, den ich mehr zufällig im Rucksack dabei hatte, musste ich bei der Wache abgeben, bekam ihn anschließend wieder.

    Endlich im Gebäude drin wurde man mit kleinen Filmen und Bildern auf großen Fernsehbildschirmen auf AMERIKA vorbereitet. Großartige Landschaften und glückliche Gesichter aller Hautfarben und Kulturen flimmern über den Schirm. Jede der gezeigten Personen konstatiert stolz: „I am an American. Ganz duselig von der Stimmung wird man schließlich zum Interview aufgerufen. Und? „Wir haben gar keine Fragen, Ihre Pässe bekommen sie per Post zugeschickt.

    Nach diesem ersten kleinen Abenteuer wurden also drei Schuljahre und zwei Jobs ordentlich zu Ende gebracht. Dann nahmen wir uns zehn Tage Zeit, um Haus, Garten und Garage auszumisten, Sachen zu sortieren und Dinge (hauptsächlich Elektrogeräte), die wir nicht mitnehmen wollten, beiseite zu räumen. Drei Tage lang waren zwei Möbelpacker (Tim nannte sie nett gemeint „Pöbelmacker") bei uns zu Gast. Sie haben alles, wirklich ALLES, in Papier und Pappen eingewickelt und für den langen Transport vorbereitet. Drei Jahre später, beim Rückzug nach Deutschland, wussten wir warum, und dass sie ihre Arbeit wirklich perfekt gemacht hatten. In Deutschland ist diese Tätigkeit glücklicherweise ein ernstzunehmender Lehrberuf - von wegen Pöbelmacker!

    Als alles leergeräumt, im 40-Fuß Seecontainer verstaut und die Ladung verplombt war, füllten sich unser Haus und Garten noch ein letztes Mal. Bei herrlichem Sommerwetter kamen viele Freunde von nah und fern, um mit uns Abschied zu feiern. Julian sorgte mit seiner Band, bestehend aus fünf 12-jährigen Kindern, für wirklich gute Musik. Die Nachbarn, die wir zum Teil kaum kannten, waren begeistert, und alles war fast zu schön um wegzuziehen. Aber es sollte ja nicht für immer sein.

    Zwei Jahre waren zunächst angesetzt.

    Jammern nützte nichts mehr, die Tickets waren gebucht, die Pässe mit den Visa auch längst angekommen, und im Übrigen war das Haus am nächsten Morgen leer, ganz leer. Tür zu, den Schlüssel zum Makler und die letzten Bierkisten auf unseren Segelflugplatz. Die allerletzte halbe Nacht würden wir dort im Wohnmobil verbringen und unser treues Gefährt anschließend in einer Scheune zwischen Aukrug und Hamburg abstellen.

    1.1 New York, New York…

    Wir selbst sind dann mit fünf Koffern und zwei Laptops erstmal abgetaucht und von Hamburg direkt nach New York geflogen, wo wir in die USA, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten einreisen würden. Bis wir unsere restlichen Habseligkeiten in Denver wieder in Empfang nehmen durften, würden noch über sechs Wochen vergehen. Dieser erste Flug war glücklicherweise recht kurzweilig. In Big Apple angekommen war es dort erst Mittag, geduldig stellten wir uns zum zweiten Mal auf dem Weg nach Amerika in einer Schlange an. Endlich waren wir dran, reichten unsere Pässe über den Tresen und waren auf alle Fragen des Grenzbeamten vorbereitet. Der sah uns an, sagte zunächst nichts, rief einen Kollegen, und der führte uns wortlos zu einem Aufzug: „Bitte dort hinein, Sie können unten wieder aussteigen."

    Hier stimmte etwas nicht. Sollte sich etwa der Hinweis bewahrheiten, dass ein Visum noch keine Garantie für die Einreise ist?

    Immer wieder hatten wir unterschreiben müssen, dass wir genau wissen, dass der Grenzbeamte das letzte Wort hat. Eingesperrt im Fahrstuhl sprach keiner von uns fünfen ein Wort. Unten durften wir aussteigen, uns in eine Art Wartebereich setzen. Uns war noch immer nicht nach Reden zumute. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, aber schließlich kam ein freundlicher Herr auf uns zu und ließ uns EINREISEN!

    Was passiert war? Nun ja, bei dem vielen Papierkram hatte Jo in allerletzter Minute noch das ESTA-Visum beantragt, und das war natürlich abgelehnt worden. Wir hatten ja ein viel höherwertiges 3-Jahres-Visum in unsere Pässe einkleben lassen. Dieses Versehen war offensichtlich dokumentiert worden, und der Grenzbeamte war nun über die Ablehnung gestolpert.

    Übrigens war der Vorfall so gut dokumentiert, dass Jo noch ein Jahr später bei der Rückkehr von einer Auslandsdienstreise vom Grenzbeamten in Denver International mit einem leichten Grinsen empfangen wurde. Gruselig!

    Per Bus durften wir nun in die Stadt fahren, und dann tauchten wir ab in die U-Bahn: Zuerst ging es in die falsche Richtung. Tim fing an zu heulen. Seine innere Uhr zeigte mittlerweile nach Mitternacht. Mitten in Manhattan hatten wir eine jugendherbergsähnliche Unterkunft gebucht, die uns als Zuflucht vor dem Lärm und dem geschäftigen Treiben der Millionenstadt dienen sollte.

    Selbst nachts kam man sich jedoch vor wie auf einer Baustelle, weil in den Hinterhöfen allüberall Klimaanlagen versuchen, die Hitze von drinnen nach draußen zu transportieren. Bei über 30 Grad Celsius macht das entsprechend Lärm und heizt die Stadt zusätzlich auf. In den Gebäuden ist es dann zeitweise so kalt, dass man sicherheitshalber immer eine Fleece-Jacke dabei haben sollte.

    Wenn es in New York zu warm wird, gibt es einen Stromausfall, der „Brownout" heißt, weil nur die Teile der Stromversorgung lahm gelegt werden, die nicht überlebenswichtig sind. Kühlaggregate in Supermärkten laufen weiter, aber Büroangestellte müssen ein paar Stunden schwitzen, bis die Kraftwerke wieder in der Lage sind, ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen.

    Erste amerikanische Eindrücke genossen wir nach einer dank großer Müdigkeit langen Nacht beim Frühstück im „Broadway Bagel. Wir vermissten bereits jetzt unsere Lieblingsbrötchen vom Mühlenbäcker! Die Blueberry-Pancakes hatten leider so gar nichts mit Mamas Vollkorn-Dinkel-Pfannkuchen zu tun, und Milch gab es nur in braun oder rosa. Alles wurde mit Low-Fat oder ganz ohne Kalorien angepriesen. Aber Eier mit Speck schienen ganz okay. Jeden morgen dieselbe Frage: „Na, hat schon jemand auf Englisch geträumt? Die Antwort war immer die Gleiche: „Mensch Papa, wie denn bei dem Lärm?!"

    Natürlich absolvierten wir das obligatorische Touristenprogramm mit Empire State Building, Freiheitsstatue, Fifth Avenue, Central Park, einer Fahrt im Yellow Cab und sammelten viele U-Bahn-Kilometer. Erst der Blick von der 320 Meter hohen Aussichtsplattform des höchsten Wolkenkratzers in New York lässt einen begreifen, wie der unendliche Lärm entsteht. Unter uns ein Meer von hohen Gebäuden, durchzogen von einem nicht enden wollenden Straßennetz. Bis zum Horizont ist alles bebaut. Allein in Manhattan leben über drei Millionen Menschen. Die gleiche Menge Menschen kommt dorthin täglich zum Arbeiten. In der Höhe ist der Geräuschpegel noch immer mit dem Summen der Bienenschwärme unseres ehemaligen Nachbarn zu vergleichen.

    Grün gibt es nur im Central Park. Der Versuch, Fassaden mit Grünpflanzen aufzuheitern, erscheint kläglich. Unsere Kinder hatten bald den riesigen Park zu ihrem Lieblingsort erkoren.

    Nach drei Tagen Lärm und Wolkenkratzern ging es endlich weiter über den Kontinent in Richtung Westen. Kurz bevor man die Rocky Mountains überqueren würde, erstreckt sich in der Ebene fast mittig in den USA eine große Stadt mit flachen Bauten und einigen Wolkenkratzern im Zentrum: Denver.

    Die „Provinzhauptstadt" liegt von Deutschland aus gesehen acht Stunden in der Vergangenheit. Wieder müssen wir die Uhr umstellen. Anders gesagt, wenn Deutschland aufsteht, gehen wir erst schlafen. Der Flughafen liegt weit außerhalb, ist riesig und befindet sich scheinbar in der Mitte vom Nichts zwischen endlosen bewässerten Feldern und verdorrtem Bewuchs.

    Nach der ersten Nacht im VQ-Hotel sind wir weitergezogen.

    Zunächst wohnten wir vier Wochen in einem Ferienhaus in Aurora auf der Ostseite Denvers, das ich per Internet von Privatleuten gemietet hatte. Da wir für einen ganzen Monat gebucht und bezahlt hatten, fanden wir dort einen kleinen Präsentkorb und einen liebevoll eingedeckten Tisch vor. Anders als in dänischen Ferienhäusern hatten die Vermieter in amerikanisch freundlicher Art und Weise auch Seife, Spülmittel, Waschmittel, Toilettenpapier usw. für uns bereitgestellt. So kann man sich vom ersten Augenblick an wie zu Hause fühlen! Ehrlich gesagt war ich heilfroh, dass es dieses Haus gab und wir das merkwürdige Drehzahlenschloss an der Haustür nach telefonischer Anweisung auch aufbekommen hatten. Mir war bei der Buchung mit Kreditkarte im Internet überhaupt nicht wohl gewesen, aber eine andere Chance hatten wir von Heide aus nicht gehabt.

    Tagsüber war es sehr warm, knapp über 30 Grad Celsius, allerdings bei sehr trockener Luft. Bereits am Vormittag bildeten sich hoch über den Rockies Quellwolken, die sich nachmittags deutlich ausbreiteten und teils zu Gewittern wurden. Dann kühlte es merklich ab. Kurz nach acht Uhr ging in den Sommermonaten bereits die Sonne unter, und im Laufe der Nacht zeigte das Thermometer dann nur noch 16 °C. Wenn nicht die amerikanischen Doppelbetten (Queen Size) so klein und weich wären, hätte der Schlaf sehr erholsam sein können.

    Nach einem Tag mit etwas Sightseeing in den Bergen, mit Erkundung der Freizeitmöglichkeiten und einem kurzen Besuch beim Segelflugverein in Boulder nahmen wir aktiv unsere Umsiedlung in die Hand: Als allererstes stand die Beantragung einer Sozialnummer, ohne die man hier ein Nichts ist, auf dem Programm. Dort hatte, während wir in der Wartehalle saßen, Julian seine erste seltsame Begegnung. Er kam mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der natürlich sofort bemerkte, dass wir Ausländer waren: „Germany, wow, that’s awesome! Are you from East or West Germany?" Mein großer Sohn guckte reichlich erstaunt, und ich gab ihm kurz noch einmal Nachhilfe in deutschdeutscher Geschichte.

    Anschließend besichtigten wir ein erstes Haus, welches zu vermieten war. Den Termin hatte ich bereits von Deutschland aus verabredet. Leider mussten wir feststellen, dass das Haus viel zu klein für uns war. Die angegebenen zweitausend Quadratfüße reichten bei weitem nicht für die Utensilien, die in unserem 40-Fuß-High-Cube-Container auf dem Atlantik schipperten. Außerdem befand sich die Hälfte der Wohnfläche im Keller. 2000 Square Feet entsprechen etwa 180 Quadratmetern und wären damit mehr als das was wir zu Hause nach Berechnung unseres Heider Statikers an Wohnfläche zur Verfügung hatten. Irgendetwas stimmte nicht!

    Während wir Eltern am Küchentisch unseres Ferienhauses in Aurora berieten, wie weiter vorzugehen wäre, verschwanden die Kinder im Keller. Dort stand im Family-Room ein ziemlich weiches Sofa, auf dem sie allen Stress einfach weghüpften. Was in Deutschland noch als Todsünde gegolten hatte, wurde hier zur Therapie. Irgendwann purzelten aus den Sofaritzen Geldstücke heraus, und siehe da, es steckte voller kleiner Münzen. So lernten die drei Kleinen Quarters, Pennies und Dimes kennen, lange bevor sie welche in ihren Portemonnaies hatten.

    Oben in der Küche machte derweil die drahtlose Internetverbindung schlapp, und so konnten wir keine weiteren Mietangebote mehr herausfiltern. Tief enttäuscht verbrachten wir nach erfolgloser Recherche in Sachen Behausung eine schlaflose Nacht.

    Am nächsten Morgen setzte Tim sich fröhlich an den Frühstückstisch und verkündete stolz, er habe nun endlich etwas Englisches geträumt. „Ja? Was denn?! Die Antwort kam prompt: „Ich hab` nix verstanden.

    Es gelang uns schließlich nach provisorischem Wiederaufbau des Internetzugangs und mit einigen Telefonaten schnell, weitere Häuser in Augenschein zu nehmen, und dabei wurde deutlich, dass sich die Anbieter des ersten Mietobjekts vertan haben mussten. Die Häuser waren alle viel größer, boten verschiedene Möglichkeiten wie zum Beispiel kostenlose Swimmingpoolnutzung in der Nachbarschaft, Kühlschrank mit automatischem Eiswürfelbereiter, mitvermieteten Waschmaschinen und Trocknern und, und, und. Bei letzterem immer die Frage, wozu man bei der trockenen Luft wohl einen Trockner brauchte? Selbst in Dithmarschen schafften Sonne und Wind es, die Wäsche von März bis November im Freien zu trocknen.

    Bei einer unserer elend langen Einkaufstouren entdeckten die Kinder eine Backmischung für Brownies und beschlossen mal etwas Feines zu backen. Zu Hause wurden nach Packungsanweisung Eier und Wasser zu der Backmischung gegeben und eine Backform ausgesucht. Es sollte eine 9 mal 13 Inch Backform sein. In der Ofenschublade gab es alle möglichen Formen zur Auswahl, aber ohne Messgerät fanden wir nicht raus, welches die richtige war. Anhand der Teigmenge entschied ich schließlich, dass eine quadratische Form passen musste. Der Ofen war mit einer digitalen Temperaturvorwahl und einer Zeitschaltuhr ausgestattet. Da konnte ja nichts mehr schief gehen… Als der Teig im Ofen backte, guckte ich mir die Backanleitung noch einmal an. Da standen doch einige Hinweise für das Kuchen backen in größerer Höhe (über 3000 Fuß über dem Meeresspiegel) drauf, die wir einfach übergangen hatten. Mehr Mehl, mehr Wasser und auf keinen Fall eine quadratische Teigform! Die Brownies wurden irgendwie klebrig, aber schmeckten einigermaßen. Bevor ich mein erstes Brot backen sollte, würde ich mich wohl mit den Spielregeln für das Backen in 5000 Fuß beschäftigen müssen.

    Die größte Herausforderung bestand jedoch weiterhin darin, eine sichere Wohngegend zu finden, in der auch die zuständigen Schulen gut „bewertet" waren, so dass wir die Kinder ohne große Bedenken dorthin schicken könnten. Eine freie Schulwahl gab es für uns nicht, da wir als neu zugezogene Einwohner in Colorado nicht an einer so genannten Lotterie teilnehmen und uns für bestimmte Schulen bewerben konnten.

    1.2 Die Schulfrage

    Hilfreich sind hier die Amerikaner selbst, aber niemand kennt alle Schulen in Denver und Umgebung. Es gibt allein an die Tausend öffentliche Grundschulen für die ständig wachsende 3-Millionenstadt mit ihren unzähligen Vororten. Die besten Hilfestellungen bietet hier das Internet. Das etwas umständliche Verfahren hatte ich glücklicherweise in Deutschland ausgiebig studiert. Da wir zwei verschiedene Schulen (Elementary und Middle School) brauchten und in zwei Jahren unseren Größten eventuell auf eine Highschool schicken würden, reduzierte sich die Auswahl an geeigneten Mietobjekten deutlich. Privatschulen waren angeblich teuer, so dass wir diese Option von vornherein ausgeschlossen hatten.

    Nach ein paar Tagen intensiver Suche hatten wir endlich ein angemessen bescheidenes Haus mit kleinen Kinderzimmern, Riesengarage und ohne Schnickschnack gefunden. Es lag am Fuße des Green Mountain, einem kleinen Höhenzug, der den Rockies direkt vorgelagert ist. Von Deutschland aus war mir diese Gegend vorher nie aufgefallen, aber sie war ideal! Nach Unterzeichnung des Mietvertrags kletterten wir sogleich ein Stück auf die „Foothills" hinauf und wurden mit einem Blick über das gesamte Stadtgebiet von Denver belohnt. Man konnte bis zum Flughafen gucken, der geschätzte 50 Kilometer entfernt ist. Wir begegneten vielen aktiven Leuten in Laufausrüstung (verkabelt mit Pulsmessgeräten und Musik) oder auf Mountainbikes. Ein freundlicher älterer Herr in Wanderschuhen warnte uns eindringlich vor Klapperschlangen, die sich im verdorrten Gestrüpp des Green Mountain schattige Plätze suchen, vor Kojoten und vereinzelten Berglöwen. So schlimm?

    Ein Bankkonto musste eingerichtet und Geld aus Deutschland herübertransferiert werden, damit der Mietvertrag unsererseits erfüllt werden konnte. Die finanzielle Transaktion stellte leider ein kleines Problem dar, denn PIN und TANs für das extra eingerichtete Online-Banking befanden sich - wie auch Tims Urlaubsdollars, die er in einer Spielzeugkiste versteckt hatte - dummerweise im Container… Da waren die Möbelpacker schneller gewesen als wir. Nach einem nächtlichen Telefonat mit der Heider Bank war aber auch dieses Problem sehr flott gelöst.

    In dieser Nacht, allein auf dem Sofa unseres Ferienhauses in Aurora, entschied ich übrigens, dass wir kein US Fernsehen brauchen würden. Alle zehn Minuten Werbung, egal auf welchem Programm, und nur Blödsinn. Um elf Uhr nahm ich endlich ein Buch zur Hand, die Colorado Saga von James Michener, und hielt so bis zur Öffnung unserer Hausbank um ein Uhr nachts durch.

    Zum Einzug am Green Mountain fehlte nun eigentlich nur noch der Umzugscontainer…

    Nach Erkundung der zukünftigen Wohngegend war der nächste Schritt die Schulanmeldung für die Kinderchen. Alle zuständigen Schulen waren von unserem neuen Wohnhaus in zehn Minuten zu Fuß zu erreichen! Julian und Nellie wollten unbedingt mit dem Rad fahren. Wir mussten dazu allerdings noch das Bremsen trainieren, denn es ging ziemlich fix bergab. Oder die Schule fällt aus. Die Anmeldeformalitäten dauerten lange, obwohl wir sämtliche Papiere, inklusive Übersetzungen, dabei hatten. Alles schien aber trotzdem sehr vielversprechend! Anhand der bei der Anmeldung mitgegebenen Supply Lists mussten wir nun die notwendigen Utensilien für die Schulkinder einkaufen. Die erste Schwierigkeit bestand darin, ein Geschäft ausfindig zu machen, in dem Schreibwaren verkauft werden. Im Super-Target, wo wir sonst die Lebensmittelregale studierten, wurden wir schließlich fündig. Leider herrschte bei den Schreibwaren eine ziemliche Unordnung. Wir waren offensichtlich nicht die ersten, die hier den Schulbedarf einkaufen wollten. Fast drei Stunden verbrachten wir zwischen Folders, Binders, verschiedensten Pens, Kleenex, Ziploc-Bags, Erasers und so weiter.

    Nellie und Julian halfen fleißig mit, die Artikel aufzustöbern und schleppten stolz die gefundenen 1 Inch oder 1,5 Inch Binders, Crayola Colored Pencils und Notebooks in verschiedenen Lineaturen an. Bei den „5 bottom pocket folders with 3 prongs (1 of each red, blue, green, yellow and purple)", kapitulierten wir.

    Tim hatte schon längst Langeweile, Hunger, Durst und musste mal. Also kauften wir uns erst einmal ein Eis und stellten fest, dass es schon recht spät geworden war. Es lohnte nicht mehr, an dem Tag noch etwas anderes zu unternehmen.

    1.3 Und sonst so?

    Nachdem alles geregelt war, blieb ein bisschen Zeit, um sich noch ein wenig in der neuen Heimat umzuschauen. So standen wir eines Morgens, nachdem wir den Papa für ein paar Stunden in seinem neuen Büro abgegeben hatten, in einem Souvenirladen mitten in Denvers Innenstadt.

    Julian war mit seinen sechs Jahren Schulenglisch schon ziemlich eigenständig. Lediglich an den amerikanischen Slang musste er sich anfangs gewöhnen. Nachdem er in dem muffigen Laden ein paar Postkarten für seine deutschen Kumpels ausgesucht hatte, lief er zur Kasse und fragte den Verkäufer: „Do you have marks?" Der guckte ihn verständnislos und etwas erstaunt an.

    Mama eilte zur Hilfe: „He’s asking if you do have some stamps for him. Das Gesicht des Verkäufers wurde freundlich, und Julian bekam von mir eine Übersetzung seiner Frage: „Haben Sie Flecken?

    Die Frage nach dem Führerschein:

    Wenn man ein eigenes Auto besitzt und nicht mehr mit dem Mietwagen unterwegs ist, muss man einen Colorado-Führerschein haben, den man nur durch Ablegen einer Prüfung erhält.

    Jeder Bundesstaat hat seine eigenen Verkehrsregeln und stellt eigene Führerscheine aus. Wenn ein Amerikaner in einen anderen Bundesstaat umzieht, meldet er sich nicht im Rathaus als neuer Einwohner an, sondern geht zur Verkehrsbehörde (DMV), gibt dort seinen alten Führerschein ab und erhält einen neuen. Mit diesem Plastikkärtchen ist er dann - neben dem Besitz der Sozialnummer - wieder ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Besitzt man einen Führerschein, hat man Verantwortungsbewusstsein nachgewiesen. Ohne ihn kann man beispielsweise kein Bier kaufen. Selbst wenn man bereits graue Haare und jede Menge Falten im Gesicht hat, kann man nur mittels Führerschein beweisen, dass man nicht verkleidet ist.

    Also gingen wir an einem Dienstag zum Colorado-DMV. Von einem Montags- oder Freitagsbesuch wird ausdrücklich abgeraten, weil an diesen Tagen alle Amerikaner Behördengänge erledigen. Wir bekamen zwei verschiedene Prüfungsbögen ausgehändigt und sollten an einem extra dafür vorgesehenen Stehtisch die Multiple-Choice-Fragen beantworten. Natürlich hatten wir uns darauf vorbereitet! Der Bitte, nicht direkt nebeneinander zu stehen, kamen wir selbstverständlich nach. Es standen bereits eine Menge anderer Menschen an dem Prüfungstisch. Niemand überwachte, was die Prüflinge dort miteinander besprachen.

    Nach Abgabe der Prüfungsbögen wurden ein paar Dollars bezahlt und ein Foto für den Führerschein geknipst. Es machte viel Spaß, den Leuten dabei zuzugucken. Die Amerikaner sind unglaublich gute Schauspieler, und deren Fotos sind bestimmt viel besser geworden als unsere. Ich wurde aufgerufen, meine Familie lachte sich schlapp: „Elllkiiiee! Alle Leute wurden mit ihren Vornamen angesprochen und meiner klang ziemlich komisch. Nun sollte ich auch noch meine Brille für das Bild absetzen und fragte, weshalb. „Natürlich, damit die Brille nicht spiegelt! Also fange ich an zu erklären, dass ich eine dreifach entspiegelte…

    „Sweetheart, please let me now take a photo of you!" Okay, die Schlange hinter mir war lang.

    1.4 Endlich Schule!

    Einige Tage vor dem Beginn des Schuljahres veranstaltete die Elementary School ihre Back-to-School-Night. Obwohl wir noch immer auf der anderen Seite der Stadt wohnten und eine knapp einstündige Anreise hatten, ließen wir uns dieses Ereignis natürlich nicht entgehen. Nellie wurde bei den Fünft-, Tim bei den Zweitklässlern abgegeben. Die Eltern wurden in der Turnhalle über Neuerungen und Grundsätzliches informiert. Für uns eigentlich nichts Besonderes, aber die alleingelassenen Kinder verstanden trotz ihrer Englischkenntnisse nicht viel. Tim begann mit einem anderen Jungen zu puzzeln und antwortete auf Fragen immer artig mit „Yes, so dass niemandem auffiel, dass er kein „Amerikanisch konnte. Irgendwann fing er jedoch an zu weinen, als er nicht wusste, in welche Klasse er nun gehen sollte und sich niemand um ihn kümmerte. Genau im richtigen Moment war aber der Papa zur Stelle, der dann mit ihm gemeinsam eine Aufgabenliste abarbeitete, die alle Kinder von der Klassenlehrerin in die Hand gedrückt bekommen hatten. Nun kannten sich die beiden im Klassenraum bestens aus, und die Tränen waren schnell getrocknet.

    Tim freute sich auf seinen ersten echten Schultag, der genau am selben Tag sein sollte wie bei seinen daheimgebliebenen Kumpels in Schleswig-Holstein. Leider hing unser Umzugsgut noch zehn Tage im Zoll, so dass wir ziemlich oft die Strecke von Ost nach West und wieder zurück durch Denver fahren mussten.

    Diese Tage waren extrem lang und anstrengend. Jo und ich versuchten sie bestmöglich zu nutzen, aber nachdem wir Telefon und Internet im Haus installiert hatten, ein US-taugliches Familienmobiltelefon angeschafft hatten, sämtliche Wohnmobilverkäufer rund um Denver kannten und auch mit den neuen Nachbarn Freundschaft geschlossen hatten, wurde uns doch irgendwie langweilig.

    Die Kinder hingegen waren glücklich: Die Elementary School bot Hilfestellung für Kinder an, deren Muttersprache nicht Englisch ist. Tim wurde sofort ein eifriger Nutzer dieses Angebots.

    An Julians Middle School gab es eine Musik-Band als Unterrichtsfach sowie Spanisch als Fremdsprache. Leider wurde

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