Love Lost: L(i)eben ohne Navi
Von Lily Pomo und Mark Willreich
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Über dieses E-Book
Was geht in uns vor auf Ü30 Partys oder bei der Begegnung mit unserem Ex? In Situationen, die jeder kennt, der über einige Jahre auf dem Marktplatz der Geschlechter unterwegs ist. Begegnungen, einmal geschildert aus der weiblichen Sicht und dann aus dem männlichen Blickwinkel. Überraschende und manchmal banale Ereignisse, die unseren Alltag durcheinanderwirbeln.
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Buchvorschau
Love Lost - Lily Pomo
Ü30 Partys
Sie
Ich bin zweieinhalb Jahre in der Stadt, als ich das erste Mal zu einer Ü30 Party gehe. Zweieinhalb Jahre zuvor saß ich gemeinsam mit den beiden russischen Umzugshelfern in ihrem Auto, das mich mit meinen Sachen weg aus dem Dorf bringt. Hierher in die Stadt. Die Kinder sind bei ihren Großeltern und kommen später nach. Weg aus einer 11-jährigen Beziehung mit dem Mann meines Lebens, wie ich damals dachte und auch heute immer noch denke. Immer verzweifelter und aussichtsloser hatte ich den letzten 6 Jahre um wenigstens noch Respekt füreinander gekämpft. Als er beschließt, noch weiter weg von jeglichem Stadtleben, als wir in dem Dorf ohnehin schon waren, in der Pampa sein eigenes Haus zu bauen, weiß ich, dass ich gehen muss. Und ich weiß, ich werde nicht zurückblicken und nie wieder zurückkehren.
Seit meinem Weggehen bin ich damit beschäftigt gewesen, mir in der Stadt neue Strukturen aufzubauen, gute Kontakte zu den Nachbarinnen, zu den Eltern, zu den Lehrern, zu meinen neuen Kolleginnen und den wechselnden Chefinnen. Bis auf die Chefinnen ist das einfacher als erwartet. Anders als auf dem Dorf definieren sich die Frauen hier nicht darüber, dass sie niemanden brauchen, um das große Haus zu managen, den Haushalt zu schmeißen, die Kinder zu hüten und nebenbei ein bisschen Geld zum Familieneinkommen dazu zu verdienen. Die Frauen in der Stadt gehen arbeiten, sie wissen, dass sie auf funktionierende Netzwerke angewiesen sind, um den bis auf die Minute geplanten täglichen Ablauf zu managen. Man hilft sich. Männer nehme ich in dieser Zeit gar nicht wahr. Zweimal stelle ich mich bei demselben Nachbarn vor, einem anderen lasse ich die Haustür vor der Nase zufallen, weil ich nicht erkenne, dass das der Mann der Nachbarin im zweiten Stockwerk ist. Mit den Chefinnen auszukommen ist schwieriger. Die erste verlängert meinen Vertrag nicht, als sie von der Trennung erfährt. Als alleinerziehende Mama bin ich nicht mehr flexibel und kann nicht mehr ständig ins Ausland reisen, um sie auf den ihr verhassten Projekttreffen zu vertreten. Ich verliere also meine befristete Halbtagsstelle ohne nennenswerte Karriereperspektiven und damit meine einzige berufliche und finanzielle Sicherheit. Zum Glück bringt mich eine Kollegin aus der Verwaltung an einem anderen Lehrstuhl unter, der gerade ohne Professur in der Luft hängt. Zusätzlich zu diesem Glücksfall auch noch in meiner Lieblingsdisziplin mit drei richtig netten Kollegen, Außenseitern, so wie ich.
In dieser ganzen Zeit bin ich nicht einsam. Nur wenn ich mit den Kindern allein am Wochenende bin, fehlen mir die vertrauten Strukturen. Gemeinsam mit einem Partner und den Kindern und den gemeinsamen Freunden und deren Kindern Wochenende und Feiertage im Trubel zu verbringen. Eine Freundin erzählt mir von einer lokalen Internetbörse, wo man sich neben den üblichen Dates vor allem für Freizeitaktivitäten verabreden kann. Ich lerne viele nette Singles dort kennen, Männer und Frauen, die ich auch heute noch in meinem Freundeskreis habe. Bei einem Kino-„Event" fällt mir zum ersten Mal wieder ein Mann auf. Wir reden über Musik, die Stadt, unsere Erfahrungen als Single und das verbindet uns. An unserem ersten Abend ohne die anderen, zu zweit in einem Independent Club küsst er mich und ich denke, wow, der hat sich aber schnell verliebt, der kennt mich doch noch gar nicht richtig. Das ist die erste Fehleinschätzung in Sachen Dating nach dem Ende meiner letzten Beziehung. Ich habe noch keine Ahnung von dem Ausmaß, in dem sich Dating in der Zwischenzeit verändert hat. Ich bin grenzenlos naiv. Nach all den Jahren meiner letzten schwierigen Beziehung, deren Ende und der Phase danach im Beziehungsniemandsland, spüre ich wieder Schmetterlinge. Und die überrollen mich so unerwartet, dass meine Gefühle verrücktspielen. Trotzdem ist es eine oberflächliche Beziehung, wir treffen uns selten während dieser kurzen Zeit und er hält mich auf Distanz. Er erwähnt, dass er zu Ü30 Partys geht und ich mache mich darüber lustig. Es gibt so viele Klischees über Leute, die dort hingehen, ihr Aussehen und den Grad ihrer Verzweiflung und ich glaube alle davon. Er ist verletzt, dass ich mich über ihn und seine Ü30 Partys lustig mache. Unsere kurze Affäre endet, als er bei einem Treffen mit einem roten Schirm auftaucht. Ich vermute, dass es da irgendwo noch eine Frau gibt und werde misstrauisch. Mir fällt auf, dass er immer mit zu mir will. Wir gehen nie zu ihm, was mich bis dahin nie gestört hat, da er ein Haus am Rande der Stadt hat, und das hatte ich lange genug. Und so lerne ich meine erste Lektion: Ein Mann, der dich nicht mit zu sich nimmt, hat dafür gute Gründe. Später ertappe ich ihn bei einer Lüge und melde mich nicht mehr bei ihm. Aber ich beschließe, irgendwann bei genau einer dieser Ü30 Partys aufzutauchen und dabei gut auszusehen.
Drei Monate später ist es soweit. Mit vier anderen Singles, die ich bei den Treffen der Plattform kennengelernt habe und die ich mag, gehe ich mit zu einer Ü30 Party. Wir treffen uns vorher in einer Bar und die Chemie zwischen uns stimmt. Wir albern rum wie Teenies und ärgern Jens, der behauptet, er sei erst 35. Er beruhigt sich erst wieder, als wir ihn überzeugen können, dass wir ihm glauben. Auf dem Weg zur Ü30 müssen wir die U-Bahn nehmen und es ist grausam, uns alle in diesem grellen Licht zu sehen. Egal, wir sind ja erst 35. Das Ü30 Gelände ist eine riesige Lagerhalle, unterteilt in mehrere Räume, Etagen und einen großen Außenbereich, in dem die Leute am Geländer lehnen, rauchen und die anderen beobachten. Es ist richtig groß und es ist voll und laut. Wir Frauen werden gleich belagert von wildfremden Männern, die einen anquatschen mit merkwürdigen Sprüchen, wie etwa „Ich weiß noch nicht was, aber ich weiß, wir zwei sollten heute unbedingt noch was gemeinsam machen." Dann sehe ich den Mann, wegen dem ich hier bin. Er bemerkt mich und scheint überrascht. Ich laufe an ihm vorbei und ignoriere ihn. Alles läuft wie geplant.
In den meisten Räumen ist die Musik eine Qual, aber dann finde ich ein kleines Café mit Elektromucke. Hier bleibe ich, allein ohne die anderen, die in der großen Halle bei den Hits der 80er und 90er sind. Am anderen Ende der Tanzfläche steht ein Mann, ein schicker in einem weißen Hemd und er schaut zu mir. Ich wundere mich erst, denn solche Schnösel stehen sonst gar nicht auf mich, aber dann wird mir klar, das liegt an meiner neuen Haarfarbe, die zieht die ganzen Managertypen an und die Prolls. Ich werde von einem anderen Mann belagert und verschwinde deshalb erst mal zu den andern. Als ich kurz später zurückkomme, steht der schicke Mann im weißen Hemd immer noch dort. Er spricht mich an: „Na, da biste