Dies und Das und Allerlei
Von Adilana Frisch
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Über dieses E-Book
Die eine oder andere Geschichte wurde aus persönlichen Gründen mit einer "dichterischen Freiheit" abgeändert.
Viele Dinge, die im Leben passieren, tragen zu übermäßiger Freude, zu Ernüchterung oder zu tiefer Traurigkeit bei.
Es passiert dies, das oder allerlei anderes. So ist das Leben!
Adilana Frisch
Die Autorin besticht mit einem phänomenalen Detailgedächtnis. Viele Erinnerungen, welche schon Jahrzehnte zurück liegen, sind in ihrem Gedächtnis noch klar und present. Sie beschreibt in ihren Geschichten und Gedichten das Leben, so wie es war, so wie es ist, so wie es sein sollte.
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Buchvorschau
Dies und Das und Allerlei - Adilana Frisch
Geschichten aus dem Leben
Einen besonderen Dank an alle, die mir ihre Geschichten für mein Buch überlassen haben.
Lieber Leser:
Suchen Sie nicht nach Fehlern,
sie werden welche finden. ;-)
Inhaltsverzeichnis
De Binska Mare
Akkordeon
Geisterstunde
Geschwister
Diskriminierung
Kreuz am Himmel
Nächtlicher Besucher
Enttäuschtes Vertrauen
Ein Tag voller Angst
Schwangerschaft
Eine Geschichte zum Schmunzeln
Mein Hund Foxi
Die Überraschung
Ferien auf dem Bauernhof
Urlaub mit Freunden
Unser Malteser Hund Liberty
2. Hundeattacke
Liberty und Lady
Die Pipischale
Kontrolle vor dem Check-in
Der Piepton
Der tägliche Security-Check
Die „so da"-Schleuse
Überflüssig
Flughafen-Milieu
Falsche Menschenkenntnis
Allerlei Erwähnenswertes
Handsondenklaps
Ansteckungsgefahr
Durchhalten
Kleinflieger-Terminal
Praktikum
So ist das Leben
D´ Vawandschaft
Die Zeit mit uns
Die Suche
Die Silberdistel
De Binska Mare
Man schrieb das Jahr 1950 und es war Sommer. Lisa, die sechs Geschwister und ihre Eltern, wohnten in einem Auffanglager in der Nähe von Ganacker bei Landau an der Isar. In diesem Lager hatten viele Unterschlupf gefunden, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Für die Kinder war es ein wunderbarer Ort. Ein riesengroßer Sportplatz, umringt von vielen Bäumen, eine Schule, ein Kindergarten, eine Kirche, ein Lebensmittelgeschäft und jede Menge Freunde, die alle zu Fuß erreichbar waren. Für die Kinder tat man dort sehr viel. Jeder passte auf sie auf, auch wenn sie einem nicht gehörten. Die Zusammengehörigkeit zeigte sich von Anfang an. Trotzdem gab es den einen oder anderen, dem es nicht gefiel, so eng aufeinander leben zu müssen. Viele waren es gewohnt, für sich zu sein. Das blieb auch so. Jeder in diesem Ort, nahm auf diese Personen Rücksicht. Auch den Eltern von Lisa gefiel es nicht so gut. Viele hatten ihre Heimat verlassen müssen. Nur das Nötigste durften sie damals bei der Vertreibung mitnehmen. Sie mussten zurücklassen, was ihnen einmal lieb und teuer war. Lisas Eltern hatten ja in ihrer Heimat in der ehemaligen Tschechei ein kleines Sägewerk. Den Betrieb sollten einmal die beiden Brüder von Lisa weiterführen, wenn sich ihr Vater einmal zur Ruhe setzen wollte. Andere im Ort hatten einen Bauernhof und wieder andere ein Lebensmittelgeschäft. Die Eltern von Lisas Freundin hatten eine gutgehende Schneiderei. Ja, so mancher war richtig unglücklich. Geld hatten diese Leute auch nicht mehr. Vom Staat bekam zwar jeder Vertriebene eine kleine Unterstützung, aber das reichte nur für das Nötigste. So manch eine Familie musste den Gürtel schon enger schnallen. Dieses Auffanglager, wie die einheimischen Leute es nannten, war ein Militärstützpunkt gewesen. Man konnte noch Überreste einer zerbombten Offizierskantine erkennen. Ein zerstörter Militärflieger und sogar scharfe Bomben in der Größe eines liegenden Kindes im Alter von 6 bis 10 Jahren lagen achtlos herum. Zwei abgestürzte Hubschrauber waren für die Kinder ein toller Spielplatz. Nach und nach wurden diese Überreste des Krieges abgeholt, um Schaden an den dort lebenden Menschen zu vermeiden. So mancher war sichtlich erleichtert. Die Kinder aber nicht, die wollten solche Dinge gern als ihren persönlichen Abenteuerspielplatz behalten. Man lernte sich kennen, achten und verstehen. Einige hatten in diesem Ort die Liebe fürs Leben gefunden, andere fanden bald eine bessere Unterkunft und zogen wieder weg. Manch einer verließ den Ort, weil er eine neue Arbeit gefunden hatte. Ja, es war ein Kommen und Gehen. Auch der Vater von Lisa und zwei ihrer Brüder fanden Arbeit in Landshut, Landau und in Dingolfing. Die große Schwester von Lisa bekam eine Lehrstelle in einer Konditorei, denn sie backte mit Leidenschaft Kuchen, Torten und Plätzchen. Das Verzieren der Köstlichkeiten war ihr schon in die Wiege gelegt, denn ihre Oma hatte auch eine Bäckerei und Konditorei. Lisa war 6 Jahre alt, ihre beiden Schwestern 3 und 5. Kurz vor Weihnachten bekam ihr Vater von seinem neuen Chef einen Fernseher geschenkt. Die ganze Familie war in höchster Aufregung. Sogar alle Nachbarn freuten sich sehr darüber. Das hatte auch seinen Grund, wie sich bald herausstellen sollte. Jeder wollte in den Genuss kommen, auch einen Film anschauen zu dürfen. Nachdem ja keiner der Nachbarn einen eigenen Fernseher hatte, ließ die Familie von Lisa es gerne zu. Eine Frau aus der unmittelbaren Nachbarschaft kam zweimal in der Woche, um den einen oder anderen Film zu sehen. Diese Frau hieß Maria Binsker. Bei den Lagerbewohnern nannte man sie liebevoll „de Binska Mare". Maria war sehr dick und konnte oft das Wasser nicht mehr halten. Es lief einfach auf den Boden. So beschloss Lisas Mama, einfach Zeitungen auf Marias Platz auszulegen. Maria benötigte wegen ihrer Leibesfülle auch 2 Stühle. Für Lisas Mutter war das immer ein großer Aufwand, da ja jeder mal einen Film sehen wollte. Allabendlich machte sie aus der Wohnküche eine Art Kino, nur mit dem Unterschied, dass sie kein Geld dafür bekam. Alles aus reiner Nachbarschaftsliebe, wie es die Mutter von Lisa immer nannte. Ihr Vater machte aus zwei Stühlen eine Art Bank, indem er ein Brett darauf legte. Also ein Stuhl, das Brett, ein Stuhl und schon hatten mehr Leute Platz. Einige brachten sogar eigene Stühle mit. Am Ende des Filmes wurde gemeinsam aufgeräumt und irgendjemand wischte sogar den Fußboden. Die Kinder durften am Abend nicht Fernsehen.
Eines Tages brachte ein Bruder von Lisa, der ja nur manchmal zu Besuch kam, eine tolle Sache mit nach Hause. Eine Farbplatte für den Fernseher. Diese wurde einfach innen vor den Bildschirm geschoben und alles erschien in Farbe. Das war eine Freude. Darüber freute sich jeder Besucher.
Der Winter verging, genauso der Frühling. Eines Tages gab es im Ort eine große Aufregung. Es hieß: „De Binska Mare is gstorm" (die Binsker Maria ist gestorben). Jeder vom Ort, ob Kind oder Erwachsener, traf sich auf der Straße vor Marias Wohnung. Es war mucksmäuschenstill. Alle waren in sich gekehrt. Jeder wusste, dass sie nicht mehr ganz gesund war, aber dass es so schnell vorbei sein würde, das dachte keiner.
Maria war beliebt, bei Jung und Alt. Ganz besonders wegen ihrer Art sich zu kleiden. Sie kam aus Polen, war aber deutschstämmig. Maria war ungefähr 55 Jahre alt. Wegen ihres starken Körperumfanges und ihrer Krankheit wirkte sie älter. Sie half gerne bei den Bauern am Feld mit, wenn diese Heu einfuhren. Wenn sie auf den Heuwagen rauf wollte, um mit der Heugabel das Heu zu verteilen, hatte sie allein so ihre Probleme, da raufzukommen. Die Anwesenden jungen Burschen halfen ihr ganz gern auf den Wagen. Maria trug immer mehrere lange Röcke übereinander. Ihre Unterhose war knielang und im Schritt war ein Schlitz. Beim Wasserlassen war das für sie immer ganz praktisch. So konnte sie im Stehen ihr Wasser lassen. Dabei hielt sie mit beiden Händen ihre vielen Röcke einfach nach vorne von sich weg. Die jungen Burschen machten sich immer einen Spaß daraus, Maria auf den Wagen zu hieven. Sie wusste ganz genau, warum und ließ ihnen die Freude daran. Wenn Maria des Öfteren schrill und laut loslachte, wusste jeder, dass sie wieder Einblick in ihre Unterhose zuließ. Ihr war dies egal, Hauptsache die Kerle halfen ihr auf den Wagen und auch wieder herunter. Ja, das war Maria.
So standen sie alle, den Kopf nach unten geneigt vor Marias Hauseingang. Jeder ließ seinen Gedanken freien Lauf. Alle waren voller Trauer. Irgendwann vernahmen sie ein klapperndes Geräusch und ein kurzes Wiehern. Worauf alle in die Richtung, wovon die Geräusche zu vernehmen waren, sahen. Man erkannte einen Leiterwagen, der von vier weißen Pferden gezogen wurde. Ein Mann in schwarzer Bekleidung und einem schwarzen Hut lenkte dieses Gespann und kam immer näher heran. Auf dem Wagen stand ein hellbrauner Sarg. Wie selbstverständlich, sprangen ein paar der umstehenden Männer auf den Leiterwagen, um den Sarg herunterzuheben. Da war sich keiner zu schade, jeder half mit. Sie trugen den Sarg in die Wohnung von Maria. Ein Arzt und eine Leichenbestatterin aus dem benachbartem Dorf verschwanden ebenfalls in der Wohnung der Verstorbenen. Die vier Männer, die den Sarg zur Maria brachten, standen längst wieder bei den Anderen. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Lenker des Pferdegespannes herauskam, um wieder nach freiwilligen Helfern zu suchen. Vier der umstehenden jungen, kräftigen Männer gingen mit. Nach einer Weile kamen sie heraus und verstauten den schweren Sarg auf dem Wagen. Als der letzte Mann vom Wagen heruntersprang, machte eines der Pferde einen kleinen Ruck nach vorn. Plötzlich sprang der Deckel des Sarges auf. Alle Umstehenden, Kinder und Erwachsene ließen vor Schreck einen lauten Schrei los. Der Mann in Schwarz sprang auf den Wagen, um nachzusehen, warum dies passieren konnte. Er fragte ein wenig mit erhobener Stimme, ob jemand eine lange Stricknadel besorgen könnte. Eine Frau lief los und kam gleich darauf auch schon wieder. Sie übergab die Stricknadel dem Mann auf dem Wagen. Dieser bedankte sich und ging zu dem Sarg, in dem Maria lag. Er stach ein paar Mal mit der Nadel in Marias Körper. Einige hielten sich mit der Hand den Mund zu, um ja nicht laut loszuschreien. Aus Marias Körper kam ein Zischen. Es hörte sich an, als ob ein Fahrradschlauch geplatzt sei. Danach stank es so fürchterlich, dass so manchem richtig übel wurde. Die Kinder wichen vor Schreck und Ekel mehrere Schritte zurück. Die Anderen blieben wie angewurzelt stehen oder wie vor Schreck erstarrt. Der Kutscher versuchte erneut den Deckel zu schließen. Beim zweiten Versuch legte er sich mit dem Bauch voran auf den Sargdeckel und verriegelte ihn an mehreren Stellen. Lisa stand mit geschlossenen Augen da. Sie öffnete sie erst, als der Pferdekutscher sie fragte: „Magst du das weiße Kreuz bis zum Ende des Ortes tragen?" Nachdem sowieso alle den Trauerzug ein Stück begleiten wollten, war Lisas Mutter einverstanden. Mit beiden Händen hielt nun Lisa das Kreuz dicht vor ihrem Gesicht und war dabei stolz und andächtig zugleich. So ging sie dicht neben dem Pferdegespann und ihre Mutter war immer neben ihr. Am Ende des Ortes angekommen, blieb der Trauerzug stehen und der Kutscher kam zu Lisa. Er bedankte sich bei ihr und nahm ihr das kleine, weiße Kreuz wieder ab und verstaute es auf dem Wagen. Einige standen noch lange am Weg und sahen dem Gespann hinterher, bis es ihnen an einer Wegbiegung aus den Augen verloren ging.
Maria erwähnte des Öfteren, wenn sie einmal gestorben sei, sollte ein weißes Pferdegespann ihren Sarg zur letzten Ruhestätte bringen. Außerdem solle ein Kind mit einem weißen Kreuz neben ihr gehen.
Marias Wunsch wurde erfüllt.
Akkordeon
Man schrieb das Jahr 1955. Das Aussiedlerlager bei Ganacker, im Landkreis Landau an der Isar, war ein Ort, an dem Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder die selbst ausgewandert sind, einen Unterschlupf fanden, bis diese sich etwas Besseres gefunden hatten. So mancher verbrachte dort mehrere Jahre. Dieser kleine Ort hatte schon seinen besonderen Reiz. Er war von so vielen Laubbäumen umgeben, dass wohl heute jeder Städter von so einem Idyll träumen würde. Für so manch einen war dies eine neue Heimat geworden. Viele hatten dort das Licht der Welt erblickt. Deshalb waren auch einige sehr traurig, als dieser Ort nach fünfzehn Jahren aufgelöst wurde. Es war aber auch nicht alles immer eitler Sonnenschein. Der eine oder andere hatte auch seinen letzten Atemzug dort getan oder seinem Leben freiwillig ein Ende gesetzt. Aus Verzweiflung, Einsamkeit und Trauer hatte sich einmal ein Mann über seinem Bett aufgehängt, weil seine Frau an einer schweren Krankheit verstorben war. Eine junge alleinstehende Frau wurde von der Männerwelt belagert, ob jung, ob alt, ledig oder verheiratet. Jeder wollte mit dieser Frau Streicheleinheiten austauschen. Als sie dann schwanger wurde, hatte sie aber plötzlich keinen der Männer, der ihr zur Seite stand. Mit ihren knapp 25 Jahren war sie Freiwild, und das nicht nur von diesem Ort. Aus den umliegenden Ortschaften schlich so man cher bei ihr rein und wieder raus. Wie die Schmalzfliegen (Schmeißfliegen) waren sie alle hinter ihr her. Jeder machte ihr vor, dass er, ja genau er, der Richtige sei. Weil diese junge Frau einsam und allein war, fiel sie immer wieder auf solche Hallodris herein. Ja, das merkten die Männer bald und deuteten die Signale der Frau falsch, so mancher wohl sogar zu seinen Gunsten. Als dann eines Tages die Polizei vor Ort war und ein kleines neugeborenes Baby aus der Jauchegrube fischte, taten alle so, als ob keiner etwas wüsste. Als man dann auf die junge Frau zu sprechen kam, wollte sie keiner, ich betone ausdrücklich, keiner richtig gekannt haben. Lügner und Pharisäer. Die junge Frau war und blieb verschwunden, niemand hatte je wieder von ihr etwas gehört. Gesehen wurde sie auch nicht mehr!
Diebstahl, Rauferei und Schlägerei war genauso vertreten, wie andern Orts auch. Die Leute waren jedoch aufeinander angewiesen und so wurde meist das eine oder