Kurzenberg: Wassermühle von Lodmannshagen
Von Reingard Stein
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Über dieses E-Book
Drei Generationen folgten somit den Lebenswegen der Vorfahren, Großvater Wilhelm, Vater Otto und ich, Tochter Reingard. Meine Mutter Christine lenkte den Blick schon mal kurz auf ihre sudetendeutsche Heimat. Ab 1949 wird sie in den Familienverband aufgenommen werden. Gemeinsam entdeckten wir, dass Familiengeschichte niemals losgelöst von den politischen Ereignissen betrachtet werden kann. Außerdem eröffneten uns alte Urkunden den Blick in das für uns fremdartige Zeitalter Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Schicksale der Bewohner der Wassermühle wurden besonders durch den Ersten Weltkrieg und seine dramatischen Folgen beeinflusst.
Wie lebten die Vorfahren, was war ihnen wichtig? All diesen Fragen war hinterherzuspüren. Welche Charaktere hatten sie und welche Merkmale davon haben sich bis heute in der Familie erhalten? Wilhelm wollte erreichen, dass seine Nachkommen die Familienmitglieder und deren Geschicke kennenlernen können.
Am 7. Januar 1947 starb er, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Für uns Chronisten endet mit seinem Tod dieser Teil des Buches 'Wassermühle von Lodmannshagen'. Es handelt sich indes nur um eine Unterbrechung der Zeitreise, denn die Familiengeschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Das ersehnte Kriegsende war für meine Eltern damals kein Grund zum Aufatmen. Deshalb die Fortsetzung mit dem Titel: 'Heimat im Herzen'!
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Buchvorschau
Kurzenberg - Reingard Stein
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Impressum
Reingard Stein, »Kurzenberg«
www.edition-winterwork.de
© 2016 edition winterwork
Alle Rechte vorbehalten.
Satz: edition winterwork
Druck und E-Book: winterwork Borsdorf
ISBN Print 978-3-96014-049-8
ISBN E-BOOK 978-3-96014-072-6
Kurzenberg
Reingard Stein
edition winterwork
Scan0007.tifBleistiftzeichnung von Wilhelm Kurzenberg
Zum Gedenken an meinen Großvater
Wilhelm Paul Ernst Kurzenberg
Neubau.tif1906 Mühlenneubau
D
ie Chronik entwickelt sich
Was gibt’s Spannenderes, als auf eine Reise ins Unbekannte zu gehen? In die Vergangenheit der Familienhistorie beispielsweise! Überraschungen werden vorprogrammiert sein. Großvater Wilhelm Kurzenberg hat damit angefangen, er ist schuld daran, dass ich nun tief in die Zeit abtauche. Er hatte begonnen, die Familiengeschichte aufzuschreiben und nun bin ich mit dem Thema infiziert. Für Geschichte und Geschichten hatte man innerhalb der Familie schon immer eine Passion.
Es gibt viel zu berichten, auch wenn man meint, das meiste davon zu kennen, gefühlt mindestens 1.000-mal wurden die Geschehnisse zum Besten gegeben. All die alten Storys, die stehen nun auf dem Programm, die gehörten, die überhörten oder auch die bis heute nie erzählten. So tief hatte ich mich bisher niemals mit der Vergangenheit meiner Vorfahren auseinandergesetzt. Es lohnt sich, genau hinzuhören, was die Eltern berichten. Sie sind Zeitzeugen und was sie erzählen, das sind unwiederbringliche Zeitdokumente. Die Erinnerungen spielen uns aber manchmal Streiche, verzerren Tatsachen, besonders, wenn die Ereignisse lange zurückliegen. Die daraus resultierenden Ungereimtheiten galt es, durch gezieltes Nachfragen zu erschließen und zurechtzurücken. Das war ein nicht immer ganz konfliktfreier Vorgang.
Nun denn, los geht’s, auf der Karte auf Seite 10 ist die vorpommersche Heimat meiner Familie abgebildet. Eingezeichnet ist der Umzug der Kurzenbergs von Schaprode auf der Insel Rügen nach Lodmannshagen. Im Jahr 1891 wurden Haushalt und Werkstatt auf Fuhrwerk und Segelschiff verladen und aufs Festland verfrachtet. Das Ziel war eine alte, heruntergekommene Wassermühle, am Urstromtal des Flüsschens Ziese gelegen, zwischen der Universitäts- und Hansestadt Greifswald und der ehemaligen Residenzstadt Wolgast.
missing image fileMein Großvater Wilhelm hatte den Wunsch, dass die Wassermühle von Lodmannshagen im Familienbesitz bleiben möge. Jedoch, er selber musste erleben, wie es ganz anders kam. Im Rentenalter begann er 1941 die Geschichte der Mühle, soweit sie ihm bekannt war, aufzuschreiben. Er konnte die Ausführungen nicht zu Ende bringen und so sind wir Nachfahren aufgefordert, dies zu tun. Mein Vater Otto, Wilhelms ältester Sohn nahm sich der Chronik an und ergänzte sie. Die Vorfahren waren einfache kleine Leute, die ihren Lebensunterhalt als Fischer oder Handwerker verdienten. Bei der Betrachtung der Lebensumstände ist dies ein wichtiger Faktor. Wie bedeutsam das hohe Gut ›Bildung‹ ist, bemerkt man daran, dass man sich eine bessere Ausbildung einfach nicht leisten konnte. ›Mann‹ nicht und ›Frau‹ schon mal gar nicht.
Die politischen, sozialen und geografischen Verhältnisse änderten sich im Laufe der letzten zweihundert Jahre mehrfach dramatisch. Vor diesem Hintergrund müssen die Aufzeichnungen Wilhelms und die Interviews mit meinen Eltern Otto und Christine bewertet werden. Es handelt sich um sehr persönliche Einschätzungen der Gegebenheiten. Der Zeitgeist der jeweiligen Epoche spielt immer eine enorme Rolle bei der Betrachtung der Ereignisse. Deshalb kann auch Familiengeschichte niemals isoliert von der politischen Lage, von den großen Entscheidungen der Regierenden in den Hauptstädten gesehen werden. Die Handlungen einzelner Personen stehen häufig im Zusammenhang mit politischen Strömungen.
Für einschneidende gesellschaftliche Veränderungen stand das 19. Jahrhundert. Ich war sehr überrascht, dass das auch Bedeutung für meine Familie hatte. In welcher Weise werden wir noch sehen. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 regierte das Kaiserhaus der Hohenzollern das Land. Der Kaiser und seine Rechtsnachfolger wurden zur Abdankung gezwungen, die Monarchie abgeschafft! Durch die Ausrufung der Republik[1] sollte ein Machtvakuum verhindert werden. Die neue Staatsform hatte einen schweren Stand innerhalb der Bevölkerung, denn viele strategische Interessen und Strömungen konkurrierten miteinander, ja, prallten regelrecht aufeinander. Es folgten die politisch unruhigen Jahre der Weimarer Republik. Aus diesem Chaos resultierte letztendlich das Dritte Reich. Die Nazidiktatur löste den Zweiten Weltkrieg aus. Das ist ein Bereich, der hier noch zur Sprache kommen wird. Die Konsequenz aus Krieg und Großmachtfantasien des ›Führers Adolf Hitler‹ waren Zerstörungen apokalyptischen Ausmaßes und fremde Besatzermächte im Land. Viele Menschen aus den östlichen Landesteilen flüchteten vor der Roten Armee, hatten endgültig ihre Heimat verloren. Diese Entwicklung musste der Großvater noch mit ansehen, die Staatsgründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949 erlebte er nicht mehr.
Das Thema Familienchronik wurde von Onkel Willi, dem jüngeren Bruder meines Vaters, wieder aufgegriffen. Er lebte zusammen mit seiner Mutter, Wilhelms Witwe in der DDR. Die handschriftliche Chronik lag etliche Jahrzehnte in einer Schublade. Mindestens einmal hatte der Onkel versucht, die Aufzeichnungen zu uns nach Westdeutschland zu bringen. Bei Grenzkontrollen deckten die DDR-Grenzer das Vorhaben auf und das Manuskript musste zurückgeschickt werden, durfte das Staatsgebiet der DDR nicht verlassen. Vielleicht sind dabei auch Dokumente verlorengegangen. Anlässlich eines späteren Verwandtenbesuches im Westen gelang es ihm dann doch noch, die Unterlagen zu schmuggeln. Wir sind Onkel Willi für diese weitsichtige Vorgehensweise sehr dankbar. Er verstarb 1988, kurz vor der DDR-Grenzöffnung im 62. Lebensjahr. Und wer weiß schon, was aus den Schriftstücken nach seinem Tod geworden wäre. Wir hatten ja vom Westen her keinerlei Einfluss, keinen Besitz nehmen können.
Oft hielt ich die Chronik in der Hand und überlegte, was damit zu tun sei. Eines war klar, so unvollendet konnte sie nicht stehen bleiben. Außerdem, eine Überarbeitung stand an, aber wie bewerkstelligt man das am besten? Der Originaltext sollte weitestgehend erhalten werden, war aber vom Satzbau, der Satzlänge und der antiquierten Sprache her schwer zu lesen. Um einen lebendigen Erzählstil zu erreichen, wählte ich für das gesamte Werk die Form des Gesprächs. Hier bot sich gradezu die Gesprächsform an, denn so konnte ich Großvater Wilhelm mit dem Originaltext als Chronisten einbinden. Außerdem strotzt die Handschrift nur so vor technischen und berufsspezifischen Begriffen. Für jemanden, der sich mit historischen Mühlen und dem dörflichen Leben ausführlich beschäftigt, bestimmt von großem Wert. Einen Mühlenbetrieb ohne Technik zu beschreiben, geht natürlich auch nicht, aber Wilhelm ist zugegebenermaßen in dieser Hinsicht sehr detailverliebt. Wer kein Technikfreak ist, sollte es vielleicht wie bei einem Museumsbesuch halten, wenn er sich mit seinen Schilderungen zu sehr in Einzelheiten verliert. Einige Dinge sind von Interesse und werden eingehend betrachtet, die übrigen nur kurz gestreift. Für die Authentizität der Mühlenchronik sind diese Textpassagen allerdings unverzichtbar. Etliche Begriffe sind heute nicht mehr gebräuchlich, deshalb fügte ich erklärende Fußnoten an, für unsere Reise in die Vergangenheit.
Wilhelms Markenzeichen, die ›Bandwurmsätze‹, die blieben oftmals so lang, wie sie geschrieben wurden. Auf diesem Gebiet leistete er Beachtliches, denn ein paar Sätze umfassen 55 Wörter und mehr. Selbst wenn es stilistisch ein Graus ist, so will ich mit seinen Texten authentisch bleiben. Nur wenn es gar zu schlimm wurde, teilte ich die Sätze.
En bloc verwendete ich Wilhelms Gesamttext nicht. Ich lockerte die Statik auf, indem Bemerkungen und Beiträge der Gesprächspartner eingeflochten wurden. Wertvolle Informationen zum Zeitgeschehen liefern die Dokumente und Protokolle, die zusammen mit der Handschrift vorhanden sind. Einige seiner Themen können aus heutiger Sicht erläutert werden. Andere Stellen eignen sich dafür, kleine Anekdoten einzufügen.
Drei Generationen sind somit an dem Werk beteiligt, von der Handschrift über die Ergänzung bis hin zu den Fragen und Erläuterungen. Mein Ehemann Gerd und ich haben in unzähligen Interviews mit den Eltern noch weiteres Wissenswertes zu Tage gefördert. Das war ein Entstehungsprozess, der mehrere Jahre andauerte. Briefe, Dokumente und sonstige Schriftstücke wurden gesammelt und ausgewertet. Die elterlichen Berichte zunächst unkommentiert zu Papier gebracht und später durch gezieltes Nachfragen ausgearbeitet.
Eine weitere Fragestellung lautete: ›Wo fängt man an, wo hört man auf?‹ Den Anfang zu finden, das war relativ einfach, vorgegeben vom Manuskript. Schwieriger wurde es, das Ende des Berichtszeitraumes festzulegen. Ich wählte den Zeitraum um das Ende des Zweiten Weltkrieges herum. Das war ja gleichbedeutend mit dem Ende einer Epoche. Für das Wassermühlenanwesen begann eine Phase des jahrzehntelangen, ungebremsten Verfalls. Die Lebensumstände der ehemaligen Bewohner, sowie aller Protagonisten änderten sich damals dramatisch. Und so findet sich die Fortsetzung der Familienereignisse in einem weiteren Band wieder, ›Heimat im Herzen‹!
Großer Dank gebührt Otto und Christine für ihre Geduld, für ihre Auskünfte. In unseren Telefonaten gab es oft genug kein anderes Anliegen mehr, außer Mühlen- und alte Familiengeschichten. Das enorme Erinnerungsvermögen meines Vaters ist die einzige Quelle, die ich noch anzapfen konnte, als es um die Geschicke der Wassermühle von Lodmannshagen ging. Er allein war noch in der Lage dazu, Auskunft über die Zeit ab 1903 zu geben, was alles innerhalb der Familie und der Mühle passierte. Ich bin sehr glücklich über diesen Umstand, denn ohne sein Wissen wäre das Buch nicht möglich gewesen. Großvater Wilhelms Aufzeichnungen wären Stückwerk geblieben. Außerdem erzählt mein Vater sehr gerne über die vergangenen Zeiten und die technischen Bezeichnungen konnte er mir erklären. Ottos jüngerer Bruder Willi hatte gleichfalls ein Faible für Geschichtliches, er versorgte uns ja mit dem alten Datenmaterial. Dass das nicht verlorengegangen ist, dafür bin ich ihm postum sehr, sehr dankbar.
Noch ein Wort zur grafischen Darstellung der Texte, die ich dem Manuskript Wilhelms entnommen habe, die sind in einer antiquierten Schrift dargestellt. Auch die zitierten alten Dokumente bekamen dieses Schriftbild. Der Inhalt der handschriftlichen Chronik ist unter der Gesamtüberschrift mit ›Wilhelm vertellt‹ wiedergegeben. Für die Kapitelüberschriften wählte ich die plattdeutsche Sprache, in der Ausdrucksweise, in der mein Großvater zu Hause war. Die niederdeutschen Überschriften sind für das Textverständnis von untergeordneter Bedeutung und einfach gehalten. Deshalb nahm ich keine weiteren Übersetzungen vor. Der Bericht meines Vaters ist unter ›Otto erinnert sich‹ zusammengefasst.
Und nun bedanke ich mich sehr, sehr herzlich bei meinem Helferteam, das mich unterstützt hat in den vielen Phasen der Bucherstellung. Die mich begleitet haben durch das gesamte Projekt. Namentlich bei Otto und Christine Kurzenberg, Gerd Stein, Marlene Kurzenberg-Ron, Rita Sattler, Christa Grimm, Peter Stein und Bea Stach. Außerdem herzlichen Dank an alle, die mir kompetent meine Fragen beantworteten und mir Materialien zur Verfügung stellten.
Vielen, vielen Dank!
Seevetal, Oktober 2015 Reingard Stein
chronik_innen.tifchronik_cover.tifLebensbänder der Kurzenbergs
Zur besseren Einschätzung von Personen und ihrer Lebenszeit sind die Lebensdaten von sechs direkt aufeinanderfolgenden Generationen hier aufgeführt. Wobei Wilhelm Kurzenberg der Autor der unvollendeten Mühlenchronik ist.
Heinrich Kurzenberg, geboren 1771 oder 1772 in Mecklenburg, wobei der genaue Geburtsort unbekannt ist. Von Beruf war er Töpfermeister in Gingst auf Rügen. Im Kirchenbuch von Kröslin ist sein Sterbedatum mit dem 29. November 1857, im Alter von 85 Jahren eingetragen. Der Sterbeort ist Freest und als Todesursache wird Entkräftung genannt. Heinrich Kurzenberg hat seinen Sohn Nikolaus um ein Jahr überlebt. Heinrich soll angeblich der Sohn eines schwedischen Generals gewesen sein, das behauptete zumindest sein Nachfahre Ludwig.
Eheschließung am 6. Juni 1800 mit
Catharina Maria Dittmer, Geburtsdatum und -ort sind unbekannt. Sie verstarb am 21. Januar 1846 in Gingst. Diese Geburts- und Heiratsinformationen sind nicht mittels Dokumenten oder Einträgen belegt, sondern durch in der Familie weitergegebene Hinweise.
Nikolaus Christian Heinrich Kurzenberg, geboren am 7. Januar 1808 in Gingst/Rügen, Beruf Fischhändler, evangelisch, ertrunken am 7. Dezember 1856 in Freest Kreis Greifswald,
Eheschließung am 9. Februar 1851 in Freest mit
Ernestine Sophie Friedrich, geboren am 21. November 1822 in Lindhorst/Kreis Prenzlau, Uckermark, evangelisch, gestorben am 10. Oktober 1860 in Freest Kreis Greifswald
Zu den beiden erstgenannten Generationen:
Von Nikolaus Kurzenbergs Eltern liegen nur noch sehr spärliche Informationen vor. Standesamtliche Eintragungen sind zwar wertvoll, können aber nicht mit Leben erfüllt werden, wenn weitere Hinweise zu den Personen fehlen. Ein wenig kriminalistische Talente sind vonnöten, um aus den dürren Fakten Rückschlüsse auf die Lebensläufe zu ziehen. Weshalb sind Geburtsdatum und -ort von Heinrich und Catharina unbekannt? Waren sie leibeigen? Wie kam Heinrich von Mecklenburg nach Vorpommern und warum? Fragen über Fragen und weit und breit keine Antworten. Es sind Vermutungen, auf die man angewiesen ist. Catharina Dittmer, die Mutter von Nikolaus verstarb auf Rügen, sein Vater Heinrich auf dem Festland in Freest. Daraus könnte man nun folgern, dass Vater Heinrich nach dem Tod der Ehefrau zur Familie des Sohnes zog. Hier verliert sich die Spur unserer väterlichen Vorfahren in der Zeit.
Fotografien waren in jenen Tagen noch nicht alltagstauglich und teuer, deshalb besitzen wir auch keine Fotos von ihnen.
Johann Ludwig Joachim Christian Kurzenberg, geboren am 26. Januar 1852 in Freest, Mühlenbauer-/
Müllermeister, evangelisch, gestorben am 8. Februar 1940 in Kühlenhagen Kreis Greifswald
Eheschließung am 29. September 1878 in Schaprode mit
Elise Gustave Christine Behm, geboren am 27. Februar 1854 in Schaprode/Rügen, evangelisch, gestorben am 7. März 1939 in Kühlenhagen
missing image filemissing image fileWilhelm Paul Ernst Kurzenberg, geboren am 18. Januar 1879 in Helle/Rügen, Müller und Mühlenbesitzer, evangelisch, gestorben am 7. Januar 1947 in Lubmin Kreis Greifswald, Autor der Mühlenchronik
Eheschließung am 16. Juni 1922 in Lodmannshagen mit
Margarete Marie Elise Wilke, Geburtsname Bankowsky, geboren am 27. Juli 1895, in Putbus/Rügen, evangelisch, gestorben am 23. September 1973 in Greifswald
missing image fileOtto Ludwig Friedrich Kurzenberg, geboren am
23. Juli 1923 in Lodmannshagen, Elektromeister, evangelisch
Eheschließung am 25. November 1949 in Lubmin mit
Christine Hajek, geboren am 3. September 1929 in Gießdorf/Sudetenland, Konfession zunächst römisch katholisch, später evangelisch
missing image fileGerhard, genannt Gerd, Stein, geboren am 2. September 1951 in Hamburg, Diplom-Betriebswirt
Eheschließung am 8. Juni 1979 in Hamburg mit
Reingard Kurzenberg, geboren am 17. August 1950 in Lubmin, Diplom-Betriebswirtin, evangelisch
missing image fileTreffen an der Ostsee
Der eiskalte Wind aus dem Norden, von der See her, bläst uns kräftig ins Gesicht. Wir laufen oberhalb des Strandes auf einem schmalen Feldweg. Der Saumpfad führt zwischen der weiten Feldmark und dem steilen Kliff entlang in Richtung Teufelsstein. Ein sagenumwobener Findling, der nach der letzten Eiszeit liegen blieb. Ahorn, Birken und Sträucher auf dem Steilufer tragen noch kein Laub. So ist der Blick auf die aufgewühlte, raue Ostsee frei. Das tosende, donnernde Brausen der Brandung begleitet den Spaziergang an diesem Spätwintertag. Derartige Naturkulissen sind wie geschaffen dafür, den Kopf freizubekommen und die Gedanken schweifen zu lassen. So stimmen wir uns mental auf intensive Gespräche ein.
Meine Eltern Christine und Otto, mein Ehemann Gerd und ich haben hier in Lubmin am Greifswalder Bodden Quartier genommen. Die Chronik der Familie Kurzenberg soll bearbeitet werden. Das hier ist ein Ort der Erinnerungen. Mutti und Papa lernten sich 1949 im Ostseebad kennen und lieben. Hier wurde ich im Jahr 1950 geboren. Unsere Zusammenkunft findet im ehemaligen ›Warmbad‹ statt, direkt am Strand gelegen. Auch dies eine Räumlichkeit mit persönlichem Bezug. In der Nachkriegszeit gab es in den Dorfhaushalten nicht den heutzutage gewohnten Badezimmerkomfort, die Dorfbewohner badeten dort. Meine Mutter kannte das ›Alte Warmbad‹ in der ursprünglichen Verwendung. Gegenwärtig wird das Gebäude als Ferienwohnung genutzt. Insofern ist dies genau der richtige Platz, um in unsere und um überhaupt in die Vergangenheit einzutauchen.
Mutter Christine Kurzenberg geborene Hajek verbrachte ihre Kindheit weit ab der Ostseeküste. Geboren wurde sie am 3. September 1929 im damaligen Sudetenland, in Giessdorf bei Leitmeritz, im tiefsten Binnenland! Die Vertreibung aus der Heimat nach 1945 durch die Tschechen ließ die Familie Hajek im Herbst 1946 in Lubmin stranden.
Vater Otto Ludwig Friedrich Kurzenberg wurde am 23. Juli 1923 in Lodmannshagen im Kreis Greifswald geboren. Sein Vater Wilhelm war kein Jüngling mehr, er stand im 45. Lebensjahr, als der Stammhalter Otto zur Welt kam. Auch Mutter Margarete war für jene Zeiten nicht mehr ganz jung. Im Alter von fast 28 Jahren gebar sie ihren ersten Sohn. ›Spätes Mädchen‹, das behaupteten böse Zungen über Frauen, die im vorgerückteren Lebensalter als allgemein üblich in den Hafen der Ehe schipperten.
Mit der Heirat Ottos und Christines beginnt meine Geschichte. Am 17. August 1950 kam ich im Landambulatorium in Lubmin zur Welt. Reingard Kurzenberg, das erstgeborene Kind der Eheleute. Den Ehenamen Stein erhielt ich 1979, als ich heiratete. Womit wir bei der vierten Person in unserer Runde wären, meinem Ehemann Gerd. Ihm verdanken wir es, dass die handschriftlichen Aufzeichnungen problemlos lesbar sind. Denn er hat die Manuskripte, die in Kurrent- und Sütterlin-Schrift verfasst wurden, in die gebräuchliche Druckschrift transkribiert. Eine mordsmäßige Arbeit, die ihn manchesmal an den Rand des Wahnsinns trieb. Für mich bedeutet es eine enorme Erleichterung in Bezug auf die Deutlichkeit und die schnelle Lesbarkeit der Unterlagen. Gerd fungiert in dieser Phase als Protokollant, Rechercheur und Beobachter. Meine Aufgabe ist es, als Moderatorin und Kommentatorin Interviews zu führen.
Die am Gespräch beteiligten Personen habe ich schon kurz vorgestellt. Zusätzlich befindet sich noch ein weiterer Berichterstatter in unserem Kreis, mein Großvater Wilhelm Paul Ernst Kurzenberg. Der Müller und Mühlenbesitzer der Wassermühle von Lodmannshagen ist der Verfasser eines Dokumentarberichts. Er muss ein imaginärer Gesprächspartner bleiben, denn er ist im Jahr 1947 verstorben. Allerdings, ihm verdanken wir eine Vielzahl von Dokumenten, Briefen und Berichten. Die ›Chronik der Mühle von Lodmannshagen‹, schrieb er für seine interessierten Nachfahren nieder. Leider, leider haben nicht sämtliche, den Aufzeichnungen beigefügten Urkunden die Wirren der Nachkriegszeit überstanden. Und der Tod hat meinem Großvater, während er das Werk verfasste, die Feder aus der Hand genommen. Die entstandenen Informationslücken vervollständigt Otto, der älteste Sohn Wilhelms, mein Vater. Nach bestem Wissen, jedoch auch er kann nicht alle Ereignisse aus eigener Anschauung schildern. Denn zwischen dem Ende der Chronik im Jahr 1903 und Papas persönlicher Wahrnehmung liegen nahezu drei Jahrzehnte. Während des Krieges war er Soldat, anschließend Kriegsgefangener, die Begebenheiten in der Heimat bekam er nur sehr bruchstückhaft mit.
Anlässlich der Geburt ihres Stammhalters erhielten die Großeltern Margarete und Wilhelm Kurzenberg ein ledergebundenes Buch mit eingeprägten goldenen Lettern geschenkt. Damit war die Aufforderung des Gebers verbunden, es mit der hoffentlich segensreichen und glücklichen Geschichte der Familie zu füllen. Den ersten Eintrag machte Großvater Wilhelm im April 1924. Darin kommt gleich schon die Motivation, eine Chronik zu verfassen, zum Ausdruck:
»Um den kommenden Geschlechtern, den Nachfolgern im Besitz der alten Wassermühle zu Lodmannshagen über die Geschicke derselben, soviel ich bisher darüber erforschen und erfahren konnte, aufzuklären und zu erhalten, will ich in den nachfolgenden Blättern die alten, wenn auch spärlichen Aufzeichnungen aus alten Urkunden und Verträgen nach Möglichkeit festzulegen und für spätere Zeiten festzuhalten versuchen. Über die frühere Ausgestaltung des Mühlenwerkes ist nur