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Winterreise nach Alaska: Mit dem Motorrad von +25° bis -52° von Florida bis zum Polarmeer
Winterreise nach Alaska: Mit dem Motorrad von +25° bis -52° von Florida bis zum Polarmeer
Winterreise nach Alaska: Mit dem Motorrad von +25° bis -52° von Florida bis zum Polarmeer
eBook291 Seiten3 Stunden

Winterreise nach Alaska: Mit dem Motorrad von +25° bis -52° von Florida bis zum Polarmeer

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Über dieses E-Book

Die Journalistin Doris Wiedemann hat schon viele individuelle Touren in der ganzen Welt gemacht - allein mit ihrem Motorrad. Aber im Winter 2009 startet sie mit dem ebenfalls reiseverrückten Solofahrer Sjaak Lucassen zu einem eisigen Abenteuer: quer durch den nordamerikanischen Winter, von Florida bis Alaska.
Von Key West, dem südlichsten Punkt des US-amerikanischen Festlandes, fahren die beiden durch Eis und Schnee bis zum nördlichsten Punkt, den man auf öffentlichen Straßen erreichen kann, der kleine Ort Deadhorse am Polarmeer. Unterwegs besuchen sie die Motorrad-Abenteuerer Ted Simon, Dave Barr und Helge Pedersen. Zum Schluss führt sie der Weg zur Prudhoe Bay über den Dalton Highway, eine der gefährlichsten Straßen der Welt. Doris Wiedemann ist die erste Frau, die diese Strecke im Winter mit dem Motorrad bezwungen hat.
Im Buch erzählt Doris Wiedemann von den Freunden und den Strapazen der Tour, von der Vorbereitung und dem nicht immer einfachen Miteinander zweier eingefleischter Alleinreisender. Und natürlich davon, wie man mit seinem Motorrad bei -52°C auf endlosen vereisten Pisten vorankommt und nicht erfriert.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum21. Dez. 2016
ISBN9783741877964
Winterreise nach Alaska: Mit dem Motorrad von +25° bis -52° von Florida bis zum Polarmeer

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    Buchvorschau

    Winterreise nach Alaska - Doris Wiedemann

    Prolog — über die Ausrüstung

    »35 Grad« lese ich laut von der digitalen Anzeige im Cockpit der BMW F 800 GS. Mein Reisepartner, Sjaak, hört über die Helmsprechanlage mit. Seit wir die Grenze nach Kanada überschritten haben, lasse ich das »Minus« weg. Wir haben uns darauf geeinigt, stattdessen das Plus zu erwähnen, falls die Temperatur einmal über Null Grad steigen sollte. Aber die Chancen sind gering, denn wir fahren durch eine tief verschneite Landschaft dem gefrorenen Polarmeer entgegen. Ich bin mit meinem Motorrad in Alaska unterwegs — mitten im Winter. Wie konnte das passieren?

    Schuld daran ist — natürlich — ein Mann: Der Niederländer Sjaak Lucassen hatte mich an einem sonnigen Sommertag im August besucht und von seinem neuen Projekt erzählt. Er wolle mit dem Motorrad im Winter nach Alaska fahren, sagte er, und vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von verschneiten Bergen im Ural.

    Vor sieben Jahren führte mich meine »Taiga Tour« quer durch Russland nach Korea und Japan. Auf dem Rückweg von Wladiwostok nach Hause überraschte mich der Winter. Schlecht ausgerüstet kämpfte ich mich damals frierend über die eisig-glatten Straßen. Dennoch begeisterte mich das strahlende Weiß der verschneiten Landschaft, das Funkeln der Schneekristalle und die klare Luft.

    Mehrere Ausflüge zum Elefantentreffen, dem bekannten Winter-Motorradtreffen im Bayerischen Wald, sowie einige Fahrten zum Winter-Gespanntreffen auf dem Gamsstein in Tirol weckten in mir den Wunsch, einmal einen echten Winter zu erleben. Einen Winter ohne salzigen Schneematsch auf den Straßen und ohne das in Deutschland immer wieder einsetzende Tauwetter. Stattdessen träumte ich von funkelnden Eiskristallen, soweit das Auge reicht.

    Wirklich kalte Luft ist trocken und die Kenner arktischer Temperaturen behaupten, man friere deshalb in echter Kälte weniger als in feuchtem Schmuddelwetter. Ich wollte zu gerne wissen, ob das stimmt. Andererseits war mir bewusst, dass Kälte ein großes Risiko in sich birgt, dem ich nicht ohne Weiteres alleine gegenübertreten wollte.

    Sjaak, dem Niederländer, bin ich im Winter 1997/98 im mollig warmen Afrika das erste Mal begegnet. Damals war er mit einer Honda Fireblade auf großer Fahrt rund um die Welt. Sieben Jahre später ist er mir in der Mongolei wieder über den Weg gelaufen. Oder besser gesagt gefahren. Und zwar mit einer Yamaha R1. Sjaak ist, ebenso wie ich selbst, ein Alleinreisender, der vielleicht sogar noch lieber seiner eigenen Wege geht als ich. Daher ließ ich meiner Begeisterung für seine Idee freien Lauf, dachte aber nicht einmal im Traum daran, diese Reise mit ihm zusammen durchzuführen.

    Ein paar Wochen später besuchte ich Sjaak in den Niederlanden, um ihn für einen Artikel in der Zeitschrift Motorrad Abenteuer zu interviewen. Anschließend fuhren wir gemeinsam nach Köln zu der großen Motorradausstellung Intermot. Ein paar Tage später war ich wieder zuhause und fand ich eine E-Mail von Sjaak: »Kommst du mit?«

    Diese drei an sich harmlosen Worte waren für mich der Auslöser für drei äußerst hektische Monate voller Reisevorbereitungen. Sjaak wollte am 1. Januar los. Die Sylvester-Knaller der anderen sollten unser Startschuss sein. Unsere Reise sollte von Key West in Florida, dem südlichsten Punkt der kontinentalen USA, über Kalifornien und Kanada, in den Norden Alaskas führen. Und zwar hinauf zur Prudhoe Bay, zum gefrorenen Polarmeer. Wir wollten den nördlichsten Ort der kontinentalen USA besuchen, den man auf öffentlichen Straßen erreichen kann, nach Deadhorse.

    Auf der Strecke mussten wir mit Temperaturen von plus 30 bis minus 40 Grad Celsius rechnen. Diese breite Temperaturspanne würde eine große Herausforderung sein, sowohl für uns, als auch für unsere Ausrüstung und unsere Motorräder.

    Das größte Abenteuer einer Extrem-Reise

    ist die Vorbereitung auf alle Eventualitäten.

    Unterwegs braucht man dann nur noch die

    Probleme lösen, die man tatsächlich hat.

    Mein erstes Problem war: Welches Motorrad nehme ich? Meine BMW R 100 GS/PD ist altbewährt und viel erprobt. Sie ist zuverlässig und berechenbar und ich liebe sie heiß und innig. Aber sie hat Vergaser, und ich habe keine Lust bei eisiger Kälte mit klammen Fingern daran herumzufummeln.

    Rotbäckchen, die BWW F 650 GS Dakar, mit der ich in China war, hat eine Benzineinspritzung. Sie ist hart im Nehmen und hat mich nie im Stich gelassen. Außerdem hatte ich in der niederbayerischen Gespannschmiede von Alois Löw einen einfachen Lasten-Seitenwagen für das Modell gesehen. Und für die zu erwartende Menge an Gepäck wäre ein drittes Rad mit dem entsprechenden Stauraum sicher von Vorteil.

    Ein Anruf bei Alois wirkt jedoch wie ein Guss kaltes Wasser: »Der Seitenwagen ist noch nicht wirklich erprobt. Wir wissen noch nicht, was er aushält. Und wenn du damit eine Panne hast, kann es sein dass er dir ein Loch in den Motor reißt, weil wir den Seitenwagen dort befestigt haben«, erklärt Alois mir: «Für eine solche Tour, wie du sie planst, gebe ich dir keinen.« Die Absage ist ein echter Freundschaftsdienst — und hilft mir dennoch nicht weiter.

    Karl Schmid aus Mickhausen bietet mir an, einen Ural-Seitenwagen mit Hilfsrahmen an mein Rotbäckchen, also die F 650, zu schrauben. Mit dem zusätzlichen Gewicht dürfte jedoch nicht mehr allzu viel von der Leistung des Einzylinders übrig bleiben, fürchte ich und sehe Sjaak bereits mit seiner R1 wie einen jungen Hund ungeduldig um mich herumfahren, weil ich mit dem vollgepackten Gespann auch dann nicht mit ihm mithalten kann, wenn er sich streng an die amerikanischen Geschwindigkeitsbeschränkungen hält.

    An die BMW R 1200 GS kann man ziemlich unproblematisch einen leichten Seitenwagen montieren, erzählt mir der Gespannbauer Uli Jacken: »Nur zeitlich wird es knapp, wir müssten uns mit dem Umbau beeilen.« Aber woher bekomme ich eine 1200er GS? In meiner Verzweiflung rufe ich bei BMW an. Dort haben sie so viele davon, dass sie sie sogar verkaufen. Allein, ich kann sie mir nicht leisten ...

    »Eine F 800 GS könnten wir dir für die Tour geben«, bietet mir Tim Diehl-Thiele an. Der Marketing Manager findet das Alaska-Projekt so außergewöhnlich und spannend, dass er dieses Abenteuer gerne unterstützen möchte.

    Eine F 800 GS? Der Zweizylinder von BMW, der kein Boxer ist? Das Modell ist noch nicht lange auf dem Markt, daher bekomme ich in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit auf keinen Fall einen Seitenwagen für das Motorrad. Soll ich also Solo fahren?

    Einen letzten Versuch mache ich noch: Gespannbauer Theo Däschlein aus dem fränkischen Bechhofen gefällt die Idee von Alaska im Winter ebenfalls, aber er hat kein geeignetes Gespann auf dem Hof stehen, das er mir für die Reise zur Verfügung stellen könnte. Daher verabschiede ich mich gedanklich von der Idee mit den drei Rädern und befasse mich stattdessen mit den Möglichkeiten der F 800 GS: Sie ist leicht und handlich, braucht wenig Sprit und ist ein echter Feger, den zu fahren richtig Spaß macht — eigentlich gute Voraussetzungen für 16.000 gemeinsame Kilometer, nicht wahr?

    Sjaak wird wieder mit einer Yamaha R1 fahren. Deren Stummellenker, die kleinen Räder und der kurze Radstand sind sicherlich kein Empfehlungsschreiben für eine lange Tour auf hartem Eis. Aber einen entscheidenden Vorteil hat sein Fahrzeug: Die niedrige Sitzhöhe ist äußerst praktisch, wenn Schnee auf der Straße liegt. Ich kann auf der GS sitzend mit meinen kurzen Beinen lediglich wie eine Ballerina auf den Zehenspitzen tänzeln. Normalerweise ist mir das egal. Aber wenn ich rund 6.000 Kilometer über vereiste Winterstraßen schlittere und die Gefahr besteht dass ich mich im Schnee festfahre, dann wäre es schön, mich solide mit den Füßen abstützen zu können.

    Am Telefon diskutiere ich das Problem mit Sjaak, und er hat eine super Idee: Hyperpro, der niederländische Hersteller von Federbeinen, macht auch Tieferlegungen für Motorräder.

    »Mit unserem verstellbaren Federbein kannst du die Sitzhöhe, wann immer du willst, um bis zu elf Zentimeter verringern«, erfahren wir von John Troost, dem Chef bei Hyperpro. Das ist wirklich reichlich. Mir genügen bereits sechs Zentimeter für eine kraftvolle Bodenhaftung. Damit kann ich dann hoffentlich auch die Berge an Gepäck stemmen, die wir auf unserer Fahrt dabei haben werden.

    Mit dem Motorrad nach Alaska,

    das ist eine Herausforderung

    für Mensch und Maschine —

    im Winter ist es ein Abenteuer.

    Sjaak und ich müssen uns jeweils komplett neu einkleiden und ausrüsten. Nicht nur die sonst auf Reisen üblichen Sommer-T-Shirts sind bei minus 40 Grad Celsius zu dünn. Auch das Zelt, der Schlafsack und die Isomatte müssen andere Funktionen erfüllen. Eigentlich möchten wir gerne in Hütten und Herbergen übernachten. Aber ein Schneesturm kann unsere Pläne schnell über den Haufen werfen. Die Entfernungen in Kanada und Alaska sind groß. Wir können uns nicht darauf verlassen bei jedem Wetter eine Unterkunft zu finden.

    Dazu kommt, dass uns niemand sagen kann, wie sich unsere Motorräder bei extremen Minustemperaturen tatsächlich verhalten. Keiner der beiden Hersteller testet seine Maschinen bei minus 40 Grad Celsius. Deshalb möchten wir so ausgerüstet sein, dass wir auch bei technischen Problemen eine Chance haben, in eisiger Kälte zu überleben. In diesem Zusammenhang kommt mir meine Berufserfahrung in der Outdoor-Branche sehr gelegen. Bei unserer Sicherheit möchte ich keine Risiken eingehen. Unser Not-Biwak muss funktionieren. Alaska soll nicht unser letztes Reiseziel sein.

    Eine Voraussetzung dafür ist ein stabiles, windfestes und schneesicheres Zelt. Der Zelthersteller Hilleberg sitzt in Schweden und kennt sich mit den extremen Wetterbedingungen im hohen Norden gut aus. René Guba von Hilleberg rät uns zu einem Tunnelzelt, weil es mehr Platz bietet als ein Iglu. Ein Tunnelzelt aufzubauen ist jedoch etwas aufwändiger, weil es nur steht, wenn es mit Schnüren abgespannt ist. Im Gegensatz dazu kann ein Kuppelzelt auch ohne Heringe und Abspannleinen stehen. Deshalb wählen wir das Staika als transportables Iglu. Damit haben wir ein leichtes Zelt, das uns im Notfall in kürzester Zeit einen vernünftigen Wetterschutz bietet. Falls es uns zu eng werden sollte, lasse ich die Alukoffer mit dem Gepäck gerne als Spielzeug für die Eisbären draußen stehen.

    Nun brauchen wir noch Betten. Ein Lager aus Heu oder Stroh, mit kuschligen Schaffellen, ist selbstverständlich sehr romantisch. Es würde uns aber große Transportprobleme bereiten. Bisher haben mich auf allen meinen Reisen Isomatten von Therm-A-Rest begleitet. Und auf dem Schnee punktet diese sich selbst aufblasende Unterlage zusätzlich mit einer guten Isolierung. Damit uns unterwegs nicht die Luft ausgeht, wähle ich das Modell mit der Tough Skin, sie schützt die Matte laut Herstellerangaben auch vor scharfen Eiskristallen.

    Aber welcher Schlafsack eignet sich sowohl für sommerlich warmen Nächten als auch bitterkalte Notbiwaks? Aus Zwei mach Drei lautet die Lösung des österreichischen Schlafsackherstellers Carinthia: Ein leichter Kunstfaserschlafsack für den sonnigen Süden, ein kuscheliger Daunenschlafsack für frostige Nächte, und wenn man beide ineinander steckt, halten sie zusammen bis minus 40 Grad Celsius warm. Diese Lösung gefällt mir. Außerdem kenne ich die Schlafsäcke aus Österreich und weiß, dass ich mich auf ihre Qualität verlassen kann.

    In meinem Haushalt befinden sich außerdem mehrere Edelstahl-Thermoskannen. Eine davon habe ich 1990 auf meiner ersten Reise in den USA gekauft und werde sie nun wieder dorthin mitnehmen. Die Küche mit Benzinkocher und Topf steuert Sjaak aus seinem Fundus zur Camping-Ausrüstung bei. Damit können wir Schnee schmelzen und Müsli kochen.

    »Ich kann gar nicht mit ansehen, wenn Du immer frierst«, sagt mein Kletterpartner Mani oft und fragt mich, warum ich meine Reisen nicht in den Winter verlege, um in der kalten Zeit in warme Gegenden zu fahren. Im November 2008 war es endlich soweit. Freudestrahlend verkündete ich ihm:

    »Ich mache diesen Winter eine Motorrad-Tour!«

    »Super! Wo soll es denn hingehen?« »Nach Alaska …«

    Das Zwiebelprinzip ist bei Winterfahrern sehr beliebt. Mehrere Schichten an Kleidung ermöglichen eine individuelle Regulierung der Temperatur. Dazu müssen die einzelnen Textillagen jedoch aufeinander abgestimmt sein, nicht nur das Material, sondern auch die Größe. Drei dicke Lagen unter einem normal passenden Motorradanzug bedeuten, dass die einzelnen Schichten der Isolierung zusammengepresst und damit unwirksam werden. Unter Umständen schnürt es einem sogar an Hüfte, Kniekehlen und Ellenbogen das Blut ab und man friert alleine aus diesem Grund. Auf alle Fälle aber ist man steif und unbeweglich und fühlt sich nicht mehr wohl.

    Also fahre ich mit einem Koffer voller Klamotten zum Unterziehen nach München, um in der BMW Niederlassung den Streetguard Motorrad-Anzug in der richtigen Größe zu finden. In der Umkleide des beheizten Verkaufsraums schlüpfe ich zunächst in die Ortofox Thermo-Unterwäsche, ziehe dann die beheizbare Leggin vom italienischen Hersteller Klan darüber, garniere das Ganze mit einer weiteren Schicht Wolle und teste anschließend verschiedene Motorrad-Hosen. Meine Bewegungen werden immer langsamer. Bei Größe 42 wage ich völlig durchgeschwitzt einen Sitzversuch auf einem dafür bereitstehenden Motorrad. Nichts zwickt, nichts drückt — abgesehen von der Hitze.

    Ich reiße mir die Kleider vom Leib, ziehe wieder meine normale Jeans an und wiederhole die ganze Prozedur mit der Jacke. Zuletzt probiere ich den Kragen mit den entsprechenden Halswärmern und der Sturmhaube zu schließen. Der abnehmbare Kragen des Streetguard kommt mir dabei sehr entgegen. Er legt sich komfortabel um meinen Hals. Dass ich kaum noch Luft bekomme, liegt ausschließlich an der Hitze. Aber das Ergebnis lohnt die Mühe: Alles passt.

    Tatsächlich ist mir der Anzug natürlich ganze vier Nummern zu groß und ich probiere ihn vorsichtshalber auch noch ohne isolierende Unterschicht an. In der engsten Einstellung hält sich die Hose gerade noch an meinen Hüften fest. Das reicht. Ich will schließlich nicht Miss Florida werden, sondern eine ziemlich extreme Motorrad-Tour machen.

    Carinthia hat neben Schlafsäcken auch winddichte Jacken und Hosen mit G-Loft Füllung im Sortiment. Sie haben ein kleines Packmaß, sind winddicht, extrem leicht und sehr bequem. Außerdem passen sie über den Motorradanzug und kommen deshalb mit ins Gepäck. Aber die Erfahrung zeigt, dass es sehr schwer ist, einen Zweiteiler tatsächlich völlig winddicht zu bekommen. Zwischen Hose und Jacke besteht eine Kältebrücke, die bei echten Minustemperaturen spürbar wird. Daher nehme ich noch einen Regencombi von Held mit. Natürlich in der XXL-Version, damit ich ihn einfach, bequem und schnell über allen anderen Schichten anziehen kann.

    Nun bleiben noch die Extremitäten: Natürlich sollte man beim Motorradfahren einen kühlen Kopf bewahren. Aber wenn das Visier einfriert, hilft das auch nicht weiter. Arai hat nicht nur gut sitzende Helme, sondern auch beheizte Visiere – ohne längs oder quer laufende Drähte. Sie kommen normalerweise im Formel 1 Sport zum Einsatz, etwa in Malaysia, wo die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist. Wir wissen nicht, wie sie die Kälte verkraften. Also bitte ich Horst, einem Freund von Freunden, zwei Visiere mit Drahtheizung bauen. Die Technik hat sich bei meinen Gespann fahrenden Freunden in vielen Wintern bewährt, also vertraue ich darauf.

    Die größten Sorgen mache ich mir allerdings um meine Finger. Zum einen, weil ich extrem verfroren bin, und zum anderen, weil ich sie ganz dringend brauche. Zum Gas geben und Kuppeln, aber vor allem natürlich zum Bremsen. Während meiner Taiga Tour hatte ich in Japan von BMW Winterhandschuhe bekommen. Sie haben mich damals gut durch das herbstliche Russland gebracht. Inzwischen sind sie jedoch ein bisschen in die Jahre gekommen. In der Hoffnung, dass die Qualität gleich gut geblieben ist, besorge ich mir von BMW ein neues Paar.

    Klan bietet neben beheizten Jacken und Hosen auch beheizte Handschuhe an. Diese können sowohl an die Batterie des Motorrades angeschlossen werden, als auch an einen separaten Akku, der wiederum über das Bordnetz des Bikes aufgeladen werden kann. Das heißt, ich kann meine Finger in den Handschuhen auch dann aufwärmen, wenn ich nicht auf dem Motorrad sitze.

    Unabhängig davon sind für mich auf einer Fahrt im Winter Stulpen am Motorradlenker unverzichtbar, weil die besten Handschuhe nichts bringen, wenn der Fahrtwind die Wärme einfach fortweht. Touratech hat inzwischen ein schnell zu montierendes und komfortabel zu benutzendes Modell im Angebot. Vergessen sind die stundenlangen Fummeleien mit irgendwelchen Billigheimern, die damals am Uralgespann meines Vaters montiert waren.

    Aber da ist noch das berühmte Problem der kalten Füße. Warme Socken gehören bei mir auf jeder Reise zur Standardausrüstung. In diesem Fall wird das jedoch nicht reichen. Also kommen zwei Paar dicke Wollsocken ins Gepäck, das eine Paar eine halbe Nummer größer als das andere. So kann ich sie bequem übereinander ziehen. Außerdem hat Klan an uns Kaltfüßler gedacht und auch beheizbare Socken im Programm.

    Aber ich will auf Nummer sicher gehen: Von Therm-ic gibt es beheizte Sohlen, deren Heizleistung man mit einer Fernbedienung während der Fahrt fein dosiert regeln kann. Vor allem aber kann man sie einschalten, wenn man anhält und auf kaltem Boden läuft. Damit hat man den angenehmen Effekt einer Fußbodenheizung.

    Zu guter Letzt brauche ich noch Schuhe. Ich wähle die Glacier Stiefel vom legendären kanadischen Hersteller Sorel — selbstverständlich so groß, dass alle Socken und die Heizsohle mitsamt den Füßen locker hineinpassen. Das erfordert wiederum einige Proberunden. Weil kein Laden in meiner weiteren Umgebung die Glacier Stiefel auf Lager hat, müssen die Schuhe ein paar Mal hin und her geschickt werden, bis ich die passenden habe. Mit dem Fahrer des entsprechenden Paketdienstes bin ich inzwischen per Du.

    Sjaak kümmert sich in den Niederlanden um seine Kleidung. Die Firma Lookwell sponsert ihn bereits seit vielen Jahren und fertigt dieses Mal sogar einen Overall speziell für diese Reise: Ein Nachfolger des legendären Thermoboy, in leuchtendem Orange. Mein Freund Rainer hat noch das Original zu Hause, in einem durch die Jahre und den Gebrauch etwas gedeckteren Orange-Ton. Aber Sjaak bietet an, dass ich das zweite Exemplar bekomme, das Lookwell gefertigt hat. Natürlich ist es mir viel zu groß. Dank einiger Klettverschlüsse lässt sich der Overall jedoch an Armen und Beinen gut an die jeweilige Größe des Trägers anpassen. Sjaaks Schwester Gardie, die ein gutes Stück kleiner ist als ich, trägt den Anzug für mich Probe und meint, es ginge. Also lasse ich das etwas angegraute Exemplar von Rainer zu Hause.

    Über die Tücken der Technik

    Aber nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Motorräder müssen für den Winter ausgerüstet werden. Sjaak lässt sich eine Alubox für sein Motorrad bauen, um das Gepäck zu verstauen. Außerdem wird das Rahmenheck der R1 von van der Wouden Techniek verstärkt. An meiner F 800 GS sind bereits Alu-Koffer von BMW montiert. Derart ausgerüstet, gehen wir bei der Firma Touratech shoppen.

    Die R1 von Sjaak bekommt zwei Zega-Alukoffer und Lenkerstulpen. Außerdem nehmen wir je ein RAM Mountsystem für die Helmkamera und den Fotoapparat sowie eine Xenon-Lampe mit. Die Tage sind im Winter kurz und im Norden noch etwas kürzer. Mit dem Xenon-Scheinwerfer können wir die Straße gut ausleuchten und gleichzeitig Strom sparen, der uns dann gegebenenfalls für die beheizte Kleidung zur Verfügung steht.

    Meine F 800 GS bekommt dieselbe Ausstattung wie die Maschinen, die bei der 1. Internationalen GS-Trophy  in Tunesien gefahren wurden. Darüber hinaus erhält sie die Tanktaschen der F 650 GS. Darauf lässt sich glücklicherweise auch der kleine Touratech Foto-Tankrucksack befestigen, ohne den mein Leben fast nicht mehr vorstellbar ist. Außerdem montiere ich die große Windschutzscheibe mit Verlängerung. Zusammen mit den Tanktaschen wird sie mir einen optimalen Windschutz geben.

    Nachdem wir bereits in Sachen beheizte Kleidung bei Touratech die Produkte der italienischen Firma Klan gefunden haben, gibt es dort auch für unsere Reifen genau das Richtige, ebenfalls aus dem sonnigen Süden: Die italienische Firma Best Grip stellt selbstbohrende Spikes her, die nach Bedarf in den Pneu geschraubt werden können. Der große Vorteil für uns: Wir müssen die Spikes erst dann montieren, wenn wir sie wirklich benötigen. Und wir können sie sogar wieder entfernen, falls wir danach noch einmal für längere Zeit auf Teerstraßen unterwegs sein sollten. Das schont sowohl die Spikes, die sich sonst allzu schnell rund fahren, als auch unsere Nerven, weil es keinen Spaß macht mit den Nägeln über den Asphalt zu hoppeln. Und für die nächste Eispassage können wir dieselben Spikes wieder in den Pneu schrauben.

    Der Reifengummi muss allerdings dick genug sein, um den Spikes entsprechenden Halt zu geben. Daher nehme ich mir für das Hinterrad einen Metzeler Karoo und für das Vorderrad einen Pirelli MT21F

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