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Weihnacht im Herz: Winterroman
Weihnacht im Herz: Winterroman
Weihnacht im Herz: Winterroman
eBook268 Seiten3 Stunden

Weihnacht im Herz: Winterroman

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Über dieses E-Book

Verliert die Liebe im Sand von Hawaii ihren Halt? Begleite Leonie auf eine emotionale Reise, die mit einem chaotischen Weihnachtsmarkt und zwei mysteriösen Weihnachtsmännern beginnt.

Leonie hat sich auf einen romantischen Urlaub mit ihrem Verlobten Till gefreut, bis sie ihn dabei erwischt, wie er das Firmenmotto "Nah am Kunden" zu wörtlich nimmt. Sie ertränkt auf dem Weihnachtsmarkt den Herzschmerz in Ananaspunsch und glaubt doppelt zu sehen, als gleich zwei Santa Claus-Doubles auftauchen. Glücklicherweise kann einer von ihnen, Keanu, sie nicht einfach mit ihrem Kummer alleine lassen. Was als rettende Couch-Übernachtung beginnt, entwickelt sich zu einer unerwarteten Reise in die Vergangenheit und eine mögliche Zukunft.

Mit einem verlorenen Herzen und einem gewonnenen Hawaii-Trip im Gepäck, entscheidet sich Leonie, Keanu als Reisebegleitung mitzunehmen. Während sie sich auf der paradiesischen Insel mit einem bunt gemischten Haufen von Reisenden anfreunden, wird es für Leonie kompliziert. Kann es sein, dass sie so schnell ihren Verlobten vergisst und Gefühle für Keanu entwickelt? Wird sie den Sprung ins Ungewisse wagen? Oder geht sie zurück in ihr altes Leben und rettet ihren Kindheitstraum? 

Entfliehe mit Leonie und Keanu dem kalten Winter und finde heraus, ob das Paradies nicht nur auf Hawaii, sondern auch in ihren Herzen gefunden wird. Dies ist die überarbeitete Neuauflage von "Hauptsache Weihnachten" (2022 erschienen) und der zweite Band der "Herz über Kopf"-Reihe.

SpracheDeutsch
HerausgeberZeilenfluss
Erscheinungsdatum7. Dez. 2023
ISBN9783967143980
Weihnacht im Herz: Winterroman

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    Buchvorschau

    Weihnacht im Herz - Alica H. White

    1

    »W enn Sie diese Frage beantworten können, geht es für Sie und eine Begleitperson an Weihnachten für zehn Tage nach Hawaii.« Mit diesen Worten lässt der Quizmoderator der Sendung Sommerfeeling die Spannung steigen. »Sind Sie bereit?«

    »Ja, klar«, antworte ich ungeduldig. Mein Herz schlägt bis zum Hals, meine Ohren glühen. Gut, dass ich bei einem Anruf nicht im Fernsehen zu sehen bin, denn ich rutsche zappelig auf meinem Sessel hin und her. Es ist aber auch vergleichbar mit einem Sechser im Lotto, dass ich an der Zuschauerfrage bei diesem Reisequiz teilnehmen darf. Es ist nicht leicht, da durchzukommen. Ich habe es schon oft versucht.

    In der Sendung werden Last-Minute-Reisen verlost, da muss man spontan sein können. Zehn Tage Hawaii, was für ein Traum bei diesem Winterschmuddelwetter. Diese Chance möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

    Okay, wenn ich mir die Telefonkosten der letzten Jahre zusammenrechne, hätte ich die Reise vielleicht auch so bezahlen können, aber dann wäre es nicht derselbe Kitzel. Also ist es ein Grund mehr, es jetzt nicht zu vermasseln.

    »Na dann«, heizt der Moderator, Günter Schlauch, meine Nervosität weiter an. Dass diese Quiztypen den Spannungsbogen auch immer überziehen müssen. Nervös beiße ich auf meine Fingernägel, als ein Knacken durch die Leitung kommt.

    ›Geht es jetzt bitte endlich los?‹, sende ich ein Stoßgebet zum Himmel.

    Der Moderator lächelt noch einmal tiefenentspannt zum Studiopublikum, dann holt er endlich Luft. »Was sagen die Hawaiianer, wenn sie den Daumen und kleinen Finger nach oben halten, dabei die restlichen drei nach unten, und gleichzeitig die Hand drehen?« Der Moderator formt die Hand wie beschrieben, sodass sie wie eine Gabel aussieht.

    Gut, dass ich mich ein wenig mit dem absoluten Traumziel am anderen Ende der Welt auseinandergesetzt habe. Diese Frage kann ich locker beantworten. »Hang Loose«, sage ich sicher. »Das bedeutet so viel wie ›entspann dich mal‹.«

    Die Gewinnmelodie erklingt, virtuelles Konfetti regnet über den Bildschirm.

    Wow! Ich habe es geschafft!

    Ich bekomme fast keine Luft vor Freude. Tränen der Rührung steigen auf.

    »Genau. Sie haben die Frage richtig beantwortet«, bestätigt Günter Schlauch überschwänglich. »Und gleichzeitig haben Sie auch die zweite Frage beantwortet, nämlich was das Zeichen bedeutet. Ich denke, diese Reise haben Sie sich redlich verdient.«

    Eine geballte Mischung Adrenalin und Endorphine durchflutet meinen Körper. Die warme Glückswoge schwappt über mich hinweg und lässt mich nicht mehr klar denken. Gewinnen ist wie ein Rausch.

    »Da bin ich aber froh, dass ich nicht auf dem Schlauch gestanden habe«, gestehe ich keuchend.

    Erst als der Moderator pikiert sein Gesicht verzieht, fällt mir sein Name wieder ein. Oh Mann!

    »Ich auch«, erwidert Günther Schlauch lachend und überspielt damit die Situation.

    Das ist mal wieder typisch für mich. Wo kein Fettnäpfchen ist, finde ich trotzdem noch eins, damit ich hineintreten kann. Ich schüttle den Kopf. Unbegreiflich, dass ich diesmal tatsächlich gewonnen habe. Meine Wangen glühen, mein Gesicht muss rot wie eine Tomate sein.

    »Dann leite ich Sie mal weiter. Ein Mitarbeiter wird sich um alles Weitere kümmern«, höre ich nur noch am Rande.

    Ein Sendermitarbeiter notiert meine Adresse für die Reiseunterlagen. Dann lege ich, immer noch zitternd, auf.

    Der nächste Schritt wird sein, die freudige Botschaft meinem Verlobten Till zu überbringen. Der wird sicher schön staunen, dass ich doch einmal Glück hatte. Er hat sich ständig über die hohen Telefonkosten aufgeregt. Aber was soll ich machen? Ich liebe nun einmal Gewinnspiele, und endlich ist einmal was auf dem Haben-Konto zu verzeichnen. Mit einem kribbelnden Triumphgefühl mache ich mich auf.

    Till ist nicht nur mein Verlobter, sondern auch mein Geschäftspartner. Zusammen haben wir uns das kleine Marketing-Unternehmen aufgebaut. Ich mache alles, was mit dem Druck, Grafiken und Texten zu tun hat. Er kümmert sich um die Kundenakquise und die Zahlen. Sein Job ist angesichts der Mordskonkurrenz in dieser Branche eine Heidenarbeit. Wir beide sind schon lange urlaubsreif.

    Was gibt es da also Schöneres, als in der Sonne zu entspannen?

    Okay, auf die stimmungsvollen Feiertage werden wir dieses Jahr verzichten müssen, obwohl ich die eigentlich liebe. Aber es ist ja nur für ein Mal. Nächstes Jahr können wir sie wieder mit Tills Eltern verbringen. Da geht es zwar immer etwas steif und förmlich zu, aber auch sehr traditionell.

    Ich liebe diese Bräuche, mit Gottesdienstbesuch am Heiligen Abend, Singen vor der Bescherung, Nüsse knacken und essen, bis einem schlecht wird. Danach sehen wir uns Der kleine Lord an und trinken dabei Wein. Aber nicht zu viel, damit nicht zu viel Wahrheit drin liegt und womöglich Streit aufkommt. Streit an Weihnachten, das geht gar nicht.

    2

    Auf dem Weg zu unserer kleinen Firma muss ich über den Weihnachtsmarkt. Am ersten Advent war es dort himmlisch. Es war richtig schön kalt. Der Glühwein schmeckte hervorragend und wärmte die vom Frost gekühlten Füße. Heute, am Samstag vor dem vierten Advent, ist das Wetter wieder einmal umgeschlagen. Dreizehn Grad und Nieselregen – typisches deutsches Weihnachtswetter. Wahrscheinlich gibt es in dieser Quizsendung zu Weihnachten immer nur Reisen in die Sonne zu gewinnen, weil die in den Schnee ausgebucht sind.

    Der Weihnachtsmarkt ist trotz des schlechten Wetters voller Leute. Müssen die gar nicht arbeiten? Manche wollen sich sicher das Wetter ›schöntrinken‹, andere amüsieren sich auf der künstlichen Eisbahn.

    Die angehende Dämmerung bringt die Lichter zur Geltung, und die Gerüche lassen irgendwie eine festliche Stimmung aufkommen. Ich werde hier mit Till sicher auch gleich feiern gehen.

    Als ich die kleine Firma betrete, ist es merkwürdig still. Wo ist denn nur Till? Er wollte sich doch mit Merle Meier, der Besitzerin einer Kette Nagelstudios, treffen. Plötzlich dringt ein Kichern aus dem Büro. Ah, sie werden sich noch besprechen.

    Nur kurz klopfe ich an die Tür, um sofort danach in Tills Büro zu treten. »Überraschung, Till!«

    Doch was ich da sehen muss, lässt schlagartig alles Blut aus meinem Kopf weichen.

    Überraschung, Leonie!

    Till dreht sich um und sieht mich böse an. Sein Hemd ist aufgeknöpft, die Hose heruntergelassen und gibt den ungeschönten Blick auf seinen prächtigen Hintern frei. Definitiv, mein Verlobter hat sein Übergewicht nicht nur am Bauch. Bisher ist mir das noch nie so schonungslos klar geworden.

    Ich schnappe nach Luft. Die Meier liegt mit gespreizten Beinen auf meinem Schreibtisch. – Klar, sonst hätte Till seinen aufräumen müssen. – Erschrocken stützt sie sich auf die Ellenbogen. Ihre Bluse ist aufgeknöpft, die Möpse hüpfen frech aus dem viel zu knappen BH. Sie sind prall und stramm wie zwei Soldaten – garantiert silikongepimpt.

    Hab ich eigentlich keine anderen Gedanken? Nein, denn mir wird übel. Mein Magen ballt sich zu einem riesigen Klumpen. Meine Knie werden weich, während das Blut in meinen Ohren rauscht.

    Tills Firmenslogan lautet: ›Nah am Kunden‹. Und er ist verdammt nah am Kunden. Deutlich zu nah für meinen Geschmack.

    »Kannst du nicht anklopfen?«, schnauzt er ungehalten.

    Er versucht gar nicht, seine Hose hochzuziehen, sondern sieht mich wütend an, als ob ich etwas Ungehöriges getan hätte. Von schlechtem Gewissen keine Spur. Das löst bei mir immer eine Art devoten Reflex aus.

    »Ich wusste ja nicht …«, stottere ich und muss schlucken. Der dicke Klumpen aus dem Magen steigt bis in die Kehle. Verdammt, er lässt sich nicht runterschlucken, ich bekomme kein Wort weiter heraus. Wie angewurzelt stehe ich da und starre auf die Szene.

    Ich finde, Till könnte wenigstens ›Es ist nicht so, wie es aussieht‹ sagen.

    Die Meier mustert mich herablassend, bevor ein freches Grinsen auf ihrem Gesicht erscheint.

    Mit geballten Fäusten halte ich ihrem Blick stand. Mein Blut steigt langsam wieder in den Kopf, der jetzt zu platzen droht. Ich habe das Gefühl, dass meine Augen aus den Höhlen treten. Vor Wut bekomme ich immer noch kein Wort heraus.

    Nun scheint selbst sie meine ungnädige Stimmung zu erfassen.

    »Ich glaube, ich lasse euch jetzt besser allein, damit ihr reden könnt«, murmelt Miss Busenwunder und hüpft etwas ungelenk vom Schreibtisch. Ihre High Heels klacken kurz darauf auf dem Linoleum. Lässig zupft sie ihren Rock herunter, um anschließend betont gelassen auch den Vorbau wieder zu verhüllen.

    »Nein, warte!«, ruft Till dazwischen. »Ich wollte schon lange mit Leonie reden.«

    Was wollte er? Ich verstehe nicht ...

    Die Meier stutzt. »Wolltest du? Ich dachte, das hättest du schon?«

    Ich schnappe nach Luft, als ich langsam kapiere.

    Till hebt die Hand.

    »Mit mir reden? Ich glaube, da gibt’s nichts mehr zu reden«, presse ich hervor. Wütend drehe ich auf der Hacke um und verlasse stampfend die Firma. Mein Gehirn wird nur noch von einem Gedanken beherrscht: Bloß weg hier!

    Da hat mir der Weihnachtsmann ja eine schöne Überraschung beschert!

    Oh, nun scheint mir die andere Seite vom Erdball gerade die richtige Entfernung zu meinem Verlobten! Soll der sich doch gehackt legen!

    Am liebsten würde ich sofort abreisen, allerdings werden vor Dienstag nicht die Reiseunterlagen eintreffen.

    Herr, lass es schnell Dienstag werden!

    Dass Till noch nicht einmal den Anstand hat, mir hinterherzulaufen, lässt meine Empörung noch weiter wachsen. Der wird mich so schnell nicht wiedersehen! Wutschnaubend streife ich meinen Verlobungsring vom Finger und stecke ihn in die kleine Tasche meiner Jeans. Den muss ich aufbewahren, damit ich ihn demnächst vor seine Füße knallen kann. Die Vorstellung verschafft mir leider nur eine winzige Genugtuung. Ich sollte jetzt einen kühlen Kopf bewahren.

    Irgendwie muss ich runterkommen, von der Palme.

    Palmen … hawaiianische Palmen. Daran sollte ich jetzt besser denken.

    Irgendwo hier auf dem Markt ist doch ein Stand mit Fruchtpunsch. Ananaspunsch, mit jeder Menge Rum und Sahne. Das wäre jetzt genau das Richtige, um sich in Stimmung zu bringen.

    Der Markt ist inzwischen noch voller geworden – die Leute auch. Irgendwo dudelt ständig Weihnachtsmusik und lullt einen ein – oder auch nicht, wenn man zu dicht am Lautsprecher steht. Zielstrebig steure ich den Punsch-Stand an und bestelle den ersehnten Ananaspunsch. 

    Während ich darauf warte, sehe ich mir den Wagen genauer an. Er macht direkt Lust auf Weihnachten unter tropischer Sonne, denn seine Deko-Motive bestehen aus Fotos von tropischen Früchten vor einer Strandlandschaft mit blauem Himmel. Ein paar Tannenzweige mit kleinen Lichtern und Weihnachtskugeln zaubern Weihnachtsstimmung. Im Sommer wird aus diesem Wagen sicher im Handumdrehen eine Cocktailbar. Unwillkürlich muss ich seufzen.

    »Was darfs sein?«, fragt mich die Bedienung mit einer Reibeisenstimme.

    »Einen Ananaspunsch. Bitte mit einer doppelten Portion Rum.«

    »So schlimm?«

    »Schlimmer. Eigentlich bräuchte ich auch doppelt Sahne, aber dann wiegen nachher nicht nur meine Probleme schwer.«

    Die ältere Frau nickt.

    »Verstehe«, murmelt sie und dreht sich weg, um den Punsch abzufüllen.

    »So, hier bitte schön, einmal mit doppelt Rum, die Dame«, verkündet sie gleich darauf und stellt mir das heißersehnte Getränk hin.

    Vorsichtig puste ich ein wenig, bevor ich von dem sahnig-süßen Getränk nippe. Es schmeckt einfach köstlich! Direkt nach mehr. Deswegen bestelle ich gleich ein zweites Glas, nachdem ich das erste in Rekordzeit geleert habe. Wartend sehe ich mich um.

    Erst jetzt fällt mir auf, wie einsam ich doch bin. Alle anderen Leute auf diesem Markt scheinen als Pärchen oder Grüppchen da zu sein. Schon wieder muss ich seufzen. Der zweite Punsch rollt an, und ich nehme gleich einen kräftigen Schluck. Er ist noch ziemlich heiß, und ich verbrenne mir den Mund. Na prima! Das hat ja auch noch gefehlt.

    Zwangsläufig wälze ich mich noch ein bisschen in meinem Selbstmitleid. Ein Rabe landet auf dem übervollen Abfallkorb und schnappt sich ein Stück Lebkuchen. Gleich kommen seine Kameraden und wollen es ihm abjagen. Schöne Freunde.

    Gut, dass ich hier bald weg bin, allein Weihnachten zu feiern wäre der Super-GAU. Obwohl … Wenn ich die Reise nicht gewonnen hätte, wäre ich auch nicht in der Firma aufgekreuzt. Wie sagt man doch so schön? Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Zwar wäre Tills Affäre wohl irgendwann auch so aufgeflogen, aber höchstwahrscheinlich erst nach Weihnachten. Dann wäre es schwerer, über das Gefühl der Einsamkeit hinwegzukommen.

    Hab ich mir da gerade gewünscht, die Reise nicht gewonnen zu haben? Wie blöd kann man sein? Gegen die Enttäuschung kämpfend umklammere ich den Punsch. Durch die Dämmerung ist es inzwischen kalt genug, um ihn schnell abkühlen zu lassen. So lange will ich nicht noch einmal warten, gleich bestelle ich mir den nächsten.

    Der dritte Punsch hüllt mich endlich in watteweich-sahnige Seligkeit. Mein Ärger ist mir fast egal geworden. Ich will mich über meinen Gewinn freuen. So lasse ich mich von der Deko des Wagens hypnotisieren und träume mich in die Südsee.

    »Oh welche Anmut in diesem schönen Gesicht. Dein Lächeln ist so bezaubernd. Du warst bestimmt immer artig, da kann ich dir ohne Umschweife eine Zuckerstange zukommen lassen.«

    Ich blicke auf. Ein alt aussehender Weihnachtsmann mit verdächtig junger Stimme steht grinsend vor mir. Umständlich kramt er in seinem Sack und fischt eine der klassisch rot-weiß gestreiften Süßigkeiten heraus. Er leckt sich über die Lippen, während er mich mit Blicken verschlingt. »Wenn dir das nicht genug ist, habe ich auch noch eine dickere Zuckerstange für dich. Die könnte ich dir allerdings nur zu Hause geben.«

    »Ich darf nichts von fremden Männern nehmen«, versuche ich, die plumpe Anmache abzuwehren.

    Allerdings steigen sofort wieder die Bilder von Till und Fräulein Meier in meinem Kopf auf. Fuck! Ich glaube, ich habe noch nicht genug getrunken. Wäre es eine gelungene Rache, wenn ich diesem anzüglichen Typen nach Hause folge? Unter dem Kostüm scheint ein ziemlich heißer Kerl zu stecken.

    Nein, wahrscheinlich nicht, denke ich und unterdrücke ein Seufzen.

    »Habt ihr für den Weihnachtsmann noch eine kleine Stärkung?«, fragt er die nette Bedienung. »Hab ich das schon erwähnt? Heute ist mein letzter Tag. Wir werden uns erst im nächsten Jahr wiedersehen, Engelchen. Ich weiß nicht, wie ich das überstehen soll, du Lichtblick in der Wüste aufgesetzter Harmonie.«

    »Ja klar, alter Mann«, kommt es kratzig von der grinsenden Bedienung zurück. Ohne eine nähere Erläuterung stellt sie ihm mit einem zuckersüßen Lächeln einen Grog hin.

    »Danke«, raunt er ihr zu. »Du bist ein wahrer Engel.«

    »Immer gerne. Aber nächstes Jahr bin ich für dich das Christkind.«

    Die beiden kichern.

    Das Christkind dreht sich um, und erst jetzt bemerke ich die goldenen Flügel auf ihrem Rücken. Die Aussicht auf Alkohol muss mich bisher abgelenkt haben, dieses Detail zu wahrzunehmen. Oder ich stehe einfach nicht auf Frauen.

    »Aber sag mal«, wendet er sich wieder an mich, »müsstest du nicht auch solche Flügel auf dem Rücken haben?«

    »Aber sag mal: Dürfen Weihnachtsmänner solch platte Anmache auf unschuldige Engelchen loslassen?«

    Er grinst.

    »Aber ja doch! Das ist schließlich eine Belohnung des Himmels, dass ich an meinem letzten Tag auf diesem Markt noch einmal so eine wunderbare Begegnung habe«, baggert der Weihnachtsmann unbeeindruckt weiter.

    Seine Hartnäckigkeit gefällt mir, so kann ich meine Einsamkeit verdrängen und mich zumindest ein Stück weit für Tills Lotterleben rächen.

    »Ja, es gibt Menschen, die schickt einem der Himmel«, antworte ich, stütze den Kopf auf die Theke und halte seinem bohrenden Blick stand. »Möchtest du noch einen Grog?«

    Der Typ hebt seine angeklebten dicken, weißen Wattebrauen.

    »Ja klar. Wer kann zu so einem Angebot schon Nein sagen«, antwortet er und stützt ebenfalls seinen Kopf auf.

    Ich bestelle den Grog und mir einen neuen Punsch.

    »Gibst du eigentlich allen Männern einen aus, die dir ein Kompliment machen?«

    »Darf der Weihnachtsmann eigentlich so frech flirten?«

    »Natürlich nicht!«, sagt er entrüstet. »Er darf nur mit Rauscheengeln flirten, die allein am Glühweinstand stehen und so aussehen, als ob sie Trost gebrauchen könnten.«

    »So so, der Weihnachtsmann als Witwentröster.«

    »Du bist schon Witwe?«, fragt er in einem Ton, der wohl nicht ganz ernst gemeint ist.

    Ich nicke. »Fast.«

    »Aha, Streit mit deinem Mann? Würdest du ihn gerne töten?«

    »So ähnlich«, sage ich und stürze den Rest von meinem alten Punsch hinunter, denn die Bedienung stellt uns die gewünschten Getränke mit einem gekünstelten Lächeln hin. Fast kommt es mir vor, als ob sie ein bisschen neidisch auf meinen Casanova-Weihnachtsmann ist.

    »Der Typ muss ein Idiot sein«, murmelt mein Süßholzraspler unbeirrt und schürzt abschätzig die Lippen.

    »Ist er definitiv. Und ich bin natürlich blond und blauäugig, deswegen darf man mich verarschen«, bestätige ich zynisch und hebe das Glas. »Na dann: Prost.« Das Sprechen fällt mir schon etwas schwer, aber reden wird ja sowieso überbewertet. Ich hebe den neuen Punsch in Richtung meines Weihnachtsmanns, behalte mein Auge aber bei der Bedienung, die sich nichts mehr anmerken lässt.

    »Prost, mein blondgelockter Engel! Aber sieh mir mit deinen wunderschönen blauen Augen in meine, Kleines … sonst gibt es sieben Jahre schlechten Sex.«

    »Oh … oh, ja! Wer will das schon«, beeile ich mich zu sagen. Dabei fällt mir auf, dass ich schon lange keinen Sex mehr mit Till hatte. Ich habe es auf die viele Arbeit geschoben, muss es jetzt wohl mit neuen Augen betrachten. Wie lange das wohl schon mit den beiden geht?

    Wir stoßen an und sehen uns dabei übertrieben intensiv in die Augen.

    »Auf lebenslangen guten Sex!«, verkünde ich.

    Der Weihnachtsmann grinst dreckig, und mir ist es egal. Es ist trotzdem ein Flirt, der mir ungemein guttut. Der Alkohol senkt meine Hemmschwelle, aber das ist mir gerade herzlich egal. Dabei bemühe ich mich redlich, ihm nicht zu viel vorzujammern. Leider gelingt das ab einem gewissen Pegel nicht mehr. Dazu fange ich eindeutig an zu lallen. Till sagt immer, wenn ich selber merke, dass ich lalle, ist

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