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Aus Träumen wurden Meilen: Rund Ostsee mit der Charteryacht
Aus Träumen wurden Meilen: Rund Ostsee mit der Charteryacht
Aus Träumen wurden Meilen: Rund Ostsee mit der Charteryacht
eBook372 Seiten4 Stunden

Aus Träumen wurden Meilen: Rund Ostsee mit der Charteryacht

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Über dieses E-Book

Rund Ostsee mit dem Segelboot - lange hat der Autor davon geträumt.
Als er 63 Jahre alt war, wurde der Traum zum Plan, im Frühjahr 2013 zur Realität.
Mit insgesamt 26 Freunden in zwölf Mannschaften segelte er mit der Charteryacht TI AMO vom Typ BAVARIA 36 ab Rügen nach Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Norwegen.
Die Seeleute sahen die alten Städte und die langen Sandstrände des Baltikums, den Glanz von St. Petersburg, Helsinki und Oslo, finnische Wälder, tausende Schären, passierten enge Fahrwasser, versanken im Nebel, waren wilden Winden ausgesetzt und tauchten tief den Oslofjord ein.
Sehr junge und sehr erwachsene Menschen teilten sich das Boot, erfahrene Segler und Neulinge wurden zu Crews.
Stille Buchten und laute Häfen, glatte See und hohe Wellen, Flaute und Sturm bildeten unvergessliche Kontraste.
Als TI AMO nach 4859 Seemeilen wieder in Breege festmachte, lagen vier Monate intensivsten Erlebens hinter Yacht und Skipper.
Mit einem Augenzwinkern erzählt der Autor von der Reise, von den Freuden, dem Staunen und den Problemchen.
Seine Botschaften heißen:
Lebe Deine Träume - auch wenn sie nicht von Meilen handeln.
Deine Träume werden leben, Du musst es nur wollen.

Das Besondere am Buch und an der Reise:

Viele Segler haben die Ostsee auf unterschiedlichen Routen durchfahren. Dazu gibt es einiges an Literatur.

Dieses Buch und diese Reise heben sich davon ab,

- weil zu diesem Thema erstmals ein Autor aus einem neuen Bundesland schreibt;
- weil der Rundum-Törn mit einer Charteryacht absolviert wurde;
- weil noch nicht von einer großen Ostseerunde mit zwölf Mannschaften und 27 Teilnehmern berichtet wurde;
- weil die Reise mit 4859 Seemeilen entlang der gesamten Ostseeküste in alle Anliegerländer bis hin nach Oslo geführt hat.
Häfen und Ankerplätze werden beschrieben, eine Übersicht mit Seitenverweisen erleichtert das Auffinden, im umfänglichen Glossar werden Fachbegriffe erläutert.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Jan. 2015
ISBN9783738668483
Aus Träumen wurden Meilen: Rund Ostsee mit der Charteryacht
Autor

Bernd O. Wagner

Bernd O. Wagner; geboren 1949; Abitur in Erfurt, Studium an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt (jetzt Technische Universität Chemnitz); Abschluss als Diplomingenieur für EDV; ab Ende 2014 im (Un-)Ruhestand; seit 1995 Hobbysegler; 32.000 Seemeilen im Kielwasser; Yachtmaster Offshore of Royal Yacht Association; Autor von heimatkundlichen und historischen Beiträgen, insbesondere zur Barockzeit in Sachsen; Verfasser von Laientheaterstücken, Sketchen und Szenen mit dem Schwerpunkt "Barockes Leben zur Zeit August' des Starken"; verheiratet, lebt im sächsischen Kössern, einem Ortsteil der Großen Kreisstadt Grimma; Buchreihe "MeilenTräume" "Aus Träumen wurden Meilen" - Dezember 2014 "Kabbelsee" - November 2015

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    Buchvorschau

    Aus Träumen wurden Meilen - Bernd O. Wagner

    2014

    Ein Traum wird wach

    Der große Traum drohte zum gewaltigen Alptraum zu mutieren. Im April hatten sich Petra und ich in das Objekt der Begierde verliebt und es in einem gewagten Schnellschuss erworben.

    Die Substanz war hervorragend, nur hatten die Vorbesitzer es jahrelang weder sonderlich gepflegt noch irgendetwas investiert. Die Ausstattung stammte aus den 70er und 80er Jahren, es müffelte durchdringend, war dunkel und ganz und gar nicht mehr auf der Höhe der Zeit, was die Technik anbelangte. Wenn wir für den Rest unserer Tage etwas davon haben und nicht ständig daran herumreparieren wollten, musste eine umfassende Sanierung her.

    Also haben wir das Ganze vollständig entkernt, bis nur noch die nackte Hülle stand und dann wurde Stück für Stück erneuert, saniert, auf einen ordentlichen technischen Standard gebracht. Vieles haben wir mit unseren Händen vollbracht, nur die handwerklich aufwändigen oder sicherheitsrelevanten Arbeiten vergaben wir an Fachleute und so manches Mal flog uns das Budget um die Ohren. Versicherungen wurden aufgelöst, Wertpapiere verkauft und alle Hoffnungen darauf gesetzt, dass unsere Kunden ihre offenen Rechnungen bezahlen.

    Oft standen wir am Rande der Verzweiflung und scheuten den nächsten Schritt. Aber es war unser Traum und nun musste es werden - das eigene Heim.

    Im Plan stand als Nächstes: „Ölwanne mauern und streichen."

    Das war im Juli 1995, wir hatten vor zwei Monaten im sächsischen Kössern ein altes Haus gekauft und bemühten uns, mit kleinem Geld und großen Wünschen etwas Bewohnbares daraus zu machen.

    Im Trubel zwischen Bohrhämmern, Betonmischern, Bodendielen und Behelfsbetten war uns eine Kleinigkeit entfallen:

    Stefan „der Schreckliche hatte die „Landeier, wie er uns mit der typischen Selbstüberhöhung des Hauptstadtbewohners nannte, zu einem Wochentörn Breege - Bornholm - Breege eingeladen. Seinen Kampfnamen bekam er erst später von mir verpasst, als er seemännische Fehlleistungen mit „Kielholen, „An-den-Mast-Nageln und ähnlichen archaischen Sanktionen bedrohte.

    Als wir im Herbst des Vorjahres zusagten, war „Kössern unserem Vokabular genauso fremd wie „Großbaumniederholer - wir hatten von beidem keine Ahnung, wir wussten nicht einmal von deren Existenz.

    Verzagt wollten wir den Kurzurlaub absagen, aber unsere Freunde meinten lapidar, dass wir beim Bau der Ölwanne nur stören würden, wir mögen uns verziehen und ihnen vertrauen. Unsererseits ein bisschen gespielte Abwehr, sodann zügige Zustimmung, die Tasche gepackt und flink dieselte der Peugeot 309 gen Rügen.

    Ein langer Steg, daran dümpelte die RUGIA, eine 41er Bavaria, auf der wir uns schließlich zu zehnt tummelten. Wir glaubten, diese Überfüllung sei die Norm und die Enge wäre gewollt.

    Der Frühstart in der Morgendämmerung sollte uns eigentlich nichts angehen: „Ihr könnt ausschlafen, steht eh’ nur im Weg rum". Skippers Ansage erschien uns logisch. Pünktlich zum Start der Maschine, die direkt neben unserer Heckkabine zu nageln begann, bekam ich meine erste maritime Beule. Beim instinktiven Auffahren und Anschlagen des Hauptes an die niedrige Decke unter der Backbordseite der Plicht.

    Dann sah ich zum ersten Mal die Fahrrinne des Jasmunder Boddens, die Wittower Fähre im erwachenden Morgen, später den Leuchtturm auf dem Dornbusch im ersten Sonnenstrahl. Der versprochene Wind blieb aus, also Motoren bis Rønne, in den folgenden Tagen eine Fahrradtour durch einen Dornenwald nach Hammershus, zurück nach Rügen und Ankern vor der Westküste von Hiddensee. Viel mehr blieb mir nicht in Erinnerung von meinem Jungferntörn - außer einem seltsamen, undefinierbaren Gefühl: „Da geht noch was - das war’s noch nicht - das schreit nach Wiederholung. Nochmal. Anders. Schöner. Was weiß ich…!"

    Dazu kam noch das geheimnisvolle Vokabular: Fieren, Dichtholen, Durchsetzen, Abfallen, Anluven, Klarieren. Für Fremdsprachen hatte ich schon immer viel übrig.

    Und ein déjà-vu: Im Jahre 1967 war ich mit meinem Freund Thomas, genannt „Halifax", mit dem Fahrrad nach Hiddensee gefahren.

    Im Hafen von Kloster legte ein schöner Holzsegler an, etwa 10 Meter lang. Darauf zwei uralte Männer, so um die fünfzig (wir waren damals zarte 17 Jahre alt), in blaue Hosen, dicke weiße Wollpullover und ebensolche Pudelmützen gehüllt. Der eine hatte eine Tabakspfeife im Munde und nuschelte: „Chef, hier passt die HAVING grad mal so rin."

    HAVING, so hieß das Segelschiff. Da kriegte ich so etwas wie Fernweh. Und als wir dann frühmorgens auf dem Dornbusch hockten und in der Ferne Møns Klint in der aufgehenden Sonne zu leuchten begann, wurde wahrscheinlich die stille Saat gelegt, die 30 Jahre später aufging.

    Hätte ich mich sonst dieser Kleinigkeit erinnert, nach einem halben Menschenleben, das nicht ganz ereignislos verlaufen war??

    Zwar war für uns nach dem RUGIA-Törn die Welt der Fallen und Schoten, der Kollisionsverhütungsregeln und Seemannschaft, der Tonnen und Feuer noch eine Terra incognita, aber Wellen und Winde hatten uns tief im Gemüt gepackt. Karten, Kurse und Peilungen waren mir als EDV-Mensch ganz schnell vertraut, denn was ist Kartenarbeit anderes als praktische Geometrie und Mathematik. Deshalb wurde aus dem Landei schon beim ersten Törn „El Navigatore", sprachlich genauso inkorrekt wie stark die Ehre kitzelnd.

    Von Beschickungen und ähnlichem Teufelszeug hatte ich noch nichts gehört und auf der spiegelglatten Ostsee war es auch keine Kunst, die Inseln Bornholm, Hiddensee und Rügen zu finden.

    Kurzum, es hatte uns gepackt.

    Und wie: Im nächsten Winter, nämlich im Februar 1996, nahmen wir, erneut unter dem bewährten Kommando Stefan des Schrecklichen, einfach mal 1500km unter die Reifen. Wir fuhren in knapp 20 Stunden für einen 60-Meilen-Törn nach Port Grimaud, denn die inzwischen selig entschlafene Charterfirma Hetzel hatte zu einem „Admiral’s Cup" eingeladen.

    Wir landeten auf einem wohlverdienten 4. Platz - die Gesamtzahl der Teilnehmer habe ich vergessen, viel mehr werden es nicht gewesen sein. Dass es hundekalt war, weiß ich noch immer genau.

    Um dem Ganzen noch mehr Sinn zu verleihen, fuhren wir anschließend nach Nizza. Wir fanden die leicht bekleideten Mädchen auf den Karnevalswagen sehr, sehr attraktiv, aber bemitleidenswert, es waren wohl erfrischende 10°C. Dann bemitleideten wir uns selbst ein wenig, denn zurück in die winterliche Heimat mussten wir ja auch wieder…

    Zu groß war die Differenz zwischen den vom „Schrecklichen versprochenen „Frühling an der Côte im Februar und der kalten Realität. Jedenfalls nahmen die meisten der zu diesem Törn eingeladenen „Frischlinge" anschließend Abstand von einer weiteren Beschäftigung mit dem Segelsport. Wir nicht. Dieser Feinfrost-Törn machte Lust auf noch mehr. Und so kam Meile zu Meile.

    Die Côte d’Azur verzauberte uns mit ihrer Natur, viel stärker als mit ihrem vorgeblichen Glamour; Kroatien zeigte uns, was eine (Bora-) Harke ist; in der Ägäis drosch uns der Meltemi in die Caldera von Santorin. Dort ertönten dann laute Schreie der Verzückung angesichts der Übermacht von gewaltigem Stein, weiß-blauen Häusern und blauschwarzen Wassermassen im erloschenen Vulkankrater.

    Zwischen den „exotischen" Reisen zog es mich immer wieder auf die Ostsee - irgendwie hatte sich dieses Revier in mein Herz geschlichen mit seinen Kabbelwellen, den stillen Buchten und den Farben: grün, gelb, blau, weiß und überhaupt.

    Stets fuhr ich als Crewmitglied, navigierte brav und zunehmend sicherer durch Fahrwasser und Ansteuerungen, ließ Skipper und lieben Gott (das ist doch fast dasselbe - oder?) brave Leute sein und genoss Ruhe, Frieden, Freiheit. Es kamen auf diese Weise fast 2.500 sm zusammen.

    Stress hatte ich mit unseren Kunden und ihren Computern genügend, und das Leben am Windows-Laufbalken ging mir manchmal heftig auf die Ketten.

    Petra, mein liebes Weib und göttliche Smutin, mischte gelegentlich in meine Tagträume den ihren. In einer Crew segeln, das sei gut und schön, aber eine oder zwei Wochen immer nur als Gast auf der Yacht, das könne nicht die Erfüllung sein. Auch fehle oft die Kompatibilität zwischen den Teilnehmern, besonders was die Neigung zu Häfen, Einkaufsmeilen und Restaurants betreffe und überhaupt: könnte man nicht auch mal zu zweit segeln und nur das tun, wann man selbst will?

    Faszinierender Gedanke, aber davor hat das Gesetz den Deutschen Seglerverband und seine Scheine gestellt.

    Ich hatte mich 1968 für ein EDV-Studium entschieden, weil mir der Berufsberater gesagt hatte: „Das ist ein Fach für Kluge und Faule. Wenn Du Dich einmal richtig damit beschäftigt hast, dann musst Du eigentlich nicht mehr viel dazulernen. Die Prinzipien sind immer die gleichen." Der Mann hatte so etwas von Recht.

    Im Jahre 1991 hatte ich letztmalig und ziemlich sinnlos in einem Schulungsraum auf der falschen Seite gesessen. Nämlich auf der Hörerbank. Das sollte das letzte Mal im Leben sein - so lautete mein schrecklicher Schwur. Denn da gaben sich relativ unbedarfte „Dozenten einer aus dem Boden gestampften Weiterbildungsagentur redliche Mühe, aus uns arbeitslosen „Wenderückständen sogenannte DTP-Redakteure zu schmieden. Jawohl: Desktop Publishing. Dümmer sind wir dabei nicht geworden, aber das Zeit-Effekt-Verhältnis war schon grenzwertig. Es handelte sich um eine Arbeitsamtsmaßnahme.

    Ich brach meinen Schwur. Im urgemütlichen Keller eines Leipziger Hochhauses nahm ich die Segnungen der Yachtschule Bürkner auf mich und Wochen später die Sportbootführerscheine Binnen und See entgegen. Die praktische Prüfung fand bei Merseburg auf der Saale statt. Das war im April 2002. Ein Examensmensch bin ich nicht so sehr: beim heimischen Üben konnte ich den Palstek hinter dem Rücken produzieren, vor dem Prüfer ging das Knüpfen prächtigst in die Hose. Zur Strafe verlangte er den Roringstek, den Stopperstek und noch irgend etwas. Es klappte seltsamerweise. Wahrscheinlich war ich bei diesen Knoten nicht übertrainiert.

    Im Herbst, nach der großen Flut, erprobten Petra und ich unsere Zweier-Bord-Verträglichkeit mittels einer Compaq 19 auf der Müritz - eine richtige Yacht, die DIONE! Ich als Skipper! Wahnsinn! Und keiner von uns beiden ertrunken, nicht mal eine Schramme kratzten wir in dieses 1:2-Modell eines richtigen Schiffes!

    Zwei Jahre und weitere 1.300 sm später gönnte ich mir den Sportküstenschifferschein bei der Yachtschule MOLA, ein neues Hüftgelenk und in der Zwangspause das Seefunkzeugnis bei der Yachtschule Schneider in Dresden.

    Diese beiden Firmen werden später noch eine Rolle spielen.

    Während des SKS-Praxistörns lernte ich von Segellehrer Götz, dass man sich bei genauem Studium und präziser Interpretation der Seekarte auch in flachen Gewässern außerhalb der Fahrwasser bewegen kann. In diesem Zusammenhang kam es im Achterwasser zur Lektion: „wie hole ich eine Yacht wieder von einer Sandbank". Die Lösung erfolgte mittels Schwenk des Großbaumes und des Kriechens der Crew auf selbigen. Zu diesem Thema gab es dann von Skipper Götz keine weitere Äußerung. Also doch lieber im Fahrwasser bleiben.

    Petra und ich trieben uns dann als seefahrendes Ehepaar auf den Meeren herum, bereicherten die Revierkenntnisse bei den Kanarischen Inseln und blieben den alten Bekannten im Mittelmeer treu.

    Die Côte d’Azur besuchten wir jeden Herbst, wahrscheinlich hatte uns beim ersten Törn mit der „MOUNA", einer nagelneuen Feeling 32, das Kennenlernen von Ruhe, strahlenden Farben und stillen Buchten in harmonischem Einklang rettungslos infiziert.

    Petra, die sich den Bordnamen „BOSSi (Best Of Sailing Smuties - liebevoll: „BOSSi) redlich erwarb, betrieb das Ganze nicht so exzessiv, ließ mich aber immer ziehen und nahm mich freudig zurück. Ich war nach einer Segelzeit immer friedlich, entspannt und sogar für Haus- und Gartenarbeiten geeignet.

    Ein bisschen hänge ich an Zahlen, pflege meine Dateien mit Törns, Häfen und Meilen sorgfältig, und auch die erreichten Ziele und Koordinaten werden in Grafiken und Tabellen verewigt.

    So war der Stand im Jahre 2012:

    Aber meine große Liebe heißt nun einmal: „Ostsee"…

    Wie das so mit den großen Lieben ist: man möchte sie ganz kennen lernen, und sei es nur, um von ihnen gründlich enttäuscht zu werden. Es locken noch östlichere Punkte: St. Petersburg - und nördlichere: Törehamn. Man müsste es einfach mal tun.

    Das keimte so vor 10 Jahren das erste Mal auf - als winziger Gedanke - und setzte sich ganz oben links in der Großhirnrinde fest. Es könnte eine Dissertation zum Dr. med. werden: Das Hirn-Areal für unerfüllte Wünsche. Dort liegen sie, die Lokführer-, Förster-, Kosmonautenberufsträume, die von der lebenslangen Liebe, vom Sessel in der Chefetage, vom Lottogewinn und von der Miss World, die zart anfragt, wie das Frühstücksei gewünscht wird.

    Aus diesem längst verrottet geglaubten Lebenskompost kommt aber irgendetwas immer wieder hoch, keimt, schlingt sich in die Windungen. Wochen, Monate, Jahre unbemerkt, um dann, zu gegebenem Anlass, mit Wucht wiederzukehren. Bei mir waren die Anlässe ganz simpel: die Ostsee einfach sehen, riechen, fühlen. Das passierte zweimal, dreimal, viermal im Jahr. Also musste die Sehnsucht zwangsläufig wach werden. Sie reifte langsam, unmerklich.

    Aber ich schämte mich ihrer, zumal an die Umsetzung nicht zu denken war. Jeder Grund, es nicht in Angriff zu nehmen, wurde dankbar begrüßt: keine Zeit, keine Mitsegler, kein Geld, zu wenig Erfahrung. Und überhaupt. Es war ein Traum. Der aber ließ keine Ruhe, drängte ins Freie, musste heraus.

    Im Februar 2012 saß ich im Bugkorb, meinem Lieblingsplatz auf jeder Yacht, diesmal war es die „MONA LISA". Den Delfinen und den Schaumkronen schaute ich bei ihren flinken Wendungen zu und genoss die gewaltige, bewegte, rauschende Ruhe der kanarischen See.

    Da kam es plötzlich über mich, ich stiefelte die 46 Fuß nach hinten und verkündete der überraschten Crew: „So, damit Ihrs wisst, nächstes Jahr fahre ich Rund Ostsee", drehte auf dem Seestiefelabsatz um und knackte mich wieder in meine Aussichtsplattform.

    Und siehe da, schon interessierte sich die erste Seefrau dafür, dabei zu sein. Geht doch!

    Dass sie dann doch nicht mitgekommen ist, ist eine andere Sache.

    Ich war 62 Jahre alt und irgendwann müssen aus Träumen Pläne werden - sind Pläne doch nichts anderes als Träume mit Termin.

    Der Plan entsteht

    Nun hatte ich den Salat. „Gepupst ist gepupst sprach BOSSi zu mir. Journalistinnenweisheit. „Du hast es verkündet, nun mache es auch, das bist Du Dir schuldig und mir auch, ich baue inzwischen ein bisschen am Haus herum, da störst Du eh’ nur. Sie hat Recht, ich mag keine Bautätigkeit und wenn fremde Leute Staub machen, Löcher bohren oder mich gar fragen, ob mir eine Wandfarbe gefällt, wird mir unbehaglich. Sie nennt es „schwere Handwerkerallergie".

    So blieb mir nichts anderes übrig, als das Vorhaben in die Welt zu posaunen. Erstens habe ich mich auf diese Weise selbst festgenagelt, zweitens braucht man Mitsegler und drittens müssen doch ein paar Leute wissen, dass man eine gewisse Zeit nicht vorhanden ist.

    Im Jagdhausverein, der ein barockes Pöppelmann-Schlösschen in unserem Dorfe erhält und belebt, bin ich als Vorsitzender hoffentlich nicht ganz entbehrlich. Hier finden im Jahr zwei Dutzend Veranstaltungen statt und gelegentlich ziehe ich als barocker Kammerdiener Benno von Muldenknick durchs Gemäuer und versprühe Weisheiten zur Baugeschichte und zum Leben in der sächsischen Glanzzeit während der Herrschaft August’ des Starken. BOSSi begleitet mich dabei als Aurelia von Caterstein und wir haben oft mehr Spaß als die Zuschauer.

    Noch manch andere Verpflichtung will auch erfüllt sein oder verlegt werden, weil ich z. B. ein Geringes in der Kommunalpolitik mitmische.

    Die Computerkunden werden schon ohne mich auskommen, es gibt ausreichend Kompetenz auf diesem Markt und als Dozent arbeite ich schon seit Jahren nicht mehr - seit ich das Gefühl bekam, dass ich nicht viel mehr weiß als meine Zuhörer. Die sollten das nicht merken und so habe ich mich davongestohlen, als das obligatorische Feedback noch makellos war.

    Also, die Große Ostseerunde will vorbereitet sein. Was habe ich mir da eigentlich so richtig vorgenommen? Erst einmal in Google Maps eine grobe Linie gezogen. Donnerwetter: viereinhalbtausend Meilen, wenn wir das volle Programm fahren und allen Küsten einschließlich des Oslofjords die Ehre unseres Besuches zukommen lassen wollen. Zwar sehen Wissenschaftler, Puristen und Alles-Besser-Wisser die Ostsee viel kleiner, Bottnischer und Finnischer Meerbusen gehören wohl nicht dazu, auch nicht Belte, Sund und Kattegat, vom östlichen Skagerrak ganz zu schweigen. Lasst sie philosophieren, wir ziehen die große Karte, darunter tun wir es nicht!

    Zwei zeitliche Eckpunkte begrenzten den Spielraum: am 17. April ein 90. Geburtstag und am 8. September der Tag des Offenen Denkmals, zu dem Benno von Muldenknick im Barockgewande die Gäste zu begrüßen und zu führen hat.

    Bleiben netto 19 Wochen bzw. 133 Tage für 4.500 sm. Macht im Tagesschnitt rund 35 sm. Das ist aber eine Rechnung für die Milchmädchen des Hammurapi, die mein Mathelehrer, der schöne Herr Seidemann, an der Erweiterten Lessing-Oberschule zu Erfurt immer dann augenverdrehend anrief, wenn wir armen Schülerkreaturen Schwierigkeiten mit den Integralen zeigten.

    Es könnte durchaus mal schlechtes Wetter sein, auch mag dieser und jener Hafen ein paar Attraktionen bieten und warum fahre ich eigentlich Rund Ostsee, wenn ich keine Zeit für Landgänge habe?

    Ja, warum eigentlich? Weil es ein Traum ist, bitte schön! Und den lasse ich mir doch nicht von irgendwelchen Milchmädchen kaputt dividieren.

    Wer sich Stockholm ansehen möchte, der kann gern eine Pauschalreise buchen, bei Skipper Bernd wird gesegelt.

    Basta! Fühlte mich wie Kanzler Schröder in der Meistersingerhalle im Jahre 2003.

    Noch schnell ein Kürzel für das Abenteuer finden: ATB 2013 - Around The Baltics.

    Nun galt es, Menschenkinder zu überzeugen, sich auf ein solches Vorhaben einzulassen.

    Ganz, ganz früher träumte ich mal vom Einhand-Rund-Herum. Damals kannte ich mich noch nicht. Heute weiß ich: Es widerspricht meiner Natur. Bin mehr so ein soziales Wesen. BOSSi sprach außerdem ein striktes Verbot aus. Wenigstens sollte noch einer telefonieren können, wenn ich schon über Bord oder einem Herzklaps zum Opfer gefallen sei. Danke für die offene Kommunikation.

    Zudem will bei aller Liebe zur Ostsee die Belastbarkeit der Geldbörse geprüft sein. Auch da ist geteiltes Geld doppelte Freude.

    Mein Uralt-Kumpel und Segelkamerad Michael „der Sanftmütige" (er achtet bei der Kurswahl darauf, dass die Ladies auf dem Vorschiff nicht in den Schatten der Segel geraten) sagte sofort und rundherum die Teilnahme am Gesamttörn zu. Ich nahm das anfangs ernst, hätte es aber besser wissen müssen…

    Rund achtzig Freunde und Freundinnen der weißen Tücher hatte ich in der Auswahl, alles solche, mit denen ich schon mal unterwegs war und von denen ich dachte, dass sie mich und meinen Plan ertragen würden. Auf Experimente wollte ich mich nicht einlassen, bei zuvor Unbekannten kann man sich schnell einen Mitsegler einhandeln, mit dem man nicht klarkommt. Das muss ja nicht an dem „Neuen liegen. Aber ein „fauler Apfel verdirbt den ganzen Obstkorb. Stress dieser Art kann man vorbeugen, wenn man auf ein Reservoir von Segelfreunden zurückgreifen kann. Natürlich bleibt immer ein Restrisiko. Ein paar haben auf mein Ansinnen gar nicht erst geantwortet, kann man ihnen ja nicht verdenken.

    Leichte Beklopptheit war schon immer ein Markenzeichen von mir. Weshalb? Wahrscheinlich genetisch bedingt. Zudem bin ich ein Nachkriegs-Ost-Kind und wurde in den ersten Jahren vielleicht nicht vollwertig ernährt. Im Kindergarten war ich nie, am gemeinsamen Zwangs-Topf-Sitzen kann es also nicht liegen. Meine Mitgliedschaft bei den Jungen Pionieren, in der FDJ, der SED und die vielen Jahre als Offizier der Nationalen Volksarmee können schon eher als Beleg dafür dienen.

    Manchmal grübelte ich nachts über den Listen mit den potentiellen Crews und zweifelte am Gelingen. Worauf habe ich mich bloß eingelassen? Die Teilnehmer haben ein Recht auf einen sicheren Törn, ohne Zeitdruck und auf pünktliche Crewwechsel. Der Plan sieht gut aus, aber es bleiben Unwägbarkeiten. Wetter und Pannen sind nicht planbar, das müssen alle wissen.

    Immer wieder Absagen, Verschiebungswünsche und halbseidene Töne zu möglichen Zeiträumen und Zustiegshäfen. Zwei Dutzend Mitsegler blieben letztendlich ihren Versprechen treu und so bildeten wir Crews, die in den per Flugzeug, Bahn, Bus oder Auto erreichbaren Häfen zu vereinbarten Terminen an der Pier stehen könnten. In diesem Prozess entfärbte sich mein Haupthaar endgültig zu einem klassischen Friedhofsblond.

    Bis fast zum Törnbeginn änderte sich vieles immer wieder und das Puzzle geriet durcheinander, hier eine kleine Absage, dort eine Verschiebung, auch mal ein Hafen irgendwo an der finnischen Küstenpampa, der zum Zustiegspunkt erklärt wurde, aber dennoch hielt das Kartenhaus zusammen. Es blieben immer noch Lücken, über die BOSSi argwöhnisch wachte. Ihr war egal, wer dabei war, Hauptsache, Skipper war in Begleitung. Erst ein paar Wochen vor dem Ablegen war die Liste komplett. Nun durfte niemand krank werden oder ein Kind bekommen…

    Die Schilderungen der Ostsee-Segel-Autoren von Wilfried Erdmann über Sönke Roever, Bastian Hauck, Christian Irrgang bis Michael Brumm hatten mich bisher nicht interessiert - nur Roevers „Auszeit unter Segeln war mir vor Jahren in die Finger geraten. Aber nun legte ich mir die Bücher zu. Schiffs-, Hafen- und Routenerfahrungen muss man ja nicht vollständig selbst machen wollen. Dabei fiel mir einiges auf: erstens kamen alle Genannten aus den „alten Bundesländern, zweitens waren sie auf eigenen Schiffen unterwegs und drittens hatte keiner von ihnen die ganz, ganz große Runde gedreht, zumindest nicht die von mir geplante.

    Und sie hatten andere Einstellungen. Die Lebensfreude von Sönke, gepaart mit Gelassenheit, kam mir am allernächsten, das könnte ein Vorbild sein. Die 25 Jahre, die er jünger ist, na und? Bei anderen Autoren wurde ich manchmal nachdenklich. Bezeichnungen wie „Arschlöcher" und Bierflaschenwürfe können für mich keine Ausdrucksformen menschlichen Miteinanders sein, an anderen Stellen fand ich für meinen Geschmack zu viele Vorurteile und rasante Schlussfolgerungen. Aber wie gesagt - für meinen Geschmack. Die Hochachtung vor der seemännischen Leistung, vor allem derer, die sehr lange Strecken einhand unterwegs waren, hat darunter nicht gelitten. Ich habe viel aufgenommen und den Willen entwickelt, es zu verarbeiten, mich dessen zu erinnern und möglichst daraus zu lernen.

    Schon im Herbst begann auch die Schiffssuche. Es musste darüber nachgedacht werden, welches Vehikel mich Rund Ostsee schippern sollte. Ein eigenes Boot wollte und will ich nicht haben. Es sind von unserem lieblichen Muldental bis zum nächsten Ostseehafen rund 400km, ich möchte aber in vielen Revieren unterwegs sein. „Winterlager, „Versicherungen, „Kranen, „Schleifen und viele andere Begriffe aus der Eignerwelt erzeugen bei mir körperliche Abwehrreaktionen.

    Also habe ich bei MOLA angefragt, meinem Lieblingsvercharterer aus Breege, mir ein Angebot für die Langzeitcharter einer 36er BAVARIA mit drei Kabinen, Lattengroß, Radar, Spibaum und vollem Kartensatz unterbreiten lassen, selbiges mit einem anderen Anbieter verglichen und im September zugeschlagen. Ich bin kein großer Verhandler. Vertrauen gegen Leistung gegen Geld. Punkt.

    Bei „Admiral" Christoph, dem MOLA-Stützpunktleiter, mit dem ich schon viele, viele Meilen geteilt habe, wusste ich die Vorbereitung in guten Händen. Von Chef Thomas fühlte ich mich nicht übervorteilt und mit Eigner Willi und seiner Frau Gisela traf ich Bootsbesitzer mit viel Herz. Was will man mehr? Die TI AMO wurde zum Traumschiff. Der Name ward Programm; Synonym für meine Liebe zur See und zum Segeln, für meinen großen Plan und seine Umsetzung, auch für das Vertrauen, das ich in die Yacht hatte.

    Zudem wird der Name überall verstanden. Und wäre man Casanova, so könnte man sich bei der jeweiligen Dame seines Herzens in jedem

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