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Tabaksliebe: Ein Sommer zu Zeiten des Ersten Weltkriegs
Tabaksliebe: Ein Sommer zu Zeiten des Ersten Weltkriegs
Tabaksliebe: Ein Sommer zu Zeiten des Ersten Weltkriegs
eBook154 Seiten2 Stunden

Tabaksliebe: Ein Sommer zu Zeiten des Ersten Weltkriegs

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Über dieses E-Book

Es sind die letzen Tage des Ersten Weltkriegs. Eugen steht an der Westfront. Er weiß nicht, dass seine beiden Brüder im Osten auf den Kriegsfeldern umgekommen sind. Irgendetwas zieht ihn nach Hause. Elise hat gerade erfahren, dass ihr zukünftiger Mann Heiner, Eugens Bruder gefallen ist. Sie begleitet ihre Freundin Lioba nach Straßburg, deren verwundeten Mann zu suchen.
In diesem Sommer in Baden wird sich entscheiden, wie das Leben von Eugen und Elise unter den Wirren des Krieges weitergehen wird. Dabei spielen der Tabak und ihre Wurzeln in Frankreich eine große Rolle. Sie begegnen sich wieder in der Tabakfabrik und auf dem Tabakfeld. Beide sind in sich gefangen und hungrig nach dem Leben.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum4. März 2014
ISBN9783844285994
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    Buchvorschau

    Tabaksliebe - Inge Trunk

    Inge Trunk

    Tabaksliebe

    Ein Sommer in Zeiten des Ersten Weltkriegs

    Meinen Großeltern Elise und Eugen

    L‘important c’est la Rose,

    L’important c‘est la Rose.

    Gilbert Bécaud

    Tabaksliebe

    Ein Sommer in Zeiten des Ersten Weltkriegs Inge Trunk

    Copyright: © 2014 Inge Trunk

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-8442-8599-4

    Kapitel eins

    Bum, bum, bum schlug die Trommel, laut alles durchdringend. Die vierjährige Lina war etwas verwirrt. Wo war sie da hingeraten? So etwas hatte sie noch nie erlebt. Alle waren traurig, vor allem ihre Mutter schien untröstlich und Lina wusste immer noch nicht warum. Es war schon kalt und Lina trug an diesem Tag eine rote Mütze mit Ohrenklappen, die unter ihrem Kinn gebunden wurde.

    Schutz fand sie bei ihrem Vater, der sie an der Hand hielt. Den Weg vom Wohnhaus bis zum Friedhof empfand das Mädchen sehr weit. Deshalb wurde sie ab und an von ihrem Vater getragen. Traurig schien auch ihr Vater aber längst nicht so verzweifelt wie seine Mutter. Immer wieder durchdrang die Totentrommel den Körper Linas. Bis ins Innerste spürte sie eine Erschütterung. Hinter dem Trommler wurde das Fuhrwerk mit dem Sarg von zwei schwarzen Pferden gezogen und hinter diesem Wagen gingen in tiefer Trauer die Verwandten: die Witwe des Verstorbenen, ihre beiden Töchter mit Ehemännern und Kindern. Danach reihte sich das ganze Dorf in den Trauerzug ein.

    Lina war fasziniert und beobachtete die Gesichter der Leute, ihre Ernsthaftigkeit und ihren Schmerz. 72 Jahre war er alt geworden. Ein ereignisreiches Leben, das gute und schlechte Zeiten gesehen hatte, war im Jahre 1963 zu Ende gegangen. Drei Tage war der Tote zu Hause gelegen. Viele hatten bei ihm Totenwache gehalten, hatten ihn zum Abschied noch einmal sehen wollen. Die Töchter der Witwe hatten sich abgewechselt, sie ließen ihre Mutter nicht allein. Die Frauen des Dorfes, die kamen hatten eine Parfümflasche dabei, in der Weihwasser war. Sie legten den Zeigefinger oben auf den Flaschenhals und bespritzen den Toten damit. Meist handelte es sich um ehemalige 4711-Flaschen, die die Damen benutzten.

    Lina würde die Beerdigung ihres Großvaters als einzige, eigene Erinnerung an ihn behalten: Die Totentrommel, die rote Mütze und der Schutz ihres Vaters. Unverständlich blieb ihr lange, um genau zu sein, bis sie erwachsen, war die Schwere des Abschieds. Wussten denn die anderen nicht, wie gut es dem Toten ging? Mit ihren vier Jahren war sie sich ganz sicher, dass ihr Großvater nun im Himmel war und es im sehr gut ging. Sie spürte genau wie er von oben alles mit einem Schmunzeln beobachtete. Natürlich würde er ihnen erhalten bleiben. Die Erinnerung an ihn sollte lebendig bleiben. So lebendig, dass später sogar seine Urenkel ihn mit Namen kannten und einige Fragen über ihn stellen sollten.

    Linas Großvater war ein humorvoller Mann gewesen, der gerne lachte und das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Dies erzählten ihre Eltern. Lina war begierig die Geschichte dieses Mannes zu erfahren. Sie fragte ständig ihre  Mutter und Großmutter wie das alles damals genau gewesen war.

    „Dein Großvater war schneidig und sah aus wie ein Franzose", pflegte ihre Großmutter immer als einleitende Worte zu benutzen, bevor sie anfing zu erzählen.

    Lina saß bei ihrer Großmutter in der Küche auf dem Kanapee. Sie trank einen heißen Kräutertee, den „Mutter", wie sie ihre Großmutter liebevoll nannte selbst gesammelt und getrocknet hatte. Ihre eigene Mutter rief sie Mama. Genauso nannte sie ihren Großvater Vater und ihren Vater Papa. Mutter kannte sich mit Kräutern sehr gut aus, denn ihr Vater war der Kräuterkauz des Dorfes gewesen. Er hatte alle mit Kräutern versorgt und in Linas Familie reinigten sich noch heute alle im Garten die Zähne mit Salbei. Das Rezept kannten alle:

    Einfach ein Blatt Salbei in den Mund schieben und Zahnfleisch und Zähne damit reiben. Jeder machte das, der in den Garten kam. Später bedienten sich auch die kleinen Nichten und Neffen am Salbeistock und wussten, dass dies schon ihr Urgroßvater Valentin empfohlen hatte, um die Zähne zu stärken. Ein anderes Kraut hatte er sogar nach sich benannt, auch wenn es nur ein Unkraut war.

    Lina hing wieder einmal völlig gespannt an Mutters Lippen.

    „Wie hast du ihn denn kennengelernt?", fragte Lina immer wieder als eine ihrer Lieblingsfragen.

    Ihre Großmutter hatte es sich am Tisch bequem gemacht. Sie trank genüsslich ihren Kräutertee und bot Lina Kekse aus der bunten Blechkeksdose an, die immer gefüllt war mit einer leckeren Auswahl. Daneben lag ihr Strickzeug. Sie hatte sich aufs Sockenstricken spezialisiert. Alle ihre Enkel hatte sie mit den Jahren reichlich mit bunten Ringelsocken eingedeckt.

    „Kennengelernt habe ich deinen Großvater in der Tabakfabrik. Wir haben damals beide dort gearbeitet".

    Und nun entstehen sie wieder die Bilder hinter Linas Augen, der Geruch von Tabak und die Atmosphäre. Längst wusste sie, was Mutter ihr nun erzählen würde. Ja, ihre Großeltern hatten in einer ganz besonderen Fabrik gearbeitet, in der Tabakfabrik. In allen Dörfern in Baden in der Gegend der Oberrheinischen Tiefebene hatte es diese Fabriken gegeben. Damals lebten ganze Dörfer davon. Überall wurde Tabak angebaut, in jedem Dorf gab es einen großen Tabakspeicher. Mutter erzählte vom Anbau, der Ernte, der Entfernung der einzelnen Blätter.

    „Tabak ist sehr arbeitsintensiv, meine liebe Lina und wir hatten ständig braune Hände. Die Arbeit war aber sehr angenehm und ästhetisch".

    „Hast du die Arbeit gerne gemacht?"

    „Im Grunde schon, aber sie war ein bisschen langweilig. Am Tag habe ich bis zu hundert Zigarren gemacht. Bezahlt wurde pro Stück. Ich hätte mehr machen können, aber dein Großvater sagte:

    „Du machst schöne, nicht viele Zigarren. Eine Zigarre muss schön aussehen, sonst schmeckt sie beim Rauchen nur halb so gut."

    „Ja, der Tabak war unser Leben", Mutter seufzte vor sich hin.

    Und nun kam sie ins Reden. Es schien als ob sie Linas Anwesenheit gar nicht mehr wahrnehmen würde. Sie war in ihre alte Welt des Tabaks zurückgekehrt.

    Eugen war damals Arbeiter in der ‘Duwak’, wie die Einheimischen die Fabrik zu nennen pflegten. Er selbst liebte Zigarren und rauchte lustvoll. Er saß an der Quelle und ein paar Ausschussstumpen fielen im Laufe eines Arbeitstages immer ab.

    Anfangs waren Eugen und ich gute Freunde. Wir sahen uns einfach so. Er sah gut aus, wie ich dir ja schon gesagt habe, aber er war nicht ganz mein Typ", Mutter grinste Lina vielsagend an.

    „Sein Bruder, das war wirklich ein stattlicher Mann. Er war groß, muskulös und hatte rote Haare."

    Ja, ihm war sie versprochen. Fritz, wie ihn alle nannten, sollte sie heiraten. Verlobt hatten sie sich nicht, das war damals nicht Usus. Es war abgemacht.

    Die Familie André war wirklich französischer Abstammung. Die Hugenotten waren im 16./17. Jahrhundert durch diese Gegend gezogen, hatten sich einerseits mit der Bevölkerung gemischt, andererseits waren einige Familien einfach in dieser fruchtbaren Gegend geblieben und erst die darauffolgende Generation hatte sich voll in die ländliche Bevölkerung integriert.

    Lina, ihre Geschwister und auch Freunde hatten die Theorie entwickelt, dass dieses in der Familie vorhandene Genießen können wahrscheinlich von den Wurzeln ihrer Vorfahren stammte. Da ihr die Leichtigkeit, mit der Feste in ihrer Familie gefeiert wurden, selbstverständlich war, bemerkte Lina die Besonderheit erst, als Freunde sie darauf ansprachen. Sie zeigte zum Beispiel die Fotos vom Geburtstag ihrer Mutter. Und wirklich, es stimmte, die Fotos erinnerten an ein Familienfest im ländlichen Frankreich. Zum Ausdruck kam die Freude, gemeinsam zu feiern, das Anstoßen, die gute Stimmung, das gute Essen und das alles in einer lockeren, leichten Weise. Es war immer so, dass die Gäste sich wohl fühlten und die Gastlichkeit schätzten.

    Mit dem Lauf des Festes wurden das Palaver und das Lachen immer lauter. Der Humor hatte immer eine sehr große Rolle gespielt und sollte immer helfen vieles zu kompensieren. Eine Familie, in der viel gelacht wurde, wo auch Traurigkeit und Depression ihren Platz hatten.

    Nun, nach Ansicht der Freunde schien das französische Erbe von Laisser-faire und Savoir-vivre in der Familie André weitergelebt zu haben und immer weitergegeben worden zu sein.

    „Sie waren alle sehr humorvoll, seine Brüder und dein Großvater. Was haben wir gelacht, in diesen schlechten Zeiten damals", hörte Lina Mutter sagen.

    Der Erste Weltkrieg veränderte das Leben der jungen Menschen erbarmungslos. Die Monarchien standen vor dem Untergang. Alle jungen Männer mussten in den Krieg ziehen gegen Frankreich, welches mit Russland verbündet war.

    „Auch dein Großvater Eugen und seine beiden Brüder Heiner und Fritz".

    Sie kämpften in Verdun gegen die Franzosen. Welch kosmischer Witz, gegen seine eigenen Vorfahren zu kämpfen und die als Erbfeind betrachten. Der Hass zwischen beiden Ländern war so groß, dass es um die Auslöschung der Zivilisation ging.  

    Dieser Krieg war die brutalste Materialschlacht, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte jemals stattgefunden hatte. Siebzigtausend Menschen standen unter Waffen. Natürlich standen diese jungen Männer auf der Seite ihres Vaterlandes, wollten ihre Familien verteidigen und die viel strapazierte Ehre der Deutschen. Sie wollten ihrem König Wilhelm treu und untergeben sein. Aus Enthusiasmus entstand sehr schnell nackte Angst und Verzweiflung. Der Alltag an der Front ließ alle Ideale und Aggressionen dahin schmelzen. Dieser Krieg war die Hölle und der Keim für den Zweiten Weltkrieg.

    Beide Brüder, Heiner und Fritz blieben auf den Feldern Verduns zurück.

    Eugen hatte noch nichts davon erfahren, als er ein flaues Gefühl hatte und den Drang verspürte, ganz schnell aus dem Kriegsgebiet abzuhauen.

    Er hatte Alpträume, wie die meisten und konnte die Schmerzensschreie seiner Kameraden kaum noch ertragen.

    Vielleicht ahnte er, dass seine Brüder nicht mehr lebten. Von nun an war es so, dass der jüngste der einzige war, der das Weiterleben der Familie sichern konnte. Noch wusste Eugen von alledem nichts. Er hatte nur das Gefühl, dass er Heim musste. Aber er war gesund und unverletzt. Wie sollte er das einfädeln?

    Eugen ging rüber ins Lazarett und sagte der Schwester, dass er sich seinen Arm verstaucht habe. Warum auch immer, er konnte nicht mehr an die Front zum kämpfen und töten. Die Schwester schaute ihm tief in die Augen. Ahnte sie, dass er simulierte? Sie machte ihm einen großen Verband. Somit war zumindest klar, dass er nicht mehr in die gefährliche Frontlinie zu gehen brauchte. Diese Frau war wie ein in Schutzengel für ihn.

    Leise flüsterte sie ihm ins Ohr:

    „In den nächsten Tagen findet ein Krankentransport über Straßburg nach Karlsruhe statt. Da ich den Transport begleite, werde ich schauen, was ich für dich tun kann. Allerdings ist ein verstauchter Arm zu wenig. Lass dir was einfallen!"

    Länger konnten sie nicht miteinander reden. Niemand durfte ihr Gespräch hören. Es könnte für beide tödlich enden. Hochverrat wurde das genannt oder Untreue zum Vaterland.

    Kapitel zwei

    Eugen war dankbar, dass diese Frau so viel für ihn riskierte. Später würde er sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Er war zwar klein, aber er sah gut aus mit seinen schwarzen Haaren und seinen dunkelbraunen Augen. Er war vielleicht nicht der Typ, der in damaliger Zeit dem Ideal entsprach. Aber was scherte das die Frauen? Sie mochten diesen Mann, der eben wie ein Franzose lachen und flirten konnte. Dessen Augen beim Erzählen leuchteten. Er war drahtig, turnte am Barren anspruchsvolle Übungen. Er reagierte nie cholerisch und böse, wie viele Männer damals.

    Seine eigenen Kinder würde er nie schlagen. Das würde eins der Dinge sein, die seine Töchter vor allem ihren Kindern weitererzählen würden.

    Und Lina würde immer stolz darauf sein, dass ihre Großeltern

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