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Auf drei Rädern: Rundkurs Ostsee
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eBook260 Seiten3 Stunden

Auf drei Rädern: Rundkurs Ostsee

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Über dieses E-Book

Die Zeit des familiären Nachspürens war vorerst abgeschlossen. Mit ihrem Ehemann Gerd begab sich die Autorin wieder auf Reisen. Dieses Mal motorisiert und doch nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatten.
Welches sind die drei Stadien einer Oldtimerausfahrt? Die Antwort lautet: gar nicht erst losfahren, unterwegs liegenbleiben oder am Ziel ankommen! Diese Reise begann mit einem Flop! Statt mit Zweiradoldtimern startete das Autorenpaar ihre Ostseeumrundung mit einem 18 Jahre alten Motorroller plus Seitenwagen der Marke Honda-Helix. Die Ostseeanrainerländer beeindruckten die Reisenden mit altehrwürdigen Hansestädten, sowie quirligen Haupt- und Hafenstädten. Die fantastischen Naturimpressionen wie die riesigen Wanderdünen, die Baltische See, mal wild, mal zahm, die Küsten und die weiten Wälder hinterließen unauslöschliche Eindrücke. Ein Abstecher zum Nordkap unterbrach den Ostseerundkurs. Die inspirierende Einöde von Tundra und Taiga im hohen Norden faszinierte nachhaltig. Abgerundet wird der Reisebericht durch launige Erlebnisse der beiden Rollerfahrer. Rund zwei Monate und 8.000 Kilometer später blickte das Ehepaar zurück auf eine bemerkenswerte Fahrt. Einige Einblicke in die Befindlichkeiten der Völker im Norden Europas wurden ihnen offenbar.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Okt. 2017
ISBN9783960143482
Auf drei Rädern: Rundkurs Ostsee

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    Buchvorschau

    Auf drei Rädern - Reingard Stein

    Cover_front.jpg

    Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Verlages gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen und akustischen Medien ist untersagt. Die Textrechte verbleiben beim Autor, dessen Einverständnis zur Veröffentlichung hier vorliegt. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung.  

    Impressum

    Reingard Stein, »AUF DREI RÄDERN – RUNDKURS OSTSEE«  

    www.autorin-reingard-stein.com

    www.edition-winterwork.de  

    © 2017 edition winterwork  

    Alle Rechte vorbehalten.  

    Satz: edition winterwork  

    Druck und E-Book: winterwork Borsdorf  

    ISBN Print 978-3-96014-346-8  

    ISBN E-BOOK 978-3-96014-348-2

    AUF DREI RÄDERN 

    RUNDKURS OSTSEE 

    Reingard Stein 

    edition winterwork

    S2.jpg

    Autoren-Porträt 

    Reingard Stein 

    Die Autorin, Jahrgang 1950, wurde in Lubmin an der vorpommerschen Ostseeküste geboren. Die aufregende Republikflucht aus der DDR im Jahr 1955 prägte ihren Werdegang. 

    Leseratte ist sie, seit sie das Lesen erlernte. In der Familie nannte man sie »Bücherwurm«, denn für nichts und niemanden hatte sie Zeit, außer fürs Bücherlesen selbstverständlich und zum Geschichtenerzählen. 

    Nach der Ausbildung zur Bankkauffrau folgte das 

    Studium mit dem Abschluss zur Diplom-Betriebswirtin. 

    Zusammen mit ihrem Ehemann Gerd pflegt sie die kleinen Verrücktheiten, Marotten und die Passion fürs Reisen entgegen dem Mainstream. Die Reiseerlebnisse verarbeitet sie zu Tagebüchern, zu Reiseberichten und so verbindet sie zwei Leidenschaften miteinander, Unterwegssein und Schreiben. Außerdem versteht sie sich als ›Bewahrerin‹ der alten Familiengeschichte. 

    Die Familie lebt bei Hamburg. Die Autorin empfindet es als wunderbare Bereicherung, ihre Begeisterung für Literatur an die Enkelkinder weiterzugeben. 

    S5.jpg

    Übersichtskarte mit der grünen Markierung der Reiseroute rund um die Ostsee. Vom Norden des Bottnischen Meerbusens aus unter nahmen wir einen Abstecher in die arktische Region bis hoch hinauf zum Nordkap.

    DIE IDEE

    Oldtimer sind wie Wundertüten, voller Überraschungen! Und, im Gegensatz zur besagten Tüte – nicht alle sind positiv! Schließlich weiß keiner, was drin ist! Je nachdem können die Empfindungen nach dem Erwerb eines Klassik-Fahrzeugs von total niedergeschlagen bis euphorisch ausfallen. Unsere Einstiegsdroge in die Oldtimerwelt hieß Quickly, genauer gesagt, NSU Quickly. In dieser Hinsicht sind mein Ehemann Gerd und ich, Reingard, im Auf und Ab des Gefühlskarussells beachtlich geübt. Routinierte Quickly-Fahrer eben! Wir mussten so manche fette Kröte schlucken, landeten öfter unsanft auf dem harten Boden der Realität, aber manchmal taten sich uns Chancen auf, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Die Quickly ist das legendäre, meistverkaufte Moped der 1950er Jahre. In hohen Stückzahlen wurden die Zweiräder gebaut und erfolgreich von der Firma NSU Werke Aktiengesellschaft, Neckarsulm vermarktet. Die Fahrzeuge mit der Modellbezeichnung »Quickly N« sind 1,4 PS stark, verfügen über ein Zweigang-Getriebe und einen Hubraum von 49 ccm. Die 26 Zoll Räder und der 3,1 Liter fassende Tank sind typische Merkmale des Fabrikats. Die Reichweite pro Tankfüllung beträgt 150 Kilometer. Gerds Moped baute man 1956, meines 1955. Die Objekte waren mithin nur ein paar Jährchen jünger als ihre Fahrer. 

    Das Unternehmen NSU Motorenwerke Aktiengesellschaft existiert heute nicht mehr, es verlor im Jahr 1969 seine Eigenständigkeit. Wurde von der Firma Audi übernommen und damit Bestandteil vom VW-Konzern. Die Zweiradproduktpalette war schließlich nicht mehr zeitgemäß und das Kraftfahrzeugmodell K70 setzte sich am Markt nicht durch. Darüber hinaus hatte ein weiteres Fabrikat des Unternehmens, das Automodell Ro 80 massive technische Probleme mit dem Wankelmotor, die auch großzügige Abhilfemaßnahmen nicht beheben konnten. Eine großartige Firmengeschichte in Neckarsulm ging endgültig zu Ende. 

    Viele Jahrzehnte nach der Verschmelzung mit dem VW-Konzern war es trotzdem möglich, dass das hervorragende Image des Unternehmens NSU massiv in Verruf geriet! Wie konnte das passieren? Fatalerweise ist das Firmenkürzel ›NSU‹ seit ein paar Jahren äußerst negativ besetzt. Genauer gesagt, seitdem eine verbrecherische Vereinigung mit dem Namen »Nationalsozialistischer Untergrund« in der Öffentlichkeit, in der Presse mit »NSU« abgekürzt wird. Die jüngeren oder die weniger technikaffinen Zeitgenossen nehmen diese Abkürzung nicht mehr als den Hersteller von Motorerzeugnissen wahr, sondern nur noch als die der kriminellen Gruppierung. Das ist eine ganz bittere Entwicklung für Oldtimerfreunde. Hätte diese Kurzbezeichnung nicht von den Rechtsnachfolgern durch Einwirkung auf die Presse zur rechten Zeit verhindert werden können? Jetzt hat sich das Kürzel leider für eine falsche Sache etabliert. 

    Gerd und ich unternahmen mit den Quickly-Oldtimern ausgedehnte Touren rund um unseren Wohnort herum. Mehr noch, 2006 führte uns der Weg nach Rom und 2011 nach Oslo. Im Buch »Abenteuer Quickly« veröffentlichte ich, mit welchen Widrigkeiten wir während der Restaurierungsphase zu kämpfen hatten. Die beiden Reisetagebücher von Rom und Oslo fasste ich zu einem Gesamtbericht zusammen. Diese Herzschlagereignisse beherrschen bis heute die Erinnerungen, inzwischen im außerordentlich milden Licht der Rückschau. Der Wunsch danach, noch weiter entfernte Reiseziele mit leistungsstärkeren Fahrzeugen zu erreichen entstand damals auf der Norwegentour. Der Gedanke, rund um die Ostsee herum zu fahren, der spukte seit geraumer Zeit in unseren Köpfen. Der Weg ist das Ziel diesmal ausschließlich. 

    Mit einen normalen Pkw zu reisen, das war uns zu langweilig, mit dem Fahrrad zu anstrengend. Es ist in der Tat reizvoll, 8.000 Kilometer zu radeln, allerdings steckte mir noch mein Unfall vom Elbe-Radwanderweg in den Knochen. Zusammen mit Gerd fuhr ich im Juni 2013 auf dem Fernradweg von Hamburg nach Dresden. Fatalerweise fegte mich kurz hinter Magdeburg eine Windböe samt überladenem Drahtesel vom Deich. Die Radwege und Straßen am Deichfuß waren bei Schönebeck wegen des Elbe-Hochwassers noch mit Sandsäcken versperrt. Wir hatten keine andere Wahl, mussten auf der äußerst schmalen Deichkrone fahren, dabei stürzte ich. Die Unfallfolgen verhinderten die Weiterfahrt, außerdem hatte ich vom Radfahren zunächst die Nase gestrichen voll. Die Folgen des Fahrradunfalls erlangten für uns und die Reisepläne noch einiges an Bedeutung, dazu später mehr. Wie wäre es denn mit einer Wanderung um die Ostsee herum, ist das für uns eine Option? Schließlich wissen wir, dass wir sehr gut zu Fuß sind. Für einen Fußmarsch müsste allerdings ein sehr viel umfangreicherer Zeitrahmen eingeplant werden, als er uns seinerzeit zur Verfügung stand. 

    Wir hatten uns für eine Rundreise mit Motorroller-Oldtimern entschieden! Nur dieses Mal sollte die Umsetzung der Reisepläne nicht so einfach werden. Hauptsächlich darum, weil die stärker motorisierten Fahrzeuge noch gar nicht vorhanden waren. Mit Zweirad-Oldtimern hatten wir hinreichend Erfahrungen gesammelt. Insofern war die Wahl des Verkehrsmittels gar nicht so schwer, oder? Die Produktpalette der Firma NSU überzeugte uns, deshalb fiel die Entscheidung zugunsten des Modells Lambretta aus, einem Motorroller mit 125 ccm Hubraum. Ein 125er Kraftrad darf ich mit meinem Autoführerschein fahren. Gerd besitzt die Motorradfahrerlaubnis, für ihn gelten keinerlei Beschränkungen. Es war doch klar, dass wir beide mit ähnlichem Kraftpotenzial unterwegs sein wollten. Deshalb sollten zwei gleichartige Maschinen gekauft werden. 

    Die Lambretta-Roller baute die Firma NSU in Lizenz des Unternehmens Innocenti aus Mailand. Auch dieser Fahrzeugtyp wurde zum Verkaufsschlager des Neckarsulmer Werks. Die Symbiose zwischen italienischem Design und deutscher Verarbeitung und Innovation hatte es uns angetan. Fahrzeugtechnisch passte der Hersteller NSU die Produktion den einheimischen Marktbedürfnissen an. 

    Die Lambretta ist ein äußerst robustes Gefährt. Um Einiges breiter durch den Beinschild und schwerer im Vergleich zur fast zierlich wirkenden Quickly. Sie ist ebenfalls ein Zweitakter, jedoch mit einer Dreigangschaltung. Keine Frage, hier hatte man sehr viel mehr »Kraft« in der Hand und unter dem Gesäß. Besonders bei der Geschwindigkeit macht es sich bemerkbar. Statt mit 35 km/h konnte mit 65 km/h durch die Lande gebraust werden. Bei solch außerordentlich hohen Stundenkilometern gerät man doch in einen Geschwindigkeitsrausch. Na ja, fast! 

    »Mit welchem Klammerbeutel hatte man uns eigentlich gepudert?«, indem wir auf die Idee verfielen, mit Zweirad-Oldtimern eine so lange Strecke zu planen. Auf dem technischen Sektor bin ich von einer grandiosen Ahnungslosigkeit beseelt, allenfalls zu Assistententätigkeiten bei Reparaturen zu gebrauchen. Selbst dabei wurde ich gelegentlich von meinem Reparateur angeblafft, wenn ich Schrauben, Muttern oder sonst was nicht fest genug hielt. Eine Ehefrau hat es nicht leicht. Gerd, ja, der kennt sich aus! So ein Quickly-Moped baue er im Schlaf auseinander und wieder zusammen, so seine Selbsteinschätzung. Notwendige Reparaturen unterwegs, die traue er sich auf jeden Fall zu. Keine Frage! Außerdem, wir werden mit unseren Oldie-Schätzchen längere Strecken durchs frühere ›sozialistische‹ Ausland fahren, dort war man seinerzeit mit Mangelsituationen vertraut und hatte stets kreative Lösungen parat. Auf die eigenen Fähigkeiten sowie auf die Hilfsbereitschaft der anderen bauten wir außerdem. Und Skandinavien hat eine große freundschaftliche Oldtimer-Szene, diese Erfahrung durften wir auf unserer Oslo-Tour im Jahr 2011 machen. Mit Fachwissen und entsprechenden Werkzeugen half man uns solchermaßen weiter, dass wir die pannenbedingt unterbrochene Reise fortsetzen konnten. 

    Weshalb sollte das Reiseziel jetzt die Ostsee sein, oder besser gesagt, warum musste es unbedingt drumherum gehen? Halten wir fest, der Rundkurs um das Binnenmeer war von uns schon vor längerer Zeit angepeilt worden. Ein Anhaltspunkt für den Beschluss könnte sich aus meinem Geburtsort ergeben haben, denn meine Wiege stand an der Küste des Baltischen Meeres. Im Seebad Lubmin am Greifswalder Bodden wurde ich geboren. Am Strand zu buddeln und mit Papa mit dem Paddelboot zum Angeln rauszufahren, war ich von klein auf gewöhnt. Die Ostseeküste war in meiner Familie stets präsent, ein Sehnsuchtsziel. Insbesondere seit meine Familie gezwungen war, der damaligen DDR den Rücken zu kehren. 

    Ein anderer Beweggrund könnte die geografische Lage sein. So eine Umrundung ist eben eine runde Sache, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Rundkurs bietet sich hier buchstäblich an. Die Ostsee ist ein eiszeitlich gestaltetes Binnenmeer, welches im Westen durch eine Meerenge von der Nordsee getrennt ist. Diese geologische Besonderheit wirkt sich auf den Salzgehalt der Baltischen See aus, der in den äußeren Meeresbusen auffällig niedrig ist. Übrigens, die exakte Definition des Gewässereinzugsbereiches der Ostsee ist schwierig. Je nach Sichtweise der Experten zählt das Kattegat, ein Seegebiet nördlich der dänischen Inseln zwischen Jütland und Schweden mit dazu oder auch nicht. Die Inselwelt sitzt wie ein Pfropf inmitten Ost- und Nordsee. Für uns ist die begriffliche Abgrenzung der Fachleute ohne jede Bedeutung, denn wir werden eine Route festlegen, die auf persönliche Bedürfnisse zugeschnitten ist. 

    So gäbe es da noch den geschichtlichen und den touristischen Blickwinkel. Eine beachtliche Anzahl der alten Hansestädte sind Ostseeanrainer. Das ist ein attraktiver Anreiz, sich näher mit der Hanse zu beschäftigen. In Lübeck wurde just im Mai 2015 ein neues Museum eröffnet, welches sich mit der Historie des Kaufmannsbundes beschäftigt. Den geschichtlichen und geografischen Hintergrund der einzelnen Städte kann ich hier nur ganz kurz anreißen, denn zu weit ist das Feld. Wir sind ausgesprochen neugierig darauf, uns unbekannte Hansestädte kennenzulernen. Die Ostsee hat viele internationale Anliegerstaaten, die da sind Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Schweden und Dänemark. Die Hauptstädte Riga, Tallinn, Helsinki, Stockholm und Kopenhagen sind Ostseeküstenstädte. In vergangenen wie in jüngeren Zeiten trug man Konflikte um Territorien und Machtpositionen mit Waffengewalt aus. Krieg, das war der trennende Aspekt, der verbindende, das sind Handel und Tourismus. 

    Hauptsächlich könnte Entdeckungslust als Grund für unsere Streckenplanung herhalten. Gewiss doch, im ersten Stadium war die Planung noch hinlänglich schwammig. An einem genauen Aufhänger lässt sich die Entscheidung für die Ostsee-Route folglich nicht festmachen. Kaum dass unsere Reisepläne bekannt wurden, bekam ich einen Reiseführer geschenkt. Das Werk deckte aber nur teilweise die geplante Strecke ab. Beim intensiveren Kartenstudium stellten wir fest, dass es vom nördlichsten Punkt des Bottnischen Meerbusens aus bis hinauf zum Nordkap keine 1.000 Entfernungskilometer mehr sind. Wir waren sehr beeindruckt, die günstige Gelegenheit das europäische Eismeer mit in die Reise einzubeziehen, wollten wir nicht ungenutzt verstreichen lassen. Aus diesem Grund planten wir einfach einen »Ausflug« ein. 

    So, die Eckdaten standen fest und selbst für die Himmelsrichtung, in die es gehen sollte, hatten wir uns inzwischen festgelegt. Von Seevetal aus wollen wir nach Wismar reisen und dann immer weiter ostwärts fahren. Entlang der Ostseeküste sollte es durch Polen und die russische Oblast Kaliningrad ins Baltikum gehen. Als Oblast wird in der russischen Sprache ein Verwaltungsgebiet benannt. Wir hatten die Absicht, die Oblast Kaliningrad zu durchqueren, wie Königsberg heute genannt wird. 

    Mit Baltikum sind die drei Ostseeanrainerstaaten Litauen, Lettland und Estland bezeichnet. Um den Finnischen Meerbusen herum bis nach St. Petersburg und dann weiter an der finnischen Küste des Bottnischen Meerbusens wird der Weg nach Norden führen. Die beiden lang gestreckten Meeresbuchten, Finnischer- und Bottnischer Meerbusen sind Randgewässer der Ostsee. Mit Fennoskandinavien ist ein geologisches Gebiet betitelt, das sich aus der Halbinsel Norwegens und Schwedens, sowie Finnland, der russischen Halbinsel Kola und der finnisch-russischen Landschaft Karelien zusammensetzt. 

    Wobei, den nördlichsten Bereich Fennoskandinaviens bezeichnet man darüber hinaus mit ›Nordkalotte‹, das sind die Verwaltungsbezirke der vier fennoskandinavischen Staaten beim und nordwärts vom Polarkreis, dem Arctic Circle. Die nachfolgend aufgezählten europäischen Länder in dieser Betrachtung haben Verwaltungseinheiten innerhalb des Polarkreises: Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Es handelt sich hierbei um die althergebrachten Siedlungsgebiete der samischen Urbevölkerungen. Unsere Ostseeumrundung würden wir bei der finnischen Stadt Kemi im Norden des Bottnischen Meerbusens unterbrechen und auf einer noch zu definierenden Route zum norwegischen Nordkap hinauffahren. Die Rückfahrt nach Hause soll uns entlang der Küsten Schwedens und Dänemarks führen. Das war nur eine grobe Beschreibung der Reiseroute, die Feinjustierung sollte unterwegs nach Lust und Laune erfolgen. 

    Vom Wissensdurst geplagt, machte ich mich im Netz schlau, wie das Angebot an Ostseerundreisen bei den großen Reiseveranstaltern aussieht. Hier bieten hauptsächlich die Kreuzfahrtreedereien den entspannten Urlaub auf See an. Es fällt auf, dass für den Pauschalreisesektor die gedachte Linie Oslo, Stockholm, Helsinki und St. Petersburg die nördliche Begrenzung darstellt. Der Bottnische Meerbusen, der Meeresarm, der Finnland und Schweden voneinander trennt, ist touristisch gesehen Niemandsland. Aber auf uns üben Reiseziele, die nicht allgemein üblich sind, einen herausstechenden Reiz aus. 

    Beim weiteren Stöbern stieß ich auf die Website der Abenteuer-Rallye Baltic-Sea-Circle. Seit ein paar Jahren wird der Wettkampf der zwei- und vierrädrigen Teams ausgetragen. Bedingung dafür ist, mit einem Fahrzeug, mindestens im Youngtimeralter, an den Start zu gehen. Die Fahrstrecke der Motorsportveranstaltung ist ähnlich gewählt, wie die von uns angedachte. In unserer Streckenplanung war Russland nur für die Bereiche Kaliningrad/ Königsberg und St. Petersburg vorgesehen. Wir wollten nicht, wie die Rallye-Teilnehmer, die Ostsee in einem dermaßen weiten Radius umrunden. Der größte Unterschied zum Wettkampf lag dann wohl doch in der Dauer des Unternehmens. Die Wettkampfteilnehmer fuhren innerhalb von 14 Tagen um das Binnenmeer herum. Gerd und ich veranschlagten dafür einen Zeitraum von zwei bis zweieinhalb Monaten. Mich interessierte die Motorsportveranstaltung und deshalb rief ich mir öfter die Internet-Dokumentationen der Baltic-Sea-Teams auf, um zu sehen, wie es so läuft. Ob ich Lust hätte, mal an einem Unternehmen dieser Art mitzumachen? Ich weiß nicht, Gerd und ich agieren lieber völlig unabhängig, da wir es gewohnt sind, auf uns alleine gestellt zu sein. 

    Zunächst hatten sich andere Pläne von uns konkretisiert, um die sich vorrangig zu kümmern war. Seit vielen Jahren schon hatten wir das Pilgerziel Santiago de Compostela auf dem Schirm. Von Hamburg aus sollte die Wanderung gestartet werden. Für die 3.000 Kilometer lange Strecke liefen die Vorbereitungen und 2012 marschierten wir dann los. In dem Buch »Alles freiwillig« habe ich die Erlebnisse der sechsmonatigen Pilgertour zu Papier gebracht. »Hat uns niemand zu gezwungen, ist alles freiwillig«, das war die Devise, unsere Motivation, wenn es schwierig wurde. Beharrlichkeit, Geduld, Durchhaltevermögen und Leidensfähigkeit, das sind Eigenschaften, die Oldtimerfahrer wie Wanderer gemeinsam haben müssen. 

    Im Anschluss an die Pilgerwanderung musste es einfach mit der konsequenten Restaurierung der Oldtimer weiter gehen. Es empfahl sich, die Planungen für die Ostseeumrundung endlich in Angriff zu nehmen. Das Jahr 2014 stand für die Reise im Fokus, ein realistischer Zeitrahmen, sollte man meinen. 

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    Gerds Lambretta und Reingards Quickly, in der für NSU typischen weißgrünen Lackierung.

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    Reingards Motorroller in Luxusausführung und mit Elektrostarter komplettiert den Fuhrpark.

    IRGENDWAS IST IMMER! 

    Kurze Rückblende, die Motorroller mussten zunächst einmal erworben werden. Wir hatten uns für einen Fahrzeugtyp entschieden, jetzt galt es, die passenden Lambrettas zu finden. Im Jahr 2007 bot eine Dame im Internet den Roller ihres Vaters an, der ihn altersbedingt keinesfalls mehr selber fahren sollte. Die Lambretta des Baujahres 1952 passte genau für unsere Zwecke, deshalb wurde sie gekauft. Sie war mit einem Kickstarter ausgerüstet, den ich kräftemäßig nicht gut bedienen konnte. Es gelang mir nur sehr schwer, die Maschine mit diesem Anlasser zum Laufen zu bringen. Das war kein Motorroller für mich! So ging das Fahrzeug in Gerds Besitz über. 

    Die Neulackierung wurde vorgenommen und einiges an Instandsetzungsarbeiten gemacht. Ganz besonders wichtig war es für Gerd, dass der Motorroller an die heutige Verkehrssicherheit angepasst wurde. Was bedeutete,

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