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Der Traum der Löwin
Der Traum der Löwin
Der Traum der Löwin
eBook621 Seiten8 Stunden

Der Traum der Löwin

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Über dieses E-Book

(Zoe Lionheart, #6) Nach den Regeln, die Zoe sich selbst auferlegt hat, erscheint sie schuldig. Niemals würde sie ihre eigenen Regeln brechen, selbst wenn sie dazu das eigene Todesurteil vollstrecken muss. Kann April ihre Gefährtin noch umstimmen? Doch inzwischen läuft den beiden die Zeit davon. Sie haben vielleicht nur noch Tage, um die Menschheit vor der Vernichtung zu retten, und dazu müssen sie erst einmal ihren Gegner aufspüren. Ihnen bleibt keine Wahl, als etwas Neues zu probieren, selbst wenn dies Zoe und April voneinander entfremdet. Sind die beiden Frauen bereit, diesen Preis zu zahlen? Und ist die Menschheit bereit, sich retten zu lassen? Oder wäre das nur ein Pakt mit einer anderen Art von Übel?
/ HINWEIS: In sich abgeschlossenes BUCH 2 der Druck-Ausgabe „Der Traum der Löwin“. BUCH 1 erschien unter dem Titel "Die Braut der Löwin".
/Dezember 2013: Inhaltsverzeichnis ergänzt

SpracheDeutsch
HerausgeberValerie J. Long
Erscheinungsdatum1. Juli 2012
ISBN9781476236988
Der Traum der Löwin
Autor

Valerie J. Long

Author of the Zoe Lionheart series (in German and English), living and writing in Germany.My english books have a separate smashwords profile (for being maintained by my publisher), see me again at http://www.smashwords.com/profile/view/valjlong and http://www.smashwords.com/profile/view/valariejlong

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    Buchvorschau

    Der Traum der Löwin - Valerie J. Long

    X.1

    »Musstet ihr gleich einen kleinen Krieg vom Zaun brechen?« fragte Theo anstelle einer Begrüßung vorwurfsvoll. Noch immer lag seine Jacht im Hafen von Honolulu, und wir waren noch nicht dazu gekommen, uns einen Bikini zu besorgen, trugen noch die Zivilkleidung von unserem Flug. »Die diplomatischen Kanäle laufen heiß. Zwei mutmaßlich amerikanische Agentinnen überfallen eine zivile Forschungseinrichtung in einem nicht sonderlich gut befreundeten Staat und richten ein Massaker an braven Bürgern an, die nur ihre Pflicht tun. Eine dreistellige Zahl von Toten. Dazu großflächige Verwüstungen der Anlage.«

    »Und kein Wort über einen toten Drachen?« hakte Zoe nach.

    »Ein Drachen? Nein, kein Wort. Was sagte er?«

    »Er wollte uns erst grillen und dann reden«, warf ich ein. Zoe zog etwas aus der Tasche und warf es auf den Tisch: eine handflächengroße schwarze Schuppe mit goldenem Rand. »Ein Einzelgänger, aber dennoch ein Drache«, erklärte sie. »Man kann sicher unter Diplomaten diskutieren, ob eine amerikanische Touristin« – sie nickte mir zu – »in ihrem Urlaub eine solche Forschungseinrichtung besuchen darf, und unter welchen Umständen. Es ist jedoch etwas völlig anderes, wenn ein in Nordamerika beheimateter Drache einem anderen Drachen einen Besuch abstattet. Das geht die lokale Regierung schlicht einen feuchten Kehricht an.«

    Sie machte ein grimmiges Gesicht. »Für alle Beteiligten spannend wird es, wenn dieser Drache seine Untergebenen anstiftet, einen amerikanischen Touristen zu töten. Dafür haben wir eine ganz klare Regel aufgestellt.«

    »Und heikel ist, wenn eine nordamerikanische Drachin unbefugt in eine von Menschen geführte Einrichtung eindringt und dort Wachleute umbringt«, widersprach Theo, ohne zu ahnen, was er damit anrichtete. »In diesem Fall warst du die Aggressorin, und nach der ganz klaren Regel, die du erwähnst, verdienst du dafür die Todesstrafe, ausgeführt durch einen anderen Drachen, richtig?«

    Zoe ließ sich in einen Sessel fallen. »Richtig. Wir sind lediglich aufgrund eines Verdachts ‘reingegangen. Man hat uns bereits erwartet und sofort bedroht. Und mit Gas angegriffen.«

    »Kann man auf Notwehr plädieren?« fragte ich, und beantwortete mir die Frage selbst: »Nein. Wachleute dürfen ungebetene Gäste mit der Waffe bedrohen.«

    Theo nickte nur.

    »Shit. Das war die eigentliche Falle, oder?« fragte ich ihn. »Entweder sie erwischen Zoe, oder verleiten sie zu einer auch nach Drachenrecht illegalen Handlung. Und bekommen so nach ihren eigenen Gesetzen Zoes Körper.«

    »Niemals«, stellte Zoe fest. »Eher verbrenne ich mich selbst.« Sie sah Theo eingehend an. »Wenn es erforderlich ist, werde ich das tun.«

    »Nein, Zoe!« rief ich.

    Doch. Sie brauchte gar nichts zu sagen. Sie hatte eine Regel aufgestellt. Die Regel war einzuhalten. So war Zoe eben.

    Theo lächelte schmal. Ich sah keinen Grund dazu, hatte Zoe doch soeben ihr eigenes Todesurteil angekündigt.

    »Das war vermutlich ein Teil dieser Falle«, bestätigte er. »Was wir noch ‘rauskriegen. Bitte zieht keine voreiligen Schlüsse und macht keine irreversiblen Schritte. Wenn es eine Falle war mit dem Zweck, euch beide zu töten, dann waren die Wachleute schuldig. Wie jeder andere, den man hinter euch her geschickt hat. Keine normale Einrichtung braucht eine so große Zahl von Wachen für zehn Lastwagenfahrer und Packer. Und ein unprovozierter Gasangriff berechtigt zu Gegenmaßnahmen. Wir finden eine Begründung.«

    Ich weiß nicht, ob man das Rumpeln des Felsbrockens hören konnte, der mir vom Herzen fiel. Mit Sicherheit sah man es mir an.

    »Du musst mich überzeugen, dass ich im Recht war«, widersprach Zoe und stürzte mich damit in neue Verzweiflung.

    »Es weiß doch noch keiner«, klammerte ich mich an einen Strohhalm.

    »Ich weiß es«, stellte sie fest. »Das genügt. Immerhin habe ich ein Jahr Zeit, bevor das Urteil vollstreckt werden muss.«

    »Das Urteil? Wann wurde das gefällt?«

    »Vor wenigen Minuten, hier in diesem Raum.« Zoe war es ernst. Nein, ich wollte sie nicht verlieren. Nicht so. Wir brauchten sie noch.

    »Wir brauchen dich noch!« erinnerte ich sie dann auch. »Wir können dich nicht ersetzen. Zoe, du kannst die Menschen doch nicht den Drachen überlassen!«

    Meine Partnerin schaute mich betrübt an. »Ich weiß. Aber der Schaden wäre viel größer, sobald herauskäme, dass die Regel gebrochen wurde. Unermesslich viel größer. Eure Verhandlungsposition wäre pulverisiert!«

    »Ich will dich nicht verlieren.« Mir war zum Heulen. »Dann hättest du mich lieber sterben lassen.«

    Für eine Weile herrschte Schweigen. Allmählich dämmerte mir, dass ich an Zoes Prinzipien nicht rütteln konnte. Sie waren ein Kernbestandteil ihrer Persönlichkeit, und ohne dieses stabile Gerüst aus Prinzipien wäre sie vermutlich nie in der Lage gewesen, die Belastungen zu tragen, die mit ihrer Rolle verbunden waren. Ganz gewiss wollte sie viel lieber leben als sich selbst töten zu müssen. Ohne uns mit ihrem Tod belasten zu müssen. Meine Bemerkung machte es ihr nur noch schwerer.

    »Verzeih mir«, sagte ich leise. »Ich werde meinen Teil tragen, so wie du deinen trägst.«

    »Ich liebe dich auch«, antwortete sie.

    Wieder war es sehr still. Kleine Wellen lösten von Zeit zu Zeit ein leises Gluckern oder Platschen am Bootsrumpf aus, dazu hörte man das leise Summen der Klimaanlage und des Kühlschranks der Bordbar. Ich bekam plötzlich Lust, mich zu besaufen.

    X.2

    »Kannst du mir bitte noch einmal den Ablauf genau schildern?« bat Theo mich in die friedhofsähnliche Stille hinein. »Ab dem Zeitpunkt, als ihr den Zugang erreicht habt. In Stichworten. Und ohne Vorgriff, nur was ihr jeweils konkret gesehen und gehört habt.« Er hielt einen Notizblock bereit. Wollte er mich von meiner Trübsal ablenken?

    Egal. Ich bin Profi. Also an die Arbeit.

    »Wir folgten dem Laster vor uns ungebremst in den Tunnel. Nach ein paar hundert Metern bremste er, es wurde hell, wir erreichten eine große Halle. Das wussten wir, soviel hatten uns die Jungs, die wir ‚vertreten’ haben, verraten. Jeder LKW hat seinen markierten Platz entsprechend der Reihenfolge in der Kolonne. Der Laster vor uns hielt auf seinem Platz an, Zoe hat unseren daneben gelenkt und angehalten, und entsprechend der Regel den Motor ausgemacht. Im Rückspiegel konnte ich sehen, wie das Tor zur Halle zuging. Nach der Regel sollten wir jetzt aussteigen und die Ladeluke aufmachen. Die neben uns sind aber in ihrer Kabine sitzen geblieben, also haben wir uns auch erst mal nicht gerührt.«

    »Warum?«

    »Weil so viele bewaffnete Wachen zu sehen waren, auf der Galerie vor und über uns. Die lief rundum, in siebeneinhalb Metern Höhe. Wir wussten, dass es so um die zwölf sein sollten, es waren aber allein an der Wand vor uns rund zwanzig, und zu beiden Seiten vergleichbar viele.«

    »Was habt ihr gemacht?«

    »Gewartet. Ich habe unauffällig eine Blend- und eine Rauchgranate bereitgemacht.«

    »Und dann?«

    »Dann hörten wir ein Signal, und die Wachen haben Atemschutzmasken aufgesetzt. Ich dachte an einen Gasangriff.«

    »Und jetzt ganz genau: wie ging es weiter?«

    Ich grübelte. »Ich habe die Tür aufgemacht – nein, halt. Ich habe zu Zoe ‚Halali!’ gesagt und dann die Tür aufgemacht und eine Blendgranate geworfen. Dann noch die Rauchbombe, dann habe ich mich unter den Laster gerollt und nach meiner Atemschutzmaske gegriffen.«

    »Du warst gut vorbereitet«, lobte Theo stirnrunzelnd. »Aber lassen wir das erst mal. Und wann ist Zoe – ach nein. Zoe, was hast du gemacht? Kannst du auch nochmal den Detailablauf schildern?«

    Bis zum Moment des Signals schilderte Zoe dasselbe. Sie hatte natürlich selbst gelenkt.

    »April befahl ‚Halali’ und ist dann ausgestiegen. Ich habe die Wirkung der Blendgranate abgewartet, bin dann ebenfalls ausgestiegen, zur Galerie hinaufgesprungen« – Theo zuckte ein wenig, bei siebeneinhalb Metern aus dem Stand, so ganz hatte er sich noch immer nicht umgewöhnt – »und habe angefangen, reihum die Wachen zu dekapitieren, die gerade noch ihre Masken zurecht zogen. Dem Letzten habe ich sein Gewehr abgenommen und bin damit zu April hinuntergesprungen.«

    »Wie lang hat das gedauert?« fragte Theo.

    »Fünf Sekunden vielleicht«, wiederholte ich meinen Eindruck vom Tatort, und wollte weiter erzählen.

    »Das reicht erst mal«, bremste Theo und schüttelte den Kopf. »Fünf Sekunden. Kaum zu glauben. Ihr hattet euch vorher abgesprochen?«

    »Detailliert geplant«, bestätigte ich. »Mit verschiedenen Optionen. Angriff, Ausbruch, Gefangennahme, Versteckspiel, je nach Situation.«

    »Und in diesem Fall?«

    »Angriff. Das Codewort war ‚Halali’.«

    Theo lächelte sehr zufrieden. »Du hast also die Situation beurteilt und den Angriffsbefehl gegeben?«

    Ich dachte nach. »Ich war mir sicher, dass Zoe es genauso sieht –«

    Theo winkte ab. »Nicht relevant. Du hast entschieden? Allein?«

    »Hmm. Ja. Ja klar, ich habe entschieden. Das hatten wir ausgemacht. Ich bin der Chef der Mission und habe das letzte Wort. Solange ich noch in der Lage dazu bin. Natürlich hat Zoe darauf gedrängt, dass wir ‘reingehen, aber ich hätte alles abblasen können. Nur wären wir dann nie mehr so einfach ‘reingekommen.«

    »Zoe, du hast also auf Aprils Befehl gehandelt?«

    »Ja«, gab sie nachdenklich zu. »Worauf willst du hinaus?«

    »Moment noch, Zoe. Was war der Plan, der Inhalt des Befehls?«

    »Der Inhalt … angreifen, und wir hatten uns vorher geeinigt, nein, ich hatte vorher klar gesagt, ich lasse keine Bewaffneten in meinem Rücken am Leben.«

    »April? Du hast Zoes Bedingung zum Teil des Plans gemacht?« Theo war voll in Fahrt.

    »Ja.«

    »Und du hast ‚Halali’ unter Berücksichtigung dieser Konsequenzen befohlen?«

    »Ja.« Okay. Im Grunde hatte ich den Tod der Wachleute befohlen. Wir gingen nicht einfach los und brachten wahllos Leute um. »Ja. Ich hatte gewusst, was es bedeutete, Zoe auf die Wachen loszulassen.«

    »Und das war im Rahmen der Mission eine logisch begründete, notwendige Entscheidung?«

    »Ja. Die Alternative wäre gewesen, in die Hand des Feindes zu fallen.«

    »Okay.« Theo wies mit der Hand zu mir. »Du warst der operative Befehlshaber vor Ort. Es ist Teil unserer Art von Job, dass wir dem Teamchef grundsätzlich keine Beschränkungen auferlegen. Du hattest also die volle Autorität, den Einsatz in allen Konsequenzen so zu planen und zu befehlen. Ich muss euch beide nicht daran erinnern, dass unsere ursprünglichen Pläne, in die Festung einzudringen, ebenfalls die Möglichkeit der vorsätzlichen Eliminierung von Wachpersonal beinhalteten.«

    Er wandte sich meiner Partnerin zu. »Wenn ich mich richtig erinnere, betrifft die Drachenregel, die du ansprachst, zwei mögliche Fälle. Der erste Fall ist eine eigenverantwortliche, vorsätzliche Tötung eines Menschen durch einen Drachen. Der zweite Fall ist die Anstiftung von Menschen zum Mord an anderen Menschen durch einen Drachen. Richtig?«

    Zoe ließ sich nicht zu einer vorschnellen Antwort verlocken. Sie grübelte. Theo wollte nachhaken, ich gab ihm einen sanften Tritt ans Bein und schüttelte den Kopf. Sie brauchte Zeit.

    »Richtig«, sagte sie schließlich. »Die Feinheiten in der Unterscheidung von Tötung und Mord lasse ich mal unberücksichtigt.«

    »Gut«, freute sich Theo. »Hier liegt aber keiner dieser beiden Fälle vor. Es handelt sich um die Anstiftung eines Drachen zur Tötung von Menschen durch einen Menschen. Das ist eine andere Konstellation.«

    »Das ist ein Hintertürchen«, bremste Zoe düster.

    »Zugegeben«, lenkte Theo sofort ein. »Und ich würde als Drache der Gegenseite immer einen Gauner finden, dem ich sage: ‚Befiehl mir mal’. Aber das wäre im Geist der Regel – und darum geht es bei Drachenverträgen doch – immer noch der Drache als Initiator. Kein Hintertürchen.«

    Das ließ er einen Moment so stehen, bevor er fortfuhr.

    »Im konkreten Fall geht es auch nicht nur um einen Befehl eines Menschen an einen Drachen. Wie schon festgestellt, wart ihr auf einer von mir autorisierten Mission. Ihr wart nicht privat dort, sondern als Team, als Soldaten im Drachenkrieg, der noch nicht förmlich beendet ist. Entscheidend ist jetzt, dass April als kommandierender Offizier ihrer Untergebenen Zoe – nicht in ihrer Rolle als Drache, sondern als Navy-Offizier – den Befehl gegeben hat, und dass die Wachen auf der Grundlage dieses Befehls und nur deswegen getötet wurden.«

    Er beugte sich zu Zoe herunter. »Ich muss dich nicht daran erinnern, dass du dich dazu verpflichtet hast. Das ist dein Job als Soldat, und dafür, dass du diesen Befehl befolgt hast, darfst du dich nicht selbst richten. Verstanden?«

    Wieder versank sie länger in Gedanken, aber dann konnte man zusehen, wie sich eine tiefe Erleichterung in ihre Miene schlich. Freispruch! Ich konnte nicht anders, ich musste ihr heulend um den Hals fallen und meine Erleichterung ausweinen. Ihr ging es nicht anders, ich spürte die Nässe auf meiner Schulter ebenso deutlich wie ihr Zucken.

    »Na, na, na«, versuchte Theo zu beruhigen und murmelte: »Dafür habe ich jetzt das Problem, den Einsatz zu erklären.« Er ging an Deck und ließ uns allein.

    X.3

    »Ich wollte es«, gestand Zoe. »Es war nicht der Befehl. Ich wollte jeden töten, der auf dich zielte.«

    »Ich wollte es auch«, gab ich ebenfalls zu. »Ich war stinksauer wegen des Gasangriffs. Ahnst du, wieso?«

    Sie nickte, erinnerte sich. Ich streichelte ihr Haar. »Für Wünsche allein kann man aber nicht bestraft werden. Es war die Mission und der Befehl. Okay?«

    »Es ist nicht gut, aber ich fühle nicht die Verpflichtung, mich zu richten. Reicht das?«

    »Für’s Erste«, lenkte ich ein.

    Ich löste mich aus der Umarmung und grübelte über Theos Problem nach. Mein Problem. Was fünf Sterne eben mit sich bringen. Was generell das Offiziersleben so mit sich bringt: du schaffst ein Problem, also löst du es auch, du hinterlässt anderen nicht den eigenen Dreck zum Aufräumen. Nachdem der Ansatz »Drache besucht Drache« – zum Glück! – gescheitert war, brauchte Theo belastbare Erklärungen, warum zwei amerikanische Agentinnen (müßig, das zu bestreiten) sich in den Karpaten herumgetrieben hatten. Urlaub? Nein. Um Zoes Überleben zu sichern, musste ich zugeben, auf einer Mission gewesen zu sein. Theo musste das zugeben.

    Selbst wenn wir uns erst einmal nur hatten umsehen wollen, war es immer noch Spionage in einem fremden Land. Selbst wenn diese sich gegen Drachen richtete, hätten wir unsere Verbündeten informieren müssen. Vorher. Hmmm – hatten wir das nicht getan?

    »Was ist?« fragte Zoe. Sie musste die Veränderung in meiner Haltung gespürt haben, als mir diese Idee gekommen war.

    »Zoe, die Internet-Infrastruktur ist doch immer noch beeinträchtigt, oder?«

    »Eigentlich nicht. Die großen Knoten sind seit langem repariert, kleinere Klippen umschifft das Netz von selbst.«

    »Auch in Rumänien?«

    »Keine Ahnung. Bestimmt auch dort, wieso?«

    »Weil unsere rechtzeitige Information über unseren Besuch unglücklicherweise hängen geblieben ist und dadurch erst mit Verspätung eintraf – eintreffen wird.«

    »Welche Information über unseren Besuch? Wir haben doch gar nichts geschickt. Oder hat Theo das gemacht?«

    Ich grinste sie an. Es dauerte einen Moment.

    »Du hinterhältiges Aas!« meinte sie dann ebenfalls grinsend, sprang auf und rief: »Theo! Notebook und Netz!«

    * * *

    »Wir bedauern natürlich sehr, dass unsere Nachricht aufgehalten wurde«, erklärte ich Theo später, nachdem Zoe ihre Vorbereitungen abgeschlossen hatte und wir erfrischt und umgezogen waren. Theo hatte wahlweise Uniform oder Zivilkleidung für uns bereitgehalten. wir hatten Zivil gewählt. »Es war jedoch unumgänglich, dass die einzige auf menschlicher Seite stehende Drachenexpertin zusammen mit ihrer Führungsoffizierin sich einen persönlichen Eindruck verschaffen sollte. Und wir bedauern noch mehr, dass bei unserem Höflichkeitsbesuch bei der drachischen Einrichtung wegen des verbotenen Einsatzes von chemischen Kampfstoffen eine akute Notwehrsituation entstand, bevor wir auch nur Gelegenheit hatten, unser Anliegen vorzutragen. Der Grund dafür stellte sich schnell heraus. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass eine unabhängige Splittergruppe der Drachenseite in diesem Labor an einer Superwaffe gearbeitet hatte.«

    Ich lächelte. »Wenn du das noch ein bisschen ausschmückst, sollten sich die schlimmsten diplomatischen Wogen bald glätten. Natürlich werden die Rumänen noch eine Weile vergrätzt sein, aber dafür haben wir ihnen auch ein übles Problem abgenommen. Zusammen mit dem sorgfältig zusammengestellten Dossier werden sie schon ins Grübeln kommen.«

    Diese Lösungsskizze vertrieb seine letzten Sorgenfalten – ohnehin schon teilweise verdrängt durch das Grinsen über Zoes Zauberkünste bezüglich der »verzögerten« Mailzustellung. »Okay, daraus kann ich was machen. Den Rest kannst du mir überlassen. Danke sehr.«

    »Keine Ursache.«

    Ich wollte mir gerade ein Mineralwasser aus der Bar holen, als Zoe hereingestürmt kam. »Geht an Land, sofort!« verlangte sie. »Ich orte drei Drachen, die sich sehr schnell von der Seeseite nähern. Das kann nichts Gutes bedeuten.«

    »Zeit?« schnappte ich und schlug die Kühlschranktür zu.

    »Zirka fünf Minuten.«

    »Theo, Kanonen?« befahl ich.

    Theo war nicht schwer von Begriff, er drückte an zwei verschiedenen Stellen die Wandpaneele, und ein Teil der Wand hinter der Bar glitt beiseite. Er warf mir eine Pistole zu und nahm sich eine weitere. Ich fing die Waffe auf – Kaliber Dreisiebenundfünfzig, gut –, steckte sie in den Gürtel und eilte in Richtung meiner Kabine. Die Scherzartikel aus meinem Rucksack könnten nützlich werden.

    Zoe wartete mit der Notebooktasche über der Schulter und ungeduldig wippenden Füßen am Steg und übernahm die Nachhut, sobald wir an Deck erschienen. Auch Theo hatte sich noch eine Tasche gegriffen. Ich rannte voraus, Theo folgte mir unmittelbar. Einen Teil seiner an sich schlechteren Kondition glich er durch längere Beine aus, ich merkte jedoch auch noch die Nachwirkungen von Zoes Rosskur.

    »Glaubst du, sie haben dich geortet?« fragte ich Zoe über meine Schulter.

    »Sicher nicht«, antwortete sie im Rennen. »Ich glaube eher, die haben keine Ahnung, dass ich hier bin, sonst würden sie nicht kommen.«

    »Was wollen sie dann hier? Es herrscht Waffenstillstand.«

    Zoe antwortete nicht. Was hätte sie auch sagen sollen?

    Kurz bevor wir das landseitige Ende des Anlegers erreicht hatten, bemerkte ich im Augenwinkel eine Bewegung. Ich ließ mich fallen und stellte Theo dabei ein Bein. »Was zum –?« rief er noch, dann zwitscherten auch schon die ersten Kugeln über uns hinweg. Die Schützen befanden sich am Zugang zum Nachbarsteg und zielten zwischen den aufragenden Masten und Stagen der Segelboote hindurch. »Lass mich raten«, fragte ich Theo. »Du hast deinen Liegeplatz falsch registrieren lassen?«

    Er grinste verschmitzt, während er seine Pistole entsicherte. »Ich habe auch noch ein paar Tricks drauf.«

    Dann sah er auf. »Wo ist Zoe?«

    Die war inzwischen ins Wasser gesprungen, unter den Booten hindurch zum Nachbarsteg getaucht und dort mit einem delphinähnlichen Sprung wieder auf die Planken gehechtet, wo sie sich gerade um die Schützen kümmerte. »Da drüben.«

    Theo spähte zwischen den Rümpfen der Boote hindurch, dann richtete er sich ein Stück auf. Fünf Gestalten in sommerlich hellen Anzügen wanden sich auf den Planken und stießen Schmerzensschreie aus, wahrscheinlich hatte Zoe ihnen beim Entwaffnen einige Knochen gebrochen oder Finger abgerissen. Immerhin konnten sie von Glück sagen, noch am Leben zu sein – oder auch nicht, falls Zoe noch Fragen hatte …

    Ich riss Theo herunter und feuerte zwei ungezielte Schüsse ab, als am Kopfende unseres Stegs mehrere ähnliche Gestalten auftauchten. Diese tauchten erst einmal selbst in Deckung und erlaubten uns so, hinter die Aufbauten einer der Segelyachten zu hechten. Der Eigentümer würde sich freuen: das Gegenfeuer stanzte hässliche Löcher in das dünne Holz unserer Deckung.

    Mein Ex-Chef wollte sich einmischen. Ich legte ihm eine Hand auf den Arm. »Halte uns den Rücken frei. Du kannst Zoe nicht helfen.« Er nickte grimmig und sah sich um, während das Feuer von der Landseite bereits verstummte. Wer auch immer zur Gegenseite gehörte, hatte meine Partnerin ganz sicher nicht auf dem Zettel gehabt. Mit zwei Handvoll gewöhnlichen Gaunern wurde sie spielend fertig.

    Im wahrsten Sinne des Wortes: sie spielte mit den Schützen. Ohne ihre Kräfte wirklich zu offenbaren, verteilte sie Hiebe, brachte die Waffen an sich, parierte, wich aus, täuschte, bis sich auch die zweite Gruppe kampfunfähig am Boden wand. Gemütlich konnten wir vom Steg auf das Ufer treten und uns die Truppe anschauen. Zoe war nicht einmal außer Atem.

    Dann ertönten Polizeisirenen.

    »Was machen deine Artgenossen?« fragte ich beiläufig.

    »Warten vor der Hafenausfahrt«, stellte Zoe fest. »Ich frage mich, ob ihnen eben jemand was gesteckt hat. By the way, ich frage mich auch, wer der Polizei so schnell etwas gesteckt hat.« Sie wies auf mehrere blauweiße Limousinen mit rotierenden roten Lichtern, die mit quietschenden Reifen am Straßenrand zum Stillstand kamen und Uniformierte mit Pistolen ausspieen, die sich schnell auf verschiedene Deckung versprechende Positionen verteilten. »Legt die Waffen ab und hebt die Hände über den Kopf«, befahl eine blecherne Stimme über einen Fahrzeuglautsprecher.

    Theo und ich sicherten unsere Pistolen und legten sie langsam auf den Boden, hoben dann gemeinsam mit Zoe die Hände. Mehrere Polizisten eilten auf uns zu, Pistole in der Rechten, Handschellen in der Linken. Andere eilten zu unseren Angreifern. »Ambulanzen!« hörte ich.

    »Stopp!« befahl ich dem ersten Beamten, bevor er meine Arme ergreifen und fesseln konnte. »Ich bin Offizier der Navy. Wir wurden angegriffen und haben uns verteidigt.«

    »Diese sind vom FBI!« rief eine Stimme aus der Richtung von Zoes »Spielkameraden«. Theo atmete scharf ein. Oh shit! Echte oder wieder falsche, wie damals nach dem Angriff auf das Trainingscamp?

    X.4

    Die Waffe der Polizisten vor mir ruckte nach oben, ebenso die der übrigen Umstehenden. Diese Situation lief völlig aus dem Ruder! Ich zählte zehn, nein, zwölf Polizisten, die mit Pistole oder Gewehr auf uns zielten, drei davon wichen mit ihren Handschellen gerade wieder zurück.

    »Offizier, ja?« fragte »mein« Beamter. »Und ich bin Donald Duck.«

    »Fein, Donald«, meinte ich bissig. »Und trotzdem gilt das Kriegsrecht noch. Ich bin Admiral April Winston. Wenn du meine Aussage nicht unverzüglich nachprüfst, fängst du dir eine Anklage wegen Landesverrats ein. Außerdem nehmt ihr besser die Waffen runter, das macht uns nämlich nervös.«

    Ich nickte zu meiner Waffe am Boden. »Ich habe aus dieser Waffe dort zwei Warnschüsse abgegeben. Diese falschen ‚FBI’-Agenten dort haben mindestens jeder ein halbes Magazin auf uns abgefeuert, ohne auch nur die Ausweise vorzuzeigen oder sich anderweitig zu erkennen zu geben. Das könnt ihr sofort feststellen. Oder schaut euch die Löcher in den Jachten hinter uns an.«

    Wir warteten.

    Kurz darauf rief ein anderer Polizist von hinten: »Es gibt keinen Admiral Winston bei der Navy.« WAS?

    Zoe sah mich an, ich sah Zoe an. Ich nickte ganz leicht. Es tat mir leid um die Beamten, die nach bestem Wissen und Gewissen ihren Job taten. Aber etwas war hier oberfaul, und ich war nicht gewillt, dies von einer Gefängniszelle aus weiter zu studieren, wo uns jederzeit ein »Unfall« zustoßen konnte. Oder was man sonst mit uns vorhatte.

    Ich war auch nicht mehr sicher, ob man nicht doch mit Zoes Anwesenheit gerechnet hatte, und das ganze Szenario dazu diente, sie juristisch und moralisch in die Ecke zu treiben – sie einfach dadurch fertig zu machen, dass sie Dinge tun musste, die sie nicht wollte.

    Die Lage.

    Drei Polizisten standen relativ ungedeckt vor unserer Nase, mit Pistolen und Handschellen, verunsichert und mit langsam erlahmenden Armen. Pistolen sind schwer, sie längere Zeit hoch zu halten, geht in den Arm.

    Das Problem hatten sechs andere nicht, die auf den Türen oder der Haube ihres Streifenwagens auflegen konnten, relativ gleichmäßig im Halbkreis um uns herum verteilt. Diese waren gefährlich, aber auch sie waren schon eine Weile in unveränderter Position. Das ermüdete die Konzentration und sorgte für steif werdende Glieder.

    Einer saß im Wagen: der hatte gerade meine Identität geprüft und verneint. Oh, das würde ein Nachspiel haben!

    Zwei hatten nach den Verletzten rechts hinter uns geschaut und waren jetzt erst auf die neue Situation aufmerksam geworden. Diese beiden waren frisch alarmiert, zogen gerade erst wieder ihre Waffen und hatten keine der zuvor genannten Behinderungen. Höchste Gefahr.

    Zoe würde aktiv werden, sobald ich handelte. Sie brauchte kein weiteres Zeichen. Und Theo? Der blieb am besten stocksteif stehen oder ließ sich fallen, dann wäre er aus dem Weg. Hoffentlich schaltete er richtig.

    Ich peilte den mittleren der drei frei stehenden Männer an und lächelte. Er war einen Moment verunsichert, wie er meinen Blick deuten sollte. Das war meine Chance!

    Ich sprang auf ihn los, zwischen die beiden anderen. Niemand konnte auf mich feuern, ohne einen Kameraden zu gefährden. Mein Opfer bekam einen nichttödlichen Hieb gegen den Hals, sein linker Nachbar einen Fußtritt, der ihn von den Beinen riss. Ich steuerte seine Waffenhand in Richtung der beiden gefährlichsten Ziele und ließ einen ungezielten Schuss los, der sie zwang, nach Deckung zu suchen. Das war alle Zeit, die Zoe brauchte.

    Theo stand wie angewurzelt auf seinem Platz und sperrte den Mund auf. Dann sah er sich um. Zwölf Polizisten lagen unverletzt, aber bewusstlos verstreut herum, Zoe trat lächelnd neben mich und reichte mir meine eigene Pistole an.

    Es war eine Sache, Berichte zu lesen. Es war ein ganz anderes Erlebnis, Zoe live in Aktion zu sehen. »Sie ist schnell, oder?« fragte ich fröhlich.

    »Unglaublich«, bestätigte Theo. »Eure Koordination ist unglaublich.«

    * * *

    »Am liebsten würde ich in die Navy-Basis stürmen, jeden Widerstand aus dem Weg blasen und die Verantwortlichen zur Rede stellen – oder gleich an die Wand«, schimpfte ich. »Ich glaube einfach nicht, dass es noch irgendwo einen Soldaten gibt, der einfach vorgibt, mich nicht zu kennen!«

    Wir hatten nach dem Ausschalten der Polizisten schleunigst den Rückzug angetreten, bevor Verstärkung eintreffen konnte. Theo war gut vorbereitet gewesen: ein paar Blocks weiter hatte eine unauffällige Limousine geparkt, mit der wir hatten verschwinden können. Im Kofferraum hatte sich ein Vorrat touristischer Kleidung befunden, mit dem wir unser Äußeres schnell ein wenig hatten verändern können. Wir hätten uns danach locker in irgendeinem Café in Waikiki unter die Touristen mischen können, dennoch war es uns angeraten erschienen, erst einmal komplett von der Bildfläche zu verschwinden.

    Die Polizei würde nach einer Dreiergruppe suchen: großer Mann, große schwarzhaarige Frau, kleine blonde Frau. Ein dummer Zufall, ein aufmerksamer Wirt, und wir hätten die Cops wieder an unseren Fersen kleben gehabt. Nein, die Sekretärin von Mister Anderson hatte telefonisch ein Ferienhaus gebucht, bei dem man das Kommen und Gehen von Gästen nicht so genau beobachten konnte wie bei einem Hotelzimmer, und dort hatten wir uns kurzzeitig eingenistet.

    Zoe hatte sich, kaum dass wir eingetroffen waren, an einen Tisch gesetzt, ihr Notebook gestartet und sofort konzentriert mit Recherchen begonnen. Das gleichmäßig rhythmische Klappern der Tastatur wirkte beruhigend.

    Theo und ich hatten uns an das andere Ende des Tischs gesetzt, um die Lage und die nächsten Schritte zu diskutieren. Er wollte mir jetzt widersprechen.

    »Das mache ich natürlich nicht«, nahm ich seine Einwände vorweg. »Ich habe schließlich im Taktikunterricht nicht geschlafen. Ich brauche einen sauberen Schlachtplan, basierend auf möglichst guten Informationen und einer möglichst zutreffenden Lagebeurteilung. Erst muss ich wissen, was gespielt wird.«

    Ich wies auf Zoe. »Ich denke, wir wissen bald mehr. Klar ist schon jetzt, dass unsere Gegner zu fortschrittlicheren Methoden übergegangen sind. Nachdem sie sich mehrmals bei direkten Angriffen auf uns blutige Nasen geholt haben, und uns danach mehrere Jahre aus den Augen verloren hatten, haben sie offensichtlich beim ersten Anzeichen für unser Erscheinen einige lange vorbereitete Pläne aus dem Hut gezogen. Ich vermute, dass sie es darauf anlegen, uns in die Ecke zu drängen, indem sie uns unsere eigenen Leute auf den Hals schicken, die wir natürlich verschonen wollen. Damit schränken sie Zoes Möglichkeiten ganz schön ein.«

    »Ich mache mir Sorgen, ob sie das Internet überwachen«, gestand Theo. »Wenn sie herausfinden, dass Zoe online ist, und uns hier aufspüren …«

    »Sie überwachen das Netz, und sie finden nichts heraus«, warf Zoe ein, ohne aufzublicken oder mit dem Tippen innezuhalten. »Ich habe ihre Spürhunde schon neutralisiert. Raffinierte Biester übrigens. Sie kommen alle paar Monate mit einer neuen Variante heraus, die netzweit nach Spuren von mir sucht.«

    »Ach? Und woher kriegen sie diese Biester?« wollte Theo wissen.

    »Sie haben sich einen geschickten Programmierer gesucht«, erklärte Zoe. »Wenn man die richtigen Connections hat, findet man im Internet immer fähige Leute. Sie haben sich den Besten gekrallt.«

    »Und wer ist das?« hakte Theo sofort nach. »Vielleicht sollten wir den mal für eine Weile aus dem Verkehr ziehen.«

    »Die Identität ist nicht bekannt. Er arbeitet nur unter einem Pseudonym und ist nur online erreichbar, und meldet sich nur sehr sporadisch.«

    »Aber du könntest ihn doch bestimmt enttarnen«, mutmaßte ich. »Wenn du seine Programme schon neutralisieren kannst. Du bist die Beste, oder?«

    Zoe grinste schon wieder. »Nein«, stieß ich hervor.

    »Doch«, bestätigte meine Partnerin. »Ich habe diese Identität sorgfältig aufgebaut und abgeschirmt. Ich bekomme von der Gegenseite eine Menge Geld dafür, mich zu jagen. Sie wollten den oder die Beste, und das haben sie bekommen.«

    Theo vergrub sein Gesicht in beiden Händen. »Aber einen Netzadapter im Kopf hast du noch nicht, oder?«

    Das Geklapper verstummte, Zoe starrte ihn an. »Genial«, kommentierte sie. »Warum habe ich daran noch nicht gedacht?«

    Dann nahm sie ihre Recherchen mit schnell über die Tasten huschenden Fingerspitzen wieder auf.

    X.5

    »Okay, was ist Sache?« fragte Theo. Zoe hatte ihre Nachforschungen vorerst abgeschlossen. Sie wirkte nachdenklich, aber nicht beunruhigt.

    »Admiral April Winston ist aus den Haupt-Personendatenbanken von Navy, Army und Air Force sehr gründlich entfernt worden, ebenso wie Admiral Zoe Lionheart«, begann sie. »Man hat jedoch nicht alle Spuren entdeckt und beseitigt, beispielsweise sind Eintragungen in verschiedenen Verwaltungsvorgängen und Presseverlautbarungen noch vorhanden. Und in der normalen Presse sind beide Namen noch mühelos zu finden, nur Suchmaschineneinträge fehlen. Offensichtlich gab es Versuche, entsprechende Wiki-Einträge zu verfälschen, die aber von der Community verhindert wurden. Insgesamt sieht es also eher nach einem oberflächlichen Versuch aus, uns aus der öffentlichen Wahrnehmung zu tilgen, genauso wie bei der Navy. Damit genau das passiert, was wir erlebt haben: wir können uns erst einmal nicht mehr auf die Navy berufen.«

    »Shit«, warf ich ein.

    »Was mir wichtiger erscheint, ist jedoch die Art und Weise, wie die Einträge entfernt wurden. Die Gegenseite muss sich ja nicht nur in die sehr sorgfältig geschützten Server von Google, Yahoo und Co hinein gehackt haben, sondern auch in das militärische Datennetz. Speziell Letzteres ging nicht ohne Hilfe von innen – und nicht ohne Spuren.«

    »Was du selbst durch Hacken ins Militärnetz herausgefunden hast«, schlussfolgerte Theo.

    »Natürlich.«

    »Und welche Gegenmaßnahmen können wir ergreifen?« fragte ich. »Wo sitzen die Komplizen? Hier auf der Insel? Ich bin immer noch nicht drüber weg, dass uns keiner persönlich identifizieren wollte, Datenbankeintrag hin oder her.«

    »Nun, wir waren eine Weile weg vom Fenster«, korrigierte Zoe. »Zwei Jahre in der Stadt bis zum ersten Zwischenfall. Dann drei Jahre im Hinterland. Plus fünf weitere Jahre im Exil, das sind zehn Jahre seit unserem letzten öffentlichen Auftritt. In der Zeit wechselt auch bei der Navy mal das Personal.«

    »Die meisten Mannschaftsdienstgrade und viele Unteroffiziere haben euch nie gesehen. Und die Offiziere beschäftigen sich normalerweise nicht mit solchen Polizeianfragen«, meinte Theo.

    »Aber die meisten Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere sollten während ihrer Ausbildung das Thema ‚Ehrenmedaille’ zumindest gestreift haben«, widersprach ich bestimmt. »Jeder Soldat Amerikas kennt den Namen der einzigen Trägerin von sechs Ehrenmedaillen, egal was mit den Datenbanken passiert.«

    »Nach dem Namen haben wir aber nicht anfragen lassen«, stellte Theo fest. »Nur nach deinem. Und die meisten kennen eher Angry April als Admiral Winston.«

    »Oh shit!« Ja, er hatte recht. »Zurück zu den Maßnahmen. Also, Zoe könnte sich melden und darauf hoffen, persönlich erkannt zu werden. Dann schaut jemand in die Datenbank und findet keinen Eintrag über sie. Verdächtig und verwirrend. Trotzdem könnte es klappen. Sie könnte einen Offizier auftreiben, der sie sicher erkennt, und uns mit dem zusammenbringen. Danach sollten wir wieder Zugang zu den Navy-Ressourcen haben, und können uns die Typen vorknöpfen.«

    »Ich könnte unsere Daten auch wiederherstellen«, warf Zoe ein. »Ein paar Knopfdrücke, und wir existieren. Ich habe schon alles vorbereitet.«

    Das gefiel mir. Noch einfacher. Ich wollte gerade sagen »Nur zu«, da fragte Theo beiläufig: »Wollt ihr das überhaupt?«

    »Was meinst du damit?« rätselte ich.

    »Ihr seid jetzt seit fünf Jahren erfolgreich abgetaucht. Es gibt keine konkreten Spuren, nur Indizien, wo ihr gewesen sein könntet. Unsere Hypothese ist immer noch, dass sie nur mich jagen, oder? Ihr wollt gar nicht, dass man euch erkennt und aufspürt, weder bei der Navy noch anderswo. Jetzt hat die Gegenseite euch einen Teil der Arbeit abgenommen.«

    »Jetzt gibt es konkrete Spuren«, musste ich ihn korrigieren. »Ich habe den Polizisten deutlich meinen Namen genannt, und sie haben ihn über das Netz geschickt.«

    »Wo er protokolliert, aber noch nicht abgeholt wurde«, bestätigte Zoe. »Diese Spur habe ich aber erst einmal entfernt. In einem Polizeicomputer haben unsere Daten nichts zu suchen.«

    »Ganz unauffällig«, lästerte ich.

    »Es scheint eine kleine Panne gegeben zu haben. Die Daten sind da, aber bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Ein kleiner defekter Sektor auf der Festplatte, wie das so ist.«

    Tja. Meine Partnerin überließ, wenn es um die Datentechnik ging, nichts dem Zufall.

    »Du bist mit allen Wassern gewaschen«, fasste Theo die gleiche Feststellung in eigene Worte.

    »Wenn du dich einmal mit dem Thema Zeugenschutzprogramm wirklich tief auseinandergesetzt hast, entwickelst du ein Gefühl dafür«, gab Zoe zu. »Du glaubst ja gar nicht, wie viele Lücken die Spezis vom Marshals Office übersehen. Ich habe sie alle gefunden, ausgebuddelt, umgefuddelt und neu wieder eingebuddelt. Damit jeder Experte genau das findet, was er finden soll. Ich habe viel über mich gelernt.«

    Sie tippte auf die Oberkante ihres Notebook-Deckels. »Wie geht es nun weiter?«

    »Ich will die Verursacher. Irgendjemand hat uns die G-Men auf den Hals gehetzt – falls die echt waren.« Zoe nickte. »Okay. Echtes FBI. Was hat man ihnen erzählt, wonach haben sie gesucht, warum haben sie zuerst geschossen und dann gefragt? Wer steckt dahinter? Ich will diese Hexenjagd auf uns beenden. Basta. Und dann reiße ich jedem Staatsdiener und jedem Soldaten, der sich verkauft hat, persönlich den Arsch auf.«

    Theo und Zoe schauten mich irritiert an.

    »Schaut nicht so. Sie wollen Krieg. Das gegenseitige Belauern und Dulden von Spionen ist mal wieder vorbei. Sitzende Ente zu spielen, ist eine ganz schlechte Strategie. Wir waren in Deckung und haben den Gegner kommen lassen. Okay. Jetzt hat er seinen Kopf ‘rausgesteckt, und den will ich haben.«

    Ich stand auf und schaute zum Fenster hinaus.

    »Wir müssen mit dem FBI reden, dem Einsatzleiter für diese miese Aktion heute. Ich brauche den oder die Mittäter, die unseren Gegnern Zugang zum militärischen Netz verschafft haben. Und ich will die Auftraggeber des Unbekannten Programmierers, die nach unserer besten Hackerin jagen. Ich dachte, sie kriegen unseren Hacker und Zoe nicht zusammen?«

    »Kriegen sie auch weiterhin nicht«, erklärte Zoe. »Solange sie mich als Hacker nicht erwischen, können sie den Zusammenhang nicht herstellen. Das habe ich vielleicht vorhin nicht klar ausgedrückt: die kleinen Spürhunde suchen nicht gezielt, sondern querbeet. Damit konnte ich bisher auch immer begründen, warum die nichts finden: sie sind eben nicht überall. Ich muss nur immer aufpassen.« Sie tippte wieder. »So. Den FBI-Chef habe ich, und seine Privatadresse auch. Für die Mittäter braucht mein Skript noch ein paar Minuten. Und meine Auftraggeber willst du auch?«

    Ich nickte.

    »Das macht es in Zukunft riskanter. Wenn wir sie aufspüren, könnte meine Programmiereridentität verbrannt werden. Es war nicht leicht, sie zu infiltrieren.«

    »Ich will sie trotzdem. Und dann suchen wir nach einer anderen Spur, die zu ihnen führt. Über die kriegen wir sie dann dran.«

    Zoe nickte langsam. »So ‘rum könnte es gehen. Okay.«

    Ich wandte mich Theo zu. »Du hättest doch bestimmt eine Alternative, wie wir von der Insel hier wegkommen, oder? Sobald wir mit dem FBI fertig sind, sollten wir in der Lage sein, ganz schnell den Standort zu wechseln.«

    »Der Flughafen wird überwacht, und im Wasser lauern die Drachen«, entgegnete er. »Ganz so einfach ist es nicht. Ich habe zwar ein zweites Boot, und ich hätte noch einen Fluchtweg, wenn wir es bis zur großen Insel schaffen. Da ist ein Wasserflugzeug versteckt. Nur: sobald wir starten, ist auch das sichtbar.«

    »Die Drachen, ja richtig. Zoe, was wollen die hier überhaupt? Wer schickt drei Drachen los, um eine Hafeneinfahrt zu blockieren, und stoppt die dann? Und wie?«

    »Per Funk?« mutmaßte sie. »Ist doch kein Problem, ihnen einen Knopf ins Ohr zu stecken.«

    »Und wo ist dann der Sender?« fragte ich. »Wenn wir den finden würden, hätten wir noch eine Spur.«

    »Gute Idee«, meinte Zoe, »aber wir müssen erst noch eine – nein, zwei – wichtige Fragen klären.«

    »Ah. Und welche?« hakte ich nach.

    »Erstens: wie hat die Gegenseite Theo aufgespürt? Und zweitens: warum? Warum ist er ein Ziel?«

    Ihr Tonfall war ohne Vorwurf, aber verdammt, wieso hatte ich daran nicht gedacht? Ich war es wohl schon zu sehr gewohnt, die Gejagte zu sein, um den Grund noch zu hinterfragen.

    »Die zweite Frage kann ich leicht beantworten«, warf Theo ein. »Ich bin lange nicht so unsichtbar wie vor zehn Jahren. Im Grunde seit Kriegsausbruch. Die Kommandoebene war so ausgedünnt, dass einige meiner Leute und ich einspringen mussten. Um den Präsidenten zu schützen, um die quasi ‚kopflosen’ Armeeeinheiten zu leiten und vorläufige Kommandopositionen zu bestätigen, um euch beide zu erreichen. Ich war sichtbar, und ich bin seitdem nicht mehr komplett abgetaucht. Das war schlicht nicht möglich.« Er breitete die Arme aus. »Einen großen Teil des operativen Geschäfts mit den geheimen Teams leitet jetzt ein anderer, ein Nachfolger, den ich eingearbeitet habe. Ich habe selbst keine Kontaktmöglichkeiten mehr zu den Teams, teils wurden die Leute, die ich kannte, durch andere Personen ersetzt. Was bei mir geblieben ist, sind die Drachenjäger, und die sind nicht wirklich geheim. Ich weiß, dass ich seit langem auf der Liste stehe. Und diesmal war es knapp.«

    Ich nickte. »Vermutlich hat die Gegenseite nach unserem Einsatz in den Karpaten beschlossen, unseren Kontakt – dich – auszuschalten, um uns danach auf’s Korn zu nehmen.«

    »Das passt«, bestätigte Zoe. »Und bei den Manipulationen in der Navy-Datenbank sind sie noch nicht fertig – wir kamen zu früh ins Spiel.«

    »Zu deiner ersten Frage habe ich leider noch keine Idee«, meinte Theo betrübt.

    »Dem gehe ich nach«, versprach meine Partnerin und fing wieder an zu tippen.

    »Dann schnell«, forderte ich sie auf. »Wir bleiben nämlich nicht mehr lange hier. Wir haben einen klitzekleinen Vorsprung vor unseren Gegnern, und den werde ich nutzen.«

    »Was hast du vor?« fragte Theo.

    »Einen feurigen Kreuzzug«, versprach ich. »Angry Admiral April hat genug. Sie werden mich kennen lernen.«

    Ich musste noch eine Idee wieder aufgreifen. »Zoe, ich habe noch eine Aufgabe für dich. Kannst du unsere Legitimationen bei der Navy so wiederherstellen, dass unser Spezi das nicht mitkriegt? Auch wenn wir auf der Base auftauchen oder nochmal der Polizei begegnen?«

    »Interessanter Gedanke«, meinte sie dazu. »Könnte ein paar Minuten dauern. Ich habe schon eine Idee.« Einen Moment später sah sie schon wieder auf. »Unser Spezi ist wieder aktiv. Er hat wohl mitgekriegt, dass jemand von der Polizei die Identität von Admiral Winston prüfen wollte. Jetzt versucht er, auch noch den Rest wegzuräumen. Das wird ihn ein bisschen Zeit kosten, ich habe ihm ein paar Stolpersteine in den Weg gelegt.«

    »Sicher nichts Auffälliges?« mutmaßte ich.

    »Nö. Was jedem mal passieren kann: sein Berechtigungsprofil ist defekt, weil es ausgerechnet auf einem schadhaften Sektor gespeichert war, und die Spiegelung nicht sauber funktioniert hat. Jetzt muss er erst mal seinen User wieder in Ordnung bringen, bevor er weiteren Schaden anrichten kann. – Ah, hier! Theo, du hattest dich bei der Navy gemeldet, als du in Honolulu eingetroffen bist, oder?«

    »Ja, ich habe eine Nachricht für die Drachenjäger hinterlassen, sobald diese eintreffen«, bestätigte er. Unsere Jungs hier? Klasse!

    »Unser feiner Verräter hat dich verpfiffen«, erklärte Zoe, während sie schon wieder mit ihrer Tastatur klapperte und konzentriert auf ihren Bildschirm starrte. Mehr sagte sie dazu nicht, also wandte ich mich mit meinem nächsten Punkt an Theo: »Du hast nicht zufällig unsere Uniformen mitgebracht, oder?«

    »Nein, leider. Die sind noch auf dem Boot.«

    »Okay. Zoe, wie schätzt du die Chancen ein, die Sachen ‘rauszuholen?«

    »Hundert Prozent. Kein Problem.«

    »Gut. Dann holst du unsere Ausstattung, und ich knöpfe mir den FBI-Chef vor.«

    »Und ich?« erinnerte Theo.

    »Du bist das Ziel«, entschied ich. »Also halte den Kopf unten.«

    »Aber …« wollte er einwenden.

    »Das ist jetzt unsere Mission: dich zu schützen. Ich bin die Missionsleiterin, also kusch!« Ich grinste ihn an.

    Er grinste zurück. »Jawohl, Ma’am.«

    X.6

    Geduldig lauerte ich in meinem »Versteck« im zugesperrten Ladeneingang und wartete darauf, dass mein Opfer auftauchte. Nur einmal musste ich einen Freier abwimmeln, der meine Warteposition als Bordsteinschwalbenarbeitsplatz missdeutete. Klar hatte Theo Einwände dagegen gehabt, uns allein ziehen zu lassen. Aber wir sind beide keine kleinen Mädchen mehr, sondern – da bin ich ganz unbescheiden – wahrscheinlich seine besten Feldagentinnen.

    Nach den Ereignissen am Hafen waren für die Cops wie für das örtliche FBI natürlich Überstunden angesagt, auch wenn es keine Toten gegeben hatte. Also brauchte ich nicht zu hoffen, dass mein Ziel nach einem frühen Feierabend bald heimgehen würde. Seine Kreditkartenabrechnungen hatten Zoe verraten, dass er in solchen Fällen wohl gern eine kurze Pause in der Sportbar gleich um die Ecke machte. Viele Polizisten kehrten dort ein – und bezahlten ebenfalls mit Karte. Einige dürften wohl ein kleines Alkoholproblem haben, hatte Zoe gemeint. Auf diesem Weg musste er jedenfalls an mir vorbei, hatte ich mir ausgerechnet, und da vorn kam er auch schon.

    Der hohle Plastikschaft eines handelsüblichen Staubwedels gab ein brauchbares Blasrohr ab, die feinen bunten Kunststoff-Federn lieferten die Stabilisierung des Pfeils, für den eine Nähnadel und ein sorgfältig zugeschnittener Korken den Rumpf bildeten. In meinem Gepäck hatte ich einige Ampullen mit »Augentropfen« bei mir – in Wirklichkeit ein Sortiment der verschiedenen Gifte meiner »Lieblinge«. In diesem Fall war es ein schnell zu Muskellähmungen führendes Neurotoxin, das den örtlichen FBI-Chef auf dem Bürgersteig neben meinem Auto zusammensacken ließ. Ich half ihm auf den Rücksitz, was er unter leisem Protest geschehen lassen musste, und steuerte mit meinem unfreiwilligen Fahrgast einen ruhigen Ort an.

    Dort angekommen, nahm ich ihm Dienstwaffe und Dienstmarke ab und legte ihm Handschellen an den Fuß- und den Handgelenken an. Letztere verankerte ich zusätzlich am Griff der rechten hinteren Tür, bevor ich mich vor ihm auf den Beifahrersitz kniete und ihn im gelblich-trüben Licht der Fahrzeuginnenbeleuchtung freundlich anlächelte.

    »Wassollas?« lallte er mit halbgelähmter Zunge. Solche und ähnliche Fragen hatte er in den letzten Minuten mehrfach gestellt, ein Zeichen, dass die Lähmung langsam nachließ. Im Gegensatz zu manchen anderen Giften aus meinem Vorrat hinterließ dieses bei korrekter Dosierung keine bleibenden Schäden. Die Dosierung war korrekt gewesen, schließlich hatte Zoe mir seine medizinischen Unterlagen zur Verfügung gestellt.

    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort und musterte ihn in aller Ruhe. Der Special Agent wirkte gut in Form, als ob er regelmäßig trainierte, und hatte kaum überflüssige Pfunde angesetzt. Nun, er war erst letztes Jahr zur Auffrischung in Quantico gewesen. Ein etwas kantiges Gesicht umrahmte eine kleine Nase und wache haselnussbraune Augen. Seine Bartstoppeln hatten seit der letzten Rasur am Morgen zu viel Zeit gehabt, sich überall hervor zu wagen, was ihm ein leicht verwegenes Aussehen gab.

    »Ich stelle Fragen, und du antwortest«, erklärte ich ihm leise. »Wahrheitsgemäß und ausführlich. Dann sind wir schnell fertig und es wird nicht unangenehm.«

    Obwohl die Lähmung ihn noch behinderte, schaffte er es, ein trotziges Gesicht zu machen. Ich musste ohnehin noch ein bisschen Zeit überbrücken, bis die abklingende Giftwirkung ihm flüssige Antworten erlaubte.

    »Du bist G-Man, der Chef des örtlichen

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