Tod im Sommercamp
Von Dana Kilborne
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Über dieses E-Book
Gruselige Lagerfeuergeschichten.
Mysteriöse Botschaften eines Unbekannten.
Und ein Killer, der nur eins im Sinn hat: Rache!
Reggie ist happy, und das aus gutem Grund: Sie darf mit ihrer besten Freundin C. C. ins Sommercamp fahren! Spannende Abenteuer und jede Menge Spaß warten auf sie, davon ist sie überzeugt. Doch alles kommt anders, nachdem am Abend beim Lagerfeuer eine Gruselgeschichte erzählt wird. Denn Reggie findet einen seltsamen Zettel in ihrem Schlafsack, den sie sich von der hübschen Kylie geliehen hat. Auf dem Zettel steht: "Ich weiß genau, was du getan hast." Und am nächsten Tag stößt Kylie etwas Schreckliches zu ...
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Rezensionen für Tod im Sommercamp
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Buchvorschau
Tod im Sommercamp - Dana Kilborne
Erster Teil
May schnappte erschrocken nach Luft.
Ein Zittern durchlief ihren schlanken Körper. Obwohl sie gerade einmal bis zu den Knöcheln im Wasser stand, spürte sie die eisige Kälte schon nach ihrem Herzen tasten. Wie tausend winzige Nadelstiche brannte sie auf der Haut und ließ May wünschen, sie hätte sich nicht auf diese schwachsinnige Mutprobe eingelassen.
Sie machte noch einen Schritt, dann blieb sie wieder stehen und blickte sich zum Ufer um. Da standen sie. Wie die Ölgötzen starrten sie May an. Ihre Gesichter wirkten im flackernden Schein des Feuers unheimlich, ihre Blicke grausam und hart.
Unmerklich schüttelte sie den Kopf. Nein, das bildest du dir bloß ein …
Dennoch wurde May das Gefühl nicht los, dass die anderen sie belauerten wie Raubtiere ihre Beute. Sie schienen nur auf ihr Scheitern zu warten. Ja, sie schienen sogar regelrecht darauf zu hoffen!
Klar tun sie das. Sie halten dich für eine Loserin …
May war nicht der Typ Mädchen, der bei anderen gut ankam. Dabei sah sie nicht mal schlecht aus. Mit ihren regelmäßigen Zügen, den strahlend blauen Augen und dem langen, fast schwarzen Haar konnte sie es sogar mit den meisten anderen Mädchen ihres Alters aufnehmen.
An ihrem Aussehen lag es also nicht. Nein, der Grund für die Ablehnung der anderen lag in ihrem Wesen. May war sehr still, sie lediglich als schüchtern zu bezeichnen, grenzte schon an Schmeichelei. Wo auch immer die Post abging, man konnte sicher sein, May garantiert nicht in der Nähe anzutreffen. Sie war so unauffällig, dass sie manchmal fast das Gefühl hatte, unsichtbar zu sein.
Die unsichtbare May …
Natürlich tat es weh. Wie oft hatte man ihr geraten, doch über ihren Schatten zu springen, ein bisschen aus sich herauszugehen. Doch so gut diese Ratschläge mit Sicherheit gemeint waren – May konnte einfach nicht aus ihrer Haut. Ihr war klar, dass die anderen recht hatten: Sie war eine echte Versagerin.
Doch nicht heute Nacht!
May presste ihre Lippen so fest zusammen, dass sie fast wie schmale Linien aussahen. Sie würde diese Sache auf jeden Fall durchziehen. Einmal, nur ein einziges Mal in ihrem Leben wollte sie dazugehören.
Und dafür war sie bereit, beinahe alles zu geben.
Entschlossen presste May den wasserfesten Beutel an ihre Brust, in dem sich lediglich ihre Zahnbürste, Unterwäsche zum Wechseln, ein Feuerzeug und eine Aufreißdose mit Ravioli in Tomatensoße befanden. Dann wandte sie sich vom Ufer ab und setzte ihren Weg fort, immer weiter in die tintenschwarze Finsternis des Sees hinein.
Bald schon reichte ihr das Wasser bis zur Brust. Ihre Arme und Beine begannen sich taub anzufühlen, und ihr Herzschlag dröhnte wie eine gewaltige Trommel in ihren Ohren wieder.
Es ist so furchtbar kalt.
Trotzdem dachte May gar nicht daran, umzukehren. Sie lief so lange über den sandigen Boden, bis sie den Grund nur noch auf Zehenspitzen erreichen konnte.
Dann atmete sie tief durch und stieß sich ab.
Es war wie ein Schock.
May wusste, dass das Wasser hier an manchen Stellen so tief war, dass es selbst nach längeren sonnigen Perioden niemals etwas von seiner grausamen Kälte verlor. Sie hatte es gewusst, doch jetzt hatte sie die einzigartige Gelegenheit, sich selbst von der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen.
Ihr war, als schwamm sie durch flüssiges Eis. Das Atmen fiel ihr immer schwerer. Das Wasser schien sich wie eine eiserne Klammer um ihre Brust zu liegen und unerbittlich zuzudrücken. Mays Zähne klapperten unkontrolliert. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals in ihrem Leben so gefroren zu haben. Nicht einmal als sie mit fünf Jahren in den Bergen mit dem Schlitten umgekippt und um ein Haar im lockeren Schnee eingesunken wäre.
Diese Kälte hier war anders.
Gefährlicher.
Tödlich.
Dennoch, May würde nicht wieder ans Ufer zurückkehren. Nicht, bevor sie ihre Aufgabe erfüllt hatte. Sie wollte den anderen beweisen, dass sie nicht der geborene Verlierer war, für den sie sie hielten. Und nicht zuletzt wollte sie es auch sich selbst beweisen.
Die Insel, die in der Mitte des Sees lag, schien langsam näher zu kommen. Nur noch ein paar hundert Meter ...
Doch mit jedem Meter, den sie sich weiter durch das Wasser kämpfte, schien das taube Gefühl in ihren Gliedern zuzunehmen. Schon jetzt war sie kaum noch in der Lage, ihre Bewegungen vernünftig zu koordinieren.
Ruhig Blut, May. Du musst es einfach schaffen!
Ja, das musste sie wohl, denn an Umkehr war jetzt nicht mehr zu denken. Selbst wenn sie es gewollt hätte, es hätte keinen Sinn gemacht. Der Weg bis zur Insel war mittlerweile auf etwa dreihundert Meter zusammengeschrumpft – bis zum Ufer war es gut die doppelte Strecke.
Durchhalten, du schaffst das.
May biss die Zähne zusammen. Gegen diese Quälerei war die eigentliche Aufgabe ihrer Mutprobe beinahe lächerlich einfach: Sie sollte nur eine Nacht allein draußen auf der Insel verbringen, mehr nicht. Wenn das der Preis war, um wenigstens eine Weile lang dazu zu gehören, war sie gerne bereit, ihn zu zahlen.
Plötzlich zuckte ein stechender Schmerz durch Mays rechten Unterschenkel. Sie keuchte auf, ihre Bewegungen gerieten aus dem Takt, und sie tauchte unter. Bitteres Wasser füllte ihren Mund, das sie angewidert ausspie, als sie wieder auftauchte.
Wie ein Hund begann May mühsam auf der Stelle zu paddeln. Der Schmerz in ihrer Wade trieb ihr Tränen in die Augen, und sie versuchte den Krampf zu lösen, indem sie ihr Bein mit einer Hand massierte.
Das hatte jedoch zur Folge, dass sie sich kaum noch über Wasser halten konnte. Immer wieder tauchte sie unter, schluckte Wasser und würgte. Panik begann in ihr aufzusteigen.
Mein Gott, ich schaffe es nicht! Ich werde ertrinken!
Angsterfüllt warf sie sich im Wasser herum und versuchte verzweifelt, die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken, die noch immer am Ufer des Sees standen und ihr hinterhersahen.
„Hilfe! Sie wollte schreien, brachte aber kaum mehr als ein heiseres Krächzen hervor. „So helft mir doch! Ihr könnt mich doch nicht einfach ertrinken lassen!
Doch sie war schon zu weit vom Ufer entfernt, als dass einer von ihnen sie hätte hören können. Wahrscheinlich konnten sie May nicht einmal mehr richtig sehen und warteten bloß darauf, auf der Insel inmitten des Sees das Feuerzeug aufblitzen zu sehen.
Dazu sollte es jedoch niemals kommen.
May spürte, wie ihre Kräfte zu erlahmen begannen. Seltsamerweise hatte sie jetzt kaum noch Angst. Sie wusste, dass sie sterben würde, doch der Gedanke barg keinen Schrecken mehr für May. Eine innere Ruhe erfüllte sie. Sie fror nicht einmal mehr.
Sie wusste nicht, dass es nur die Kälte war, die sie so ruhig und friedlich fühlen ließ. Ihre Körpertemperatur war inzwischen auf unter dreiunddreißig Grad Celsius abgesunken. Doch selbst wenn May sich dieser Tatsachen bewusst gewesen wäre, hätte es sie nicht interessiert.
Ich sterbe …
Ein trauriges Lächeln glitt über ihr Gesicht. Wie gerne hätte sie wenigstens einmal dazugehört. Nur ein einziges Mal.
Das war ihr letzter Gedanke, bevor ihre Bewegungen erlahmten und sie versank. Eine Weile lang stiegen noch Luftbläschen zur Wasseroberfläche hinauf, wo sie lautlos zerplatzten. Zwei Minuten später erinnerte nichts mehr daran, dass May jemals existiert hatte. Glatt wie ein Spiegel lag die Oberfläche des Sees da.
Es dauerte weitere fünfzehn Minuten, bis die Jugendlichen, die am Ufer des Sees zurückgeblieben waren, sich langsam Sorgen machten. Dann noch einmal zehn, bis sich zwei von ihnen ins Wasser stürzten, um nach May zu suchen.
Vergeblich.
Am Ufer entbrannte ein Streit, doch am Ende einigte man sich darauf, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Für May war es ohnehin längst zu spät.
Ihr lebloser Körper schwebte schwerelos über dem Grund des Sees, von dem aus er erst in ein paar Tagen wieder aufsteigen und dann von zwei Anglern gefunden werden sollte, die sich ihren Fang für diesen Tag sicherlich ein bisschen anders ausgemalt hatten.
*
Zwei Jahre später.
„Mom, bitte!"
Regina „Reggie" Myers verdrehte genervt die Augen, als sich ihre Mutter lautstark in ihr Taschentuch schnäuzte, nur um im nächsten Moment schon wieder in Tränen auszubrechen. Wie oberpeinlich!
„Ich fahre doch bloß für drei Wochen ins Ferienlager!, versuchte sie ihre Mom zu beruhigen. „Du tust glatt so, als würdest du mich nie wiedersehen!
Mrs. Myers schluchzte herzzerreißend. „Versprichst du mir auch, gut auf dich aufzupassen, Honey?"
„Sicher, Mom. Aber ..."
„Und hör immer schön auf das, was euer Betreuer sagt, hörst du?"
„Mom! Ehrlich, ich ..."
„Und vergiss nicht, dir jeden Tag mindestens zweimal die Zähne zu ..."
„Mom, ich bin kein kleines Kind mehr, okay? Reggie schloss ihre Mutter in die Arme und drückte sie sanft. „In ein paar Wochen bin ich wieder zu Hause. Du wirst schon sehen, am Ende hast du kaum bemerkt, dass ich überhaupt weg war.
Mrs. Myers nickte, doch ihr kullerten noch immer dicke Tränen über die Wangen. Reggie stöhnte lautlos. Wenn doch bloß ihr Dad mitgekommen wäre! Er strahlte eine solche Ruhe und Gelassenheit aus, dass er es immer wieder mühelos schaffte, seine Frau zu beruhigen, einfach nur, indem er seinen Arm um sie legte. Doch leider befand er sich im Augenblick auf einer Geschäftsreise in Kalifornien, und Reggie hatte diese spezielle Fähigkeit leider nicht von ihm geerbt.
Ihre Mom tat ihr leid, trotzdem war sie fast ein wenig erleichtert, als der Busfahrer einige Male heftig auf die Hupe drückte, um zu signalisieren, dass jetzt gefälligst endlich auch die letzten Nachzügler einsteigen sollten.
Hilflos zuckte Reggie mit den Schultern. „Ich muss jetzt echt los, Mom."
„Ja, ich weiß. Ihre Mutter versuchte, einigermaßen gefasst zu wirken. Da ihre Augen schon wieder in Tränen schwammen, gelang es ihr nicht besonders gut. Noch einmal drückte sie ihre Tochter fest an sich. „Ich hab dich lieb. Pass gut auf dich auf, ja?
Reggie lächelte aufmunternd. „Mach dir keine Sorgen um mich, okay? Und ... Sie küsste ihre Mutter auf die Wange. „Ich hab dich auch lieb.
Dann drehte sie sich um und beeilte sich, in den Bus zu kommen. Mit einem erleichterten Schnaufen ließ sie sich in einen der weichen Sitze fallen.
„Na, hast du’s doch noch geschafft? Ihre Freundin C. C., die eigentlich Cindy Carlson hieß, ihren richtigen Namen aber abgrundtief verabscheute, grinste schief. „Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass sie dich noch gehen lässt.
„Du hast gut lachen! Reggie seufzte leicht genervt. „Ich versteh überhaupt nicht, warum sie so einen Aufstand macht. Mein Gott, ich bin fünfzehn, aber sie behandelt mich noch immer wie ein Baby!
„Mach dir nichts draus. Immerhin interessieren sich deine Eltern wenigstens für dich. Meinen Alten ist es völlig egal, was ich den lieben langen Tag über treibe, solange ich ihnen keinen Ärger mache."
Reggie nickte. C. C. hatte im Grunde ja recht, sie konnte mit ihren Eltern eigentlich ziemlich zufrieden sein. Auf jeden Fall hätte sie um nichts in der Welt mit C. C. tauschen mögen. Ihre Freundin konnte zwar wirklich tun und lassen, was immer sie wollte, andererseits verhielten sich ihre Eltern ihr gegenüber oft sehr gleichgültig, beinahe lieblos. Nein, auch wenn ihre Mom ihr mit ihrer übertriebenen Fürsorge manchmal ziemlich auf die Nerven ging, war Reggie doch froh, dass sie sie und ihren Dad hatte.
Der Bus fuhr an. Reggie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und atmete tief durch. Zwar hätte sie es nicht zugegeben, wenn sie jemand danach gefragt hätte, doch sie war total rappelig. Und das nicht ohne Grund: Immerhin lagen ganze drei Wochen in einem Sommercamp vor ihr.
Das mochte für sich genommen nicht sonderlich aufregend klingen. Viele Jugendliche in ihrem Alter nahmen in den Sommerferien an solchen Fahrten teil. Doch für Reggie war es das erste Mal, dass sie überhaupt ohne ihre Eltern verreiste. Bisher hatte ihre Mutter nämlich immer darauf bestanden, dass sie ihren Urlaub gemeinsam mit ihnen bei ihrer Tante Darcy in Florida verbrachten.
Nichts gegen Florida, wenn es Sonne, Sand und Meer bedeutete. Doch Reggies Tante wohnte in einem kleinen Ort namens Whitewater, und der lag ziemlich weit im Landesinneren. Abgesehen von ausgedehnten Sumpfgebieten und einer Hand voll Alligatoren gab es dort