Und wer küsst mich?
Von Ellen Sander
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Über dieses E-Book
"Wenn ich sage, ich will in Weiß heiraten, dann meine ich damit die Farbe des Kleides und nicht die meiner Haare."
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Buchvorschau
Und wer küsst mich? - Ellen Sander
Wie alles begann
Während andere schon von Ihrer zweiten Scheidung berichten, konnte ich noch nicht mal eine einzige Hochzeit vorweisen. Einundvierzig Jahre und Familienstand: Ledig!
»Ledig«, das Wort klingt doch nach purer Verzweiflung. »Geschieden« würde immerhin bedeuten, dass wenigstens Einer mal gewollt hat. Dabei hieß mein großes Lebensziel: Heiraten und Kinder kriegen. Und es fing ja auch ganz viel versprechend an: Schon mit neunzehn Jahren bin ich mit meinem ersten Freund zusammen gezogen, mit Zwanzig war ich mit ihm verlobt (Wie es dazu kam, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. So sehr ich mich anstrenge, ich kann mich an keinen Heiratsantrag erinnern. Entweder es gab keinen, oder er war traumatisch unromantisch), und mit Vierundzwanzig war ich dann wieder getrennt. Single!
Damals klang das noch nicht wie ein Schimpfwort für mich. Ich war eigentlich froh, dass ich ihn wieder los war. Inzwischen kann ich auf siebzehn Jahre Beziehung zurückblicken – leider nicht am Stück und leider ohne das ersehnte goldene Schmuckstück.
»Aber du kannst doch immer noch heiraten. Es ist doch nicht zu spät!«, bekomme ich immer wieder zu hören. Keiner versteht mich. Wenn ich sage, ich will in Weiß heiraten, dann meine ich damit die Farbe des Kleides und nicht die meiner Haare. Ich werde nämlich Grau. Bis jetzt sind es nur vier Haare, aber man weiß ja, wie schnell ein solcher Prozess voranschreitet. Und darum muss ich was tun. Ich muss IHN finden solange ich noch jung (!) und schön (!) bin. Nur wo?
Ex und Ex-Ex
Mein Telefon klingelt und ich melde mich:
»Ella Schön!«
Männerstimme:
»Hallo!«
Wieso meldet der sich nicht mit Namen? Natürlich habe ich die Stimme meines Ex sofort erkannt. Ich kann ein solch respektloses Benehmen aber nicht einfach durchgehen lassen und sage:
»Hier auch Hallo! Wer ist denn da?«
»Na, ich!«
»Wer ist ich?«
»Du weißt doch wer ich bin.«
»Wieso meldest du dich nicht mit Namen?«
»Siehst du, du weißt wer dran ist!«
Meine Erziehungsmethoden führen ins Nichts. Ich gebe auf:
»Was willst du?«, frage ich ihn.
»Nur mal hören wie es dir geht.«
»Gut. Und dir?«
»Auch.«
Nettes Gespräch!
Eigentlich ist mein Ex – ein Journalist – eloquent und nicht so einsilbig. Wortkarg wurde er immer nur, wenn ich mit ihm unsere gemeinsame Zukunft besprechen wollte. Wenn ich ernsthafte Themen ansprach, dann kam blitzschnell seine humorvolle Seite zum Vorschein. Er konnte mich immer zum Lachen bringen. Und vor lauter Spaß habe ich die ernsten Themen dann auch schnell wieder vergessen.
So vergingen vier Jahre bis ich endlich begriffen habe, dass es keine gemeinsame Zukunft gibt. Mein Ex ist im Prinzip ein Musterbild eines mit sich zufriedenen Singles. Für ihn war es vollkommen ausreichend, wenn seine Tochter – das Produkt einer »Ehefalle« wie er es nannte und in die er für knapp zwei Jahre getappt war – und ich nur die Wochenenden mit ihm verbrachten. Die andere Zeit brauchte er für sich. Und zusammen leben? Nein! Bloß nichts verändern!
Während ich zig Gründe fand mit ihm zusammen zu ziehen, fand er doppelt so viele Gründe dies nicht zu tun. Meine einzige Möglichkeit, wenn ich nicht als total Frustrierte enden wollte, war, mich von ihm zu trennen.
Und noch heute bin ich verletzt und versuche bei jedem Telefonat aus ihm heraus zu kitzeln, warum er mich nicht so sehr wollte, wie ich ihn. Eine Antwort bekomme ich nie und so bleibt immer das traurige Gefühl: Er hat mich einfach nicht genug geliebt.
Das Telefon klingelt schon wieder:
»Schön!«
Stimme meines Ex-Ex:
»Hallo!«
Was ist das denn? Der meldet sich ja auch nicht mit Namen. Also, das hat doch System! Spielen denn hier alle den Platzhirsch?
Mein Ex-Ex ist seit unserer Trennung vor sieben Jahren keine feste Beziehung mehr eingegangen.
»Ich finde einfach nicht die Richtige«, sagte er kürzlich zu mir. »Ich suche eine Frau die ...«
»Weißt du, was du suchst?« viel ich ihm ins Wort. »Du suchst eine Frau wie mich. Aber mich gibt es nicht noch einmal.«
Ha! DAS TAT GUT. Das musste ich jetzt einfach mal loswerden, als kleine Rache dafür, dass auch er mich nicht wollte. Er wollte erst mal die Welt im Armani-Anzug durchschreiten, Karriere und sich die Frauen untertan machen. Teil Eins und Zwei seines Planes sind aufgegangen.
Abgesehen von der Tatsache, dass er mich und den Wert unsere Beziehung damals nicht zu schätzen wusste, ist mein Ex-Ex aber ein wirklich feiner Kerl. Und er ist mir über die Jahre immer ein guter Freund geblieben.
Und wieder das Telefon. Heute bin ich aber gefragt.
»Kuckuck, Sonnenschein! Hier ist deine Kiki!«
Aha, das ist der Beweis: Eine Frau meldet sich mit Namen und erwartet nicht, dass man sie an der Stimme erkennt.
Der Messie
Das Telefon klingelte mal wieder und als ich abnahm scholl mir ohne Vorwarnung lautest Gegacker ins Ohr:
»Pooooookpockpockpockpock!«
Sich so am Telefon zu melden war Chrissies Markenzeichen und ich retournierte sogleich:
»Ach, Frau Braaatbecker – das verrückte Huhn ist wieder dran! Chrissie, was machen die Männer?«
»O, das Geschäft floriert!«
Chrissie ist um einige Jahre jünger als ich und meine Verbindung zur Young Generation mit allem was dazu gehört: Parties, Piercings – ob im Ohr oder Intimbereich – Körperrasur-Kult und chatten in Internet-Partnerbörsen.
»Dieses Wochenende bekomme ich Besuch von einem gaaanz heißen Modell«, Chrissie sprudelte nur so vor Begeisterung. »Er ist Fünfunddreißig Jahre, lebt in Frankfurt, ledig, ein Kind mit seiner Ex – waren aber nicht verheiratet – und arbeitet selbständig in der IT-Branche. Habe ich im Internet bei www.find_mich.de aufgerissen. Ich maile dir gleich mal seine Bilder rüber – soooo süß.«
Diese Beschreibung passt so gut wie auf jede von Chrissies Bekanntschaften. Ich kann die Typen nicht auseinander halten. Meist haben sie sehr kurz geschorene Haare, einen durchtrainierten Körper, somit kräftige Oberarme mit mindestens einem Tattoo – wie gesagt: Tattoos, Piercings und abrasierte Schamhaare.
»Wir schreiben uns seit einer Weile und telefonieren seit zwei Wochen täglich. Der Typ ist ganz heiß und will unbedingt kommen.«
»Aber doch nicht in dir?« wollte ich wissen. Ich dachte mit dieser Anzüglichkeit könnte ich Chrissie provozieren, aber Sie antwortete ganz entspannt:
»Ella, du weißt doch, dass ich mit den Typen nicht ...«
Genau das wusste ich nicht und hakte ein:
»Eigentlich weiß ich nicht, was du mit den Typen machst und was nicht. Ich verstehe nämlich deine Definition von ‚Mit jemand schlafen’ und ‚Nicht mit jemand schlafen’ nicht genau. Du gehst doch mit den Typen ist Bett, richtig? Und da geht auch was, auch richtig? WAS?«
»Ella Schätzchen, das erkläre ich dir mal in Ruhe bei einem Gläschen Prosecco. Aber wie sieht es denn bei dir aus? Alles fit im Schritt?«
»Chrissie, also bitte!«, entgegnete ich gespielt empört. »Nein, bei mir geht gar nichts. Ich bin mein eigener Held. Dank deines Tipps bezüglich dieser ‚speziellen’ Bestelladresse im Internet habe ich auf Batteriebetrieb umgestellt.«
»Meine liebe Elli, dann hör auch weiterhin auf dein Chrissielein und bestell dir deine Typen ebenfalls im Internet. Mit einem ECHTEN Kerl macht es doch viel mehr Spaß im Bett!«
Wahrscheinlich hat Chrissie Recht, denn auf meine letzten noch auf traditionellem Wege gemachten Männerbekanntschaften zurückblickend wurde mir klar, dass es an der Zeit war, neue Wege zu beschreiten.
Eine dieser traditionellen Bekanntschaften war beispiels-weise der ältere, etwas verhuschte Typ, den ich bei einer Ausstellungseröffnung kennen gelernt hatte. Er trug einen Dries van Noten-Designeranzug und eine von Intellektuellen gern getragene Hornbrille, die den Eindruck vorhandener Intelligenz vermitteln sollte.
Ich kann nicht einmal sagen, dass mir dieser grauhaarige Mann schlürfenden Schrittes zugelaufen wäre. Nein, ICH bin auf IHN zugegangen und habe ihn angesprochen. Was hatte mich dazu bewogen? Was reizte mich an ihm? Ich fand ihn anziehend, so viel war klar, aber erklären konnte ich es mir nicht.
Vielleicht hatte ich nur Mitleid mit ihm, weil er einsam wirkte. Das muss es gewesen sein, denn wo immer ich ihn zuvor schon mal gesehen hatte, war er allein. Ein einsamer Mann also, der meiner Gesellschaft bedurfte. Und dieser einsame Mann hatte in seinem mehr als Fünfzig Jahre währenden Leben schon eine Menge erlebt und hatte viel zu erzählen, was ich außerordentlich spannend fand.
Er wusste sehr viel über Design, Architektur und Kunst – Themen, für die ich mich ebenfalls begeistern konnte. Seine Erzählungen sein Leben betreffend blieben allerdings immer bruchstückhaft und ließen Raum für Interpretation. Wenn es um seine Familie ging tat er sehr geheimnisvoll und beschränkte sich auf Andeutungen. Nur ganz nebenbei erwähnte er seine antiken Erbstücke.
Er hatte es offensichtlich »nicht nötig« arbeiten zu gehen – er lebte von dem Geld, das seine Vorfahren bereits erarbeitet hatten. Kellner, für ihn ‚Personal’, behandelte er ‚einem Mann seines Standes’ entsprechend herablassend. Sein Motto war: »Wer die Regeln kennt, kann sie auch brechen.« Ich persönlich fand den Ausspruch dumm und sein Benehmen flegelhaft.
Nach all seinen Erzählungen und seinem distinguiertem Gehabe war ich natürlich unglaublich neugierig darauf, seine Wohnung zu besichtigen. Ich stellte mir vor, eine hochherrschaftliche, großzügige und durch und durch stylische Junggesellenwohnung würde mich erwarten. Aber nein. Weit gefehlt. Ein winziges Appartement in einem unscheinbaren Fünfziger-Jahre Mehrfamilienhaus nannte der selbsternannte Design-Papst sein Reich. Die gebrauchen Kaffeetassen im Wohnzimmer standen sicherlich nicht erst seit ein paar Tagen dort. An der Wand unverputzte Bohrlöcher des Vor- und Vor-Vormieters. Tatsächlich war auch eine »antike« Kommode da, die allerdings definitiv bessere Zeiten gesehen hatte und der eine Auffrischung mehr als gut getan hätte. An Stelle eines Bettes nur eine Matratze auf dem Boden – dreckige Bettwäsche, verstaubte Zeitungsstapel, vergilbte Gardinen. Es roch nach altem Zigarrenrauch und überall flogen Kleidungstücke rum. Ein Messie hätte nicht chaotischer hausen können.
Und dann das Bad: Mon dieu! Mit dem angeschimmelten Duschvorhang hätte ich niemals Freundschaft schließen und die Dusche teilen können. Das war zu viel. Adieu!
Mr. Top of the Flops
Im Nachhinein betrachtet glaube ich, dass mich der Messie magisch anzog, weil er mich an meinen Ex erinnerte. Beide waren schrullige Einzelgänger. Da stellt sich natürlich die Frage, warum mich ‚schrullige Einzelgänger’ anziehen, wo ich doch offiziell nach ‚liebevollem Familienvater’ suche. Aber so ist das wohl – man macht seine Erfahrungen und Fehler. Und den Fehler zu glauben, man könnte Einzelgänger bekehren, werde ich nach der Erfahrung mit meinem Ex bestimmt nicht wiederholen.
Diesen Fehler beging ich tatsächlich nicht noch mal, dafür aber einen anderen. Hätte ich den Spruch ‚Männer, die man sich angelt, haben einen Haken.’ schon vorher gehört, hätte ich die Finger davon gelassen. Mir wäre zwar etwas entgangen, dafür aber auch einiges erspart geblieben. So aber hat Thomas, ein Immobilien-Makler aus Hamburg, eine wahrhaft unschöne Kerbe in meinem Designergürtel hinterlassen. Das Schicksal nahm seinen Lauf, als an einem drögen Sonntagabend mit einem noch drögeren Fernsehprogramm das Telefon klingelte und ich die aufgeregte Stimme von meiner Freundin Kiki vernahm:
»Hallo Sonnenschein! Hier ist Kiki!«
Ich kam nicht mal mit einem »Hallo« dazwischen, schon schnatterte Kiki weiter:
»Ella, halt dich fest! Du kannst dich doch noch an den großen Blonden von meiner letzten Atelierparty erinnern!?«
Meine allerliebste Kiki ist Malerin, lebt mit ihrem Freund der ebenfalls Maler ist in Hamburg und an ihre letzte Atelierparty sowie den großen Blonden konnte ich mich nur zu gut erinnern. Kiki und ich hatten im Anschluss an die Party ausgiebig bedauert, dass er seit mehr als 10 Jahren in fester Beziehung mit einer gewissen Ulla lebt, denn wir fanden er würde ausgesprochen gut zu mir passen.
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Natürlich kann ich mich an den erinnern!« erwiderte ich. »Du sprichst von Thomas, richtig?«
»Richtig. Ella, halt dich fest. Er ist wieder zu haben!«
»Nein!«
»Doch!«
»Nein?«
»DOCH!«
»Drei, zwei, eins ... meins!«
Verheiratete Männer, egal wie locker der Ehering auch sitzt, und Männer in festen Beziehungen sind selbstverständlich tabu. Thomas dagegen war jetzt Single und somit zum ‚Abschluss’ freigegeben. Kiki und ich waren uns einig, dass wir von nun an nichts mehr dem Zufall überlassen durften.
Wir wussten, dass Single-Männer um die Vierzig mit gutem Job und ohne Altlasten – so nennt man Ex-Frauen und Kinder an die noch Geldmittel fließen – sehr selten und daher heiß umkämpft sind. Und so klügelten wir einen 3-Phasen-Plan aus:
1. Phase: Ködern!
Das Objekt auf mich aufmerksam machen und für mich begeistern. Natürlich war darauf zu achten, dass mir vor Start der nächsten Phase keine Andere in die Quere kommt.
2. Phase: Falle stellen!
Wir mussten eine Gelegenheit schaffen, bei der ich dem Objekt begegnen konnte, ohne dass Konkurrenz in der Nähe wäre, die meinen Plan durchkreuzen könnte.
3. Phase: Falle zuschnappen lassen!
Objekt erlegen und in die Höhle schleifen – Hugga Agga!
Ein paar Tage später erhielt ich von Kiki telefonisch folgenden Rapport:
»Hallo Ella! Melde gehorsamst: Erste Phase erfolgreich abgeschlossen.«
»Es hat geklappt?«, fragte ich ungläubig.
»Ella, unglaublich. Es lief wie am Schnürchen.«
»Erzähl!«
»Also, Thomas war wie geplant gestern Abend zum Essen bei uns. Hmmmm, das war so lecker. Manuel hat Kalbsbrust mit Ciabatta-Füllung gemacht und dazu gab es Artischocken mit Thymian. Und zum Nachtisch ...«
Manuel ist der Lebensgefährte von Kiki, Maler wie sie und leidenschaftlicher Koch – ein ‚Hobby-Paul-Bocuse’. Die Betonung liegt auf ‚Hobby’. Mit ein bisschen mehr Übung würde es vielleicht auch schmecken wie bei Paul Bocuse. Ich erinnerte mich an die rohe Weihnachtsganz – egal, im Moment interessierte mich etwas anderes mehr als die Kochkünste von Manuel.
»Kiki! Komm zur Sache«, fiel ich ihr ins Wort.
»Ja, ja. Ich mache ja schon. Also: Beim ersten Glas Wein fing Thomas, ohne dass ich ihn auf das Thema bringen musste, von sich aus an zu erzählen, wie es zu der Trennung von Ulla kam. Dass sie kein Familienleben leben wollte, so wie er. Und ich konnte einwerfen: ‚Was für ein Zufall. Das ist ja wie bei meiner Freundin Ella!’ Und beim zweiten Glas erzählte er, dass er sich von einer